Vortrag
Die Naturfrage bei Marx

von Götz Brandt

01/2020

trend
onlinezeitung

Berlin-Spandau am 5.1.2009

Wissenschaftlicher Lebensplan von Marx.

Das wissenschaftliche Werk, das Marx hinterlassen hat, war unvollständig. Er hatte sich sehr viel mehr vorgenommen. Während Marx im Kapital Band I den Produktionsprozess und im Band II den Zirkulationsprozess als abgeschlossene Untersuchung hinterlassen hat, wurden im Band III die „Grundrente“ und die „Lohnarbeit“ nicht vollendet und Engels musste bekanntlich die Edition besorgen.

Marx ursprünglicher Plan war aber, anschließend noch die Analyse des Staates, seine Möglichkeiten des politischen Klassenausgleichs und die Grenzen der Wirtschafts- und Sozialpolitik durch Staatseinfluss, die internationale Konkurrenz und Kolonisation sowie als Krönung der Untersuchungen die Weltwirtschaft zu behandeln und sein Werk abzurunden. In seinem Plan war also nur die ökonomische Analyse vorgesehen und es gibt keinen Plan einer ökologischen Analyse. Das war zur Lebenszeit von Marx noch kein akutes Thema.

Wir sind also, auch was seine Aussagen zur Natur anbetreffen, auf Textstellen und Zusammenhänge angewiesen, die sich in seinen ökonomischen Werken verstreut finden. Zitate haben es aber an sich, dass sie aus dem Zusammenhang des Textes gerissen werden. Mit Zitaten lässt sich bekanntlich trefflich streiten, wie aus dem „Faust“ bekannt. Wir müssen uns also hüten, zu viel hinein oder auch aus ihnen herauszulesen.

Gratisnaturproduktivkräfte

Im Zusammenhang mit seinen ökonomischen Studien zum Kapital hat sich Marx mit den Produktivkräften der Arbeit befasst. Er gab folgende Definition: „Die Produktivkraft der Arbeit ist durch mannigfache Umstände bestimmt, unter anderen durch den Durchschnittsgrad des Geschickes der Arbeiter, die Entwicklungsstufe der Wissenschaft und ihrer technologischen Anwendbarkeit, die gesellschaftliche Kombination des Produktionsprozesses, den Umfang und die Wirkungsfähigkeit der Produktionsmittel, und durch Naturverhältnisse“. Und weiter: „Wie die geschichtlich entwickelten gesellschaftlichen, so erscheinen die naturbedingten Produktivkräfte der Arbeit als Produktivkräfte des Kapitals“. „Naturelemente, die in die Produktion als Agentien eingehen ohne zu kosten, welche Rolle sie immer in der Produktion spielen mögen, gehen nicht als Bestandteil des Kapitals in sie ein, sondern als Gratisnaturproduktivkräfte des Kapitals, d. h. als eine Gratisnaturproduktivkraft der Arbeit, die sich aber auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise, wie alle Produktivkräfte, als Produktivkraft des Kapitals darstellt“. Damit hat Marx die Rolle der Natur im kapitalistischen Produktionsprozess klargestellt. Das Kapital nimmt auf Naturkräfte und Naturressourcen keinerlei Rücksicht, weil sie eben nichts kosten. Das ganze Gerede der Neoliberalen von „Naturkapital“ und „Humankapital“ soll nur die realen ökonomischen Verhältnisse verkleiden.

Engels Verständnis von Natur und Mensch.

Das heutige Thema beschränkt sich auf das Verhältnis von Marx zur Natur. Das Thema müsste aber auch die Ansichten von Friedrich Engels einschließen. Zwischen den Freunden gab es nämlich nicht nur einen regen Gedankenaustausch, sondern sie haben auch viele Veröffentlichungen gemeinsam verfasst. Engels hat sein Werk „Die Dialektik der Natur“ bereits in den Jahren 1878 bis 1883 erarbeitet, das Kapital wurde erst 1883 nach Marx Tod von Engels herausgegeben.

In seinem Werk „Die Dialektik der Natur“ hat Engels das Verhältnis von Mensch und Natur untersucht. Er sagte: „Wir beherrschen die Natur nicht, sondern wir gehören ihr an, stehen in ihr. Unser Vorzug als Menschen ist nur, dass wir ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden können. Schmeicheln wir uns indes nicht so sehr mit unseren menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. … wir werden mit jedem Schritt daran erinnert, dass wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außerhalb der Natur steht … Der Mensch ist ein Teil der Natur.“ Soweit Zitate von Engels. Er tritt mit diesen Stellungnahmen der damals weitverbreiteten Meinung entgegen, dass der Mensch als Krone der Schöpfung über die Natur herrscht und sie ihm untertan ist, so wie es in der Bibel steht.

Engels hatte auch schon erkannt, dass in antiken Ländern wie Mesopotamien, Kleinasien, Griechenland und Italien durch Abholzen der Wälder die Feuchtigkeitssammelstellen vernichtet und dadurch Ertragseinbußen und Überschwemmungen herbeigeführt wurden. Die Siege über die Natur haben sich in Niederlagen verwandelt. Bis heute hat sich am Verhalten der Menschen nichts geändert. Der Tropenwald wird abgeholzt.

Marx und die Umweltprobleme seiner Zeit.

Wenn wir Marx` Naturverständnis untersuchen wollen, dann muss berücksichtigt werden, dass er vor mehr als 150 Jahren gelebt hat. Frühindustrielle Umweltschäden beschränkten sich lokal oder regional auf die Umgebung einer Stadt oder Industrieregion. Weite Bereiche der Ökosysteme waren damals noch intakt und nicht beeinträchtigt. Flächendeckende Umweltschäden entstanden erst nach dem 1. Weltkrieg. Vielfach wirkte damals nur ein Giftstoff und man kannte den Verursacher. Heute kommt es zu komplexen Wirkungen durch Giftcoctails. Früher waren die Belästigungen durch Staub, Rauch, Ruß und Gestank sinnlich wahrnehmbar. Heute kommen nicht sinnlich wahrnehmbare Gase, Schwermetalle, giftige organische Verbindungen oder radioaktive Strahlen hinzu, die nur mit wissenschaftlichen Analysen feststellbar sind. Früher ging es um kurzfristige Schäden, heute um irreversible globale Dauerschäden und eine Überlastung der Natur. Ich will damit sagen, dass Umweltprobleme, wie sie nach dem 2. Weltkrieg entstanden, für Marx unbekannt waren. Damals konnte man aus der Natur und den Ressourcen aus dem Vollen schöpfen, ein Ende war nicht absehbar und beim damaligen Niveau der Industrieproduktion nicht vorstellbar.

Mensch und Natur bei Marx.

Muss sich Marx nun den Vorwurf von Hans Immler (Marx und die Naturfrage, 1984) gefallen lassen, er hätte die „Natur“ bei der Analyse der kapitalistischen Warenproduktion eliminiert und nicht berücksichtigt, er wäre vom Prinzip der „Naturkonstanz“, wie bei Ricardo, ausgegangen und hätte die Natur als ewig und unerschöpflich angesehen? Das wäre auch der Grund gewesen, weshalb sich die sozialistischen Länder um ökologische Probleme nicht gekümmert hätten und bei der Industrialisierung und dem Wirtschaftswachstum noch größere Umweltschäden angerichtet hätten als die kapitalistischen Länder. Die sozialistischen Länder wären nur eine Spielart des Staatskapitalismus gewesen. Hat Immler recht?

Bereits in seinen Frühschriften hat sich Marx zum Verhältnis von Mensch und Natur geäußert: „Das praktische Erzeugen einer gegenständlichen Welt, die Bearbeitung der unorganischen Natur ist die Bewährung des Menschen als eines bewussten Gattungswesens … Diese Produktion ist sein werktätiges Gattungsleben. Durch sie erscheint die Natur als sein Werk und seine Wirklichkeit“ (MEW I, S.516f). Damit wird die schöpferische Potenz des Menschen in der Naturbeherrschung gekennzeichnet, wie er mit den von ihm entwickelten Produktivkräften die Welt verändert.

Andererseits hat Marx erkannt, dass sich der Mensch nicht von der Natur lösen kann und ihr immer verhaftet bleibt: „Der Mensch lebt von der Natur, heißt: Die Natur ist sein Leib, mit dem er in beständigem Prozess bleiben muss, um nicht zu sterben. Dass das physische und geistige Leben des Menschen mit Natur zusammenhängt, hat keinen anderen Sinn, als dass die Natur mit sich selbst zusammenhängt, denn der Mensch ist ein Teil der Natur“ (MEW EI, S.516). Damit ist klar, dass für Marx die „werktätige“ produktive Tätigkeit des Menschen zugleich immer ein Teil der Produktivität der Natur bleibt. Marx versteht die Gesellschaft als dialektisches Verhältnis von Mensch und Natur. Das formuliert er so: „Die Arbeit ist nicht die Quelle alles Reichtums. Die Natur ist ebenso die Quelle der Gebrauchswerte (und aus solchen besteht doch wohl der sachliche Reichtum!) als die Arbeit, die selbst nur die Äußerung einer Naturkraft ist, der menschlichen Arbeitskraft“ (Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, S.15).

Entfremdung des Menschen von der Natur.

In der heutigen kapitalistischen gesellschaftlichen Praxis ist das Verhältnis von Mensch und Natur durch eine zunehmende Entfremdung gekennzeichnet. Zur Entfremdung im Kapitalismusäußert sich Marx, wie folgt: „Indem die entfremdete Arbeit dem Menschen 1. die Natur entfremdet, 2. sich selbst, seine eigene tätige Funktion, seine Lebenstätigkeit, so entfremdet sie dem Menschen die Gattung; sie macht ihm das Gattungsleben zum Mittel des individuellen Lebens. Die entfremdete Arbeit macht also: 3. das Gattungswesen des Menschen, sowohl die Natur als sein geistiges Gattungsvermögen, zu einem ihm fremden Wesen, zum Mittel seiner individuellen Existenz. Sie entfremdet dem Menschen seinen eigenen Leib, wie die Natur außer ihm, wie sein geistiges Leben, sein menschliches Wesen“ (MEW E1; S.516).

Erst, wenn die kapitalistischen Produktionsverhältnisse beseitigt sind und eine solidarische Gesellschaft entstanden ist, kann diese Entfremdung aufgehoben werden. Marx sagte dazu: „Der Kommunismus als positive Aufhebung des Privateigentums als menschlicher Selbstentfremdung … ist die wahrhafte Auflösung des Widerstreits zwischen dem Menschen mit der Natur und mit dem Menschen“ ( MEW E1, S.536). In einer solidarischen Gesellschaft wird das Verhältnis zwischen Produktion und Natur neu geordnet: „Also die Gesellschaft ist die vollendete Wesenseinheit des Menschen mit der Natur, die wahre Resurrektion (Auferstehung) der Natur, der durchgeführte Naturalismus des Menschen und dadurch geführte Humanismus der Natur“ (MEW E1; S.538). Wenn dieser Zustand erreicht ist, sind Mensch und Natur ausgesöhnt. Mit diesen Zitaten aus Marx Frühwerk „Ökonomisch-philosophische Manuskripte“ wird grundsätzlich klar, dass Marx das Ziel gestellt hatte, dass die Menschen mit der Natur eine `bewusste Allianz` (Bloch) eingehen und deshalb das kapitalistische System der Entfremdung überwinden müssen.

Hubert Fetzer hat Marx wie folgt interpretiert: „In diesem Sinne besteht der sozialistische Transformationsprozess darin, gesellschaftliche Verhältnisse zu schaffen, in denen sowohl die Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen als auch die Zerstörung der Natur durch den Menschen überwunden sind. Der Mensch kann nicht frei sein, ohne dass der Naturzerstörung Einhalt geboten wird. Die Naturzerstörung hört nicht auf, solange der Mensch unfrei ist. Diese Dialektik muss Bestandteil jeglichen sozialistischen Gesellschaftsentwurfs sein“.

Kapitalismus zerstört die Erde.

In seinem Werk, „Kritik der politischen Ökonomie“ erklärt Marx den grundlegenden Widerspruch der kapitalistischen Produktionsweise gegenüber der lebendigen Arbeit und der lebendigen Natur. Marx hat die kapitalistische Produktionsweise und die Werteökonomie grundsätzlich abgelehnt, weil sie „die Springquellen allen Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter“ (MEW 23; S.529F).

Insbesondere die Einführung der maschinellen Produktion ruiniert die Natur. Marx sagt dazu: „Große Industrie und industriell betriebene große Agrikultur wirken zusammen. Wenn sie sich ursprünglich dadurch scheiden, dass die erste mehr die Arbeitskraft des Menschen, letztere mehr direkt die Naturkraft des Bodens verwüstet und ruiniert, so reichen sich später im Fortgang beide die Hand, in dem das industrielle System auf dem Land auch die Arbeiter entkräftet, und Industrie und Handel ihrerseits der Agrikultur die Mittel zur Erschöpfung des Bodens verschaffen“ (MEW Bd.23, S. 580). Welch prophetische Voraussicht auf die heutige industrielle Landwirtschaft mit ihrer Überdüngung der Böden, Pestizideinsatz auf den Feldern, dem Hormoneinsatz bei den Tieren, den genmanipulierten Pflanzen auf den Feldern, der Massentierhaltung usw.

Marx hat auch erkannt und nachgewiesen, dass weder durch wissenschaftlich-technische noch durch politisch-staatliche Gegenmaßnahmen dieser doppelte Widerspruch der kapitalistischen Produktionsweise gegenüber der Arbeit und der Natur grundlegend behoben werden kann, da dieser Widerspruch in der Formbestimmtheit dieser Produktionsweise selbst verwurzelt ist und auch alle ihre Instrumente durchherrscht (Schmied-Kowarzik, Marx und die Naturfrage, 1984).

Insofern wollte Marx genau das Gegenteil, was die „Grünen“ heute wollen, nämlich die Naturzerstörung im Kapitalismus etwas abzubremsen. Marx ist bewusst, dass die sich zuspitzende Entfremdung von gesellschaftlicher Produktion und Natur nicht ein naturnotwendiger, unaufhebbarer Konflikt zwischen Mensch und Natur ist, sondern durch gesellschaftliche Praxis selbst hervorgebracht ist und daher auch grundsätzlich durch die revolutionäre Praxis derer aufgehoben werden, kann, denen bewusst geworden ist, dass nur noch eine grundsätzliche Umkehr uns retten kann (Schmied-Kowarzik).

Wachstum und Naturressourcen.

Nun wird Marx unterstellt, er wäre ein Propagandist ungehemmter industrieller Produktivkraftentwicklung und Naturbeherrschung gewesen, weil er bei Aufhebung der hemmenden kapitalistischen Produktionsverhältnisse eine unbeschränkte Entwicklung der Produktivkräfte voraussah. Deshalb wurde auch in der DDR der „wissenschaftlich-technische Fortschritt“ in den Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik gestellt („Überholen, ohne einzuholen“). Aber damit wird Marx ebenfalls unrecht getan.

Marx stellte zwar fest, dass Wissenschaft und Technik die menschlichen Wesenskräfte in der Bearbeitung der Natur und der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens entfalten, dass aber unter dem gegenwärtigen Diktat des Kapitals diese Produktivkräfte der Ausbeutung der Arbeiter dienen und sie „die wirkliche Verachtung, die praktische Herabwürdigung der Natur“ betreiben“ (MEW 1; S. 375).

Marx ahnte bereits, obwohl damals noch nicht absehbar, dass das kapitalistische Industriesystem zu „vorzeitiger Überanstrengung und Erschöpfung durch Störung des Gleichgewichts“ führt, wodurch die Zukunft realiter … verwüstet wird“ (MEW 26/3; S.303) Und diese Erkenntnis hatte Marx schon vor über 150 Jahren, als die Natur noch dem Kapitalisten kostenlos, wertlos, beliebig und scheinbar unbegrenzt zur Verfügung stand und jeder zulangen konnte und Natur in beliebiger Qualität und Quantität konsumieren konnte (Immler, H.).

Und diese Auffassung von der Unendlichkeit der Natur wird heute praktisch angewendet, indem die industrielle Produktionsmaschine zu immer größeren Produktionsmengen angetrieben wird, obwohl der Club of Rome schon vor 30 Jahren das „Ende des Wachstums“ angekündigt hatte. Die Gratisnaturproduktivkräfte der Arbeit, die sich das Kapital einverleiben kann, werden nachlassen und versiegen. Das Ende der kapitalistischen Produktionsweise wird kommen, „wenn eine zerstörte Natur bei aller Arbeitsaufwendung gerade noch die Reproduktion der Arbeitskraft zuließe und keine Minute Mehrarbeit geleistet werden kann“ (Immler, H.)

Systemwechsel rettet Natur und Zivilisation.

Bereits Marx hat den Weg aus dieser realen Gefahr eines Rückfalls in die Barbarei gewiesen und der LINKEN das strategische Ziel vorgegeben, dass „vom Standpunkt einer höheren ökonomischen Gesellschaftsformation das Privateigentum einzelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen wird, wie das Privateigentum eines Menschen an einem anderen Menschen. Selbst die ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammen genommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer und haben sie als boni patres familias (gute Familienväter) den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen(MEW 25; S. 782).

Wenn es der LINKEN als einzige politische Kraft, die einen gesellschaftlichen Strukturwandel anstrebt, nicht gelingen wird, diese revolutionäre Umkehr auf den Weg zu bringen, dann wird der kapitalistische Selbstzerstörungsprozess zu einem Rückfall in die Barbarei führen. Der LINKEN muss auch klar sein, dass der „reale Sozialismus“ auch nur eine auf Wachstum bedachte Industriegesellschaft war und eine Natur zerstörende Ökonomie hatte, also im Verhältnis zur Natur keine bessere Rolle gespielt hat als der Kapitalismus und „das gesellschaftliche Ziel einer humanisierten Natur weder im Realsozialismus noch im Kapitalismus erreichbar“ wäre (Immler, H.). Auch Bahro hat kritisiert, dass die Forderung nach einer unendlich erweiterten Reproduktion der Gesellschaft heute nicht mehr haltbar ist. Eine ständig vermehrte Produktion kann weder im Kapitalismus noch im Sozialismus realisiert werden, die Tragfähigkeit der Natur setzt die Grenze.

Inzwischen ist vielen Menschen klar geworden, dass die sozialen Kämpfe um mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft immer mehr zurücktreten vor dem Problem des ökologischen Kollapses der kapitalistischen Produktionsweise, dass es generell um das Überleben der Menschheit geht und es Arme und Reiche, Gerechte und Ungerechte treffen wird.

Marx hatte nachgewiesen, „dass die bestehende kapitalistische Ökonomie aufgrund ihrer verkehrten Logik die lebendige Arbeit und die lebendige Natur ignorieren, ja negieren muss, sodass erst nach einer revolutionären Aufhebung dieser verkehrten ökonomischen Basis, die vereinigt handelnden Produzenten einer befreiten Gesellschaft in der Lagesein werden, ihre Lebensverhältnisse von der lebendigen Arbeit und der lebendigen Natur her gestalten zu können“(Schmied-Kowarzik).

Standpunkte der Ökologischen Plattform bei der LINKEN zur Naturfrage.

Die Ökologischen Plattform bei der LINKEN macht sich Marx Lehren zu Eigen und hat erkannt, dass keinerlei politisch-staatliche Reformen oder wissenschaftlich-technische Eingriffe das Natur zerstörende Wesen des Kapitalismus ändern können und nur die grundlegende Revolutionierung jeglicher Wertökonomie auf der Tagesordnung steht.

Es ist die kapitalistische Produktion, die den industriellen Prozess entwickelt hat, „indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt, die Erde und den Arbeiter“ (MEW Bd. 23, S.530).

Die Mehrheit der Genossen und vor allem die Politiker der LINKEN haben diese Zusammenhänge noch nicht verinnerlicht und das Kommunistische Manifest noch nicht zur Grundlage der täglichen Arbeit gemacht: entweder revolutionäre Aufhebung der gesamten ökonomischen Basis in ihrer gegenwärtigen wertbestimmten Gestalt oder Rückfall in die Barbarei, den „gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen“ (MEW 4; S. 462).

Einen Neuanfang wird es nach einem solchen gemeinsamen Untergang nicht mehr geben, die Menschheit hat nur geringe Überlebenschancen, denn die profitgetriebene „industrielle Produktionsweise wird nicht eher in ihrer Naturausbeutung und Naturzerstörung gebremst werden, bis sie an Grenzen stößt – die absolute Grenze erschöpfter Rohstoffquellen …“ (Schmied-Kowarzik).

Literatur:

Bahro, Rudolf: Denker, Reformator, Homo politicus. 2007. S.61
Engels, Friedrich: Dialektik der Natur. Bücherei des Marxismus – Leninismus. Bd.18. S. 190 f
Fetzer, Hubert: Klimawandel und Sozialismus. In UTOPIE konkret, H. 213/214, S.705
Immler, Hans: Marx und die Naturfrage. 1984
Marx, Karl: Kritik des Gothaer Programms. MEW Bd. 19, S.15
Ökonomisch-Philosophische Manuskripte. MEW E 1, S. 516 und 536 ff
Kritik der Politischen Ökonomie. MEW Bd. 23, S. 529 f
Das Kapital Bd. 3 MEW Bd. 25, S. 821
Schmied-Kowarzik: Marx und die Naturfrage. 1984

Quelle: https://www.oekologische-plattform.de/2009/01/die-naturfrage-bei-marx/

Der Autor ist Mitglied des Sprecherrats der Ökologischen Plattform