Betrieb & Gewerkschaft
Thyssenkrupp-Stahl
Werksschließungen und Arbeitsplatzabbau

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on Dietmar Gaisenkersting

01/2020

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14. Dezember 2019

Stückchenweise wird das ganze Ausmaß des geplanten Abbaus bei Thyssenkrupp-Stahl offensichtlich. Am Standort Bochum verlieren 1200 Arbeiter ihren Job. Das gleiche Schicksal droht den 800 Stahlarbeitern im Duisburger Süden.

Nachdem in der letzten Woche fast täglich Beschäftigte von Thyssenkrupp für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstriert haben, finden Standort für Standort Betriebsversammlungen statt, in denen der Vorstand den jeweiligen Beschäftigten die Hiobsbotschaften überbringt. Die IG Metall schweigt und macht deutlich, dass sie jeden gemeinsamen Kampf der Stahlarbeiter zur prinzipiellen Verteidigung aller Arbeitsplätze verhindern will.

Am Dienstag letzter Woche protestierten mehrere Tausend Stahlarbeiter vor der Duisburger Zentrale des Stahlkonzerns. Anschließend traf sich der Aufsichtsrat zu einer Sitzung, auf der der Vorstand sein Konzept zum Umbau des Stahlbereichs vorlegte. Wochen- und monatelang hatte die IG Metall behauptet, sie würde vom Konzern nicht über die weiteren Schritte unterrichtet. In Wahrheit sind IG Metall und Betriebsrat auf allen Ebenen eingebunden. Nicht nur der Arbeitsplatzabbau wurde mit den Gewerkschaftsvertretern vereinbart, sondern auch die Salamitaktik mit der er bekannt gemacht wird, um die Belegschaften gegeneinander auszuspielen. Die Verunsicherung der Beschäftigten ist gewollt.

Vorstandschef Premal Desai erläuterte an mehreren Standorten die Konsequenzen des radikalen Umbau-Konzepts. Er sprach in Dortmund und Siegen, wo zunächst kein Abbau geplant sei. Das gelte angeblich auch für das Elektrostahlwerk in Gelsenkirchen. Doch im Stahlkonzept des Vorstands soll die gesamte Elektrostahlproduktion infrage gestellt sein. Es ist also gut möglich, dass den Gelsenkirchener Stahlarbeitern auch noch ein böses Erwachen bevorsteht.

Die Bochumer Stahlarbeiter wurden am Mittwoch von Desai darüber informiert, dass ihre Warmbreitbandstraße Ende 2024 stillgelegt wird, das Elektrostahlwerk nur ein Jahr länger produziert. Geht es nach dem Willen des Vorstands und der Aktionäre sind 2025 zwei Produktionslinien am Standort aufgelöst. In Bochum arbeiten mehr als 2500 Beschäftigte, mindestens 1200 würden von den Stilllegungen betroffen sein.

Schlechte Nachrichten erwarten auch die Stahlarbeiter im Duisburger Süden und bei der Tochter Rasselstein in Andernach und Mayen. Am Montag kommen die rund 2400 Arbeiter des Weißblech-Werks der Rasselstein-Tochter zu einer Betriebsversammlung zusammen, am Dienstag die etwa 800 Stahlarbeiter des Grobblechwerks in Duisburg Huckingen. Über dem Werk im Duisburger Süden hängt schon seit Jahren die Schließung wie ein Damoklesschwert. Seit Juli sind die „Sanierer“ der Unternehmensberatergesellschaft Roland Berger im Werk und bereiten die Argumente für einen radikalen Umbau oder die Schließung vor.

Denn auch hier blieben seit Jahren die Investitionen aus. Im vergangenen Geschäftsjahr habe man einen Verlust von fast 64 Millionen Euro verbuchen müssen. Das Werk sei nur noch der sechstgrößte Produzent in Europa. Eine endgültige Entscheidung über das Los des Werks soll im ersten Quartal des kommenden Jahres fallen.

Unter der Überschrift „Performance“ soll es für die Grobblechproduktion im Stahlkonzept aber schon jetzt heißen, dass sich „eine Weiterführung alleine im Konzernverbund als deutlich unrealistischer“ darstelle als beim Elektrostahl. Bekanntlich wird bereits dessen Produktion gänzlich in Frage gestellt.

Die Kapazitäten, die in Bochum abgebaut werden, sollen im Stammwerk im Duisburger Norden übernommen werden. Dazu seien hohe Investitionen notwendig. Stahlarbeiter berichten der WSWS schon seit Jahren, dass die Investitionen nicht getätigt werden und die Werke veraltet sind. Daher falle häufig die Produktion aus, die Qualität lasse nach.

Die Beschäftigten sahen die fehlenden Investitionen immer als den sichersten Hinweis darauf an, dass ihre Arbeitsplätze keine Zukunft haben.

Um den Verkauf der Aufzugsparte zu rechtfertigen, wird nun angekündigt, dass ein Großteil des Erlöses im Werk Duisburg Nord investiert werde. Die Aufzugsparte ist seit Jahren der profitabelste Bereich des Industriekonzerns. Nun soll das „Tafelsilber“ an die Börse gebracht werden und ganz oder teilweise verkauft werden. Auch hier soll eine Entscheidung in den nächsten drei Monaten fallen.

Die IG Metall unterstützt alle Pläne, auch den Verkauf des profitabelsten Bereichs. Sie hat in Verhandlungen angeblich die Zusicherung des Konzerns erhalten, dass bei einem Börsengang oder Verkauf der Aufzugsparte „Tarifbindungen und Mitbestimmungsstrukturen fortgeführt werden“. Die Sorge um die eigenen Pfründe – das meint die IG Metall, wenn sie von „Mitbestimmung“ spricht – stand schon bei den Verhandlungen über die letztlich gescheiterte Fusion mit Tata Steel im Vordergrund. Daher freute sich die IGM nun mitteilen zu können, dass sich Thyssenkrupp verpflichtet habe, einen zukünftigen Besitzer zu verpflichten, mit Betriebsrat und Gewerkschaft einen Standort- und Beschäftigungssicherungsvertrag auszuarbeiten.

So wollen IG Metall und Betriebsräte sicherstellen, dass sie auch weiterhin in die Umsetzung des Konzernumbaus eingebunden sind. Denn die Gewerkschaft und ihre betrieblichen Vertreter fungiert als Betriebspolizei, die ihre Posten und Gelder von den Konzernen erhält, weil sie die Angriffe auf die Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen durchsetzen.

Das abgekartete Spiel ist mittlerweile gut bekannt. Die IGM-Betriebsräte haben das Strategiepapier des Vorstands und sind über alle darin befindlichen Angriffe im Bilde. Damit sich kein Protest über alle Standorte hinweg entwickelt, überlassen sie es dem Vorstand, auf Betriebsversammlungen den Beschäftigten die Konsequenzen zu erklären. Dort regen sich dann die jeweiligen Betriebsräte darüber auf, dass ihre Fragen nicht beantwortet werden. So spielt sich der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Ergin Karakurt nach der Betriebsversammlung am Mittwoch empört auf: „Wir haben viele Fragen, von denen heute noch längst nicht alle beantwortet werden konnten.“

Vielleicht sollte er seinen ehemaligen Gewerkschaftskumpan, Oliver Burkhard, fragen. Der frühere nordrhein-westfälische IG-Metall-Chef und jetzige Personalvorstand des Gesamtkonzerns hat alle Pläne und spielt eine Schlüsselrolle beim Thyssenkrupp-Arbeitsplatzabbau. Dafür wir er fürstlich bezahlt und ist Einkommensmillionär

In einem Interview mit der Regionalpresse hatte er letzte Woche angedeutet, wohin die Reise geht. Es stehe „ein großer Umbruch bevor“, die Lage sei angespannt. „Wir drücken aufs Gas. Das erste Quartal im neuen Jahr wird wegweisend für die Zukunft von Thyssenkrupp.“

Falls „wir die Grobblech-Einheit verkaufen, sanieren oder auflösen“, so der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär, „werden wir uns bemühen, den dortigen Beschäftigten andere Arbeitsplätze anzubieten“.

Eine Woche bevor die Stahlarbeiter in Bochum von ihrem Schicksal erfuhren, hatte Burkhard noch so getan, als wäre das nicht schon längst besiegelt. Aber auch hier beschwichtigte er: „Auch die Mitarbeitenden dort werden wir an anderer Stelle beschäftigen können.“ Er könne zwar betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen, aber im Stahl habe es seit 60 Jahren keine betriebsbedingten Kündigungen gegeben. Mitarbeiter müssten dann halt aus Bochum nach Duisburg wechseln „oder auch von Duisburg nach Bochum“. Er werde „von unseren Mitarbeitern mehr Flexibilität einfordern müssen“.

Er fuhr fort und drohte: „Mittel für Investitionen bekommt nicht der, der am lautesten ist, sondern wer am besten belegen kann, dass das Geld sinnvoll angelegt ist. Wir haben den Anspruch, dass alle Geschäfte ihre Investitionen absehbar selbst erwirtschaften können.“

Das alles ist ein widerwärtiges Spiel mit verteilten Rollen. Die IG Metall sorgt dafür, dass die Sorgen und die Wut der Belegschaften in harmlose Trillerpfeifen-Proteste münden, die Gewerkschafts- und Betriebsratsvertreter in Vorstand und Aufsichtsrat handeln mit ihren ehemaligen Kollegen derweil die Kürzungen aus und versuchen den Arbeitern das alles auch noch schmackhaft zu machen, weil „betriebsbedingte Kündigungen“ vermieden werden.

Es wird Zeit den Handlangern der Konzernleitung entgegenzutreten und die Verteidigung der Arbeitsplätze selbst in die Hand zu nehmen. Dazu sind als erstes neue Kampforganisationen und der Aufbau von Aktionskomitees notwendig, die von den Arbeitern selbst kontrolliert werden. IGM-Betriebsräte dürfen darin nichts zu suchen haben. Diese Aktionskomitees müssen für die breiteste Mobilisierung der Arbeiterklasse in Deutschland, Europa und international kämpfen und zum Ausgangspunkt für eine politische Offensive auf der Grundlage eines sozialistischen Programms werden. Kontaktiert uns, um die ernsthafte Verteidigung von Arbeitsplätzen und Löhnen vorzubereiten.

Quelle: https://www.wsws.org/de/articles/2019/12/14/tkse-d14.html

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