Betrieb & Gewerkschaft

Ford Köln
Ein abgekartetes Spiel

Ein Ford-Arbeiter aus Köln

01/2019

trend
onlinezeitung

5. Januar 2019

Kurz vor der Sommerpause hatte Ford Europa über die Presse und Umwege die Nachricht verbreitet, dass es dem Unternehmen in Europa nicht gut gehe und das Unternehmen „große Verluste“ einfahre. Diese Information über die „großen Verluste“ wurde immer wieder im Betrieb kommuniziert, aber konkrete Pläne für Deutschland wurden keineswegs laut mitgeteilt. Der Gesamtbetriebsrat beschuldigte die Manager, für die Verluste die Verantwortung zu tragen und forderte einen Fahrplan für die kommende Zeit. Bis zur letzten Betriebsversammlung sprach die Unternehmensführung mit keinerlei Silbe davon, Arbeitsplätze abzubauen und Kollegen zu kündigen. Doch immer wieder wurde in Zwischen- und Halbsätzen in den Raum geworfen, dass in manchen Abteilungen zu viele Arbeitskräfte seien. Wir haben in dieser Zeit gesehen und begriffen, dass der Betriebsrat keine anständige Aufklärungsarbeit unter den Kollegen macht, den Ball immer zu den Managern passt und trotz der Information, dass Kollegen in manchen Sektoren und Abteilungen kurz vor der Kündigung stehen, keinerlei Anstalten unternimmt, Widerstand zu organisieren!

Die letzte Betriebsversammlung war rappelvoll, da sehr viele Kollegen aus allen Bereichen erschienen waren. Die Kollegen haben Angst wegen ihren Stellen und der Zukunft. Ein Tag vor unserer Versammlung in Köln hatte Ford bekannt gegeben, dass am Produktionsstandort des Ford Focus in Saarlouis 1600 Kollegen entlassen werden sollten. Gunnar Herrmann, Vorsitzender der Geschäftsführung Ford Werke GmbH, erklärte, dass die Automobilindustrie sich vor einer großen Veränderung befinde, nach Auswegen suche und bisher kein Rezept entwickelt oder keine großen Schritte unternommen habe. Wer wettbewerbsfähig sei, werde es überleben, der Rest würde verlieren. Schon diese Erklärung gab Hinweise darauf, wie der Rechenschaftsbericht aussehen würde. Hermann erklärte weiter, dass in Zukunft weniger Dieselfahrzeuge und mehr Elektroautos produziert würden. Er „krönte“ seine Rede mit der Bekanntgabe, dass General Motors beabsichtige, 15.000 Kolleginnen und Kollegen zu entlassen. Dann kam er zu dem Punkt, was Ford Europa plane. Laut Bericht hat Ford 2018 245 Millionen Euro Verluste eingefahren. Der Grund hierfür sei der Brexit in Großbritannien und damit der sich ändernde Wechselkurs und der starke Abfall der Lira in der Türkei als einem der sehr wichtigen Absatzmärkte. Auch habe man in Russland keinen guten Stand gehabt und habe deswegen die Zahlen bereits vorher korrigiert. Ein weiterer wichtiger Grund sei, dass die Produktionskosten hoch seien, dass man zu viel vom Ford Focus erwarte und Ford im allgemeinen Marktanteile in Europa verloren habe. Er kündigte gravierende Maßnahmen an und gab bekannt, Anfang des neuen Jahres die bereits beschlossenen Pläne mit der Öffentlichkeit zu teilen. Vor Köln würden in Saarlouis 1600 Stellen abgebaut werden, man werde auf ein Zwei-Schichten-Modell herunterfahren, und C-Max werde nicht mehr produziert. Immer wieder betonte er gravierende Änderungen, ohne konkret zu werden aber erklärte, dass die Zahl der Kolleginnen und Kollegen zu hoch sei und die Lösung nur hier angesetzt werden könne. 1451 Kolleginnen und Kollegen der Kölner Werke, die sich im Frührentenalter befänden, sollen sich umgehend im Personalbüro melden. Also lange Rede kurzer Sinn: Innerhalb von ca. 3 Jahren könnten 3-4 Tausend Stellen mit einem Frührentenmodell abgebaut werden. Weiterhin erklärte er, dass 60 befristete Stellen nicht verlängert würden und 11 Azubis ebenfalls nicht übernommen werden. Der letzte Punkt umfasste den Krankenstand in den Ford-Werken. Europaweit sei der Krankenstand durchschnittlich 4 Tage, in den Kölner Werken 14 Tage, das werde man nicht weiter tolerieren. Leute, die sich nach Lust und Laune krank meldeten, würden auch den Kolleginnen und Kollegen schaden. Herrmann drohte somit indirekt allen Kollegen.

Anschließend sprach der Vorsitzende des Betriebsrates, Martin Hennig, und erklärte, dass es zu begrüßen sei, dass Zukunftspläne auf den Tisch gelegt würden, auch wenn es für die Kollegen nichts Gutes bedeute.

Meine Schlussfolgerung: Ein abgekartetes Spiel! Der Betriebsrat schränkte sich bei seiner Kritik nur auf die Manager ein. Kein einziges Wort darüber, was man gegen diese Ankündigungen machen wolle und welche Kämpfe man führen wolle. Schlimmer noch: Er forderte die Kollegen noch auf, sich nicht entzweien zu lassen und mit der Führung gemeinsame Schritte zu unternehmen. Er sagte: „Manche von denen, die uns entzweien wollen, haben vor dem Saal den Streik als Lösung aufgeschrieben. Das gleiche haben die auch bei Opel in Bochum versucht. Was ist passiert? Die Arbeiter haben erneut verloren!“ War Martin sich im Klaren darüber, wie unpassend seine Worte waren? Mindestens 10 Kollegen ergriffen nach ihm das Wort, kritisierten die Firmenführung und griffen sie an und sagten, dass man nur mit einem Kampf Erfolge erzielen könne. Die Lösung wird nicht die Gewerkschaftsführung bringen, die haben keinen Fahrplan für die Zukunft. Was Arbeitgeber als Veränderung anpreisen, sollen die Belegschaften ausbaden. Und die Betriebsversammlung hat gezeigt: Die Entwicklungen dürfen nicht zu Unmut und Resignation bei den Kolleginnen und Kollegen führen.

Quelle: ARBEIT ZUKUNFT online


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