Bernard Schmid  berichtet aus Frankreich

Zur Lage des PCF (der Französischen kommunistischen Partei)

01/2019

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Grün ist die Farbe der Hoffnung, dachte man sich vielleicht jüngst auch beim Parti communiste français (PCF), also bei der Französischen Kommunistischen Partei. Die im Jahr 1920 auf dem quasi-sprichwörtlich gewordenen „Kongress von Tours“ gegründete Partei, deren einhunderster Geburtstag im kommenden Jahr ansteht, war bislang nicht unbedingt für ihre Pionierrolle in Sachen Ökologie bekannt. Eher im Gegenteil – rauchende Schornsteine galten ihr lange Zeit quasi als Inbegriff des Fortschritts und des Proletariats, auch wenn sich die Mentalitäten allmählich zu wandeln begannen. Und Perspektiven für einen Ausstieg aus der Atomkraft werden - zumindest in Teilen der Französischen KP, nicht unbedingt in der jüngeren Generation - bis heute mit melodramatischen Tönen als Beweis für den Niedergang von Industrie und Fortschrittsorientierung besprochen.

Doch auf ihrem jüngsten Parteitag, welcher Ende November dieses Jahres in der Pariser Vorstadt Ivry-sur-Seine stattfand, ist eine gewisse Wandlung eingetreten. Ging es dort doch auch darum, das alte Parteilogo auszutauschen und einen Beschluss zur Erneuerung der Symbolik zu verabschieden. Hammer und Sichel waren bereits 1994 aus dem Emblem verschwunden; einzelne Orts- und Kreisverbände tun allerdings noch immer so, als wüssten sie nichts von dem Beschluss. Nun sollte auch der fünfzackige rote Stern weichen. Allerdings bleibt er nach dem jüngsten Beschluss bestehen, als Silhouette – die Innenfläche ist weiß, die Umrisse bleiben rot oder rötlich -, und aus dieser keimt in der rechten oberen Ecke ein Blatt. Dies soll einerseits in gewissem Sinne die Idee verkörpern, dass es sich bei der Partei nicht um einen abgesägten Baumstumpf handelt, dessen Blätterwerk mit dem Niedergang des „real existierenden Sozialismus“ 1989-1991 fiel, sondern dass neues Leben aus ihr aufkeimt. Andererseits soll es auch bedeuten, dass man sich zu einer stärkeren Hinwendung zur Ökologie bekennt.

Das wäre aber auch Zeit gewesen. Andere politische Akteure in ihrem Umfeld waren ihr da voraus. Die derzeit in der etablierten oder parteiförmigen Linken hegemonial wirkende Wahlplattform La France insoumise (LFI, „Das unbeugsame Frankreich“) unter Jean-Luc Mélenchon ist zwar aus progressiver Sicht in mancherlei Hinsicht kritikwürdig, das betrifft unter anderem den seit zwei Jahren immer dicker aufgetragenen Linkspatriotismus – Mélenchon nennt Frankreich in seinen Reden neuerdings nahezu nur noch la patrie. Allerdings hat LFI, deren Wählerschaft sowohl einen Großteil des früheren PCF-Publikums als auch der ehemals sozialdemokratischen Wählerinnen und Wähler aufsog, zugleich bei der Anerkennung der Ökologie eine wichtige Rolle gespielt. Mélenchon spricht in fast allen seinen Reden planetare Bedrohungen, Umwelt- und Klimakatastrophen oder auch die Kritik an der Atomenergie an. Dies taten früher weder der PCF noch, von innerparteilichen Minderheiten abgesehen, der seit den Wahlen von 2017 dahinsiechende Parti Socialiste (PS).

Das Verhältnis, das man zum Aufstieg des politischen Phänomens Jean-Luc Mélenchon einnehmen solle, ist in der aktuellen Periode just eines der politischen Streitthemen innerhalb der Französischen KP. Dabei stören nicht dessen linkspatriotische Anwandlungen, denn einen solchen Diskurs prägte lange Zeit auch die KP selbst, und zwar seit ihrer 1936 erklärten Akzeptanz der französischen Flagge. Damals wickelten einige Parteimitglieder die Trikolore allerdings noch so auf, dass man nur das Rot von Blau-weiß-rot erkennen konnte. Seine Bedeutung im französischen Kontext kann man allerdings nur verstehen, wenn man auch die Kriege der jungen Republik 1792-1794 gegen die europäischen Monarchien – Adel und König wünschten Frankreichs Niederlage - sowie die Résistance gegen die deutsche Besatzung berücksichtigt. Seit kurzem trägt Mélenchon es jedoch relativ dick auf. Bei den Publikumsveranstaltungen der Französischen KP werden seit 1936 stets zuerst die Marseillaise und dann die Internationale gesungen. So hielt es zunächst auch Mélenchon, seit seinem Austritt aus dem PS Ende 2008 und der Gründung seiner ersten eigenen Partei, des Parti de Gauche (PG, „Linkspartei“) zu Anfang 2009. Seit rund zwei Jahren ist allerdings die Internationale aus dem Repertoire verschwunden.

Es stellt sich jedoch für die Französische KP die strategische Frage, wie man sich zu den neuen politischen Akteuren auf der – etablierten – Linken verhält, um nicht unterzugehen. Seitdem ihr der welthistorische Bezugsrahmen mit dem Ende des Zwei-Block-Systems und dem Verschwinden des Realsozialismus ab 1991 wegbrach, schien die Partei zunächst strategisch kopflos. De facto wandelte sie sich zur sozialdemokratischen Reformpartei um, die ein bisschen mehr soziale Gerechtigkeit und ein bisschen weniger Privatisierung forderte, während der PS an der Regierung nicht einmal mehr sozialdemokratisch auftrat. Auch der PCF nahm übrigens an PS-geführten Regierungen teil, zuletzt 1997 bis 2002. Dies hatte die Partei allerdings auch getan, als sie noch klar prosowjetisch und poststalinistisch geprägt war, wie in der Periode 1981-84. Erreicht hat sie in beiden Fällen durch ihre Kabinettsbeteiligung herzlich wenig, die kapitalistischen Realitäten setzten sich schlichtweg durch. Jedes Ende einer Regierungsbeteiligung, mit Ausnahme jener in der Nachkriegszeit 1945-47, endete deswegen mit einem schweren Popularitätsverlust und neuen Krisen.

Da der PCF es zumindest auf lokaler Ebene - wie anlässlich der Kommunalwahlen 2014 - nach wie vor nicht lassen kann, nach Bündnismöglichkeiten mit dem PS und Perspektiven zum Mitregieren zu suchen, erschien Mélenchon als perspektivisch radikaler, da er just der Regierungssozialdemokratie den Rücken kehrte und sich von ihr entfernte.

Anfänglich begrüßte die Französische KP den neuen Bündnispartner, hatte sie doch im Kern seit den 1920er Jahren immer darauf gewartet, dass linke Sozialdemokraten zu ihr überlaufen. Dies schien mit Mélenchons Abgang vom PS 2008/09 nun möglich. Im Präsidentschaftswahlkampf 2011/12 unterstützte der PCF deswegen die Kandidatur Jean-Luc Mélenchons. Dies kam ihr anfänglich auch zugute: In jener Periode traten 2.500 Mitglieder aus jüngeren Generationen neu ein. Dies war der Partei, die an Überalterung lautet und real rund 50.000 Mitglieder aufweist – offiziell noch rund 130.000 -, seit längerem nicht widerfahren. Doch alsbald machte Mélenchon sich daran, in ihrer damaligen Allianz unter dem Namen Front de gauche (FdG, „Linksfront“) hegemoniale Ambitionen zu entwickeln und den PCF zu marginalisieren.

Die bisherige Leitungsmehrheit unter dem blassen Parteisekretär – also Vorsitzenden – Pierre Laurent, seit 2010 im Amt, setzte auf eine Fortsetzung des Bündnisses, ohne im Ausschließlichkeitscharakter zu geben. Die Mehrheitslinie lief bislang darauf hinaus, dass infolge innerparteilicher Debatten der letzten 25 Jahre über das „von der Dritten Internationale ererbte Parteimodell und seine Zukunft“ eine Lockerung und Demokratisierung der Strukturen stattfinden solle, ohne die Partei als solche in ein breiteres Linksbündnis hinein aufzulösen. Letzteres wollten diverse „Erneuerer“strömungen, die sich dann allerdings oft schnell sozialdemokratisiertes. Am Alten festhalten wollten dagegen die als „Orthodoxe“ bezeichnete. Die Parteileitung fuhr einen mittleren Kurs dazwischen.

Nun verlor allerdings eine bisherige Parteiführung, zum allerersten Mal in der Geschichte der Partei – der stalinistische PCF-Chef Maurice Thorez hätte sich das in den fünfziger Jahren gewiss nicht bieten lassen -, im Vorfeld eines Kongresses eine innerparteiliche Abstimmung. Die alte Mehrheitsfraktion landete mit ihrem Leitantrag bei nur noch 38 Prozent. Ein anderer Textvorschlag erhielt 42 Prozent. Zwei kleinere Strömungen, eine stärker auf Mélenchon hin orientierende und eine besonders „orthodoxe“, erhielten respektive zwölf und acht Prozent. Es kam zum ersten, von „unten“ her initiierten Leitungswechsel seit Bestehen des PCF, Pierre Laurent wurde durch den 49jährigen bisherigen Journalisten Fabrice Roussel aus Nordostfrankreich abgelöst.

Die neue Vorstandsmehrheit ist ihrerseits heterogen zusammengesetzt, umfasst jedoch unter anderem eine eher „orthodoxe“ Strömung, die aus der Französischen KP gerne wieder eine Art Volkspartei machen würde. Gemeinsam ist der heterogenen innerparteilichen Koalition der Wunsch nach einem stärkeren Selbstbewusstsein des PCF gegenüber dem Hegemoniestreben Jean-Luc Mélenchons. Dies wird sie auch benötigen.

Editorischer Hinweis

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe. Er wurde zuerst publiziert in der Wochenzeitung Jungle World vom 20. Dezember 2018.