Die Besonderheiten des Absolutismus in Deutschland

Autorenkollektiv der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

 

01/2018

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Der Westfälische Friede besiegelte die Zersplitterung Deutschlands in etwa 350 Fürstentümer und weit über 1000 kleinste Herrschaften, Reichsstädte und Reichsdörfer. In keinem anderen Lande Europas gab es eine solche un­beschreibliche Zerrissenheit. Der Kaiser, dem Namen nach das Reichsoberhaupt, besaß nur noch wenige Befugnisse. Zum Beispiel konnte er in den Adelsstand erheben. Im Reich ver­fügte er aber über keinerlei Regierungsorgane oder nur ihm verpflichtete Truppen. Da es keine Reichssteuern gab, hätte er die Soldaten und Beamten auch gar nicht bezahlen können.

Die einzige Einrichtung, die alle Reichs­glieder umfaßte und noch notdürftig zusam­menhielt, war der Reichstag. Seit 1663 tagte er als „Immerwährender Reichstag" in Regens­burg, das heißt die Gesandten der Fürsten und Reichsstädte blieben ständig zusammen. Den­noch war der Reichstag beinahe bedeutungslos. Ein Beschluß kam nur zustande, wenn der Kaiser und die drei Kurien (Gruppen) des Reichstages übereinstimmten. Das gab es aber höchst selten, und auch dann blieb es den Fürsten überlassen, ob oder wie sie den Be­schluß in ihrem Lande durchführten. Die Schaf­fung einer starken Zentralgewalt war von einem solchen Reichsorgan deshalb nicht zu er­warten, weil es fast vollständig in der Hand der Partikulargewalten lag.

Der Absolutismus in den deutschen Fürstentümern

Während in Frankreich und Rußland der Absolutismus die Herausbildung eines starken Nationalstaates förderte, konnte auf Grund der Zersplitterung des Reiches und der Ohn­macht des Kaisers in Deutschland kein natio­nalstaatlicher Absolutismus entstehen. Hier verfügten nur die Fürsten über genügend Machtmittel, um in ihren Gebieten eine abso­lute Herrschaft zu errichten. Wir sprechen des­halb vom landesfürstlichen Absolutismus in Deutschland. Durch ihn wurde die politische Zersplitterung erneut vertieft.

Einen wesentlichen Anreiz zur Errichtung der absolutistischen Herrschaft übte das franzö­sische Vorbild aus. Die einzelnen deutschen Fürsten strebten danach, es Ludwig XIV. gleichzutun. Sie wollten eine solche überragende Machtstellung wie er einnehmen und eine ähn­lich prunkhafte Hofhaltung führen. Selbst kleine, unbedeutende Landesherren eiferten dem bewunderten Vorbild nach, riefen aber oft mehr Spott als Achtung hervor.

In den meisten Territorien war das Bürgertum wirtschaftlich nicht so kräftig, daß es dem ab­soluten Herrscher als Stütze hätte dienen kön­nen, wie das anfangs in Frankreich geschah. So beruhte der landesfürstliche Absolutismus vor allem auf dem Bunde des Fürsten mit Teilen des wirtschaftlich erstarkten Adels. Auch da­durch besaß er von vornherein einen betont reaktionären Charakter.

Bei der Herausbildung des Absolutismus büßte der Adel weitgehend seine politische Selbständigkeit ein und mußte sich der fürst­lichen Gewalt fügen. Doch vermochte der abso­lutistische Landesfürst mit seinen staatlichen Machtmitteln das feudale Eigentum gegen dro­hende Aufstände, wie sie hier und da bereits ausgebrochen waren, weit besser zu schützen, als das dem einzelnen Adligen jemals möglich war. Der landesfürstliche Absolutismus diente der Sicherung der feudalen Klassenherrschaft.

Verwaltung und Heer im Dienste der absoluten Fürsten

In den absolutistischen Fürstentümern lag überwiegend die Staatsgewalt in den Händen des Herrschers. Er entschied alle wichtigen Fra­gen der Politik und der Verwaltung in seinem „Kabinett", nur umgeben von wenigen „gehei­men Räten". Beamtentum und stehendes Heer waren die hauptsächlichsten Machtmittel des absolutistischen Fürsten. Die Verwaltungs­behörden mußten seine Weisungen strikt aus­führen. Den Städten wurde beinahe jede Selbst­verwaltung genommen. In ihnen hatten allein die fürstlichen Beamten Befehlsgewalt. Hohe Beamte waren zumeist Adlige. Bürger zog man nur für solche Posten heran, die besondere Kenntnisse oder, wie in der Finanzverwaltung, persönlichen Reichtum erforderten. An den Hö­fen selbst gab es oft Hunderte von Stellen, deren Inhaber keine nützlichen Tätigkeiten ver­richteten, aber doch bezahlt wurden. Auf diese Weise erhielt der Adel einen hohen Anteil an den Staatsgeldern.

Nach dem Dreißigjährigen Kriege war es auch in den deutschen Territorien üblich geworden, daß die Heere ständig unter Waffen blieben. Die Macht der Fürsten wurde an der Größe ihrer stehenden Heere gemessen. Viele kleine Fürsten hatten aber nur wenige Tausend, oft bloß einige Hunderte Soldaten, denen ange­sichts der übermächtigen Nachbarstaaten kaum militärische Bedeutung zukam. Mit ihren bun­ten Uniformen, ihren Wachaufzügen und Ma­növern gehörten sie zum Bilde des Lebens am Fürstenhofe. Freilich sollten sie auch die Unter­tanen einschüchtern und konnten notfalls klei­nere Empörungen verhindern. Außerdem er­zielte der Adel auch hier seine Einkünfte, da die meisten Offiziere aus dieser Klasse stamm­ten.

Quelle: Geschichte 7, hrg.v. Autorenkollektiv der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Berlin 1968, S. 91-93