Schwerwiegender als
die direkten Auswirkungen waren die langfristigen
Folgen des Krieges. Mit Ausnahme der Leinwand aus
Sachsen und Schlesien gab es kaum Produkte, die in
ausreichender Menge und Güte vorhanden waren, um
auf dem Weltmarkt absatzfähig zu sein. Deutlich
zeigt das Beispiel des Bergbaus, wie der Krieg den
schon vorher Erzeugten im
Mansfeldischen während des 16. Jahrhunderts etwa
2000 Bergleute 10 bis 15 000 Dezitonnen Kupfer im
Jahr, so waren erkennbaren Niedergang entscheidend
verstärkte.
1668 nur noch einige Dutzend übrig geblieben, die
150 bis 200 Dezitonnen förderten. Die Anlage
tieferer, leistungsfähigerer Schächte erforderte
bedeutende Kapitalmengen, die es in dem zerstörten
Land kaum gab. Außerdem mangelte es überall an
ausgebildeten, persönlich freien Arbeitskräften.
Die
Zahl der frühkapitalistischen Unternehmungen, der
Manufakturen und auch der Verlage, ging ebenfalls
aus den genannten Gründen noch weiter zurück. Das
Zunfthandwerk mit seinen mannigfachen, den
technischen Fortschritt behindernden
Bestimmungen herrschte vor. Die gewerbliche
Produktion wurde auch durch die Hemmnisse
behindert, auf die der Handel traf. Die
ausländischen Mächte kontrollierten jetzt die
Mündungen der großen Ströme. Die Städte an diesen
Flüssen stellten die Eingangstore dar, durch die
holländische und englische Kaufleute ihre besseren
und billigeren Waren nach Deutschland brachten.
Gegen ihre überlegene Konkurrenz kamen die
deutschen Kaufleute schwer auf. Im Handel konnten
sich deshalb größere Vermögen nur langsam bilden.
Das Bürgertum der deutschen Städte war somit nach
dem Dreißigjährigen Kriege wirtschaftlich sehr
geschwächt und blieb in seiner Entwicklung
wesentlich zurück. Vor allem die
frühkapitalistischen Unternehmungen konnten sich
zunächst kaum entfalten.
Große Güter in
Ostelbien
Neben Handwerk und
Handel litt auch die Landwirtschaft unter den
Kriegsfolgen. Höfe mußten aufgebaut, Felder von
Unkraut und vordringendem Wald befreit werden.
Dabei behinderten der Mangel an Geräten und
Werkzeugen, an Zugvieh und vor allem die großen
Menschenverluste den Wiederaufbau. Westlich der
Elbe blieben im wesentlichen die bisherigen Formen
der feudalen Abhängigkeit und Unterdrückung
bestehen. Das war die feudale Grundherrschaft. In
ihr überwogen die Natu-ral- und Geldabgaben, die
die Feudalherren möglichst zu erhöhen suchten.
Dennoch verschlechterte sich in diesen Gebieten
die Lage der Bauern, obwohl sie schwer genug blieb,
nicht entscheidend.
Östlich der Elbe, in
„Ostelbien",dagegen vollzogen sich in der
Landwirtschaft tiefgreifende Wandlungen. Sie wurden
durch den steigenden Getreidebedarf der
städtereichen Länder Westeuropas veranlaßt. Immer
mehr Schiffe kamen von dort in die Hafenstädte der
Ostseeküste, um das dringend benötigte Brotgetreide
zu holen. Sein Anbau warf hohe Gewinne ab. Die
Feudalherren Ostelbiens suchten daher mit allen
Mitteln, ihre Besitzungen zu großen Gütern zu
erweitern, um möglichst viel Getreide zu
produzieren. Sie eigneten sich den Boden an, der
infolge der Kriegsverwüstungen und des
Bevölkerungsrückgangs brach lag. Damit entstanden
Landkomplexe, die nicht mehr aufgesplittert,
sondern weitgehend geschlossen waren. Diese Güter
wurden vom Herrenhof aus direkt bewirtschaftet. Um
die notwendigen Arbeitskräfte zu beschaffen,
forderten die Gutsbesitzer von den Bauern wieder
mehr Frondienste - an vier, fünf oder gar sechs
Tagen in der Woche. Sie waren als Hand- und
Spanndienste zu leisten. Diese ungemessenen
Frondienste ließen den Bauern oft kaum noch Zeit,
ihr eigenes Land zu bebauen.
Die zweite
Leibeigenschaft und die Gutsherrschaft
Viele Bauern
verließen ihre Höfe, um sich den spürbar steigenden
Belastungen zu entziehen. Die Gutsbesitzer suchten
die Abwanderung zu verhindern. Sie wollten nicht
die billigen Arbeitskräfte verlieren. Zunächst
verweigerten sie den Bauern solange den Weggang,
bis ein Ersatzmann gefunden war. Dann verboten sie
den Abzug überhaupt. Außerdem zwangen sie die
Bauern, ihre Kinder einige Jahre lang als Gesinde,
als Knechte oder Mägde, auf dem Gutshof arbeiten zu
lassen. Sie bekamen dafür fast keinen Lohn und
unterstanden der direkten Gewalt des Gutsherren.
Dieser Gesindezwangsdienst und die Abzugsverbote
hatten zur Folge, daß sich in Ostelbien die zweite
Leibeigenschaft, die in anderen Teilen
Deutschlands seit dem 15. Jahrhundert entstanden
war, in besonders krassem Maße ausbildete.
Durch die zweite
Leibeigenschaft, für die in Brandenburg die
Bezeichnung Erbuntertänigkeit üblich war, wurden
die Bauern erneut von ihrem Feudalherren persönlich
abhängig. Er konnte sie schließlich sogar, mit oder
ohne ihren Hof, kaufen und verkaufen. Sie durften
ihr Land auch nicht mehr wie vordem gegen einen
mäßig hohen Zins erblich besitzen, sondern mußten
ihren Herren alle paar Jahre um die Erneuerung des
Besitzvertrages bitten. Bei dieser Gelegenheit
steigerte dieser seine Forderungen. Den Bauern war
es nicht möglich, sich in den Städten eine Arbeit
zu suchen. Die ostelbischen Adligen, die auf ihren
ausgedehnten Gütern mit leibeigenen Bauern,
Gesinde und auch schon Tagelöhnern Getreide für
die Ausfuhr produzierten, wurden bald Junker4
genannt. Sie vertrieben vor allem im 18.
Jahrhundert immer mehr Bauern, deren Boden sie dem
Gutsland einverleibten, um die Getreideproduktion
noch mehr zu erweitern. Dieser rücksichtslose Raub
des Bauernlandes durch die Junker wird als
Bauernlegen bezeichnet. Zehntausende verloren in
Ostelbien durch diesen Vorgang ihre Höfe. Auf dem
Boden Mecklenburgs, der dem Adel gehörte, ging die
Zahl der Bauernstellen zwischen 1660 und 1755 von
12 000 auf 4900 zurück; 1794 waren es gar nur noch
2490.
Die ehemaligen Bauern behielten nur kleine Häuschen
mit winzigen Landstücken, die ihnen noch nicht
einmal den notwendigsten Lebensbedarf sicherten.
Die landarmen und die landlosen Dorfbewohner
nannte man nunmehr Kätner, Häusler, Büdner oder
Gärtner. Sie waren nahezu vollständig der
Produktionsmittel beraubt und darauf angewiesen,
für einen Hungerlohn auf den
junkerlichen Gütern zu arbeiten. Durch die
Leibeigenschaft blieben sie an die Gutsherren
gebunden.
Die feudale
Ausbeutung und Unterdrückung
nahm überall in Ostelbien ein nicht mehr zu
überbietendes Ausmaß an. Die Leibeigenen im Bereich
der Güter waren ihrem Junker beinahe schütz- und
rechtlos ausgeliefert. Zusammenfassend sprechen
wir von der Gutsherrschaft. Gegen die
Willkürmaßnahmen, gegen neue Erhöhungen der Dienste
und Abgaben gab es kaum eine Möglichkeit der
Gegenwehr. Der Gutsherr verfügte über die
Polizeigewalt im Dorf und hielt auch Gericht. Zwar
hören wir oft davon, daß die Bauern Frondienste
verweigerten, sie betont nachlässig ausführten oder
Abgaben nicht lieferten. Sie ließen also nicht
alles widerspruchslos über sich ergehen.
Aber die Gutsherren
hielten ein bewaffnetes Gefolge und beschäftigten
Gutsverwalter und Aufseher, die schon bei den
geringsten Vergehen harte Strafen verhängten.
Stockschläge, Peitschenhiebe und Haftstrafen waren
an der Tagesordnung. Auch mit Hilfe der Kirche
wurden die Bauern zu striktem Gehorsam angehalten,
war doch der Dorfpfarrer ebenfalls völlig vom
Gutsherren abhängig. Der ostelbische Adel steigerte
seine wirtschaftliche Macht durch die maßlose
Ausbeutung der leibeigenen Bauern. In den anderen
Teilen Deutschlands konnte der Feudaladel,
wenngleich innerhalb der alten Formen, seine
Klassenherrschaft ebenfalls festigen. Dem steht die
wirtschaftliche Schwächung des Städtebürgertums
gegenüber.
Quelle:
Geschichte 7, hrg.v.
Autorenkollektiv der Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg, Berlin 1968, S. 88-91 |