1. Der Beginn des
Krieges
Der deutsche Kaiser
hatte mit den Fürsten in Augsburg (1555) Frieden
geschlossen; aber dessenungeachtet ging der Kampf
zwischen ihnen weiter. Die Fürsten strebten nach
völliger Unabhängigkeit, während der Kaiser, der
stärker als jeder einzelne Fürst war, sie seiner
Herrschaft unterordnen wollte. Jedesmal jedoch,
wenn er derartige Versuche unternahm, schlössen die
einzelnen Fürsten Bündnisse miteinander und
leisteten ihm Widerstand. Deutschland blieb also
weiterhin zersplittert.
Im 16. Jahrhundert
setzte in Deutschland ein wirtschaftlicher Verfall
ein. Nach den großen Entdeckungen verlagerten sich
die Haupthandelswege nach dem Atlantischen Ozean.
Der italienische Handel verkümmerte, die Alpenpässe
verloren ihre Bedeutung. Auch Südwestdeutschland
ging dem wirtschaftlichen Niedergang entgegen.
Holländische, englische und französische Kaufleute
und Gewerbetreibende verdrängten überall die
verarmten deutschen Kaufleute. Berühmte
süddeutsche Handelsfirmen wie die Fugger gingen
zugrunde. Der Untergang der Fugger wurde noch
durch den schlechten Stand der spanischen
Staatskasse beschleunigt. Sie hatten nämlich König
Philipp II. große Summen geliehen; er aber weigerte
sich, diese Schulden zu bezahlen. Dies war ein
schwerer Schlag für die Fugger.
Während dieser Zeit bereitete sich in
Norddeutschland der Niedergang der großen „Hanse"
vor. Mächtige Staaten wie England und Holland
verdrängten den Handel der Hanse. Im Jahre 1669
trat der Kongreß der Hansestädte zum letzten Male
zusammen. Diese große Handelsmacht des Mittelalters
hörte auf zu bestehen. Der Niedergang des Handels
lockerte die Verbindungen zwischen den einzelnen
Teilen Deutschlands. Jedes Fürstentum bestand für
sich allein, ohne die anderen zu benötigen.
Die Kaiser hatten
erkannt, daß der Protestantismus die Macht der
Fürsten stärkte, indem er sie durch die ehemaligen
Kirchengüter bereicherte und ihnen die Macht über
die Kirche in die Hand gab. Deshalb sahen sie ihre
Stütze im Katholizismus. Der Erbbesitz der Kaiser
des Hauses Habsburg, Österreich, wurde der
Mittelpunkt der Tätigkeit des Jesuitenordens.
Österreich war der größte und mächtigste deutsche
Staat. Schon im 16. Jahrhundert wuchs seine Macht
dadurch, daß ihm Böhmen und ein Teil Ungarns
angegliedert wurden. Im Jahre 1526 hatten die
Türken in der Schlacht bei Mohacs in Südungarn das
ungarische Heer geschlagen. Ungarn fiel
auseinarider. Ein Teil davon wurde von den Türken
besetzt, ein Teil an Österreich angeschlossen.
Böhmen unterstellte sich den Habsburgern, um bei
ihnen Schutz vor den Türken zu finden.
Die Kaiser verfolgten
in ihren Ländern den Protestantismus und die
hussitische „Ketzerei" und suchten die Macht des
Katholizismus mit allen Mitteln zu stärken.
In den ersten Jahren
des 17. Jahrhunderts fielen die deutschen Fürsten
endgültig in zwei Lager auseinander. Die
protestantischen Fürsten schlössen sich in der
„Union" zusammen. Als Antwort hierauf vereinigten
sich die katholischen Herrscher in einer „Liga".
Im Jahre 1618 brach
ein innerdeutscher Krieg aus, der sich bis zum
Jahre 1648 hinzog und in der Geschichte den Namen
„Dreißigjähriger Krieg" erhalten hat. Dieser Krieg
wurde ausgetragen zwischen den protestantischen
Fürsten auf der einen Seite und dem Kaiser und der
Liga auf der anderen Seite. Im Laufe der Zeit
wurden die meisten europäischen Mächte in die
Auseinandersetzungen hineingezogen, und es wurde
daraus der erste große gesamteuropäische Krieg. Zu
Anfang mischte sich Dänemark, dann Frankreich und
Schweden in die inneren Streitigkeiten der
deutschen Fürsten ein; sie alle gemeinsam
verwüsteten Deutschland.
2. Der Verlauf des Krieges
Den Anfang des
Krieges bildeten Aufstände in Böhmen. Durch
religiöse Verfolgungen in Erregung versetzte
tschechische Adlige, meistens Hussiten, erhoben
sich gegen den Kaiser und warfen mehrere Mitglieder
der Regierung aus den Fenstern der Prager Burg. Es
kam zwischen den Tschechen und dem Kaiser zum
Krieg. Die tschechische Bauernschaft jedoch, die
unter den Unterdrückungen durch den Adel zu leiden
hatte, unterstützte die Adligen nicht. Kaiser
Ferdinand II. sandte ein starkes Heer gegen die
Tschechen, die am Weißen Berg, nicht weit von Prag,
im Jahre 1620 geschlagen wurden. Man hielt ein
strenges Strafgericht über sie ab, so daß in
einigen Gebieten Böhmens nicht mehr als ein Drittel
der früheren sehe Adel wurde
zum Teil gleichfalls ausgerottet, zum Teil für
immer aus Böhmen vertrieben. Seine Güter
beschlagnahmte man und vergab sie als Belohnung an
Anhänger Ferdinands II. So schuf man in Böhmen
Riesengüter, auf denen die Bauern im Frondienst
arbeiteten. Die letzten Reste der freien Bauern
gerieten in Leibeigenschaft, ihre Herren waren
meistens Deutsche.
Böhmen wurde österreichische Provinz, in der die
Jesuiten die bestimmende Macht waren. Sie gingen
gegen die tschechische Kultur vor und verbrannten
alle Bücher, die in tschechischer Sprache gedruckt
waren, ohne sich für ihren Inhalt überhaupt zu
interessieren. Der Sieg des Kaisers erregte in
England, Holland und Frankreich große Beunruhigung.
Da diese Staaten eine Stärkung seiner Macht und
eine Einigung Deutschlands fürchteten, schlössen
sie mit dem dänischen König Christian IV., der
seine Besitzungen auf Kosten mehrerer Ostseegebiete
Deutschlands vergrößern wollte, einen Vertrag.
Nachdem Dänemark mit finanzieller Hilfe seiner
Bundesgenossen ein großes Heer zusammengebracht
hatte, begann es im Jahre 1625 den Krieg.
Die Lage des Kaisers
verschlechterte sich sehr. In diesem kritischen
Augenblick machte Wallenstein, ein reicher
Grundbesitzer, der durch den Aufkauf von Gütern,
die man dem tschechischen Adel durch Beschlagnahme
weggenommen hatte, sehr reich geworden war, dem
Kaiser den Vorschlag, ein Heer von 15 000
Fußsoldaten und 6000 Reitern aufzustellen. Dieses
Angebot griff Ferdinand freudig auf und ernannte
Wallenstein zum Oberbefehlshaber des zukünftigen
Heeres. In kurzer Zeit brachte dieser ein Heer von
50000 Mann zusammen. / An Söldnern war kein Mangel.
Landlos gewordene Bauern und arbeitslose Handwerker
wurden Söldner. Ihnen schlössen sich im Kriege die
Bewohner zerstörte Städte und Dörfer an, denn ihnen
blieb nichts anderes übrig, als andere
auszuplündern.
Im Jahre 1626
schlugen Wallensteins Truppen die Dänen und ihre
deutschen protestantischen Bundesgenossen. Der
dänische König war gezwungen, Frieden zu schließen
(1629). Er verpflichtete sich, sich nicht weiter in
die Angelegenheiten Deutschlands einzumischen.
Wallenstein wurde mit dem Herzogtum Mecklenburg
belehnt und wurde selbst ein deutscher Fürst. Er
erhielt den Titel „General des Baltischen und
Ozeanischen i Meeres" und begann mit dem Bau einer
Flotte. Zu seinen weitgehenden Plänen gehörte die
Wiederaufrichtung der Hanse, um den gesamten
Ostseehandel in deutsche Hände zu bekommen und die
Holländer wie die Engländer zu verdrängen. In
dieser Zeit unterstützte Wallenstein die
Bestrebungen des Kaisers zur Erlangung einer
unumschränkten Herrschaft, indem er erklärte: „Ich
will, daß d .Besitzungen sei wie der König in
Frankreich." Dies aber wollten weder die
protestantischen noch die katholischen Fürsten.
Sie bestanden darauf, daß der Kaiser Wallenstein
den Abschied gab. In jener Zeit erließ der Kaiser
das „Restitutionsedikt" (1629). Nach diesem Erlaß
sollten den protestantischen Fürsten alle
kirchlichen Besitzungen, die sie seit 1552 erhalten
hatten, wieder abgenommen werden. Die
norddeutschen Fürsten, deren Interessen dadurch am
stärksten betroffen wurden, griffen zu den Waffen.
Die größte Hilfe erwies den protestantischen
Fürsten Kardinal Richelieu, da für Frankreich ein
starkes Deutschland gefährlich war. Das
katholische Frankreich half also den Protestanten
im Kampf gegen die Katholiken. Und Frankreich zog
zum Kampf gegen den Kaiser noch eine starke Macht
heran: Schweden. Eine Million Livres jährlich hatte
Frankreich dem Schwedenkönig Gustav Adolf als
Sub-sidien versprochen.
Im 17. Jahrhundert
begann Schweden in Nordeuropa eine große Rolle zu
spielen. Es hatte sich damals zu einer einheitlich
geschlossenen und starken Adelsmonarchie
entwickelt. Trotz des Aufschwunges des
Eisenerzbergbaus und des eisenverarbeitenden
Gewerbes war Schweden weiterhin ein armes Land
geblieben. Sein rauhes Klima und sein dürftiger
Boden, der zähe Arbeit erforderte, brachten dem
Feudaladel nur geringe Einkünfte. Aber neue
Einnahmequellen wurden für diesen Adel und seine
Regierung erschlossen. Auf der Ostsee entwickelte
sich ein lebhafter Handel mit Getreide, das aus
Polen, Brandenburg und Preußen nach England und
Holland verschifft wurde. Die Schweden besetzten
Estland, nahmen Rußland das Gebiet des Ladogasees
und die Newamündung und den Polen Livland weg.
Finnland hatten die Schweden schon im 12.
Jahrhundert erobert. Auf diese Weise befand sich
der größte Teil der Ostsee in ihren Händen. Jetzt
wollten sie auch noch ihre Südküste in Besitz
nehmen, damit die gesamte Ostsee ih ihre Hand
bekommen und die Handelszölle insgesamt für sich
einziehen. Die Besetzung der Ostseeküste durch
Wallenstein störte diese Pläne Schwedens.
Der junge
Schwedenkönig Gustav Adolf, ein begabter
Heerführer, landete im Sommer 1630 mit einem
kleinen, aber gut organisierten und bewaffneten
Heer in Pommern. Dieses schwedische Heer war
diszipliniert und bestand nicht aus Söldnern,
sondern aus Bauern, die auf Grund der
Militärpflicht einberufen worden waren. Gustav
Adolf hatte die Taktik des Infanteriekampfes
vervollkommnet. Seine Soldaten gaben drei Schüsse
in derselben Zeit ab, in der die Gegner einen
abgaben. Sehr geschickt verstand er auch seine
leichte, bewegliche Artillerie einzusetzen. Die
Hauptkampfkraft seiner militärischen Macht bildeten
die ungestümen Attacken seiner Reiterei. Bei
Leipzig (Breitenfeld) schlugen die Schweden
das kaiserliche Heer Tillys (1631). Im
Frühling des darauffolgenden Jahres errang Gustav
Adolf einen neuen Sieg am Lech. Er zog durch Bayern
und nahm München. Die Hauptstadt des Reiches, Wien,
war bedroht.
In diesem Augenblick
höchster Gefahr wandte sich der Kaiser noch einmal
um Hilfe an Wallenstein. Dieses Mal verlangte
Wallenstein für sich das Recht der Verfügungsgewalt
über alle Länder, die er eroberte, und außerdem
eine große Belohnung. Im geheimen rechnete er
sogar darauf, die böhmische Königskrone zu
erhalten. Er stellte ein großes Heer auf und stieß
mit der Armee Gustav Adolfs im Jahre 1632 bei
Lützen zusammen. In dieser Schlacht fiel Gustav
Adolf. Wallenstein, der sich auf dem Gipfel seines
Ruhmes fühlte, ging jetzt an die Verwirklichung
seiner ehrgeizigen Pläne. Er trat in geheime
Verhandlungen mit den Schweden ein und rechnete auf
ihre Unterstützung. Seine Generale und andere
Offiziere jedoch, die ja vom Krieg lebten,
wünschten überhaupt keine Beendigung der
Kriegsunternehmungen, und so entstand in ihrem
Kreise eine Verschwörung gegen Wallenstein. Im
Jahre 1634 wurde er zur großen Freude des Kaisers,
der den maßlos ehrgeizigen Abenteurer zu fürchten
begann, ermordet. Die schwedischen Truppen machten
keine Anstalten, wieder aus Deutschland
abzuziehen, nachdem sie es ebenso wie Wallensteins
Banden ausgeraubt hatten. Richelieu aber benutzte
diese Gelegenheit dazu, die Macht der Habsburger
endgültig zu untergraben. Er sandte französische
Truppen nach Deutschland, die das Land furchtbar
verwüsteten. Viele Städte und Dörfer wurden bis auf
den Grund niedergebrannt. In manchen Gegenden
Deutschlands blieben nur elende Reste der
Bevölkerung übrig.
3. Der Ausgang des
Krieges
Trotz der
schrecklichen Zerstörungen, die in ganz Deutschland
nicht nur durch Schweden und Franzosen, sondern
ebenso auch durch die deutschen Söldnerbanden
angerichtet worden waren, wußten sich die deutschen
Fürsten und der übrige Adel für alle Verluste
schnell schadlos zu halten. Da die Adligen die
Offiziersstellen in den Söldnerheeren innehatten,
erhielten sie den Löwenanteil an der Beute, die bei
den Plünderungen gemacht wurde. In
Nordostdeutschland ergriffen sie, die schwere Lage
des verwüsteten Gebietes ausnutzend, vom Bauernland
Besitz und zwangen die Bauern, ihnen noch mehr
Frondienste zu leisten. Der Krieg wurde mit dem
Westfälischen Frieden beendet (1648). Frankreich
erhielt einen Teil des Elsaß, Schweden einen Teil
Pommerns mit der Odermündung sowie die Mündungen
der Elbe und der Weser. Auf diese Weise gelangten
die Ausgänge der wichtigsten Handelswege
Deutschlands zum Meere hin in die Hände der
Schweden. Die wichtigste Folge des Krieges aber
war, daß den deutschen Fürsten ihre volle
Unabhängigkeit zuerkannt wurde. Sie erhielten das
Recht, selbständig Bündnisse und Verträge mit
auswärtigen Staaten abzuschließen. Deutschland
zerfiel in 296 kleine Staaten, ohne die
Besitzungen der sogenannten „Reichsritter"
mitzuzählen, die in Wirklichkeit ebenfalls
unabhängig waren (über eintausend). Der
Westfälische Frieden bedeutete also den vollen Sieg
der Fürsten über den Kaiser. Sie wurden allmählich
unumschränkte Alleinherrscher. Den großen
europäischen Staaten nacheifernd umgab sich jeder
der Fürsten mit einem kostspieligen Hof, hielt sich
ein eigenes Heer, schränkte die alten Freiheiten
der Städte ein und beutete seine Untertanen
schonungslos aus.
Quelle: E.A. Kosminski, Geschichte des
Mittelalters, Leipzig 1951, S.250-257 |