In die Die Idee
der Gerechtigkeit
geht Amartya Sen in seiner Fußnote zu Karl Marx' an
einem am Bedürfnis des Einzelnen orientierten
Verteilungsproblem, von eben dem Problem Verteilung
aus. Ein unteilbares Konsumobjekt (Produkt),
welches nur einmal vorliegt, soll gegenüber drei
Bedürftigen nicht aufgeteilt werden, sondern in
Besitz, das heißt ein temporäres Eigentum
überführt, ver-teilt werden. Das Problem dieser
Verteilung wird bei Sen auf bestimmte Art
aufgelöst. Ver- und Auf-Teilung sind dabei zu
unterscheiden in einmalige bzw. singuläre Vergabe
und mehrfache Vergabe. Sen nimmt dabei mehrere
Teile einer Gesamtproblematik aus, hat aber dafür
zu Prämissen den Mangel am Produkt, das Eigentum an
ihm und die sich daraus erst ergebende Verteilung
von möglichem Eigentum als Problematik selbst. Denn
Verteilung heißt hier wie gesagt singuläre
Zuweisung einer Form von von Eigentum. Was Eigentum
voraussetzt, bleibt zunächst unbehandelt.
Sen will Verteilung
an Verteilung problematisieren und vergißt,
jedenfalls an dieser Stelle seiner Ausführungen,
Distribution und Produktion, zumal unter
Bedingungen kapitalistischer (arbeitsteiliger,
mehrwertbasierter) Warenproduktion, in eine nicht
einseitige Relation zu setzen. Sein exemplarisches
Gedankenspiel ist scheinbar einer
Lebenswirklichkeit abgeschaut, die jedoch an den
idealtypischen Kindergarten denken lässt. Im von
ihm gewählten Setting ist eine Flöte, Kulturgut und
Kulturproduktionsmittel, zu vergeben, und zwar im
Verhältnis 1:3, das heißt ein Objekt für drei
Nutzer, einmal Konsum für dreimal Bedarf, oder „ein
Objekt O für drei Nutzer X“.
Im Raum dieses
Vergabeverhältnisses existiert zuerst eine
Zufallsverteilung der X (als Variablen). Aber
nachdem den die ihnen zugewiesenen Begründungen und
Argumentationen für oder wider einer jeweiligen
Vergabe des Objekts aufgefächert wurde, werden die
X in a b c unterscheidbar (wobei die Reihenfolge
fürs Erste keine Hierarchie oder Wertung, keine
Abfolge oder Rangordnung darstellt). Sen geht dafür
philosophische Konzepte von Gesellschaft durch, des
Utilitarismus, des Egalitarismus und des
Liberalismus, die für die Argumentation von a b und
c genommen werden. Für das Verständnis an dieser
Stelle reicht es aus zu wissen, dass der
Utilitarismus eine Verteilung des Konsumobjekts
(der Sache) nach sozial bewerteter, nützlicher
Arbeitsleistung meint, Egalitarismus eine
bedingungslose Gleichverteilung an alle und
Liberalismus eine Verteilung gemessen an
individuell bewerteter Arbeitsleistung, gekoppelt
mit einem daraus folgenden Eigentum an der Sache.
Am Ende kann für Sen
keines dieser drei Prinzipien oder keine dieser als
Kodizes verstehbaren Ethiken als letztgültige
gelten. Zwar will Sen zeigen, dass die Ethiken
nicht über harte Sachen zu entscheiden haben,
sondern über weiche Erfahrungen, aber Konsum, ob
weich oder hart, ob Ding oder kognitiver Prozess,
bleibt Konsumtion. Sen zeigt auf, dass kein Kodex
Universalität für sich beanspruchen kann. Die X
bleiben offen für das O und a b c sind als Satz, in
welcher Reihenfolge und in welcher Prämierung auch
immer, immer wieder umstellbar oder auflösbar,
darum bleiben a b und c wiederum jeweils Xe. Aber
die (Meta-)Aufteilung in Xe dort und ein O hier
bleibt eben auch fixiert.
Warum aber nur drei
dieser Kodizes? Warum nur ein Objekt des
Bedürfnisses?
Mit einer
Gegenhypothese, mit (nach Sen) gleichbleibender
Verteilung der X aber anderer Verteilung von O,
wäre es leicht, Sen nachzuweisen, dass seine
Prämissen „falsche“ sind, beziehungsweise im
unterversorgten Kindergarten, dem verkleinerten Ort
des Kapitalismus angesiedelt sind. Und, dass er die
Kategorie des Besitzes (als Eigentum, welches
uneingeschränkte Nutzung einschließt) natürlich
kennt, aber bloß bestätigt und er die
Konsumtionsseite der Distribution zum Grundkonflikt
erklärt.
Bestehen Produktion
und Distribution der Konsumtion in einem
dialektischen Verhältnis – philosophisch etwa nach
Marx' Grundrissen, und ökonomisch nach dessen
politischer Kapitalkritik, und nicht in einem
pluralen Verhältnis von die Plätze wechselnden
Setzungen gleichrangiger Xe und Os – bedingen sich
notwendig Produktion und Konsumtion so, dass beide
inkommensurabel zueinanderstehen. Als
wechselseitige Voraussetzungen des jeweils anderen,
und dem Bedürfnis als ihrem Dritten. Dieses Dritte
ist ihre Grundlage oder „Trieb“, und gerade nicht
ein sich immer aufschiebendes und daher fliehendes
Begehren. Bedürfnis ist der Ausdruck der nötigen
Reproduktion, und Produktion nötige materielle
Aktion für die Konsumtion zur Reproduktion.
Begehren wäre die
Behauptung, wie sie von Jacques Lacan mit dem
Modell eines „Objekt klein a“ (fr. „objet petit a“)
aufgestellt wurde, dessen Erlangen des Objekts
(hart oder weich), nach Freud, nie ganz erreicht
wird. „Wo ein Verbot vorliegt, muß ein
Begehren dahinter sein“, schreibt Freud in Totem
und Tabu. Das
Verbotene zu bekommen, etwa Menschen zu töten, so
Freuds Beispiel, ist „im Unbewussten vorhanden“.
Damit ist Konsumtion zur (psychischen) Reproduktion
mit einer Theorie des Praktischen belegt, dessen
Wirkungen immer erst auf Unbewusstem, nicht
Erkennbarem beruht. Belegt mit dem totalsten Tabu,
dem höchst moralischen Verbot, die eigene Gattung
nicht zu gefährden. Höchst moralisch, weil das
Töten des anderen Gattungsexemplars als Problem vom
alltäglichen der Reproduktion nur dann nicht weit
entfernt liegt, wenn Reproduktion kriegerische, das
heisst tödliche Dimensionen hätte. Mit anderen
Worten steht Begehren begrifflich somit schon an
einem todesartigen Horizont, dem Absoluten.
Sowohl Lacan als auch
Freud gehen dabei von einer „unbefriedigenden“ und
als solcher nie zu hintergehenden „Realität“ aus.
Begehren ist endlos und – immer nie endend oder
wiederholt – unbefriedigend.
Bedarf aber muss
(nicht unter allen Umständen) und kann auch gedeckt
werden. Der generell geltende Aufschub eines immer
und immer wieder und damit nie ganz zu „stillenden“
Verlangens (Begehren, Bedürfnis) geht aber schon
von einem Modell des Vollendbaren, einem
(neurotischen) Non plus ultra aus und kann somit
Bedarf, als Begriff eines Durchschnitts von
Begehren und Bedürfnis nur banalisieren. Begehren
beginnt bei Freud immer da, wo banales Bedürfnis
beendet wäre, dort wo Lust begänne, jenseits der
profanen Reproduktion. Das Verbot als
Verteilungstechnik von Begehrensbefriedigung
gedacht, so dass X nie O bekommen darf, steht über
dem profanen Bedürfnis und folgt aus dem Begehren.
Das O wird Lacans Freud zur Totalen und
unerreichbar und kann nie gefasst werden.
Aber Voraussetzung
des zu verteilenden Bedürfnisses „Begehren“ ist,
dass das O schlecht für X ist und das Subjekt X
zerstören könnte. Psychoanalyse zeigt sich hier
selbst als Erziehungstechnik und meta-kulturelle
Instanz der Segregierung von Begehren und Bedürfnis
und der Herausnahme eines Jenseits, fernab vom
Banalen, welches gemeinhin mit Kultur und Kunst
gleichgesetzt wird. Das Konzept Begehren wird als
(bürgerliche) Unbefriedigung genommen und
überhistorisch gesetzt. „I can't get no
satisfaction“ gilt für alle Zeiten.
Ohne Produktion P
keine Konsumtion K und umgekehrt. Im hypothetischen
(logisch formalen) Gegenkonstrukt zu Sen sind X und
O, Bedarf und Befriedigung, nicht per se
un-verteilt, wie bei Sen, sondern X hat immer
bereits O. Wo Sen von Mangel ausgeht, geht diese
Hypothese von einem (realen) kapitalistischen
Überfluss von Os aus, oder (utopisch) von einem
produzierbaren O auf materialer und immaterieller
industrieller Basis nach tatsächlichem Bedarf. Dem
X kommen die Os tendenziell „instanzlos“ und ohne
Dazwischenkunft zu: XO.
Instanzlos hieße
jedoch nicht technikfrei. P (Produktion) und K
(Konsumtion) sind koordiniert. Eine Umverteilung
des Reichtums von O ist gar nicht nötig, weil, on
demand, X mit O (und O mit X) zusammengehen.
Verteilung ist dann keine Gerechtigkeitsproblematik
sondern eine der Kommunikation von P und K – soweit
die „klassisch“ kommunistische Vorstellung.
Für ein paradox
erscheinendes, erweitertes Modell ist dieses „XO“
noch hypertrophierbar:
Das O ist dann zudem
Konsumtionsmittel und Produktionsmittel in einem.
Die automatisierte Arbeitsteilung, die für das
On-demand notwendig ist, fällt in diesem
O-ist-P-und-K formelhaft weg, sie wurde auf die
industrielle Basis hin, als ihrer vorausgesetzten
Vorgeschichte, positiv „vergessen“. Ideale
Improvisation vergisst auf diese Weise oder
thematisiert dieses „Vergessen“ ihres Equipments.
Das heißt, unzweckmäßige, ziel-ungerichtete, mit
Kant ästhetisch interesseloses Genießen (orig.
„Wohlgefallen“), der zwecklose Zweck des Genießens
des Genusses, wird jenseits von Gerechtigkeit
vollzogen oder durchgeführt (per-formt), weil es
keine materielle oder immaterielle
Verteilung(sgerechtgkeit) gibt, die nicht schon
nicht-gegeben wäre (m.a.W., alles ist gegeben).
Im Bereich des
Sonischen auf der „Suche nach Klängen“ (Eddie
Prévost), ist diese Suche in der musikalischen
Improvisation tautologisch oder selbstreflexiv mit
sich gekoppelt. Die ideale Improvisation will die
Trennung von X und O im Verteilungsproblem aufheben
und ist zugleich eine mögliche Kritik des
Verteilungsproblems als sozialem Status Quo. Denn
die Klangsuche findet Klänge, indem diese
improvisiert hergestellt werden, um diese zu hören
und um weitere zu spielen. Produktionsmittel,
Produktion und Konsumtion sind in den Momenten und
im Moment der Improvisation nicht warenförmig, wenn
Warenförmigkeit das „Reale“ (im Vgl. zum Imaginären
und Symbolischen nach Lacan) und die Matrix für die
geltende industrielle Basis abgeben.
Man könnte sagen,
Improvisation spielt eine andere Ökonomie als die
von Verteilung durch. Denn Verteilung ist für
Improvisation keine oder eine allein negativ
anwendbare Kategorie.
Der Film
Rendezvous von Claude Lelouch zum Beispiel, der
seine Plansequenz, die Kamerafahrt in einem Stück
eines z.T. über 200 km/h schnellen Sportwagens
durch das morgendliche Paris im Jahr 1976 als
perfekte Metapher bezeichnete, hypertrophiert
ebenso diesen Kurzschluss. Eine Handlung schließt
alle Prämissen aus, und formt wiederum Handlung und
Aussage zu einer Einheit, Form und Inhalt sollen so
zur Deckung kommen, was der Forderung nach einer in
sich geschlossenen ästhetischen Praxis (Kunst)
entspricht, die, wie bei Johann Joachim
Winckelmann, widerspruchsfrei ihren eigenen Zustand
begreift – freilich in Anbetracht äußerer
Widersprüche.
Lelouchs Aktion als
Film ist auch Ergebnis einer desillusionierten
post-revolutionären Linken oder
Nach-'68-Generation, deren Bewegungen und
Aktivitäten (hier unterschieden von Aktivismus)
sich nach der misslungenen politisch-ökonomischen
„Gesellschaftstransformation“ eben auch in eine
gesellschaftliche Sparte zurückziehen, die ALS
Kunst Bedarf/Bedürfnis und Befriedigung der Form
nach bis zur Deckung zusammenbringt oder gar diese
Problemlage artifiziell (artistisch) auf
symbolischer oder imaginärer Ebene, in Film, Musik,
Kunst, aufhebt. Mit dem Anspruch jedoch,
tatsächlich gesellschaftlich wirksam zu sein. Film,
das nur symbolisch-imaginär Nach-Erfahrbare war –
ganz wie Kracauer das in seiner frühen
Medientheorie zum Film sagt – einst reale Handlung,
sollte (ein Imperativ und Forderung!) vielleicht
wieder real werden; kann aber nur noch an diesen
Impuls revolutionären Träumens erinnern und jenes
allein in einem, noch dazu semantisch
verschlüsselten Medium einlösen. Diese Verschiebung
ist eine aus der Romantik bekannte und treibt die
Trennung von Kunst als Dysfunktionale von profanen
Tätigkeiten als „alles andere“ (Nicht-Kunst)
wiederholt disziplinär voran, stellt aber auch die
historische Funktion ästhetischer Praxis, im
Vergleich zu allen anderen, ebenso
kognitiv-intellektuellen Praktiken, neu zur
Disposition.
Übertragen hieße das:
Eine symbolisch-imaginäre Handlung wäre Entwurf und
Beispiel, ist medial real und sollte sozial real
werden. Schön aber ist, bürgerlich fetischisierend,
immer nur das, was dieses an sich herstellt, wobei
mit dem „an sich schön“ nämlich ist der Gegenstand
selbst gemeint.
Nach Sen, der eine
Flöte an drei potentielle Spieler zu vergeben hat,
wird die Möglichkeit zu spielen verteilt. Diese
wird von der Bedingung der Prämierung eines
Konzepts von Entscheidung für oder wider die
Vergabe des Objekts abhängig gemacht, von einer
„besseren“ oder passenden, einer adäquateren oder
vernünftigeren Argumentation – utilitaristisch,
egalitaristisch oder liberalistisch (auch in
Kombinationen). Wo so aus der Zufallsverteilung der
Xe ein Ranking von philosophischen a b c (bei Sen)
– Subjekt a hat die besseren Argumente dafür, die
Flöte zu bekommen, im Vergleich zu b und c – und
dann ökonomischen 1 2 3 (gegen Sen) wird – Subjekt
a mit den besseren Argumenten wird zur Nummer 1 und
erhält die Flöte – und schließlich X Nr. 1 das
Objekt bekommt, und (wenn überhaupt) erst nach ihm
dann X Nr. 2 usw. zählt das vermittelte Bedürfnis
an einer „Knappheit“.
Diese Knappheit ist
warenförmig irreal und darum Effekt, weil ihr
wirkliches Objekt überflüssig ist, gemeint ist: im
Überfluss dank Überproduktion vorhanden ist. Nicht
Knappheit gilt als große Determinante, sondern
Zugang zu und Aneignung der Objekte des Bedarfs
sind warenförmig verstellt und darum erst „knapp“.
Die Os sind, nicht unbewusst, sondern real
vorhanden. Ihre gerechte, „richtige“, Verteilung
aber wird zum Problem, da sie eben nicht verteilt
sind und lediglich vorgehalten werden.
Wo 1 2 3 Subjekte am
Set aber das Objekt, die Flöte, oder ein anderes
Produktionsmittel bereits zur Voraussetzung haben,
kann das Verteilungsproblem von Objekten vergessen
werden. Es kann dann nur noch um die Verteilung des
Spielens gehen, also von etwas, das noch nicht
existiert. Und dieses Spielen gilt
(kunstbürgerlich) als Konsum und Produktion
zugleich.
Unter Nutzung von
Sen, und Sen gegen ihn gelesen und operabel
gemacht, kann eine Folge von Diagrammen diese
„Un-Verteilung“ verdeutlichen helfen. Dieses etwas
gestelzt wortspielerische Idiom soll ein
Zwischenkonzept andeuten, welches Verteilung aus
dem Diskurs moralischer Gerechtigkeit vielleicht zu
lösen vermag, ohne das Verteilungsproblem als
Problem von Distribution {und damit ist keine rein
technische gemeint) generell zu ignorieren. Dabei
werden der Bedarf oder das Bedürfnis X und das
Objekt des Bedarfs O zuerst Sen folgend, dann aber
gegen ihn gesetzt. Vorbild für die Diagramme ist
ein Setting an einem Tisch, an dem Spielerinnen in
einem kleinen Feldversuch ihre Audioaufnahmen an
alle anderen Spieler adressieren und sich eine
Zufallsverteilung nachweisen lässt. Das Setting
entstammt also musikalischem Experiment. Das Item O
ist zuerst einmal gegeben:
|
Nach Sen muss das einmalige O
(Produktions-/Konsumtionsmittel) von außen in
den Raum einer Zufallsverteilung von mehreren
X (Spielern) gegeben und singulär zugewiesen
werden (Verteilungs-Gerechtigkeit).
Zufallsverteilung und
Verteilungs-Gerechtigkeit bedingen einander.
|
|
Ist O verteilt (nicht ge-teilt), kann daraus
eine Reihenfolge der Möglichkeit (zu spielen)
abgeleitet werden: erst 1 mit dem O, dann 2
und dann 3, wobei die Spielmöglichkeit
letzterer beiden jedoch gegen Null geht, weil
es ihnen am einmaligen O ja mangelt. Dies ist
also keine Gleichverteilung, und sie ist auch
nicht diskret (keiner hat die Flöte z.B. 1,3
mal), sie ist absolut. Soweit Sen.
|
|
Ist die Möglichkeitsbedingung des vorherigen,
absoluten Sets verlassen worden und eine
andere, mit einem mehrmals (oder im Jargon
der Negation un-einmalig) vorhandenen O, das
jedem Spieler X eigen ist, bleibt nur ein
virtuell ständiger Wechsel der
Ranking-Positionen des Spielens der Spieler,
zum Beispiel: erst 1 ganz rechts, dann 2 in
der Mitte und dann 3 ganz links oder erst 1
in der Mitte, dann 2 links und dann 3 rechts
oder erst 1 links, dann 2 rechts und 3 in der
Mitte (wenn überhaupt). |
Wenn überhaupt. Denn
das Spielen selber ist, wenn man von einer an sie
angelegten Statistik oder Stochastik absieht,
ästhetisch (zweckloser) Zweck der idealen
Improvisation. Darum geschieht ihre
Möglichkeits-Verteilung des Spielens quasi auf
Verhandlungsbasis (VB) und gerade nicht statistisch
oder stochastisch. Und selbst diese
Verhandlungsbasis ist VB, denn sogar das Set, also
Rahmen wie Zeit und Ort, Instrumente und Medien
(müssten) als variabel gelten. Irgendein Ranking
spielt keine Rolle mehr. Übrigens auch gegen eine
Systemtheorie, die Spiel verwaltend absondert von
anderen gesellschaftlichen Systemen und nur
analogisierende oder symbolische Transfers
(Penetration) auf diese zulässt.
Denn
am Set, der Möglichkeitsbedingung wird kein „petit
object“ begehrt, dieses wird bedurft UND gemacht.
Die Neo-Psychoanalytische Schule nennt das
Phantasma, dem aber in der Logik des Begehrens
unmöglicher/unerreichbarer Dinge eine
Ersatzfunktion zukommt, das libidinöse Begehren zu
stillen. In der Improvisation geschieht aber kein
funktioneller Ersatz für etwas anderes. Bedarf ist
in einem Biotop ohne Verteilung, für eine
praktische Kritik an Verteilungsgerechtigkeit, real
und kann real „gestillt“ werden – exakt, weil da
nichts still- oder festgestellt wird. Weil sie eine
Un-Verteilung im laufenden Prozess darstellt (und
ontologisch quasi-ist), deren funktionshistorischer
– nicht-tautologischer und nicht-selbstreflexiver,
nicht bloß mit sich gekoppelter – Zweck und Sinn
der sein kann, die Verteilung von Produktions- und
Konsumtionsmitteln in der geschützten Raum-Zeit der
Improvisation exemplarisch kurzzuschliessen.
Praktisch kritisiert
werden kann damit Verteilungsgerechtigkeit in ihrer
Konzeption als irrealem Mangel im realen Überfluss
wie sie tatsächlich gilt; deren Psychologie die
eines irreduziblen und damit immerwährenden,
undendlich-riesigen Mangels des Subjekts selbst
ist, das gefangen in Systemen, diese
permanent-dystopisch durchlaufen muss.
Quellen:
Immanuel Kant.
Kritik der Urteilskraft. 1790.
Claude Lelouch.
C'était un rendez-vous [übers. Das war ein
Rendezvous, kurz oft Rendezvous].
Kurzfilm. 1976.
Edwin Prévost. The
First Concert: an Adoptive Appraisal of Meta Music.
Harlow: Copula, 2011.
Matze Schmidt.
„Improtest am Tisch mit verteilten Spielern“.
Experiment. 2016.
Amartya Sen. Die
Idee der Gerechtigkeit. München: Beck, 2010.
Editorischer Hinweis
Wir
erhielten den Text plus Grafiken vom Autor für
diese Ausgabe.
Alle weitere Rechte beim Autor.
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