Kommentare zum Zeitgeschehen

Das 100-Tage-Programm des rot-rot-grünen Senats …

01/2017

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… ist eine Mogelpackung. Es enthält nicht Aufgaben, die der am 8. Dezember 2016 vereidigte Senat innerhalb von 100 Kalendertagen lösen will, d.h. Maßnahmen, die er mit der ihm erteilten Vollmacht sofort entscheiden und bis zum 18. März 2017 „umsetzen“ wird. Das in einer Klausur am 09. 01. 2017 beschlossene „Prioritätsprogramm“ hätte schlicht am 16. 11. 2016 vereinbarte Koalitionsaufgaben auflisten können, die innerhalb von 100 Tagen durch Verwaltungshandeln die soziale, wirtschaftliche und ökologische Infrastruktur Berlins positiv verändern. Das tat es nicht.

Stattdessen wird den Bürgerinnen und Bürgern Berlins eine »Weichenstellung« angekündigt, von der wir dachten, sie wäre bereits am 16. 11. 2016 erfolgt. Keine der verkündeten „Weichen“ führt innerhalb von 100 Tagen zu einem Prellbock für „Güterwaggons“, deren Inhalt die Bürgerinnen und Bürger sozial belasten. Keine der verkündeten „Weichen“ lenkt landeseigene Wirtschaftslokomotiven innerhalb von 100 Tagen auf „freie Strecken“, auf denen sie Fahrt aufnehmen können. Keine „Umwelt“ der verkündeten „Weichen“ wird grüner, besserluftiger oder leiser.

Im „100-Tage“-Programm des Senats wird angekündigt,

― dass gesetzlichen Beschränkungen aufgehoben werden (Sache der Abgeordneten ),

― dass Eckpunktepapiere, Konzepte und »Prinzipien« verfasst werden und

― dass geprüft und »angebunden«, »in die Diskussion« gegeben und initiiert wird.

Im „100-Tage“-Programm des Senats wird nicht mitgeteilt,

― was ab sofort gesetzlich beschränkt wird,

― was ab sofort in der Verwaltung anders gemacht wird und

― was seit dem 08. 12. 16 in der Verwaltung überprüft und beschlossen wurde.

Das „100-Tage“-Programm des Senats enthält an Nachprüfbarem:

― im Bereich „sozialer Wohnungsbau“ wird ausgesetzt, daß Mieten (in landes-eigenen Gesellschaften) zum 01. 04. 2017 erhöht werden,

― der Preis des Sozialtickets soll zum 01. 07. 2017 an den ALG-II-Regelsatz angepasst werden, »möglichst« (!)

― die Autobahnausfahrt Ost am Tempelhofer Damm »sicherer gemacht« wird.

Das „100-Tage“-Programm des Senats enthält an Unsozialem und Unsolidarischem:

― die gesetzlichen Beschränkungen für die unternehmerische Tätigkeit der STADT-WERKE (BSW GmbH) sollen aufgehoben werden (Zeitpunkt nicht angegeben),

― Senat, Bezirke und öffentlichen Betriebe wollen »Unterbringung« (von wem?), Schul-bau und –sanierung in einer (dem Landeshaushalt entzogenen, unternehmerischen) Projektstruktur »steuern« (kollidiert mit den „Regelungen zur Begrenzung der Netto-kreditaufnahme von Bund und Ländern“ - Art. 109 III und 115 II GG)

die Anzahl der Plätze in der Kältehilfe (für ʹObdachloseʹ) soll auf 1.000 erhöht werden.

Nicht mangelnde „Weltoffenheit“ Berlins und die »interkulturellen [???] Öffnung der Verwaltung« ist das Problem seiner Bürgerinnen und Bürger. Die Unterbindung irgendwelcher Finanzanlagen [landes-eigener Unternehmen?] an (international operierenden) »Unternehmen, die Kinderarbeit zulassen und an Militärwaffen [gibt es auch „Zivilwaffen“?] verdienen« ist auch nicht das business des Berliner Senats, sondern der Bundesregierung. Falls es „Vorkaufsrechte“ des Senats für bundeseigene Flächen gibt, dann bedarf es keiner Ankündigung, deren Wahrnehmung zu konzipieren. Dann nimmt man einfach wahr - aber flott!

Das 100-Tageprogramm des Berliner Senats ist eine Mogelpackung. Es geht den Wählerinnen und Wählern der „rot-rot-grünen“ Koalitionsparteien nicht um das (befristete) „Aussetzen“ angedrohter Miet-erhöhungen - es geht um generelle Unterbindung „automatischer“ Mietsteigerungen. Es geht nicht um die Subvention von „Tickets“ - es geht um die Erhöhung der ALG-II-Regelsätze auf die tatsächlichen Kosten des Lebens. Es geht nicht um „Kältehilfe“ für 1.000 Menschen - es geht um Obdach für alle, immer und zu Mieten, die den tatsächlichen Kosten angemessen sind. Und es geht um nicht-unternehmerische, solidarisch die Daseinsvorsorge gewährleistende kommunale Dienstleister.

Dr. Hermann Wollner

Quelle: per email über wemgehoertkreuzberg@lists.riseup.net am 13.1.2017

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