Die junge Welt zeigt Flagge
Warum Solidarität mit der jungen Welt in der Querfrontfrage dringend geboten ist

Solidaritätserklärung der KAZ

01/2016

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onlinezeitung

Seit Ende des Jah­res 2014 ist um die Ta­ges­zei­tung jun­ge Welt eine mitt­ler­wei­le sehr schar­fe lin­ke Aus­ein­an­der­set­zung ent­brannt. Aus­gangs­punkt wa­ren Be­stre­bun­gen ver­schie­dens­ter Kräfte, die sich in den Mon­tags­mahn­wa­chen zu­sam­men­ge­tan ha­ben, über den „Frie­dens­win­ter“ lin­ke Be­we­gun­gen, Or­ga­ni­sa­tio­nen oder Par­tei­en ein­zu­bin­den in eine ge­mein­sa­me Frie­dens­be­we­gung jen­seits, wie die­se Kräfte be­haup­ten, „über­hol­ter“ po­li­ti­scher Geg­ner­schaft zwi­schen links und rechts. Es geht also um die Fra­ge, wie die­se Kräfte und ihre Be­stre­bun­gen ein­zu­ord­nen sind. Ver­birgt sich da­hin­ter der Ver­such, eine Quer­front her­zu­stel­len, d.h. un­ter dem Deck­man­tel schein­bar ge­mein­sa­mer Po­si­tio­nen in die Ar­bei­ter­be­we­gung fa­schis­ti­sche Po­si­tio­nen hin­ein­zu­tra­gen, sie so zu un­ter­wan­dern und letzt­end­lich sturm­reif zu schießen? Oder aber er­for­dert der Kampf ge­gen die in­zwi­schen mit Händen zu grei­fen­de Kriegs­ge­fahr ein brei­tes Bünd­nis der Lin­ken auch mit rech­ten Krei­sen, um über­haupt eine Chan­ce zu ha­ben, ei­nen Krieg ab­zu­weh­ren? All den­je­ni­gen, die ei­ner sol­chen Zu­sam­men­ar­beit mit Hin­weis auf die Öff­nung die­ser Be­we­gung bis weit hin­ein in fa­schis­ti­sche Krei­se eine kla­re Ab­sa­ge er­tei­len, wird vor­ge­wor­fen, die Sa­che des Geg­ners zu be­trei­ben. So auch der jun­gen Welt. Abo-Kündi­gun­gen, Dro­hun­gen mit An­zei­gen­boy­kott ge­hen ein­her mit hef­ti­gen Vorwürfen, die bis da­hin rei­chen, die jun­ge Welt wäre Teil ei­ner Hetz­kam­pa­gne ge­gen die Frie­den­be­we­gung oder aber gar vom Geg­ner ge­ka­pert. Die Ver­wir­rung ist per­fekt. Doch wer hetzt da?
„Rechts“ und „Links“ – überholt?

Un­abhängig von der mühsa­men Aus­ein­an­der­set­zung, wer was wann ge­sagt oder nicht ge­sagt hat, müssen doch bei je­dem Lin­ken schon al­lei­ne dann die Alarm­glo­cken klin­geln, wenn sich Kräfte in der Fra­ge Krieg und Frie­den lin­ken Or­ga­ni­sa­tio­nen oder Be­we­gun­gen an­bie­dern mit der Aus­sa­ge, die Be­grif­fe „links“ und „rechts“ hätten in der po­li­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung kei­ne Gültig­keit mehr; sie sei­en ab­ge­half­tert und dürf­ten kei­ne Rol­le mehr spie­len. Was soll das denn heißen? Fort­schritt­li­che de­mo­kra­ti­sche und so­zia­lis­ti­sche Be­we­gun­gen ge­mein­sam mit rück­schritt­li­chen, den ge­ge­be­nen Zu­stand be­wah­ren wol­len­den? Das aber ist der Hin­ter­grund die­ser po­li­ti­schen Ein­tei­lung seit der Französi­schen Re­vo­lu­ti­on, als die fort­schritt­li­chen, an­ti­mon­ar­chis­ti­schen Par­tei­en im Na­tio­nal­kon­vent links ihre Sit­ze hat­ten und die­je­ni­gen, die am Feu­da­lis­mus fest­hal­ten woll­ten, rechts. Heu­te ver­birgt sich hin­ter der Be­haup­tung, die­se Ein­tei­lung sei über­holt, doch nichts an­de­res als der Ver­such, den un­versöhn­li­chen Wi­der­spruch zwi­schen der Ar­bei­ter­klas­se auf der ei­nen und der Ka­pi­ta­lis­ten­klas­se auf der an­de­ren Sei­te zu leug­nen zu­guns­ten ei­nes vor­geb­lich ge­mein­sa­men, na­tio­na­len In­ter­es­ses. Und die­ses na­tio­na­le In­ter­es­se be­deu­tet in im­pe­ria­lis­ti­schen Staa­ten – und in ei­nem sol­chen Staat le­ben wir – nichts an­de­res, als das In­ter­es­se der herr­schen­den Klas­se, der Mo­no­pol­bour­geoi­sie. Je mehr sich die Wi­dersprüche zwi­schen den im­pe­ria­lis­ti­schen Staa­ten in ih­rem Kampf um Ein­fluss­sphären, Ab­satz­ge­bie­te und Roh­stoff­quel­len verschärfen, um so größer ist das In­ter­es­se der herr­schen­den Klas­se dar­an, dass an der Hei­mat­front „links“ und „rechts“ kei­ne Rol­le mehr spie­len. Die Ar­bei­ter­klas­se und da­mit auch die kleinbürger­li­chen Schich­ten hin­ter ihre In­ter­es­sen zwin­gen zu können, ist die Vor­aus­set­zung für die Herr­schen­den und ih­ren Staat, um über­haupt Krieg führen zu können. Als Kai­ser Wil­helm II. am 4. Au­gust 1914 erklärte: „Ich ken­ne kei­ne Par­tei­en mehr, ich ken­ne nur noch Deut­sche!“ mein­te er nichts an­de­res, als „links“ und „rechts“ spie­len kei­ne Rol­le mehr. Er konn­te sich die­se Hal­tung leis­ten, hat­ten die Führer der So­zi­al­de­mo­kra­tie doch Zu­stim­mung zum Kriegs­ein­tritt si­gna­li­siert und da­mit den wohl fol­gen­schwers­ten Ver­rat in der Ge­schich­te der Ar­bei­ter­be­we­gung be­gan­gen.

Die ag­gres­sivs­te und bar­ba­risch­te Form, „links“ und „rechts“ aus der Welt zu schaf­fen, war schließlich die fa­schis­ti­sche Volks­ge­mein­schaft. Je­der Wi­der­stand soll­te beim zwei­ten Ver­such der deut­schen Mo­no­pol­bour­geoi­sie, ih­ren „Platz an der Son­ne“ mit Krieg zu er­rei­chen, möglichst im Keim er­stickt wer­den. Hierfür über­nah­men die in den 20er Jah­ren des letz­ten Jahr­hun­derts hoch­gezüch­te­ten Fa­schis­ten schein­bar al­ler­lei lin­ke For­de­run­gen der Ar­bei­ter­be­we­gung, um in sie ein­zu­drin­gen, sie so zu schwächen und schließlich zu ver­nich­ten.

Die Ant­wort des im ers­ten Welt­krieg stand­haft ge­blie­be­nen So­zi­al­de­mo­kra­ten Karl Lieb­knecht auf den Ver­rat sei­ner Par­tei war die Lo­sung „Der Haupt­feind steht im ei­ge­nen Land!“ Die­se Lo­sung, nichts an­de­res als die kon­se­quen­te Hand­ha­bung der Be­schlüsse der 2. In­ter­na­tio­na­le im Vor­feld des Ers­ten Welt­krie­ges auf Deutsch­land be­zo­gen, hat seit­dem nichts an ih­rer Rich­tig­keit ver­lo­ren. Die Aus­ein­an­der­set­zung darüber in den Ge­werk­schaf­ten zu führen, die Stand­ort­po­li­tik der Ge­werk­schaftsführun­gen zu bekämpf­ten, mit der sie ver­su­chen, die Ar­bei­ter­klas­se an den Rock­zip­fel der Bour­geoi­sie zu ket­ten und gleich­zei­tig mit je­dem De­mo­kra­ten den Kampf ge­gen Krieg und Fa­schis­mus zu führen, das ist doch un­se­re drin­gen­de Auf­ga­be im Kampf ge­gen den Krieg, und nicht Bünd­nis­se mit Kräften ein­zu­ge­hen, die die Klas­sen­wi­dersprüche oder gar die Exis­tenz von Klas­sen leug­nen und nach ge­mein­sa­men Schnitt­men­gen zwi­schen rechts und links su­chen. Da lan­den wir letzt­end­lich – rechts, im Boot der Herr­schen­den.

„… weshalb wir auch nicht in einer Linie mit dem rheinischen Kapitalismus gegen den US-Imperialismus stehen.“

Umso wert­vol­ler ist es, dass die jun­ge Welt als eine der größten lin­ken Ta­ges­zei­tun­gen die­ser Re­pu­blik in dem Ar­ti­kel „Un­botmäßig be­rich­ten“ von Diet­mar Ko­schmie­der noch ein­mal deut­lich ihre Hal­tung klar­stellt: „Wir se­hen wie W. I. Le­nin oder Rosa Lu­xem­burg die ein­zi­ge Chan­ce für eine fried­li­che Zu­kunft dar­in, den Im­pe­ria­lis­mus ge­ne­rell zu über­win­den, wes­halb wir auch nicht in ei­ner Li­nie mit dem rhei­ni­schen Ka­pi­ta­lis­mus ge­gen den US-Im­pe­ria­lis­mus ste­hen. Dafür aber in ei­ner mit den flüch­ten­den Ar­bei­tern aus Asi­en und Afri­ka: Wir tre­ten für wach­sen­des Klas­sen­be­wusst­sein ein, nicht für wach­sen­des Na­tio­nal­be­wusst­sein.[1] Der ers­te Halb­satz ist si­cher­lich in der mar­xis­ti­schen Lin­ken kein Grund für größere Aus­ein­an­der­set­zung, son­dern der Be­zug auf den „Rhei­ni­schen Ka­pi­ta­lis­mus“ und die Fra­ge der Kon­kur­renz zwi­schen dem deut­schen und dem US-Im­pe­ria­lis­mus. Als Rhei­ni­schen Ka­pi­ta­lis­mus be­schrieb man die Form des Ka­pi­ta­lis­mus in West­deutsch­land nach dem 2.Welt­krieg. Mit So­zi­al­staats­ge­set­zen, großer Ein­heits­ge­werk­schaft, zeit­wei­lig ge­rin­ger Ar­beits­lo­sig­keit, flächen­de­cken­den Ta­rif­verträgen und wei­te­ren Ele­men­ten wur­de der Ka­pi­ta­lis­mus hier­zu­lan­de ka­schiert und, ver­bun­den mit ei­nem ge­ra­de­zu zur Staats­dok­trin er­ho­be­nen An­ti­kom­mu­nis­mus, der Ar­bei­ter­klas­se der Er­folg so­zi­al­de­mo­kra­ti­scher Po­li­tik ein­ge­re­det. Der Rhei­ni­sche Ka­pi­ta­lis­mus war so vor al­lem ein Mit­tel im Kampf der Bour­geoi­sie ge­gen die so­zia­lis­ti­schen Länder. Die Ar­bei­ter­klas­se in West­deutsch­land soll­te da­von ab­ge­hal­ten wer­den, über den Tel­ler­rand des Lohn­kamp­fes hin­aus­zu­schau­en und ihr so jeg­li­che So­li­da­rität mit den so­zia­lis­ti­schen Ländern aus­ge­trie­ben wer­den. Den Ar­bei­tern in der DDR aber soll­te ein Ka­pi­ta­lis­mus vor­ge­gau­kelt wer­den, in dem auch die Ar­bei­ter­klas­se eine Zu­kunft hat. Ein Ne­ben­ef­fekt war, dass da­mit die west­deut­sche Ar­bei­ter­klas­se auch ge­gen den US-ame­ri­ka­ni­schen „Freund“ und Kon­kur­ren­ten des deut­schen Im­pe­ria­lis­mus in Stel­lung ge­bracht wer­den konn­te. Die Be­to­nung der „gemäßig­ten Aus­beu­tung“, in wel­cher für die ka­pi­ta­lis­ti­schen Be­triebs­unfälle und ihre Fol­gen be­stimm­te Lin­de­run­gen ver­spro­chen wa­ren, Kran­ken­ver­si­che­rung für alle, Ar­beits­lo­sen­geld usw., wur­de im­mer ge­setzt ge­gen den an­geb­lich im Ver­gleich viel schlim­me­ren Ka­pi­ta­lis­mus US-ame­ri­ka­ni­scher Prägung. Dort galt der Mensch an­geb­lich gar nichts, ge­schieht die Ver­wer­tung des Men­schen ohne Gna­de oder so­zi­al­staat­li­ches Fußbal­sam. Im nächs­ten Schritt wur­de dann ar­gu­men­tiert, dass die­ser schlim­me, räube­ri­sche Ka­pi­ta­lis­mus des „Un­cle Sam“ auf dem Vor­marsch in der west­li­chen Welt ist und so­zu­sa­gen un­se­ren hu­ma­ne­ren, ein­sich­ti­ge­ren rhei­ni­schen Ka­pi­ta­lis­ten den An­griff erklärt und der hie­si­gen Ar­bei­ter­klas­se gleich mit. Aus­ge­hend von so­zia­len Ele­men­ten des Rhei­ni­schen Ka­pi­ta­lis­mus schip­per­te man dann fol­ge­rich­tig in ei­nem Boot mit sei­nen Aus­beu­tern über die­sen Rhein und von dort ex­pan­siv in alle Welt. Als das Boot vom Rhein in den Gewässern der DDR an­ge­kom­men war und die­se schließlich ein­ver­leib­te, war es mit dem so­zia­len Fort­schritt endgültig vor­bei, die dro­hen­de In­va­si­on des US-Ka­pi­tals wur­de auch ohne nen­nens­wer­te Fak­ten wei­ter pro­pa­giert. So­weit Lin­ke dies auf­neh­men, ist die Dre­hung zwangsläufig voll­zo­gen, aus der so­zia­len Fra­ge ist die na­tio­na­le ge­wor­den, und man hängt am Rock­zip­fel des deut­schen Im­pe­ria­lis­mus, der mitt­ler­wei­le Eu­ro­pa mit so­ge­nann­ten fried­li­chen Mit­teln un­ter­jocht wie nie zu­vor.

Wei­ter erklärt D. Ko­schmie­der in die­sem Ar­ti­kel: „Wir blei­ben auf kri­ti­scher Dis­tanz zu Be­we­gun­gen, die kei­ne all­zu­g­roßen Pro­ble­me mit Quer­frontüber­le­gun­gen ha­ben, die nichts ge­gen jene ha­ben, die rechts­ra­di­kal ge­wen­de­te wie Jürgen Elsässer und die jun­ge Welt in eine Ein­heits­front brin­gen wol­len. Die mei­nen, An­ti­se­mi­tis­mus sei eine Er­fin­dung der An­ti­deut­schen. Die mei­nen, Klas­sen­po­si­tio­nen sei­en Sek­tie­rer­tum, und die da­mit an die Stel­le von Aufklärung und Klar­heit Ver­wir­rung und Spal­tung set­zen. Die nicht an kri­ti­scher Dis­kus­si­on und Wi­der­spruch, son­dern an Glau­bens­be­kennt­nis­sen in­ter­es­siert sind.

Ab­sch­ließend wird von D. Ko­schmie­der ver­deut­licht, dass die jun­ge Welt un­beug­sam ihre Li­nie fortführen wird, und bit­tet um Un­terstützung: „Für man­che ist die­se kri­ti­sche Hal­tung ein Grund, die jun­ge Welt nicht mehr zu le­sen, gar zum Boy­kott auf­zu­ru­fen. Für vie­le aber ist sie auch ein Grund, sie jetzt erst recht zu abon­nie­ren. Wir wer­den auch wei­ter­hin dafür kämp­fen, dass die Aufklärung siegt – und freu­en uns über je­den, der sich über ein Abon­ne­ment mit uns verbündet.“ Lie­be Freun­de der jun­gen Welt, macht wei­ter so und zeigt Flag­ge!

 

Quelle: http://www.kaz-online.de/artikel/die-junge-welt-zeigt-flagge  / Artikel aus der Nr. 353