Die Kölner Ereignisse Stellungnahmen & Kommentare aus dem linken Spektrum

Frauen sind in Deutschland kein Freiwild - was sind hierzulande Eingewanderte und Geflüchtete?

von Karl-Heinz Reinelt

01/2016

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Die widerwärtigen Übergriffe in der Silvesternacht 2016 auf Frauen am Kölner Hauptbahnhof und vor allem die merkwürdig erfolglose Suche nach den Tätern haben laut dpa eine Welle der Fassungslosigkeit und Empörung in Deutschland und im Ausland ausgelöst.

Die völlig neue Dimension der anscheinend organisierten Kriminalität im Kölner Hoheitsbereich der Deutschen Bahn war und ist noch immer für die Opfer, insbesondere für die betroffenen sexuell attackierten Frauen, ein nachhaltig schreckliches, zutiefst verstörendes Erleiden.

Die Deutsche Bahn AG ist ein Verkehrsunternehmen der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Berlin. Daher ist die Bundespolizei für den Kölner Hauptbahnhof zuständig und war nach Angaben von Wolfgang Wurm, Präsident der Bundespolizeidirektion Sankt Augustin, in der Silvesternacht mit 70 Bundespolizeikräften vor Ort.

In Köln sind 4500 Polizeibeamte im Dienst - zehn Prozent der gesamten Polizeistärke Nordrhein-Westfalens. Von diesen 4500 Einsatzkräften hatte die Kölner Polizei im Bereich Hauptbahnhof und Dom 140 Beamte im Einsatz.

Trotz der üppigen Polizeipräsenz konnten laut Zeugen und Opfern in einer Menge von rund tausend Menschen mehrere kleine Gruppen, zwar „gut deutsch sprechend“, aber „dem Aussehen nach aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum stammend“, Frauen umzingeln, sexuell belästigen, ausrauben und sogar vergewaltigen.

Wie kann es sein, dass sich im Video-überwachten und von etwa tausend Handy-Nutzern belebten Bahnhofsvorplatz keine Polizeikräfte zeigten und sich Tage nach der Auswertung der Mobiltelefon-Fotos und der Video-Aufnahmen tatsächlich „keine konkreten Täterhinweise“ ergaben, etwa ernsthaft deshalb, weil „Zeugen und Opfer die Täter im Getümmel nicht wiedererkennen konnten“, wie Polizeipräsident Wurm äußert?

„Wir haben keine Erkenntnisse über Täter“, erläutert auch Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers. Dennoch wird ohne jedwede handfeste Informationen über die Delinquenten der unzulässige Schluss gezogen, dass die Gewalt „offenbar von arabisch-afrikanisch-stämmigen Banden“ ausging und diese angeblich ein abgekartetes Spiel getrieben haben.

Fragt sich bloß, mit wem genau die vermeintliche Verabredung erfolgte, etwa mit den extrem agilen Ausgrenzenden und Abschottenden, den Profiteuren des Generalverdachts, unter den sofort alle Geflüchteten mit arabisch-afrikanischen Migrationshintergrund gestellt wurden?

Auch wenn überhaupt nicht erwiesen ist, ob sich innerhalb der Phantasma-Banden aktuell Geflüchtete tummelten, wird mit pauschalisierender Fremdenfeindlichkeit von der rassistischen Stammtischmannschaft aus CDU/CSU/SPD-Kulturchauvinist*innen und rechtsradikalen Blutgrätschenbrigaden in Heimspielposition eine völlig ungenießbare braune Suppe gekocht.

Beispielsweise konstruiert der CDU-Innenpolitiker Gregor Golland aus den sexuellen Übergriffen sinngemäß überschäumend, sie seien „das falsche Signal an junge Flüchtlinge und suggerierten, der gesamte Staat sei schwach und könne Frauen nicht schützen.“

Golland glaubt aus seiner eigenkreierten Mutmaßung die sofortige faktische Abschiebung von nicht-deutschen Delinquenten ableiten zu können, obwohl überhaupt kein Täter ermittelbar zu sein scheint. Zudem behauptet er holzhammerhaft in seinem nachgeschobenen Rundumschlag, „sexuelle Übergriffe durch Flüchtlinge gebe es auch in Bielefeld, Hamburg und Stuttgart“.

Zur diesbezüglichen Rechtslage: Wenn Asylsuchende nachweislich Straftaten begehen, können sie nicht zwingend auf der Stelle abgeschoben werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht hierfür eine Prüfung aller Umstände im Einzelfall vor, insbesondere für anerkannte Asylsuchende und ebenso für diejenigen mit vorübergehendem Aufenthaltsstatus.

Rechtsstaatlich vorzugehen, ist auch die xenophob-sarrazinierte SPD nicht bemüht, sondern scheint sich selbstredend in der Person des Innenministers Ralf Jäger als ebenso rigide Abschieberin von Schimäre-Straftätern profilieren zu müssen, da diese nach Jägers unmaßgeblichen Meinung „kein Bleiberecht haben“.

Der SPD-Ausländer-Raus-Jäger droht in seinem Erregungszustand über die „nordafrikanischen Männergruppen“ den Kölner Bürgerinnen und Bürgern glaubhaft an, zur „Abschreckung“ werde die Polizei in Köln künftig so eingreifen, wie sie es es in der Silvesternacht wohl nicht für nötig gehalten hat.

Vielleicht hat die Bundes- und/oder Kölner Polizei einen Zugriff nicht für erforderlich halten wollen, weil der „Ruck“, der als Reaktion auf die Sex- und Klau-Attacken in Köln, „durch Deutschland“ ging, gefälliges Öl ins Feuer des fremdenfeindlichen Brandstifter-Mobs zu gießen vermochte, könnte provokativ eingeworfen, muss aber sogleich verworfen werden, denn Verschwörungstheorien sind unglaublich out.

Bei Routine-Kontrollen in der Nacht vor dem Kölner Bahnhof konnten sich einige kürzlich aus Syrien Geflüchtete nur mit Duldungs-Bescheinigungen ausweisen und unter den vier vorläufig Festgenommenen befanden sich Syrer.

Daraus schließt der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plicker, vermeintlich messerscharf, dass sich zwangsläufig unter den „vielen“ anderen Phantom-Tatverdächtigen „zahlreiche Männer aus Syrien, dem Irak und Afghanistan befinden müssten“, die ausgerechnet aus den Ländern mit der höchsten Geflüchteten-Rate einwandern und Schutz suchen, die von allen EU-Ländern so vehement abgeblockt werden.

Mit dem Generalverdacht der Gewaltbereitschaft bis hin zu sexuellen Übergriffen und dem Schüren der „german-Angst“ vor der Überfremdung durch Migranten und Geflüchtete soll wohl kaschiert werden, dass Deutschland führend in der EU, den Wunschtraum einer extrem niedrigen Geflüchteten-Obergrenze rigide umzusetzen gewillt ist, aber sich dazu nicht zu bekennen gedenkt, denn damit werden tendenziell sämtliche Freiheits- und Menschenrechtsversprechen der EU zur Liquidation freigegeben.

Die Vorgaben, an die eine Bundesrepublik eigentlich gebunden wäre, die sich zu Recht freiheitlich nennen will, sind das Grundrecht auf Asyl, verankert im Artikel 16 a des Grundgesetzes.

Das gilt selbstverständlich ohne Begrenzung nach oben und unabhängig davon, ob irgendwelche Einzelindividuen unter den Schutzsuchenden Straftaten begehen.

Zudem sind in mehreren internationalen Abkommen wie der Genfer Flüchtlingskonvention, der EU-Menschenrechtskonvention und der EU-Grundrechtecharta die Schutzstandards für Asylsuchende festgeschrieben, völlig losgelöst davon, ob Einzelne oder Gruppen Sexualstraftaten gegen Frauen oder Diebstahldelikte begehen.

Völlig eindeutig spricht die Genfer Flüchtlingskonvention im Artikel 33 das Verbot aus, Geflüchtete „über die Grenze von Gebieten aus- oder in sie zurückzuweisen, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht wäre.“

Analog schreibt die Grundrechtecharta im Artikel 19 fest, dass „Kollektivausweisungen“ unzulässig sind und niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen werden darf, in dem ihm die Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder entwürdigende Behandlung droht.

Begeht ein Asylsuchender Verbrechen, ist es rechtlich und ethisch-moralisch völlig unzulässig, willentlich aus dem Individualdelikt ein Generaldelikt zu konstruieren, sondern es muss, wie schon erwähnt, im Einzelfall geprüft werden, wie in jedem anderen Strafprozess auch.

Aus den Sexual- und Diebstahldelikten in Köln eine Begrenzung des Zustroms oder gar eine willkürlich zu setzende Obergrenze abzuleiten, ist ein hanebüchener und zudem äußerst schäbiger Versuch, auf diesem illegalen Wege das Grund- und Menschenrecht sowie das internationale Flüchtlings und EU-Recht auszuhebeln.

Selbst die Änderung des Grundrechts in der Asylfrage wäre nach Expertenansicht unzulässig.

Einzig der Ausstieg der Bundesrepublik aus sämtlichen Abkommen, ließe eine Geflüchteten-Obergrenze möglich erscheinen, soll heißen, eine politisch korrektes System der Begrenzung und Abweisung in Europa ist schlicht nicht umsetzbar, ohne die so hoch gepriesenen Grundwerte nahezu gänzlich zu demolieren.

Wenn im Übrigen einige vermeintlich marxistischen Frauenversteher meinen, sie könnten auf andere, als deutsche Sozialisationen und Kulturen chauvinistisch-unkultiviert herabsehen, ohne sich mit ihnen aufbauend auseinanderzusetzen und sie könnten mit überbordender Polizeigewalt im Bereich Zuwanderungspolitik den Sozialismus herbeizwingen, sollten sie sich überlegen, ob sie sich nicht vielmehr im Einklang mit der bürgerlichen xenophoben Unkultur im Schulterschluss befinden und sozialistische Ansätze in der Einwanderungspolitik verhöhnen.

 

Quelle: http://www.scharf-links.de | 7.1.2016