Djibouti
(Dschibuti), am Horn von Afrika, 1977 von Frankreich
unabhängig geworden, ist ein Land mit weniger als einer
Million Einwohner-inne-n. 80 Prozent von ihnen leben unter
der Armutsgrenze, 42 Prozent in absoluter Armut, sechzig
Prozent des Staatshaushalts werden für den Schuldendienst
aufgewandt. Dabei verfügt das dort herrschende Regime ber
beträchtliche Einnahmen. Aus dem internationalen Hafen, der
an der Schnittstelle zwischen Rotem Meer und Indischem
Ozean eine strategische Position besetzt. Vor allem aber
dient der kleine Staat als ein berdimensionierter
Flugzeugträger fr mehrere auswärtige Mächte.
Die USA stehen
dort seit 2003 mit derzeit 4.500 Militärs im Camp
Lemonnier, einem der weltweit größten Horchposten, wo auch
Kamflugzeuge und Helikopter stationiert sind und
Drohneneinsätze befehligt werden. Frankreich, das seit der
Entkolonisierung im Jahr 1977 ununterbrochen präsent blieb,
unterhält seine derzeit größte auswärtige Militärbasis dort
mit z.Zt. 1.750 Soldaten; vor wenigen Jahren waren es noch
2.500, doch die früher ebenfalls dort stationierte
Fremdenlegion wurde inzwischen (2011) auf die neu
geschaffene Basis in Abu Dhabi am Golf verlegt. Auch die
deutsche Bundesmarine operiert seit November 2001 von
Djibouti aus und ist seit Beginn der Оperation Atalantavor
den somalischen Küsten 2008 dort stationiert-, wo
Verteidigungsministerin U. von der Leyen sie im April 2014
besuchte. China errichtet seinerseits zur Zeit seine erste
Militärbasis auf ausländischem Boden in Djibouti. Das Land
ist ferner Mitglied der Arabischen Liga.
Mit Demokratie
und ihrer Verteidigung hat all dies jedoch nichts zu tun.
Regiert wird Djibouti in diktatorhafter Manier von Ismail
Omar Guelleh, genannt „IOG“, Präsident ist er seit 1999,
zuvor war er Geheimdienstchef und Innenminister seines
leiblichen Onkels. Die vormalige Verfassung verbot ihm
zwar, mehr als zwei Amtszeiten zu absolvieren, doch ließ er
sie im Februar 2011 abändern und Proteste dagegen mit
Schusswaffen niederschlagen. Auch bei Protesten gegen eine
mutmaßliche Fälschung der Ergebnisse bei den
Parlamentswahlen vom Februar 2013 kamen sechs Menschen
durch Todesschüsse ums Leben. Derzeit schickt „IOG“ sich
nun an, für sein viertes Mandat bei der Wahl im April 2016
zu kandidieren. Mitte Dezember 15 kündigte er seine
Bewerbung dafür offiziell an.
Überschattet wird
die Vorbereitung dieser Wahlen durch eine brachiale
Repression, der zu Anfang der vorletzten Dezemberwoche 2015
mindestens 28 Menschen zum Opfer fielen. Über so viele
Namen von Getöteten verfgt Djiboutis Menschenrechtsliga
LDDH, die zusammen mit der Internationalen
Menschenrechtsvereinigung FIDH mit Sitz in Brüssel mehrere
Kommuniqués veröffentlichte. 34 Personen sind zudem derzeit
verschwunden, sie wurden entweder in Kasernen verschleppt
oder tauchten vorbergehend unter. Hinzu kommen ber 150
Verletzte. Die Behörden selbst räumen ihrerseits ein, es
habe am Montag, den 21. Dezember (15) ihnen zufolge sieben
Tote und 70 Verletzte gegeben; Innenminister Hassan Omar
macht dafr jedoch nicht näher benannte
„Paten
im Ausland“ verantwortlich, die versuchten,
Unfrieden in sein Land hineinzutragen.
In der Nacht vom
20. zum 21. Dezember 15 wollte der Clander Yonis Moussa,
eine Substruktur der Issa-Ethnie, die die Mehrheit der
Bevölkerung stellt -, eine Gedenkfeier für einen
verstorbenen Stammvater in der Örtlichkeit Buldhuyo
ausrichten. Diese zählt zur Kommune Balbala, am Rande der
mit dem Land gleichnamigen Hauptstadt. Die Versammlung
wurde jedoch verboten. Am 24. November 15 hatte das Regime
den Ausnahmezustand verhängt, offiziell infolge der
Attentate von Paris am 13. und in der malischen Hauptstadt
Bamako am 20. des Monats und weil französische Militärs in
Djibouti stationiert seien, also eine Anschlagsgefährdung
bestehe. Am folgenden Tag (25. November 15) untersagte die
Regierung alle Demonstrationen und öffentlichen
Versammlungen für eine Dauer von zwei Monaten, aus seiner
Sicht eine praktische Sache im Vorwahlkampf. Dieses Verbot
gilt jedoch nicht für Präsident IOG und seine Anhänger, und
Guelleh wollte just in Balbala eine eigene Veranstaltung
vorbereiten. Nachdem die Angehörigen der Yonis Moussa sich
weigerten, auf ihre Gedenk- und Gebetsfeier zu verzichten,
rief die – zunächst zuruckgedrängte - Polizei die Garde
républicaine herbei, die Präsidentengarde als Elitetruppe
der Armee. Diese eröffnete das Feuer mit scharfer Munition
auf die Menge. Ein weiterer Grund üfr das brutale
Eingreifen liegt darin, dass Präsident IOG diesen Clan ins
Visier genommen hat, seitdem einer seiner Angehörigen, der
Geschäftsmann Abdourrahman Charles Boreh, der früher
lukrative Infrastruktur-Aufträge im Bereich des
internationalen Hafens durchfhrte -, in Konflikt mit ihm
geriet und sich ins Ausland absetzte. Alle Angehörigen des
Clans wurden daraufhin aus der Präsidentengarde entfernt.
Am selben Montag
versuchte das Oppositionsbndnis USN (Union für die Rettung
der Nation), das aus sieben Parteien besteht und mutmaßlich
die vom Regime manipulierten Parlamentswahlen 2013 gewonnen
hat, eine Krisensitzung abzuhalten. Zu ihr kamen sieben
Fhrungsmitglieder, die die sieben Mitgliedsparteien der USN
repräsentieren. Zu ihr zählen überwiegend demokratisch
orientierte Kräfte wie das Вündnis für Aktion, Demokratie
und ökologische Entwicklung(RADDE), aber auch die von
Ägyptens Muslimbrüdern beeinflusste und moderat auftretende
Partei MODEL (Вewegung für Entwicklung und Freiheit). 38
Mitglieder und Anhänger der USN waren bereits in den Wochen
zuvor, wegen angeblicher Pläne fr die Abhaltung illegaler
Versammlungen, inhaftiert worden.
Die Versammlung
fand ab 17 Uhr in einem privaten Wohnhaus statt, dem des
Anwalts und USN-Sekretärs für Außenbeziehungen, Djama
Amareh Meidal. Maskierte Polizeieinheiten strmten daraufhin
das private Wohnhaus des Anwalts und eröffneten das Feuer
mit scharfer Munition sowie Gummigeschossen und Tränengas.
Der jngste Abgeordnete des djiboutischen Parlaments und
Medizinstudent Said Hussein Robleh wurde dabei
lebensgefährlich verletzt eine von mehreren Kugeln, die ihn
trafen, blieb in der Halsschlagader stecken. Sein Leben
konnte im französischen Militärkrankenhaus Hôpital Bouffard
gerettet werden. Tagelang wurden starke Polizeikräfte um
die Klinik zusammengezogen, die Robleh und andere dort
behandelte Oppositionsfhrer vom Krankenbett aus festnehmen
wollten. Die Ärzte widersetzten sich diesem Anliegen jedoch
erfolgreich. Robleh ersuchte in einem Brief an den
französischen Botschafter um Asyl in dessen Land, erhielt
jedoch bis Redaktionsschluss dieses Artikels keinerlei
Antwort darauf. Seinerseits wurde unter anderem der
Generalsekretär der USN und Chef der Mitgliedspartei RADDE,
Abdourrahman Mohamed Guelleh, inhaftiert und laut Angaben
der Menschenrechtsliga LDDH auch gefoltert. Er sitzt
derzeit in Untersuchungshaft im Gefängnis von Gabode in der
Hauptstadt.
Die Großmächte,
die Interessen in Djibouti unterhalten, reagierten zunächst
kaum. Das französische Außenministerium erklärte lediglich,
es verfolgedie Ereignisse in Djibouti mit Besorgnis, ohne
eine nähere Position zu beziehen. Das US-Außenministerium
wahrte zunächst zwei Tage Stillschweigen, verurteilte dann
jedoch die Repression in klaren Worten. China, die
Afrikanische Union und die UN schwiegen.
Editorische Hinweise
Wir erhielten diesen
Artikel vom Autor für diese Ausgabe. Eine gekürzte
Fassung dieses Artikels erschien am 29. Dezember 15 in
der Tageszeitung ,Neues Deutschland' (ND).
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