Zorn am Horn
Barbarische Repression in Djibouti

von Bernard Schmid

01/2016

trend
onlinezeitung

Djibouti (Dschibuti), am Horn von Afrika, 1977 von Frankreich unabhängig geworden, ist ein Land mit weniger als einer Million Einwohner-inne-n. 80 Prozent von ihnen leben unter der Armutsgrenze, 42 Prozent in absoluter Armut, sechzig Prozent des Staatshaushalts werden für den Schuldendienst aufgewandt. Dabei verfügt das dort herrschende Regime ber beträchtliche Einnahmen. Aus dem internationalen Hafen, der an der Schnittstelle zwischen Rotem Meer und Indischem Ozean eine strategische Position besetzt. Vor allem aber dient der kleine Staat als ein berdimensionierter Flugzeugträger fr mehrere auswärtige Mächte.

Die USA stehen dort seit 2003 mit derzeit 4.500 Militärs im Camp Lemonnier, einem der weltweit größten Horchposten, wo auch Kamflugzeuge und Helikopter stationiert sind und Drohneneinsätze befehligt werden. Frankreich, das seit der Entkolonisierung im Jahr 1977 ununterbrochen präsent blieb, unterhält seine derzeit größte auswärtige Militärbasis dort mit z.Zt. 1.750 Soldaten; vor wenigen Jahren waren es noch 2.500, doch die früher ebenfalls dort stationierte Fremdenlegion wurde inzwischen (2011) auf die neu geschaffene Basis in Abu Dhabi am Golf verlegt. Auch die deutsche Bundesmarine operiert seit November 2001 von Djibouti aus und ist seit Beginn der Оperation Atalantavor den somalischen Küsten 2008 dort stationiert-, wo Verteidigungsministerin U. von der Leyen sie im April 2014 besuchte. China errichtet seinerseits zur Zeit seine erste Militärbasis auf ausländischem Boden in Djibouti. Das Land ist ferner Mitglied der Arabischen Liga.

Mit Demokratie und ihrer Verteidigung hat all dies jedoch nichts zu tun. Regiert wird Djibouti in diktatorhafter Manier von Ismail Omar Guelleh, genannt „IOG“, Präsident ist er seit 1999, zuvor war er Geheimdienstchef und Innenminister seines leiblichen Onkels. Die vormalige Verfassung verbot ihm zwar, mehr als zwei Amtszeiten zu absolvieren, doch ließ er sie im Februar 2011 abändern und Proteste dagegen mit Schusswaffen niederschlagen. Auch bei Protesten gegen eine mutmaßliche Fälschung der Ergebnisse bei den Parlamentswahlen vom Februar 2013 kamen sechs Menschen durch Todesschüsse ums Leben. Derzeit schickt „IOG“ sich nun an, für sein viertes Mandat bei der Wahl im April 2016 zu kandidieren. Mitte Dezember 15 kündigte er seine Bewerbung dafür offiziell an.

Überschattet wird die Vorbereitung dieser Wahlen durch eine brachiale Repression, der zu Anfang der vorletzten Dezemberwoche 2015 mindestens 28 Menschen zum Opfer fielen. Über so viele Namen von Getöteten verfgt Djiboutis Menschenrechtsliga LDDH, die zusammen mit der Internationalen Menschenrechtsvereinigung FIDH mit Sitz in Brüssel mehrere Kommuniqués veröffentlichte. 34 Personen sind zudem derzeit verschwunden, sie wurden entweder in Kasernen verschleppt oder tauchten vorbergehend unter. Hinzu kommen ber 150 Verletzte. Die Behörden selbst räumen ihrerseits ein, es habe am Montag, den 21. Dezember (15) ihnen zufolge sieben Tote und 70 Verletzte gegeben; Innenminister Hassan Omar macht dafr jedoch nicht näher benannte „Paten im Ausland“ verantwortlich, die versuchten, Unfrieden in sein Land hineinzutragen.

In der Nacht vom 20. zum 21. Dezember 15 wollte der Clander Yonis Moussa, eine Substruktur der Issa-Ethnie, die die Mehrheit der Bevölkerung stellt -, eine Gedenkfeier für einen verstorbenen Stammvater in der Örtlichkeit Buldhuyo ausrichten. Diese zählt zur Kommune Balbala, am Rande der mit dem Land gleichnamigen Hauptstadt. Die Versammlung wurde jedoch verboten. Am 24. November 15 hatte das Regime den Ausnahmezustand verhängt, offiziell infolge der Attentate von Paris am 13. und in der malischen Hauptstadt Bamako am 20. des Monats und weil französische Militärs in Djibouti stationiert seien, also eine Anschlagsgefährdung bestehe. Am folgenden Tag (25. November 15) untersagte die Regierung alle Demonstrationen und öffentlichen Versammlungen für eine Dauer von zwei Monaten, aus seiner Sicht eine praktische Sache im Vorwahlkampf. Dieses Verbot gilt jedoch nicht für Präsident IOG und seine Anhänger, und Guelleh wollte just in Balbala eine eigene Veranstaltung vorbereiten. Nachdem die Angehörigen der Yonis Moussa sich weigerten, auf ihre Gedenk- und Gebetsfeier zu verzichten, rief die – zunächst zuruckgedrängte - Polizei die Garde républicaine herbei, die Präsidentengarde als Elitetruppe der Armee. Diese eröffnete das Feuer mit scharfer Munition auf die Menge. Ein weiterer Grund üfr das brutale Eingreifen liegt darin, dass Präsident IOG diesen Clan ins Visier genommen hat, seitdem einer seiner Angehörigen, der Geschäftsmann Abdourrahman Charles Boreh, der früher lukrative Infrastruktur-Aufträge im Bereich des internationalen Hafens durchfhrte -, in Konflikt mit ihm geriet und sich ins Ausland absetzte. Alle Angehörigen des Clans wurden daraufhin aus der Präsidentengarde entfernt.

Am selben Montag versuchte das Oppositionsbndnis USN (Union für die Rettung der Nation), das aus sieben Parteien besteht und mutmaßlich die vom Regime manipulierten Parlamentswahlen 2013 gewonnen hat, eine Krisensitzung abzuhalten. Zu ihr kamen sieben Fhrungsmitglieder, die die sieben Mitgliedsparteien der USN repräsentieren. Zu ihr zählen überwiegend demokratisch orientierte Kräfte wie das Вündnis für Aktion, Demokratie und ökologische Entwicklung(RADDE), aber auch die von Ägyptens Muslimbrüdern beeinflusste und moderat auftretende Partei MODEL (Вewegung für Entwicklung und Freiheit). 38 Mitglieder und Anhänger der USN waren bereits in den Wochen zuvor, wegen angeblicher Pläne fr die Abhaltung illegaler Versammlungen, inhaftiert worden.

Die Versammlung fand ab 17 Uhr in einem privaten Wohnhaus statt, dem des Anwalts und USN-Sekretärs für Außenbeziehungen, Djama Amareh Meidal. Maskierte Polizeieinheiten strmten daraufhin das private Wohnhaus des Anwalts und eröffneten das Feuer mit scharfer Munition sowie Gummigeschossen und Tränengas. Der jngste Abgeordnete des djiboutischen Parlaments und Medizinstudent Said Hussein Robleh wurde dabei lebensgefährlich verletzt eine von mehreren Kugeln, die ihn trafen, blieb in der Halsschlagader stecken. Sein Leben konnte im französischen Militärkrankenhaus Hôpital Bouffard gerettet werden. Tagelang wurden starke Polizeikräfte um die Klinik zusammengezogen, die Robleh und andere dort behandelte Oppositionsfhrer vom Krankenbett aus festnehmen wollten. Die Ärzte widersetzten sich diesem Anliegen jedoch erfolgreich. Robleh ersuchte in einem Brief an den französischen Botschafter um Asyl in dessen Land, erhielt jedoch bis Redaktionsschluss dieses Artikels keinerlei Antwort darauf. Seinerseits wurde unter anderem der Generalsekretär der USN und Chef der Mitgliedspartei RADDE, Abdourrahman Mohamed Guelleh, inhaftiert und laut Angaben der Menschenrechtsliga LDDH auch gefoltert. Er sitzt derzeit in Untersuchungshaft im Gefängnis von Gabode in der Hauptstadt.

Die Großmächte, die Interessen in Djibouti unterhalten, reagierten zunächst kaum. Das französische Außenministerium erklärte lediglich, es verfolgedie Ereignisse in Djibouti mit Besorgnis, ohne eine nähere Position zu beziehen. Das US-Außenministerium wahrte zunächst zwei Tage Stillschweigen, verurteilte dann jedoch die Repression in klaren Worten. China, die Afrikanische Union und die UN schwiegen.

Editorische Hinweise

Wir erhielten diesen Artikel vom Autor für diese Ausgabe. Eine gekürzte Fassung dieses Artikels erschien am 29. Dezember 15 in der Tageszeitung ,Neues Deutschland' (ND).