Mali
Neuer Einsatz(t?)raum für die deutsche Bundeswehr

von Bernard Schmid

01/2016

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Die Sahelzone wird, neben dem Aktionsraum des so genannten „Islamischen Staates“ in Syrien und im Iraq, zu den nächsten Einsatzorten der deutschen Bundeswehr zählen. Als die Bundesregierung Ende November 2015 bekannt gab, „aus Solidarität mit Frankreich“ - infolge der Terrorattacken vom 13. November des Jahres – zusätzliche militärische Kapazitäten für Auslandseinsätze zu mobilisieren // vgl. http://www.faz.net/// , ging es neben dem Mittleren Osten auch um Mali. Dort sollen die deutschen Streitkräfte die seit Januar 2013 in dem westafrikanischen Land intervenierende französische Armee „entlasten. (/( Vgl. http://www.spiegel.de //

In dem Land, dessen Nordhälfte zwischen April 2012 und Januar 2013 durch eine (brüchige, und inzwischen zerbrochene) Koalition aus Tuareg-Separatisten und Jihadisten besetzt war, unterhält Frankreich seit nunmehr fast drei Jahren eine größere Streitmacht. Die Intervention, mit der die französische Armee Anfang 2013 die bewaffeten Gruppen vorübergehend aus Nordmali vertrieb, hörte auf den militärischen Namen „Operation Serval“ - benannt nach einer Savannenkatze, die Zoologen vor allem durch besonders ausgiebiges Urinieren auf ihrem Territorium bekannt ist. Seit 2014 ist sie ersetzt worden durch die „Operation Barkhane“, benannt nach einem Wüstenwind, deren Einsatzgebiet die gesamte Region von Mali über Burkina Faso und Niger bis zum Tschad umfasst und deren Hauptquartier im tschadischen N'Djamena angesiedelt wurde – in der Hauptstadt jenes Landes, wo Frankreich seit 1990 die besonders brutale Diktatur von Machthaber Idriss Déby Itno unterstützt. Am 02. November 2015 war das Kontingengt der „Barkhane-Streitmacht“ aufgrund anhaltender jihadistischer Aktivitäten in der Region, aber noch vor den Pariser Attentaten und ohne Zusammenhang mit ihnen, von zuvor 3,000 auf 3.800 Mann hochgefahren worden. Parallel dazu übernahm übrigens jüngst ein tschadischer Militär den Oberbfehl über die UN-Truppe MINUSMA, die neben den Franzosen in Mali tätig ist und bei voller Besetzung über 11.000 Mann umfassen soll // vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu //.

Deutsches Militär nimmt bislang in Mali an Ausbildungsmissionen für örtliche Soldaten im (relativ stabilen und sicheren) Süden des Landes teil, mit 210 Bundeswehrangehörigen, die nicht an Kampfhandlungen teilnehmen dürfen. Ausländische Militärs in Mali nehmen aber auch an Kämpfen im wesentlich gefährdeteren Norden Malis teil, sei es im Rahmen der - von den Vereinten Nationen unabhängigen, allerdings 2013 für die „Operation Serval“ anfänglich von den UN mandatierten – französischen Streitmacht, sei es im Rahmen der UN-Truppe MINUSMA („UN-Mission für die Stabilisierung Malis“). Bei Letzerer unterhält die Bundeswehr selbst bislang formal 150 ihrer Soldaten, real sind es aber nur zehn.

Deren Anzahl soll nun um 650 auf künftig 800 aufgestockt werden. // Vgl. http://www.fr-online.de// Auch in der bürgerlichen und eher regierungsnahen Presse wird dieser Einsatz als riskant dargestellt. Vgl.http://www.welt.de/politik und/oder http://www.welt.de/politik/ausland/ // Pannen der französischen Armee wie die // vgl. http://www.leparisien.fr // , bei der am vorletzten Dezember-Wochenende 2015 neben Jihadisten auch mehrere Mitglieder einer loyalistischen, d.h. mit Malis Regierung zusammenarbeitenden Gruppe getötet wurden // vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu //, steigern die Beliebtheit der Franzosen wohl nicht.

Und er ist auch zweifellos erheblich risikoreicher als die bisherige Ausbildungsmission in Koulikoro. Diese Stadt liegt rund sechzig Kilometer von der Hauptstadt Bamako entfernt und fernab von Kampfzonen und Orten bewaffneter Auseinandersetzungen. Das lässt sich vom Norden Malis, wo die Bundeswehr ihr Hauptquartier in Gao einnehmen soll, nicht behaupten. Bewaffnete Gruppen verüben dort gezielte Morde // vgl. http://malijet.com/ //.

So wurden am 26. Dezember 15 bspw. zehn Tuareg durch Jihadisten getötet. // Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu //

Am 20. Dezember 15 wurde eine malische Kaserne im Bezirk Niono angegriffen // vgl. http://malijet.com/// . In der Nacht zum 18. Dezember des Jahres war ein Kommunalparlamentarier in der Nähe der Kreisstadt Djenné, die für ihre Lehmmoschee weltberühmt ist, von mutmaßlichen Jihadisten getötet. // Vgl. http://malijet.com/actualte // Am selben Abend wurden im Raum Tombouctou (Timbuktu) zwei Mitarbeiter eines christlich orientierten Radiosenders sowie ein Student erschossen. // Vgl. http://malijet.com/l // Ruhe sieht also tatsächlich anders aus, als die derzeitige Situation im Norden Malis.

Dort zeigen sich bewaffnete Islamisten gerade in allerjüngster Zeit sichtbarer als zuvor //vgl. http://malijet.com/actualte_dans_les_regions // , nachdem die französische Intervention 2013 sie vorübergehend in Nachbarzonen und -länder – wie in den Süden Libyens – vertrieben oder abgedrängt hatte. Zwar zerbrach die Allianz der „Jihadkämpfer“ mit den örtlichen Tuareg-Rebellen, die vor allem auf gemeinsamen Interessen im Schmuggel- und sonstigen Gewerbe in der Wüstenregion (Handel mit Waffen, Geiseln, „Schlepper“diensten für Migranten, Drogentransport und Schmuggel) beruht hatte. Und die Zentralregierung hatte versucht, die Tuareg in eine Verhandlungslösung einzubinden, im Juni 2015 wurde ein Abkommen mit ihren Vertretern feierlich in der Hauptstadt Bamako unterzeichnet, das eine Dezentralisierung Malis zugunsten der Regionen vorsieht. Doch dessen Umsetzung kommt bislang nicht richtig voran //vgl. http://malijet.com //, unter anderem aufgrund von Partikularinteressen sowohl im von Korruption zerfressenen Staatsapparat als auch unter den ebenfalls von ökonomischen Interessen getriebenen Anführern bewaffneter Rebellenhaufen, die alle berücksichtigt werden wollen. Zweifel breiten sich zunehmend aus // vgl. http://malijet.com/la_societe_//. In dieses politische Vakuum, in dem kaum einer der Akteure das Vertrauen der Bevölkerung genießt, versuchen die Jihadisten abermals vorzustoßen.

Der notorische Vertrauensverlust weiter Teile der Bevölkerung in die politische Klasse, die primär ebenso für korrupte Eigeninteressen wie für ausländische – besonders französische – Interessen tätig ist, trägt dazu bei, dass die Rekrutierung für jihadistische Gruppen nicht nachlässt . Nach dem Skandal um den Import von 40.000 Tonnen // vgl. http://maliactu.net/ // abgelaufenen und verdorbenen Düngers seit Mai 2015 // vgl. http://maliactu.net/mali// kam im Herbst des Jahres jener um die Einfuhr von 1.000 Traktoren hinzu, die als Geschenk für die Bauern und wichtiger Beitrag zur Modernisierung der Landwirtschaft dargestellt // vgl. http://malijet.com/la_societe// wurden, nur jedoch nicht funktionieren // vgl. http://www.maliweb.net

Auf jeden Tiefpunkt im Vertrauen der Bevölkerung gegenüber den Regierenden, Präsident Ibrahim Boubacar Keïta (IBK) eingeschlossen, folgt der nächste. Präsident IBK mag dabei trotzig wiederholen: „Ich glaube nicht, dass ich gescheitert bin” //vgl. http://www.jeuneafrique.com/ //; allein die Tatsache einer solchen Erklärung wirft kein gutes Licht auf seine Regierungsbilanz. Alles in allem kein guter Grund, auf dem sich eine Demokratie stabilisieren ließe. IBK und seine Leute erscheinen in vieler Menschen Augen vor Ort überwiegend als korrupte Geschäftsträger ausländischer Interessen, aus dem Norden. Auch wenn die Demokratie auf der Ebene der Durchführung von Mali gut funktioniert, anders in einigen Nachbarländern, werden ihre Grundlagen dadurch zugleich unterhöhlt.

Muslimische Kleriker warnen gerade in diesem Kontext zur Zeit lautstark vor einer „Kolonisierung Malis in Form der Präsenz ausländischer Truppen“ // vgl.http://malijet.com/ //, während sie unter Anführung von Mahamoud Dicko zugleich eine Kampagne gegen Homosexualität und andere Anzeichen vermeintlicher „importierter“ kultureller Dekadenz lostreten. // Vgl. http://malijet.com/a_la_une // Dieses Grundmuster ist aus anderen Staaten im Norden Afrikas bekannt: Reaktionäre, rückwärtsgewandte Inhalte werden im Gewand einer gegen „ausländische Dominanz“ gekehrten Rhetorik als widerständige, rebellische Werte im Kampf für das „Eigene“ und gegen fremde Vorherrschaft verkauft. Zusätzlich waren die Kleriker in den letzten Jahreswochen 2015 erheblich gegen die Regierung aufgebracht, weil diese zunächst bis zum Jahreswechsel den Ausnahmezustand verhängt hatte // vgl. http://actu.orange.fr //, nachdem am 20. November ein spektakuläres Attentat im Hotel Radison Blu in der Hauptstadt stattgefunden hatte. Inzwischen wurde der Ausnahmezustand allerdings bis Ende März 16 verlängert. // Vgl.http://www.lefigaro.fr/flash-actu //

Da am 24. Dezember 15 das Fest Maouloud begangen wurde, bei dem der Geburt des Propheten Mohammed gedacht wird - es fiel dieses Jahr ausnahmsweise (erstmals seit gut 450 Jahren) datumsmäßig mit dem christlichen Weihnachtsfest zusammen -, fielen auch religiöse Versammlungen unter freiem Himmel unter das Veranstaltungsverbot. Was den (Laien-)Klerus zusätzlich in Rage versetzte // vgl. http://malijet.com // und ihn zum Opponieren trieb.

So lange die Erfolgsgrundlagen für solche Agitation u.a. durch die Struktur der Wirtschaftsbeziehungen zu Ländern wie Mali, aber auch durch die tatsächliche neokoloniale Arroganz Frankreichs ernährt und untefüttert werden, ist kein Anlass zu blendendem Optimismus gegeben. Und ein Einsatz der Bundeswehr in solchem Kontext dürfte die Probleme wohl kaum lösen, sondern eher an der Gefährdung der eigenen Leute und anderer Leute teilhaben.

Editorische Hinweise

Wir erhielten diesen Artikel vom Autor für diese Ausgabe.