Der Afghanistankrieg, eingefasst in Geplauder und Bundeswehr-Episoden
Der Roman "Kriegsbraut" von Kurbjuweit, der den Bundeswehreinsatz erzählerisch bebildert, kommt jetzt leider auch auf eine Neuköllner Kulturbühne

von Birgit von Griegern

01-2013

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Vorbemerkung: Aufgrund eines redaktionellen Versehens wurde eine längere Zweitfassung des Artikels vor der Erstveröffentlichung in Zeitschrift "Ossietzky" in der Nr. 11/2012 publiziert. Da die Erstveröffentlichung Vorrang hatte, warteten wir die dortige Veröffentlichung ab und können mit dieser Ausgabe unseren LeserInnen die "Langfassung"  präsentieren.

Mit großem Ernst wurde von den Feuilletons der Tagespresse Dirk Kurbjuweits Roman „Kriegsbraut“ (Rowohlt Berlin-Verlag 2011) als ein Kulturwerk von Komplexität behandelt und für seine „Erzählkunst“ und für etwelche Eigenschaften hochgelobt. Sie sind leider heute schon gewohnt zu beobachten, solch homogene feierliche Rezensionen, die von etablierten Kulturforen Werken journalistischen Stils und flacher Ausarbeitung zuteil werden. Indirekten Unglimpf an literarischen Werken bedeuten sie, nach meiner Ansicht (weshalb ich, nach einem abgeschlossenen Literaturstudium, keine akademische Laufbahn wollte), an hochkomplexen Werken von tiefen menschlichen Einblicken, wie den Schriften einer Emine S. Özdamar, eines Hilsenrath, der überlieferten Literatur einer Bachmann, eines Döblin – an wehrlosen Büchern, denen heute oft auch von Akademien zugemutet wird, eingereiht zu sein neben solchem Tendenz-Kram.

Das Buch "Kriegsbraut" ist ein Roman, der den deutschen Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan emotional besetzt und in Episoden bebildert. Feuilletonisten, die solches feiern, müssen die Botschaft der großen Anti-Kriegsromane der Literaturgeschichte schlicht vergessen haben. Aber wer weiß, ob nicht ein skrupelloses Kulturministerium solches mal SchülerInnen vorlegt zur Pflichtlektüre? Darum zeigt sich eine ausführliche Darlegung dieses bürgerlichen Tendenz-Werks von übrigens kläglichem Stil notwendig.

Journalistischer Stil - darunter verstehe ich hier u. a., dass Gegenwartsautoren ihren Stoff suchen bei den aktuell tagespolitischen Erörterungen, und des weiteren auch noch sich in der Gestaltung des Stoffes anschmiegen an den Wertekonsens, der grad` eben vom regierenden Regierungskabinett angesagt und von den Medien in ihren Verallgemeinerungen und Stimmungselementen ausgestrahlt wird. Anderes Beispiel: In 2007 veröffentlichte der Erfolgsautor Martin Mosebach "Der Mond und das Mädchen" (Hanser-Verlag), einen Roman, in dem über abendländische Werte und die Folgen der Einwanderung muslimischer MigrantInnen sinniert wird- und zwar deutlich eurozentristisch sinniert wird. Hier ging es um die Perspektive eines deutschen erfolgreichen Bankangestellten in einem Umfeld migrantischer NachbarInnen, Tagelöhner, HändlerInnen und Prostituierte. Nahmen die deutschen Protagonisten Hans und sein Philosoph-Freund hier eine intellektuelle Position ein und entfalteten ihre Betrachtungen vor dem Phänomen muslimischer Zuwanderer, so erfuhr mensch nur eine Außensicht auf die migrantischen Figuren, die so stark befasst waren mit materiellen, kurzlebigen und auch devianten Geschäften, und erotisch fragwürdig noch dazu. Da mußte sich mensch fragen, ob denn Emine S.Özdamars grandiose "Mutterzunge" ganz in der Versenkung der Feuilletons verschwand, schließlich legte dieses Berliner Buch schon vor 22 Jahren die Interkultur ans Herz und erschloss eine wunderbare Epik über die Erfahrung der "Gast"-Arbeitenden und eine neue Sprachkunst. Regressiv war, was Mosebach in 2007 mit seinem Roman darlegte. Tatsache wurde mir, nach wiederholter Beobachtung: Komplexe Werke werden in der neoliberalen Epoche vergessen, weggefegt wird ihre Botschaft durch neue deutsche „Leitkultur“-Büchlein. Da stellen neue Erfolgswerke Rätsel auf, wo die überlieferte Literatur längst Wege fand, und wo diese emanzipativ war, ergötzen sich die Heutigen am Stereotyp. Von der neuen Literatur, die heute in den großen Verlagen und Kulturforen gefeiert wird, ist keine gesellschaftliche Kritik an "leberwurstgrauem" (May Ayim) deutschem Alltag zu erwarten. Mosebach schrieb seine Roman-Handlung entlang an der politischen Werteordnung - in der Zeit der deutschen Integrationsverordnungen mit dem Grundsatz "Fördern und Fordern" (Integrationsgipfel 14.07.2006), welche eine migrantische "Selbstverpflichtung", sich an eine deutsche "Leitkultur" anzupassen, auferlegte. Ein prä-sarrazinisches Werk, das in 2007 mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet wurde.

Das Muster der marktführenden und bürgerlichen Kulturerzeugung ist nicht raffiniert, sondern geprägt von der medialen Meinungs-Schleuder: Vermeint wird im heutigen Konsens von "Kultur", dass große Literatur mit einem großen Gegenstand hergestellt wird, und wirklich groß, so wird geglaubt, sei ja, was auf den Kathedern des Bundestags landet! Und wenn beim Regierungskabinett Integrationsdebatte dran ist, so diktiert dies den Romanstoff, und wenn Terrorismusdebatte dran ist, wird eine terroristische Gefahr prägend für die Figuren des aktuellen Schriftstellers. Vergebens sucht mensch Kritik am heutigen Wirtschaftsregime mit seinen landraubenden und gegen Flüchtlinge abschottenden Schuftereien. Was ist das aber nur, dieses Erstickende und Beengende an dieser Art von "Größe", die uns ständig aus den Feuilletons entgegenwettert? Es begegnet kein Underdog, überhaupt keine Randfigur des entsetzlichen Gewinnertums und auch keine Persönlichkeit von Lebenserfahrung gegen den Strom. "Schriftsteller sollen sich nicht darum, dass sie sich ans Großartige schmiegen, für groß halten, vielmehr in Kleinigkeiten bedeutend zu sein versuchen. Was dachte ich neulich darüber? Man müsse vom geringsten Gegenstand schön reden lernen, was besser wäre, als über einen reichlichen Vorwand sich ärmlich ausdrücken." So schrieb vor rund neunzig Jahren Robert Walser (im Band "Die Rose. Gesammelte Geschichten", Suhrkamp 1986, S. 54), ein Meister der Literatur der ephemeren "Spaziergänge", aber auch des menschlich-kommunikativen Unterschwelligen und der sensiblen Kulturbetrachtung.

Mit dem Roman von Dirk Kurbjuweit "Kriegsbraut" (Rowohlt Berlin Verlag 2011) dräut schon wieder ein "großer" Gegenstand, doch: ausgerechnet das Thema des Afghanistankrieges. Kurbjuweit ist Spiegel-Mitarbeiter seit 1999 und Autor mehrerer Romane. Das tendenziöse und von der Presse so sehr belobigte Buch hat es jetzt auch zu einer Bühnenfassung gebracht, die in Berlin-Neukölln im November aufgeführt wird. Und in dieser Tatsache wohnt eine groteske Note. Neukölln ist ein Berliner Bezirk mit hohem Migrantenanteil, und offenbar glaubt diese Bühne, einen für Neuköllner Lebenswirklichkeit relevanten Stoff zu inszenieren. Aber die Bühne Heimathafen, bislang bekannt mit interkulturellen Theater-Aufführungen von teils satirischem, teils ernsthaftem Inhalt, der auch Straßenrealität zum Bühnenwerk verarbeitete, irrt hier und greift in ein Arsenal von blonden Pferdeschwänzen, Wurst-Frühstücken und Truppenübungen.

Es eignet diesem Kriegsroman, dass er uns nicht etwa aufrüttelt und beunruhigt, sondern im Gegenteil, siehe die Rezension des Deutschlandradios: "`Kriegsbraut` ist ein sprachlich präziser, durch eine erzählerische Ruhe bestechender Roman, der keine politischen oder religiösen Debatten führt, sondern diese behutsam in die Figurenrede einbaut und so über den Krieg mehr zu sagen hat als Dutzende von Leitartikeln". Noch haben wir hierzulande kaum Filme und Berichte von den Opfern der Bombardements in Afghanistan bezeugt, da wird unsere Vorstellungskraft von einem Schriftsteller derart schlecht bedient, dass er uns beruhigt!

Die Bühnenfassung interessiert mich nicht, habe ich doch den Roman bereits angefasst: Überzeugt habe ich mich, dass er keinen interkulturellen Gehalt hat. Denn er birgt leider inhaltlich, was der Titel verspricht: Eine Bundeswehr-Geschichte, in der die Kriegführung der Bundeswehr in Afghanistan ausgeschmückt und illustriert wird mit persönlicher und emotionaler Besetzung dieses Soldatentums. Nicht erwähnt werden die wirtschaftlichen Motive bei dem deutschen Kriegseinsatz am Hindukusch, hingegen bruchlos akzeptiert ist hier die politische Begründung mit einem humanitären Einsatz gegen die Taliban, wie sie uns von Anfang an vom Bundestag geliefert wurde.

So hat der Roman auch nichts an Reflektion aus migrantischer Sichtweise auf dieses Thema zu bieten, denn der Autor folgt hier, gemäß der Gepflogenheit von „Spiegel“-Journalismus, der Perspektive der nationalen Politik. Äußerst tendenziös ist, dass diese deutschnationale Sicht in den zahlreichen Dialogen der deutschen ProtagonistInnen- und eines einzigen afghanischen Sprechers- zur Geltung kommen darf, während sie in der Handlung an keiner Stelle ins Wanken gebracht wird von irgendeiner Opferstimme, die die Folgen vom militärischen Beschuss fühlbar machen würde- oder auch von der Beschreibung der Opfer in Verzweiflung, Hilflosigkeit und Verwundbarkeit. So darf dann tatsächlich sich der Satz "Niemand ist unbeteiligt, niemand unschuldig" leitmotivisch in den Medien und auf der Rowohlt- Homepage wie ein Fazit verbreiten lassen.

Aus deutscher Perspektive wird der Krieg erzählt- es ist die Perspektive der Protagonistin Esther Dieffenbach, die ihrem Leben eine Richtung geben will und deshalb als Bundeswehrsoldatin zum Kriegseinsatz nach Afghanistan reist. Was bringt sie bloß zu diesem Entschluss? Zunächst: Sinnlos schweifendes Dasein, das in Berliner Episoden geschildert wird. Esther streift unbekannt umher, nimmt ein Taxi, steigt in einer Pension ab.

Sie erlebt nichts, noch nichts. Da geben Einzelheiten von Banalität das Gepräge ihres Umfelds, wie die Handwerker „im grauen Kittel und Latzhosen“, die im Frühstücksraum sitzen mit dem Zollstock in der Hand: „Sie teilte sich das Bad mit ihnen, konnte aber nicht klagen. Auch Jasper hatte es nie geschafft, alle Barthaare aus dem Waschbecken zu entfernen, und sie hatte kein Geld für eine andere Bleibe." (S. 19) Trockene Gedankengänge Esthers haften den täglichen Kleinigkeiten dicht an, das liest sich drollig. In dieser ereignislosen Zeit hat sie keinen festen Partner, weiß auch beruflich nicht weiter. Sie arbeitet dann in einer Bar und lernt einen der Gäste kennen. Der ist Filmemacher und steht in Kontakt mit Warner Brothers. Er hat "den ganzen Abend mit dem Deutschland-Chef des Verleihs verhandelt, weil er dessen Geld brauche, um den Film über die Riefenstahl machen zu können." (S. 21) Hier hat sich also ein Ereignis angebahnt. Thilo, der Filmemacher, will seit sechs Jahren einen Film über Leni Riefenstahl drehen (später soll es die Hermannschlacht sein), erörtert wird, ob die Darstellung eines küssenden Führers angebracht sei. Wir bemerken: Ein richtiger Bar-Kumpel aus dem „Spiegel“-Milieu! Und mit diesem Protagonisten kann Esther ihren Alltag verlassen, bevor sie etwelche Haltung in ihrer täglichen Monotonie entwickelt hätte -sie beginnt eine Liebschaft mit Thilo, bei Plaudereien, Erotik und mit einem schönen Dinner, wenn der Kellner sie mit knirschender Pfeffermühle bedient. Hübsch angerichtete Essen scheinen eine Vorliebe des Autors zu sein und werden öfter erwähnt.

Der Handlungsstrang bietet also Sensationen als bewegende Motive, um Esther aus ihrer unberaten-schweifenden Zeit zu retten. So geht es weiter: Nach einer gewissen Zeit mit Thilo, in der sie immer noch über ihre berufliche Weiterbildung nachdachte, beschließt Esther, sich auf ein Werbeplakat der Bundeswehr hin zum Soldatentum zu rüsten. Nach der Vorbereitungszeit fliegt sie zum Hindukusch, wo sie auf ihren Truppeneinsatz wartet.

Im Camp vertreibt sie sich die Langeweile bei Gesprächen mit den Soldaten und dem Truppenleiter, erzählt von ihrer eigenen DDR-Vorgeschichte, plaudert mit den anderen über Familie, Liebschaften und über persönliche Eindrücke angesichts der Gefahren. Und sie fährt auf Erkundungen in die Landschaft aus. Der linear durchgehaltene Erzählstil führt zur eigentlichen Liebesgeschichte hin: Esther lernt den afghanischen Schulleiter Mehsud kennen, und während ihrer wiederholten Gespräche verliebt sie sich. Eine Beziehung kann aber nicht angeknüpft werden, sondern wird von den Regeln des Krieges verhindert. Esther reist zurück nach Deutschland - um später doch wiederum als Soldatin nach Afghanistan zurück zu kehren. Mit einer scheiternden Liebesgeschichte bringt der Roman eine sentimental-ratlose Nuance auf. Doch es ist kein Anti-Kriegs-Roman sondern ein Buch, das den deutschen Kriegseinsatz rechtfertigt. Kurbjuweit selbst dazu in einem Interview mit der Katholischen Militärseelsorge:

"Als Schriftsteller fälle ich keine Urteile, ich beschreibe. Als Journalist habe ich mich immer wieder für den Einsatz der Deutschen in Afghanistan ausgesprochen. Die deutsche Bevölkerung insgesamt ist jedoch skeptisch. Das führt auch dazu, nicht hinsehen zu wollen, sich mit dem Unwillkommenen nicht zu befassen. Die Soldaten sind aber in unserem Auftrag dort, das Parlament hat sie nach Afghanistan geschickt, und das Parlament repräsentiert die Bürger. Ich finde deshalb, dass wir den Soldaten wenigstens unsere Aufmerksamkeit mitgeben sollten, ein offenes Ohr und Auge für ihre Entbehrungen, Ängste und Dilemmata. " (www.katholische-militaerseelsorge.de)

Die politische Ausrichtung des Romanautors ist klar: Über die Tatsache, dass die deutsche Bevölkerung in Umfragen seit Jahren zu großem Anteil gegen den Kriegseinsatz war, stellt er die Tatsache des Regierungsbeschlusses- Gefolgstreue ist angesagt.

Diese Gefolgstreue wird an der Figur Esther nun einigermaßen schmackhaft- in ihrem Kriegseinsatz widmet sie sich der Aufgabe, den Schulbesuch von Kindern zu gewährleisten. Und mit Episoden von alltäglichen Verrichtungen im Bundeswehr-Camp wird der Soldaten-Alltag zum erzählerisch tragenden Motiv.

Tendenziös ist diese deutliche Einseitigkeit in der Darstellung der Bundeswehr-Episoden, während zum Beispiel der Autor mit seiner dargebotenen Geschichte nicht im geringsten erwägt, Flüchtlings-Thematik als ein auch unter deutsche Verantwortung fallendes Ereignis zu skizzieren, sprich, auch ein Fluchtmotiv infolge von Destabilisierung durch den Militärschlag anzudeuten - und sehr genehm für die deutsche Regierung klammert er die Tatsache der afghanischen Flüchtlinge völlig aus, die in Deutschland in miserablen Lagern und Wohnheimen ausharren müssen und von Abschiebung bedroht werden.

Wie lautstark ist uns dieses Schweigen, wenn wir bloß mit offenen Augen durch den deutschen Alltag gehen!
Doch wen sollte diese selektive Sicht des Autors verwundern, war doch der "Spiegel" nie Kriegsgegner. Im Gegenteil, das große Interesse dieser Zeitschrift seit 2001 an den Stimmungen in Bundeswehr-Übungscamps, die sich für den Nato-Militärschlag vorbereiteten, sorgte für seitenlange Reportagen mit heroisierendem Unterton noch und noch.

Ganz erstaunlich ist aber die Definition von schriftstellerischer Haltung seitens Kurbjuweit:

Er urteile nicht, er "beschreibe" nur. Wie nicht gar. Die großen SchriftstellerInnen der Weltliteratur hätten nicht geurteilt, von Heine (der den deutschen Fürsten und Teutonen vom Exil aus seine Spott-Lyrik zuteilte), Heinrich Mann (der das kriecherische Untertanentum der Kaiser-Anhänger satirisch anpackte) bis Böll (der sich um die Ehre der Katharina Blum vor der Pressemeute sorgte)? Und die großen Anti-Kriegs-Autoren hätten nicht – und zwar beschreibend- geurteilt? Oskar Maria Graf, wenn er Erfrorene, Hingemordete und Wahnsinn schilderte in "Wir sind Gefangene"? Ernst Toller in seinen Jugendmemoiren, dessen Ich-Erzähler, vor einem Reststück von Leichnam stehend, erkennt, wie alle Menschen in ihrer Verwundbarkeit und Ärmlichkeit gleich sind? Kurt Tucholsky in seinen Gedicht-Appellen, die vor der Beschreibung einer Leiche nicht zurückscheuen? Oder der afrikanische Autor Ken-Saro Wiwa, dessen Soldat "Sozaboy" am Ende seiner wohlgemuten Soldatenreise nur noch das Hinsterben und Verzweifeln der nigerianischen Brüder und Schwestern bekundet?

Sie haben dem Autor Kurbjuweit voraus, den Krieg selbst durchlebt und durchlitten zu haben, und eine kompromisslos humane Haltung im Appell Nie wieder Krieg! hinüberzuretten für Überlebende und Nachkommen.

Doch das ist nicht sein Fall. Ja sicherlich, wir wissen schon: Kurbjuweit würde es eher mit Hemingway halten als etwa mit Karl Kraus. Denn Hemingway,der wird in einem Dialog im Roman erwähnt. Nun, dieser hat sich seinen Manneskult in seiner eigenen Erfahrung im spanischen Bürgerkrieg erworben. Kurbjuweit schafft das jedoch mit ein paar Besuchen im Bundeswehr-Camp und an der Schreibtastatur.

Aber hätte er, Kurbjuweit, doch wenigstens wirklich intensiv sich der Beschreibung gewidmet, so wäre dies schon eine Leistung! Doch auch da läßt er die Leserschaft ja am langen Arm verhungern. In seinem Buch, das von Medien als ein packendes zeitgeschichtliches Werk gepriesen wird, fehlen doch etliche Beschreibungen: Es sind keine Verzweiflungsschreie und Klageschreie von verwundeten AfghanInnen zu hören, es ist kein Anblick eines in Ruinen stehenden Dorfes oder eines klaffenden Bombenkraters gegeben, es werden keine verwundeten und entstellten AfghanInnen begegnet. Kurbjuweit hat seine Figur nun mal mit dem Geschick ausgestattet, solchen Anblick nicht zu Gesicht zu bekommen.

In einer der wenigen Episoden, da wirklich von einem stattfindenden Gefecht berichtet wird, welch karge Szenerie: Der Boden bebt, Esther sieht "Staub, Feuer". (S. 243) Aber wir bekunden keinen Schock vor dem Ergebnis von Waffengewalt, keine hinreichende Ahnung von der sinnlichen oder seelischen Wirkung, die Phosphorbomben, Streumunition, DIME- und Uranmunition am Menschen anrichten, würden sie erlitten oder auch nur als Augenzeuge mitverfolgt. Und diese Waffen, die bei dem Nato-Militärschlag Anwendung fanden, werden im ganzen Roman nicht einmal als solche benannt und eingeführt. Wir haben es nur mit dem säuberlichen "Wolf", dem Panzer der deutschen Einheit, und den "Apachen", den Hubschraubern der Amerikaner zu tun.

Es ist auch kein Blut zu sehen der afghanischen Opfer. Sondern, wenn uns Blut ausdrücklich in einer Beschreibung begegnet, so nur das der deutschen SoldatInnen! Eine ausführlicher geschilderte Verwundung betrifft die Soldatin Esther selbst durch den Kugelbeschuss der Taliban-Kämpfer.

Der Autor verschont uns auch mit einer intensiven Beschreibung von Leichen oder von verkrüppelten oder entstellten Menschen. Beinahe verschämt, so scheint es, geht der Erzähler hiermit um. Gemetzel oder, im sauberen Sprachgebrauch des Romans, "Gefechte", gibt es nur wenige, und mehr wird hierüber geredet, als es erlebt wird.

Ein solches Gefecht wird ausführlicher geschildert, und da konfrontiert Esther tatsächlich direkt Tote, und wie gerät hier die Schilderung? Wie wird hier Kurbjuweit seinem Anspruch, zu beschreiben, gerecht? Nach dem Beschuss eines Gehöfts, bei dem sich Taliban aufhielten, erblickt Esther afghanische Tote, aber nur von hinten (!) (S. 243) , und: "So wie sie da saßen, war klar, dass sie Tote waren, klein, unvollständig, schwarz, reglos. Sie sah weg, bevor sie alles gesehen hatte. Ein Blick zum Hof, dann rannte sie zurück (...) " (S. 244).

Er lässt hier Esther wegsehen, der Autor Kurbjuweit, der den Deutschen, die den Militäreinsatz in Afghanistan nicht unterstützen wollen, vorwirft, wegzusehen (s.o.)! Warum tut er das? Sehr wahrscheinlich doch, weil er selbst keine Leichen gesehen hat, und mit einer solchen erzählerischen Aufgabe, die Toten ausgiebiger zu schildern, überfordert ist. Wiederholen wir die vier Adjektive: "Klein, unvollständig, schwarz, reglos". Dass Tote gewöhnlich reglos sind, zählt nicht zu beeindruckenden Neuheiten, verbleiben also drei Adjektive.

So ist auch den Rezensenten, die seine Erzählkunst so sehr preisen, entgegenzuhalten:

Nein! Eben verfehlt wurde sie, die Aufgabe, uns von Medienreizen verstumpfte KonsumentInnen versuchsweise in ein Vorstellungsvermögen zu bringen über das, was Kriegsgewalt bedeutet, was Getötetwerden und Zerschmettertwerden von bewaffneter Menschenhand bedeutet.

Ziemlich säuberlich sieht sich dieser Krieg doch an, bei dem Esther die meiste Zeit mit Plaudereien im Camp oder mit dem Schulleiter verbringt. Ausgiebig widmet sich der Erzähler auch kleinen Betulichkeiten: Hier reibt Esther ihre Haut trocken und cremt sich mit Feuchtigkeitscreme ein, dort geht sie zum Frühstücksbuffet, das im Briefing-Raum angerichtet ist, es gibt: "Wurst, Käse, Gürkchen, Brot, Butter, eine Terrine mit heißer Suppe..." (S. 249).

Weil es übrigens das Jahr 2006 ist, das der Autor für den Einsatz seiner Soldatenfigur gewählt hat, hat er sich auch einer Verpflichtung entledigt, über den bekanntgewordenen späteren Skandal der Tanklaster-Bombardierung von Kundus schreiben zu müssen, bei der wissentlich ZivilistInnen mit unter Beschuss kamen und zu den siebzig Todesopfern zählten.

Verwiesen sei hier zwar, dass der Roman auch ein Eingeständnis von Schuld der deutschen Kriegführenden eröffnet in der Episode, in welcher Esther das Vorhandensein von Zivilisten verleugnet. Sie weiß von einer jungen Frau und zwei Kindern, die in einem Gehöft am anderen Flussufer leben, die sie dort zuvor gesehen hatte. Kurz darauf folgen Schüsse von jener Seite. Als sich daraufhin die amerikanischen Truppe zum Rückschlag bereitmacht, wird sie gefragt, ob sie Zivilisten gesehen habe. Esther verneint, wie es scheint aus Gedankenlosigkeit (in diesem Augenblick hat sie die Zivilisten nicht gesehen, weiß aber, dass sie noch dort sein könnten), und bei dem anschließenden Beschuß der gegenüberliegenden Seite werden "fünf Taliban" und die Frau und ihre Kinder getötet (S. 244 f.). Das Bewusstsein von dieser Schuld wird ihr belastend bleiben. Vom Leser/ der Leserin wird dieses Ereignis wohl unter menschliches Versagen verbucht werden, nachdem die Identifikation mit der Bundeswehr-Soldatin von Beginn an geboten wurde, und Esther in ihrem Wunsch, zu lieben und mit Mehsud glücklich zu werden, als Sympathie-Figur in der Geschichte erhalten bleibt. Denn das trägt diesen Identifikationsroman: Die Botschaft, dass das Soldatentum eine menschliche Angelegenheit sei. Und über ihr menschliches Versagen erschreckend, wird die Soldatin Esther noch einmal so menschlich. Und wie viel mehr noch menschlich, als sie sich in Mehsud verliebt und bemerken muss, dass es im Krieg Regeln gibt, und dass diese Liebe nicht möglich sein kann!

Bei dieser romantisierenden Tendenz und bei soviel persönlich-menschlichen Episoden rückt die Politik hintan in der Perspektive (eine Tatsache, die von den Rezensionen begrüßt wurde).

Kurbjuweit bietet eine Liebesgeschichte aus deutscher Perspektive, nachdem das deutsche Militär zehn Jahre lang Krieg führte und politisch eine martialische Vormachtstellung und Gewaltausübung durchsetzte. Das politisch Angenehme des Buches dürfte darin begründet liegen, dass es zu dem Zeitpunkt erschien, da die Einzelheiten von den zerstörten Strukturen, von anhaltenden Selbstmordattentaten und von den militärischen Menschenrechtsverbrechen an der Bevölkerung zunehmend bekannt wurden, und das Regierungskabinett unter Merkel, sogar dieser anfangs so deutlich durchführungswilligen kriegswilligen Kanzlerin, einen Truppenabzug in Aussicht stellen mußte.

Um Politik geht es im Roman nur in den Plaudereien oder Gesprächen der Figuren - also in unverbindlichen Erörterungen, in denen auch das Flapsige und Situative zu Gebot steht. Und da geht es dann, in den Gesprächen zwischen Esther und Mehsud – der den Krieg angesichts der Taliban-Kämpfer für notwendig erklärt – um den Anschlag auf das World Trade-Center und über Unterschiede von Islam und Christentum. Mehsud führt aus, dass der Islam die Transzendenz als seinen eigenen Wert verbucht habe, das Christentum wiederum die Rationalität (welch einfache Wertaufteilung!), lässt gar eine Kritik anklingen, wenn er die Rationalität des Christentums bespricht - "ihr kauft euch euer Paradies zusammen, und je mehr ihr gekauft habt, desto größer ist eure Angst vor dem Tod. Wenn ihr sterbt, verliert ihr das, was ihr für das Paradies haltet. Wir gewinnen es. Das ist der Vorteil der Transzendenz...Das hat Atta erkannt: Wenn der Islam den Westen herausfordern will, muss er ihn bekriegen, da hat er einen Vorteil" (S. 235) Wir hören aus diesen Erörterungen den Dauerbrenner heraus, der den "Spiegel" stets interessierte, und der unter dem Titel "Wie gefährlich ist der Islam?" behandelt wurde. Zwar gibt es ein interaktives Moment, wenn sich im Roman die beiden Figuren unterschiedlicher Religionskulturen ineinander verlieben- doch das bleibt romantisches Element, wenn in ihrem Gespräch sich wiederum eine simple Rollenzuweisung von "wir" und "ihr" formuliert.

Wenn wir nach einer moralischen Quintessenz suchen, nämlich der Schuldfrage, müssen wir andere Gespräche Esther-Mehsud konsultieren. Dass die Talibankämpfer das Land mit Verschleppungen und Destabilisierung erschütterten, wird von der Figur Mehsud ausführlich berichtet, aber dagegen finden Misshandlungen und Ermordungen von Nato-SoldatInnen an der Bevölkerung keine Ausführung. Und in der am meisten verdichteten Schuld-Erörterung im Buch dürfen sich uns die Haare sträuben darüber, wie wenig komplex sie ausfällt:

Mehsud beruhigt Esther über ihren Militäreinsatz: "Die Deutschen haben so viel Schuld auf sich geladen, dass sie schon ein bisschen mehr nicht aushalten können...Niemand ist so wie die Deutschen, die Deutschen sind die nettesten Soldaten der Welt, sie schießen nicht, sie winken. Weil sie denken, dass sie unschuldig bleiben, wenn sie winken. ...Wenn sie den Mohnbauern zuwinken, statt ihre Felder abzubrennen und sie zu erschießen, gibt es billige Drogen in Deutschland, an denen die deutschen Kinder verrecken. Ist das Unschuld?" (S. 175)

Kein Mitleid also mit den Mohnbauern! Was ist mit den deutschen Kindern? Bauen die Mohnbauern keinen Mohn mehr an, so bleiben die deutschen Kinder am Leben. Hat Kurbjuweit obiges Statement wirklich von einem afghanischen Sprecher gehört, oder legt er Mehsud nicht eine deutsche politische Rechtfertigung in den Mund? Ja doch, packen wir das Übel an der Wurzel und fangen bei den Mohnbauern an - an der vermeinten Wurzel, während die großen Drogenkartelle, von den schwerreichen Händlern in einem Filz mit Politik und Wirtschaft kontrolliert, weiter nach Kundschaft Ausschau halten! Und dann der Wortabtausch ebendort: "Wer unschuldig sein will, muss zu Hause bleiben." –"Aber wer zu Hause bleibt und zusieht, wie in Afghanistan ein neuer Bürgerkrieg ausbricht, macht sich auch schuldig."- "Einigen wir uns darauf: Solange es Afghanistan gibt, ist niemand unschuldig".

In solchen Sätzen wird simplifiziert, bevor überhaupt ausgeführt wurde, was militärisches Eingreifen an Gewaltausübung mit sich bringt. Ohne dass überhaupt erwähnt wurde die Zahl der Opfer, der geschätzten 70 604 Menschen mindestens, die – inklusive NGO-MitarbeiterInnen, afghanischen Sicherheitskräften, ISAF und OEF-Soldaten bis August 2011 ( Bericht der IPPNW "Body Count- Opferzahlen nach zehn Jahren Krieg gegen den Terror, – ums Leben kamen.
Kein Gedanke in diesem "Schuld"-Dialog an die längst von soziologischen Stimmen und von FriedensforscherInnen formulierte These, dass eine Gewaltspirale beschleunigt wurde, die nicht durch noch längere Militärgewalt zu enden ist. Keine Erwähnung auch von Ressourcen, die eine Rolle in diesem Krieg spielen könnten und von einem deutschen Motiv – das Präsident Köhler erfreulicherweise offen aussprach-, am Hindukusch aus wirtschaftlichen Interessen die Vormachtstellung militärisch zu behaupten.

Nein, für Kurbjuweit steht fest: Wer zuhause bleibe, mache sich schuldig- wer nicht den Gebrauch der Panzerfaust, die Anwendung von Streumunition und Urangeschossen lerne, der mache sich schuldig.

Also, die Folgerung für die/den LeserIn: Der Krieg müsse weitergehen, bis endlich Ordnung hergestellt sei – eine Durchhaltemoral der deutschen Regierung, die wir aus ihren Bundestagserörterungen schon kennen, und die hier einfach wiederholt wird.

Auf vier Buchseiten steht diese magere Schuld-Erörterung. Auf fünf Buchseiten jedoch widmet sich der Autor einer anderen Art von Gesprächsführung: Einem Besäufnis-Dialog der SoldatInnen in ihrer Stube, die eine Flasche Wodka leeren und anhand einer Puppe, die sie "Fatima" nennen, Witze reißen. Zoten aus dem Bundeswehrlager zählen nun mal auch zu Reizen aus den Stimmungsberichten und zum "Spiegel“-Jargon, der hier wieder zur Geltung kommt. Die Soldatinnen, Fantasien über "Fatimas" Leben spinnend, werfen ihre Projektionen auf die Puppe. Vor der Tatsache, dass keine afghanische Frau in dem ganzen Roman eine Stimme erhält, ist diese stimmlose Fatima als Objekt der Afghanistan-Projektionen und hemmungslosen Klischees der deutschen SoldatInnen höchst interessant. Zuerst dichten sie ihr eine Familie mit acht Geschwistern an, dann eine Zwangsheirat, dann sexuelle Einzelheiten, eine Abtreibung mit einem rostigen Nagel und noch mehr niveaulose Dinge, die hier aus menschenverachtendem Bundeswehr-Jargon ganz einfach reproduziert werden. Die Stimmlosigkeit "Fatimas", der Puppe, dürfte KulturforscherInnen interessieren, die über das besprochene und stimmlos gemachte Objekt in der rassistischen und kolonialen Praxis publiziert haben, wie Mita Banerjee im Essay "Ethnizität als Buhfrau der Nation? Über disziplinäre Umwege und die (Un)möglichkeit ethnischer (Selbst)Artikulation"(im Buch "Re/Visionen. Postkoloniale Perpektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland, Unrast-Verlag 2007) oder Kien Nghi Ha (mehrere Essays im gleichen Buch).

Die zugeführten Beleidigungen werden im Roman nicht etwa später, an einer anderen Stelle, gesühnt und beantwortet von einer afghanischen Stimme, womit der Erzähler eine Gleichbehandlung der Sprecherrollen herstellen würde. Nein, Kurbjuweit möchte mit diesem Primitivismus des Bundeswehr-Jargons einfach eine weitere Sensation anbieten.

Ergo ist dies nichts weniger als ein interkulturelles Buch. Es ist eine beschönigende Leistung zum Thema der deutschen Kriegführung in Afghanistan und ein Unding in der Kulturlandschaft. Zu hoffen ist, dass jugendliche LeserInnen darauf nicht reinfallen, sondern sich lieber für ein Dasein in Niveau und respektvollem Umgang mit Menschen entscheiden, und sich von der Bundeswehr fernhalten.

Doch über das Thema des Afghanistankrieges müsste transportiert werden, wovon wir noch nahezu nichts gehört haben, nämlich die Stimme der afghanischen Opfer von Militärgewalt, anstelle eines Fiktionsromans von deutscher Stimme über einen Krieg, den obendrein der Autor nicht selbst durchlitten hat. Die Mitteilungen der Überlebenden müssten in Wirklichkeit interessieren, wenn wir noch des Interesses fähig sind.

Angenehm für die politische Ordnung dürfte es jedoch sein, das Identifikationsangebot mit der Figur Esther! Esther, die hier vermeintlich in einen Irrtum tappte, stellt den guten Glauben der SoldatInnen unter Beweis und steht damit ein Stück weit ganz einfach für den Inhalt von Aufrichtigkeit und Treue, den die Bundeswehr in ihrer Propaganda täglich verbreitet. Und in dieser apolitischen Darlegung über einen politisch brachial durchgesetzten und durchgehaltenen Krieg wird die heutige lügenhafte Werbung der Bundeswehr bei Jugendlichen in keiner Weise angeprangert. Wirbt diese heute doch an Schulen und selbst in der Teenie-"Bravo" mit vermeintlichen Beach-Parties und Sportvergnügen- Kurbjuweits Schilderung verharmlost die Bundeswehr durch Verschweigen von der kalkulatorischen Politik.

Und verschweigt des weiteren in der politisch willkommenen Darstellung die brachiale Wirtschaftsordnung, die die deutsche Militärpräsenz in den Ländern des Südens für ihre Absicherungsmöglichkeiten profitbringender und monopolistischer Art will.

Jedoch, da die deutsche Kulturlandschaft sich längst gewöhnte, mit kritiklosen Erzeugnissen ständige Selbst-Bestätigungen an die gesellschaftliche Ordnung auszuteilen, und die daraus folgende Langeweile zugleich mit Sensationen zu würzen, so muss sie dieses sudelnd schweigende und verschweigende Buch eben auch respektieren und gar belobigen.

In Subkultur und Nischenkultur verbleibt die Literatur von menschlicher Selbstbehauptung gegen die höhere und systematisch rüstende Gewalt, auch von menschlich körperlichem Erleiden der abstrakten Verordnung. Ferne liegt den Polit-Illustratoren zum Beispiel die Schilderung eines Menschenschicksals unter alltäglich herrschender Ignoranz - etwa mit Blick auf die deutsche Abschottung gegen Flüchtlinge aus den Kriegen. Da wäre viel zu benennen, da wäre ganz einfach ein Abschiebestopp zu fordern.

Nein, erzählerisch oder packend sind sie nicht, die Illustratoren der "großen" Politik. Anstatt Schicksale zu erzählen, zeigt Kurbjuweit das Bestreben, die Bundeswehr und den Afghanistankrieg in einen linearen und seichten Ablauf zu packen, der wesentlich von Plaudereien bestritten wird, und damit den Krieg fassbar zu machen. Vor so viel Fassung sind wir fassungslos. Das Unfassbare muss unsere schlafenden Sinne beunruhigen, muss uns herausfordern zum Scheitern unseres Vorstellungsvermögens –zum bewussten Scheitern. Es geht nicht darum dass wir uns den Krieg gut vorstellen können sollten, sondern unser Weniges an Vorstellung vor dem Phänomen Gewalt sollte uns aufdämmern. Das wäre viel. Selbst wenn wir wissen, dass wir uns das Unfassbare nicht vorstellen können, wissen wir mehr, als wenn wir es gar nicht versuchen. Und gelangen dann hoffentlich, endlich, zur einzigen Forderung: Schluß mit diesem Militäreinsatz, und nie wieder Krieg!

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir von der Autorin für diese Ausgabe.