Widerstand unter Hartz IV

"Neujahrsempfang" im Jobcenter Köln-Kalk

von
KEAS e.V.

01/12

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"Das übliche Prozedere", Erwerbslose tauschen sich in der Wartezone des Jobcenters über ihre Situation und ihre Rechte aus, lesen dabei das Überlebenshandbuch, während die Hauswächter die Polizei rufen, fiel am 02. Januar 2012 etwas unüblich aus. Eine spontane Demonstration trug den Protest nach draußen.

Nervös wurde das Sicherheitspersonal erst, als sich die Masse der Wartenden in der Eingangszone subtil zu verdoppeln schien. Am Eingang wurde bereits auf Hausverbote hingewiesen, die es gar nicht gibt. Und als dann noch zunächst eine einzelne Frau zu den Menschen sprach und andere Kaffee ausschenkten, zeigten sich die Security-Mitarbeiter abermals überfordert.

Das erzeugte erneut eine wärmende Solidarität unter den Anwesenden. "Gehen Sie einfach weg," sprach ein Wartender den Sicherheitsdienst an, "denn die Frau spricht mit uns, nicht mit Ihnen." Daraufhin folgte der Rückzug und Betroffene äußerten ihre aktuellen Probleme, nicht wenige von ihnen ohne Geld am Monatsanfang.

Erst in Polizeibegleitung traute sich der Sicherheitsdienst zurück und bemängelte allen Ernstes "das Reden" im Wartebereich. Den Polizeikräften war das, eigenem Bekunden nach, völlig egal. Der Sicherheitsdienst wies Kraft seines Namensschildchens auf zwei Personen und die Polizei setzte zwei Hausverbote durch. Aber nicht ohne Protest. Eine lautstarke Diskussion mit bekennender Solidarisierung machte sich Luft und die (eigentlich nicht vorhandenen) Argumente der Hausrechtsverteidiger waren eher peinlich. Die vom Hausverbot Betroffenen denken über eine juristische Prüfung nach.

Noch mehr Polizei

Sowohl die Rechtslage mit den Hausverboten, als auch die Rechtslage, eine spontane Kundgebung anzumelden, waren bei denen, die es eigentlich wissen sollten, völlig unklar. "Das müssen Sie doch wissen.", warf die Polizei den Ball der aufgebrachten Menge zu. "Nein, Sie müssen das wissen!", flog der Ball wieder zurück. Und wenn zwei Polizisten nicht mehr weiter wissen, scheint es nicht schaden zu können, weitere Einsatzkräfte hinzu zu rufen.

Das Angebot einer spontanen Demonstration (Sofort- oder Eilversammlung gem. BVerfG vom 14.05.1985, Az.: 1 BvR 233, 341/81) hätte eine "gütliche Einigung" sein können, aber die Polizei verlangte eine Genehmigung des Polizeipräsidenten und eine Entfernung von 50 Metern vom Gebäude. Das schien den Leuten, die sich noch immer im Gebäude aufhielten, keineswegs hinnehmbar.

Und noch mehr Polizei

Es half nichts. Diesmal riefen die Demonstranten selbst nach der Polizei. Jemand musste kommen, der Ahnung hatte und sich als Einsatzleiter vorstellte. Und so wurde eine Versammlung unmittelbar neben dem Eingangsbereich des Jobcenters angemeldet und schließlich genehmigt.

Spontan entfaltete sich ein Pavillon, verteilten sich Transparente und sorgte eine Lautsprecheranlage für Musik und Infos. Die Anlage durfte genutzt werden, weil die Anzahl von Demonstranten und solchen, die sich spontan solidarisierten oder Betroffene gerade bei einem Termin im Haus begleiteten, diffus war. Sprach der Einsatzleiter der Polizei zunächst von über 30 Teilnehmern, wurden vorsorglich mal eben 250 Personen angemeldet. Zuzüglich der aufgefahrenen Polizeiautos, konnte das Jobcenter nach außen gar kein besseres Bild abgeben. Prost Neujahr!

Vorangegangene Aktionen im Jobcenter Köln-Kalk

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Bericht von der  Website von  KEAs e. V. – Kölner Erwerbslose in Aktion