Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Paris: Rassisten und Moslemfresser aus halb Europa trafen sich zum Kongress

01/11

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Anti-Islam-Kongress in Paris am 18. 12. 2010. Zwei Drittel der Redner entstammen einem rassistischen und/oder rechtsradikalen Spektrum; es bleibt die Frage bleibt, was das übrige Drittel dort zu suchen hatte – Vom durch die Veranstalter beanspruchten „Laizismus“ waren die Inhalte meistens weit entfernt: Katholische Fundamentalisten waren ebenso willkommen wie Blut & Boden-Rassisten. Dennoch waren auch einzelne Feministinnen und Pseudo-,Gewerkschafter’ mit im Boot. Es besteht Erklärungsbedarf...!

Es geht doch nichts über einen guten gemeinsamen Feind, um unter Leuten, die sonst mutmablich nicht sehr viel miteinander gemeinsam hätten, etwas „Verbindendes“ zu stiften. Oder was sonst hätten eine historische Feministin, einzelne Kabylen – also nordafrikanische Berber, stolz darauf, nur ja keine Araber zu sein -, rechtsradikale Fubballhooligans mit Schals vom Pariser Club PSG und ein neofaschistischer Präsidentschaftskandidat miteinander gemeinsam? Ja, zum Glück gibt es einen gemeinsamen Feind.  

Dessen Bestimmung führt zu unerwarteten Annäherungen. Die Feinddefinition ist klar. Sie lautet: Die Moslems sind es, diese Bösen, die uns überfremden, „besetzen“, überschwemmen, die Arbeitsplätze wegnehmen, an Kriminalität schuldig sind – und überhaupt. Wie der US-Gastredner Tom Trento von der anti-moslemischen Aktivistengruppe ,Florida Security Council’ kurz vor der Mittagspause durch den Saal donnerte: Die von ihnen ausgehende Bedrohung sei heute viel gröber, sei „perfider und tödlicher“ als jene, die „in seinen besten Tagen von Adolf Hitler ausging“. Trento rief dazu auf, „diese Ratten, diese Ratten“, also die muslimischen ,bad guys’, „zu jagen, und zwar mit Videokameras, um sie im Internet für alle sichtbar darzustellen“. 

Nicht jeden Tag sieht man die Obengenannten, vom Berber bis zum Neofaschisten, gemeinsam in einem Saal sitzen wie am Samstag vor Weihnachten (dem 18. Dezember 2010) im Pariser 12. Stadtbezirk; die Fubballschläger dagegen stellten eher den (beeindruckenden) Ordnerdienst der Veranstaltung. Antirassistische und Menschenrechtsgruppen hatten im Vorfeld ein Verbot der Veranstaltung als Rassistentreffen verlangt, und der sozialdemokratische Pariser Oberbürgermeister Bertrand Delanoë hatte sich dieser Forderung sogar angeschlossen. Das Innenministerium und die Polizeipräfektur antworteten ihn hingegen, aufgrund des Prinzips der Meinungsfreiheit ziehe man kein Verbot in Betracht – wache aber durch anwesende Beamte genau über die Äuberungen, die fallen würden, um bei strafwürdigen Inhalten einschreiten zu können. Die Antirassisten hielten eine Kundgebung ab, die mit 200 Teilnehmer/inne/n eher geringen Zulauf hatte, jedoch auch prominente Teilnehmer/innen wie den SOS Racisme-Chef Dominique Sopo und (sogar!) die laizistische Intellektuelle Caroline Fourest – die sonst eher einen Ruf als softe Moslemfresserin hat – zählte. 

Die jüdischen Ethno-Extremisten der LDJ (alias Kach-Bewegung) 

Vorab hatte die – gewöhnlich äuberst gut unterrichtete - Webseite ,Droite(s) extrême(s)’, die für ,Le Monde’ über das gesamte Spektrum der extremen Rechten berichtet, das Publikum darüber informiert, dass auch Angehörige der ,Ligue de défense juive’ (LDJ, „Jüdische Verteidigungsliga“) am Ordnerdienst teilnehmen würden. Bei der LDJ handelt es sich um den französischen Ableger der rassistischen Kach-Bewegung des 1990 in New York getöteten Rabbi Kahane, die in Israel und in den USA aufgrund rechtsterroristischer Taten verboten ist. In Frankreich hingegen ist die Extremistenorganisation bislang erlaubt, und nimmt oft an Allem teil, was sich irgendwie gegen Araber und/oder Moslems richtet. Am 7. April 2002 wurden in Paris ein französischer Polizist und ein spanischer Kameramann, am Rande einer Pro-Israel-Demonstration, durch ihre Anhänger durch Messerstiche verletzt. Aus demselben Anlass vollzogen LDJ-Anhänger eine (kurze) Hetzjagd auf arabisch aussehende Passanten. Im Januar 2007 waren andere, junge LDJ-Anhänger im Pariser Marais-Viertel daran beteiligt, als ein senegalesischer und ein aus Mauretanien stammender Fahrer der Pariser Müllabfuhr zuerst rassistisch angepöbelt und kurz darauf unter Einsatz von Motorradhelmen und Cafétischen (!) als Schlaginstrumenten niedergeprügelt wurden. (Der Prozess darum wird demnächst in Paris stattfinden.)

Einer ihrer Chefs, Anthony Attal, wurde im November 2006 als Teilnehmer am „Präsidentschaftskonvent“ von Jean-Marie Le Pen gesichtet (wo im übrigen auch der schwarze französische Antisemit Dieudonné M’bala M’bala auftauchte). Wie oben zitierte Webseite jedoch kurz darauf präzisierte, erbrachte die LDJ ein schriftliches Dementi, was ihre Beteiligung an dem Kongress vom Samstag betrifft. Letztendlich nahmen annähernd ein Dutzend ihrer Schläger am Orderdienst des Kongresses teil, unter die Ordnertruppe des (mitveranstaltenden) rechtsextremen Bloc identitaire gemischt. Angeführt wurden die auf dem Kongress präsenten LDJ-Mitglieder durch Philippe Wagner, Spitzname „Avichaï“ oder auch „Löwe des Golan“ – ein wahnwitziges Individuum, das einen politischen Weg vom Skinhead-Milieu der 1980er Jahre über eine fanatische Unterstützung für „ein freies Tibet“ bis zu einem jetzigen fanatischen Einsatz für Israel & gegen die Bösen (= Araber und Muslime) zurückgelegt hat. Vgl. dazu http://scalp-reflex.over-blog.com/ext/http://reflexes.samizdat.net/ 

Die britische anti-muslimische Hooligantruppe English Defence League (EDL), deren Chef Tommy Robinson als einer der Hauptredner angekündigt worden war, erschien aufgrund von Termin-Schwierigkeiten letztendlich nicht. Angeblich konnte Robinson seinen Pass nicht auffinden; den Bloc identitaire dürfte es insofern nicht gestört haben, als er befürchtet hatte, die britische Truppe könne ihm die Show stehlen, und sich ferner gegen den zu engen „chauvinistischen Nationalismus“ des Briten wendet. Die französische Identitaires-Bewegung tritt eher für ein Ineinandergreifen von „lokaler Identität“, „Region“, „Nation“ und eines weiben Europa(gedankens) ein. 

Anstatt des EDL-Chefs stellte allerdings Timo Vermeulen von der ähnlich gearteten, niederländischen Dutch Defence League (DDL) seinen Verein vor. Er beschrieb in apokalyptischen Farben die moslemische Präsenz in Holland. Zum Sittengemälde gehörte nicht zuletzt auch, das angeblich „einheimische holländische Frauen mit Drogen betäubt und zur Prostitution gezwungen werden“. Durch Immigranten, natürlich. In sein Horrorgemälde gemeindete Vermeulen auch Juden und Homosexuelle, die er als durch die moslemische Springflut bedroht darstellte, mit ein. Nicht alle Anwesenden dürften sich ihnen freilich auf das Innigste verbunden fühlen – denkt man beispielsweise nur an den Schriftsteller und samstäglichen Redner Renaud Camus, eines von dessen Büchern musste aufgrund explizit antisemitischer Passagen zurückgezogen werden (vgl. unten). 

Schweine-Sandwichs vom freundlichen Faschisten 

Rund 1.000 Personen aus halb Europa - zuzüglich Gastredner aus Russland und den USA - zog der „Kongress gegen die Islamisierung unserer Länder“ an, der den ganzen Tag über dauerte. Verpflegt wurden die Anwesenden, die dafür 15 Euro berappt hatten, mit Schweineschinken-Sandwichs und Rotwein von der rechtsradikalen Vereinigung Solidarité des Français (SDF). Diese Satellitenstruktur des Bloc identitaire, einer aktivistischen neofaschistischen Organisation, machte in den letzten Jahren durch ihre „Schweinesuppe“ – la soupe au cochon – von sich reden: Es handelt sich um eine vorgebliche Armenspeisung, die sie jeden Winter Pariser Obdachlosen anbietet, aber mit einem Speiseangebot, das sowohl Moslems auch aus Juden von vornherein ausschliebt, jedenfalls sofern sie ihrer Religion nicht abgeschworen haben. Französische Gerichte haben diese „Provokation“ verschiedentlich verboten, und der Europäische Gerichtshof bestätigte im Juni 2009, es handele es sich um einen Akt bewusster und vorsätzlicher Diskriminierung. Nichtsdestotrotz ging das Treiben auch in diesem Jahr vor wenigen Wochen schon wieder los. SDF und der Bloc identitaire zählten zu den Hauptveranstaltern des Kongresses. Der Bloc identitaire selbst war mit seinem „Präsidentschaftskandidaten“, Arnaud Gouillon, und seinem Chef Fabrice Robert als Rednern vertreten. 

Der Haupredner des Tages, Pierre Cassen von der Internetpublikation Riposte Laïque (ungefähr: Gegenschlag der Laizisten) - der sich selbst einen „aus der Linken kommenden Säkularisten“ nennt, aber explizit das Bündnis mit Rechtsextremen rechtfertigt und die alleinige Konzentration der Religionskritik auf den Islam betreibt - bedankte sich an jenem Samstag mehrfach beim Bloc identitaire. „Ohne sein Organisationsvermögen hätte diese Veranstaltung unmöglich zustande kommen können“, betonte er.

Auch nicht jeden Tag hört man eine frühere Webbegleiterin von Simone de Beauvoir die rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen mit ihrem Vornamen ansprechen bzw. erwähnen, um ihr zu attestieren, ihre Sprüche hätten „nichts Schockierendes“. So hörte man es am Samstag aus dem Munde von Anne Zelensky, die sich auf die viel diskutierten Äuberungen der Tochter von Jean-Marie Le Pen vom 10. Dezember bezog.  

Applaus für „Marine“ (Le Pen) 

An jenem Abend hatte die mutmabliche künftige Chefin des Front National (FN) einen Auftritt in Lyon vor rund 300 Anhängern ihrer Partei. Bei der Stadt am Zusammenfluss von Rhône und Saone handelt es sich um eine als „ultraradikal“ geltende Sektion des FN: In dieser Hochburg ihres Rivalen Bruno Gollnisch finden sich unter anderem Aktivisten der offen republikfeindlichen und antisemitischen Kleingruppe Oeuvre française, die die „Protokolle der Weisen von Zion“ verbreiten. Vor einem solchen Publikum, und um auch in die Anhängerschaft ihres Konkurrenzkandidaten einzubrechen, lieb Marine Le Pen sich nicht lumpen. Am Mikrophon schrieb sie jenen, die „dauernd vom Zweiten Weltkrieg“ und der Besatzung durch Nazideutschland reden wollten, ins Stammbuch, heute gebe es eine aktuelle Besatzung, um die sie sich stattdessen lieber einmal kümmern sollten. Und zwar jene Besatzung „von Teilen unseres Territoriums“, die von Muslimen ausgehe, die tatsächlich oder angeblich unter freiem Himmel auf den Straben beteten.  

Solches kommt an islamischen Feiertagen ausnahmsweise in einzelnen Strabenzügen im 18. Pariser Bezirk vor, weil – aufgrund der dortigen starken räumlichen Konzentration der Einwanderer auf engem Raum – die Moscheen des Stadtteils viel zu klein sind. Alle Einwandererfeinde in Frankreich haben in den letzten Monaten ihre Aufmerksamkeit auf diese Szenen gerichtet, die auf spezialisierten Webseiten akribisch dokumentiert werden. Auch dies sei eine Besatzung, „selbst wenn sie dieses Mal ohne Panzer und Soldaten auskommt“, stellte Marine Le Pen dank einer sehr speziellen Parallele zu den Jahren 1940 bis 1944 fest. 

Marine Le Pen nahm an dem Kongress, der von konkurrierenden Kräften innerhalb des rassistischen Spektrums ausgerichtet worden war, selbst nicht teil – und durch ihren Ausspruch acht Tage zuvor, der einen öffentlichen Skandal auslöste, hatte sie ihm (unter anderem) sogar ein bisschen die Show stellen wollen. Der FN rief nicht explizit zu einer Teilnahme an dem Anti-Islamisierungs-Kongress auf. Allerdings hatte der noch für wenige Wochen amtierende Alt-Parteichef Jean-Marie Le Pen sich bei einer Pressekonferenz am Freitag, den 17. Dezember 10 positiv zu dessen Inhalten geäubert und erklärt, er finde diese Veranstaltung gut und sei ansonsten pluralistisch gesonnen: „Wir haben nie behauptet, dass wir die Einzigen seien, die vor den Bedrohungen warnen.“ Marine Le Pen wiederum erklärte bei einem Fernsehinterview am Sonntag (den 19. Dezember), sie habe nur deswegen nicht kommen wollen, weil sie vollauf durch den innerparteilichen Wahlkampf im Ringen um den Parteivorsitz beschäftigt sei.  

„Helvetischer Asterix“ und die Panzerknacker  

Sie fügte auf dem Sender LCI hinzu: „Oskar Freysinger hat eine bemerkenswerte Rede dort gehalten.“ Freysinger, Abgeordneter der Schweizerischen Volkspartei (SVP), war der wichtigste Stargast des Kongresses. Er ist es, der das eidgenössische Referendum vom November 2009 zum Minarett-Verbot und jenes vom November dieses Jahres – zur automatischen Abschiebung ausländischer Krimineller oder auch „Sozialleistungs-Missbraucher“ - mabgeblich initiiert hat. Gegen Mittag tauchte er an jenem 18. Dezember 10 mit einem stattlichen Trupp von Leibwächtern, die durch ihre Sonnenbrillen stark den Panzerknackern in Walt Disneys Comicstrips ähnelten, auf dem Kongress auf.  

Oskar Freysinger selbst führte sich als „helvetischen Asterix“ in die Runde ein: Ringsum sei die Welt voll von Bedrohungen, aber seine kleine Nation widerstehe ihnen wacker. Er führte aus, „Islam und Kommunismus“ hätte beide miteinander gemeinsam, dass sie „kollektivistische Totalitarismen“ seien – in Wirklichkeit ist der Islam eine stark kaufmännisch geprägte und deswegen im Ausgang eher wirtschaftsliberale Religion -, und deswegen stünden die Linken in einer Front mit den Muslimen. Der Islam, das sei „die UdSSR plus Gott“. In Wirklichkeit sei aber das Hauptproblem, dass die moslemischen Einwanderer in Europa auf eine „geistige und spirituelle Wüste“ träfen, weil „wir“ uns „unserer eigenen Identität“ nicht mehr sicher seien. Freysinger zitierte auch historische Vorbildern von mutigen Denkern, die mundtot gemacht worden seien, und führte dazu Enoch Powell – den britischen konservativen Abgeordneten, der 1969 von sich reden machte – und sein damals publiziertes Buch ,Rivers of Blood’ an. Thema des seinerzeit skandalumwitterten Buches waren die Einwanderung und finstere Prognosen des Autors rund um dieses Thema. „Ströme von Blut“: Wirklich, eine einladende Lektüre... Oskar Freysinger zitierte ferner Thilo Sarrazin und sein Buch, das auf angeblich couragierte Weise die „Religion des Multikulturalismus“ angegriffen habe. 

Erwähnung finden sollte auch noch die Rede von René Stadkewitz (ex-CDU, Partei ,Die Freiheit' aus Berlin). Er wetterte über „verordneten Kulturverfall“ und gegen „etablierte Politiker“, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht seien - was er selbst natürlich nicht tut, hihihi.

Fabrice Robert: Es geht um Blut & Boden, pardon: „fleischliche Identität“  

Der Name der abwesenden Marine Le Pen wurde mehrfach mit Applaus bedacht, unter anderem anlässlich der Ausführungen von Anne Zelensky. Sie rechtfertigte die Allianz mit den Rechtsextremen (da „mein früheres Lager“ ihr vorwerfe, „mit den ,Identitaires’ anzubändeln“): Die Linke habe den Laizismus nach ihrem Geschmack verraten, und heute sei sie mitunter mit „der Rechte und zum Teil der extremen Rechte“ einverstanden. Denn diese habe erkannt, dass „nicht alle Kulturen (oder im Originalton: ,civilisations’) denselben Wert haben“, sondern die abendländische aufgrund der Stellung der Frau überlegen sei. 

Neben Zelensky war noch eine zweite Vertreterin des Feminismus anwesend, Michèle Vianes aus Lyon, die eine allgemeine Kritik an den Religionen und des „theokratischen Patriarchats“ im Namen der Aufklärungsideen vornahm. Daran war nichts Rassistisches erkennbar, und sie rechtfertigte anders als Anne Z. auch nicht explizit das Bündnis mit offenen Rechtsradikalen; fraglich war nur, was sie inmitten einer Ansammlung rasender Rassisten eigentlich zu suchen hatte. Den Namen der Frauenvereinigung, in welcher sie tätig ist, durfte Michèle Vianes allerdings nicht nennen, da ihre Organisation sich von dem Auftritt bei dem Kongress distanziert hatte. (Anmerkung: Michèle Vianes ist, ansonsten, Vorsitzende der Frauenvereinigung ,Regard de femmes’. Die Dame war ferner auch Mitgründerin der bürgerlich-karrieristischen Frauenorganisation Ni putes ni soumises, NPNS – „Weder Nutten noch Unterwürfige“ - ; deren frühere Chefin Fadela Amara war bis im Spätherbst 2010 Staatssekretärin für Vorstadtpolitik im rechten Kabinett unter Präsident Nicolas Sarkozy, ohne freilich den geringsten Einfluss auf die Inhalte von dessen Politik nehmen zu können. Zur Europaparlamentswahl im Juni 2009 trat Michèle Vianes als Spitzenkandidatin der Vereinigung des rechtsbürgerlichen Neogaullisten und EU-gegnerischen Nationalisten Nicolas Dupont-Aignan an. Dupont-Aignan darf klar als bürgerlicher Nichtfaschist gelten, er hat wiederholt rassistische Politikinhalte kritisiert, predigt jedoch zugleich einen schwülstigen Patriotismus. In einem Teil seiner Anhängerschaft tummeln sich jedoch auch faschismusanfällige Figuren. Einige seiner Anhänger tauchten etwa Ende März 2010 – mitsamt Wahlkampfauto - bei einer Kundgebung vor dem Pariser Redaktionssitz der konservativen Tageszeitung ,Le Figaro’ auf, die die Unterstützung des wegen rassistischer Sprüche in die Kritik geratenen Journalisten Eric Zemmour zum Gegenstand hatte.) 

Als einzige Rednerin wurde die historische Feministin Anne Zelensky gegen 17 Uhr durch eine Mehrheit des Publikums ausgepfiffen, als sie erwähnte, wie sie im Jahr 1970 am Kampf um die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen teilnahm. Und als einzige Rednerin wurde sie bei der Abschlussrede von Pierre Cassen mit kritischen Worten bedacht (die Sache mit der Abtreibung bilde doch offenkundig noch ein Problem). Nicht etwa der Chef des Bloc identitaire, Fabrice Robert, der in seinem Wortbeitrag mal eben Religionsfrage und Aufklärungsdenken – auf welch Letzteres Anne Z. sich ausdrücklich bezogen hatte – kurzerhand zur unwichtigen Nebensache erklärt hatte: „Die europäischen Völker sind laut einem Buch von Dominique Venner“, eines prominenten neofaschistischen Autors und Vordenkers der ,Nouvelle Droite’ („Neuen Rechten“ unter Alain de Benoist in den 1970er Jahren), „30.000 Jahre alt. Das Christentum hat nur zwei Jahrtausende, die Renaissance fünf Jahrhunderte und die Aufklärung 200 Jahre.“  

In Wirklichkeit gehe es darum, „das zu verteidigen, was unsere Identität ausmacht“, und das sind für den Bloc identitaire – er schrieb es auch in zahllosen Texten nieder – , so wörtlich, „unsere fleischlichen Solidaritätsbande“ (nos solidarités charnelles). Nimmt man Fabrice Roberts Worte nur halbwegs ernst, dann ging es ihm dabei eben nicht um Laizismus, Aufklärung und nicht einmal um das Christentum, sondern schlichtweg um Blut & Boden. 

Aber sei’s drum: Darauf kam es nicht, und die „laizistisch-republikanische“ Prominenz auf dem Podium wie Christine Tasin applaudierte dem Redner heftig (wie auch auf allen Aufnahmen zu sehen ist). Bei ihm ertönten keine Pfiffe, wie zuvor bei der – zweifellos politisch verwirrten und verkrachten - Altfeministin Anne Zelensky.

Weit, sehr weit vom Laizismus entfernt! 

Denn ganz so eng sehen viele der Anwesenden die Sache mit dem Laizismus nicht, der für einen Gutteil von ihnen vor allem einen bequemen Vorwand darstellen dürfte, um auf die Moslems im Besonderen und Einwanderer im Allgemeinen einzuprügeln. Als „Stargast“ war – vorab durchgesickerten Informationen von Le Monde zufolge – der Bürgermeister der Pariser Vorstadt Montfermeil vorgesehen, Xavier Lemoine. Nur ist dieser zwar ein fanatischer Kreuzzügler gegen den Islam und für das Abendland, aber wahrlich kein Verfechter des Laizismus. Ganz im Gegenteil. Der Rechtskatholik, der am Rande der konservativen Einheitspartei UMP steht, ist unter anderem Abtreibungsgegner und in gewissem Grade auch ein Nostalgiker des Vichy-Regimes.  Jedenfalls ist Lemoine der politische Ziehsohn seines Amtsvorgängers und langjährigen Schirmherrn Pierre Bernard, der seinerseits im Juli 1996 an der Beerdigung von Paul Touvier, Chef der Miliz unter Vichy, in einer katholisch-fundamentalistischen Gemeinde teilnahm. Lemoine selbst trieb es bislang nicht derart doll ; hat aber auch zu keinem Zeitpunkt mit seinem politischen Lehrherrn gebrochen. (Der finstere Pierre Bernard, der heute den Vorsitz eine monarchistischen Vereinigung innehat, war von März 1983 bis im Juni 2002 Bürgermeister von Montfermeil. Er selbst war es, der Xavier Lemoine zu seinem Nachfolger auswählte, nachdem er sich bei den französischen Kommunalwahlen im März 2001 nochmals ein sechsjähriges Mandat an der Spitze des Rathauses hatte erteilen lassen. Montfermeil ist eine Stadt circa zehn Kilometer östlich von Paris, die – damals noch als quasi-ländliche Kommune - Schauplatz eines Teils der Romanhandlung in « Les Misérables » von Victor Hugo ist. Heute befindet sich eine der vernachlässigsten, weil vom Rathaus bewusst abgehängten, Hochhaussiedlungen in dieser Vorstadt, die ansonsten eher Reihenhaus- und Villenviertel aufweist: La Cité des Bosquets. Letztere befindet sich zum Teil auf dem Boden von Montfermeil und gehört teilweise zur Nachbarkommune, dem seit Oktober 2005 berühmt gewordenen Clichy-sous-Bois.) 

Auf den Plakaten offiziell angekündigt war unterdessen auch noch die Teilnahme von Christian Vanneste, konservativer Rechtsauben-Abgeordneter aus der Nähe von Lille. Er ist der erste französische Promiente, der nach dem neuen Strafgesetz gegen Homophobie wegen schwulenfeindlicher Sprüche verurteilt worden ist, auch wenn das Urteil im vorigen Jahr durch den Obersten Gerichtshof aufgehoben wurde. Solche Figuren haben mit Laizismus schlichtweg nichts zu tun. Letztendlich erschienen aber weder Lemoine noch Vanneste zum Kongress. Die Parteiführung der UMP habe die Schraube angezogen und ihnen ein Erscheinen dort verboten, greinten die Veranstalter. 

Thatcheristen und Pseudo-Gewerkschafter   

Ansonsten ging es vor allem um die „Kosten der Einwanderung“, die der Unternehmensberater und Thatcherist Jean-Paul Gourevitch in Zahlenkolonnen vorstellte – angeblich kosten die Zuwanderer den Franzosen „38 Milliarden Euro“ pro Jahr, eine Zahl, die er freilich durch nichts rechtfertigte. Jacques Philarchein, „Gewerkschafter“ und in Wirklichkeit ein rechtsradikales U-Boot im Gewerkschaftsverband ,Force Ouvrière’ (FO) – er hält Vortrage in neofaschistischen Veranstaltungslokalen über „ein nationales Gewerkschaftswesen“, wie am 28. Oktober 2010 in einer rechtsradikalen Gaststätte im 15. Parier Bezirk  – hielt „der Linken“ vor, sie verrate „die wirklichen Armen“. Dies seien „die Einheimischen“, die einer Arbeit nachgingen, während die Zuwanderer „falsche Armen“ seien. Lebten sie doch durch Sozialleistungen und Kriminalität in Wirklichkeit ganz gut.  

Applaus erhielt auch der Schriftsteller Renaud Camus; eines seiner Bücher (,La campagne de France’) musste im April 2000 durch den Verleger, Fayard, aufgrund antisemitischer Passagen zurückgezogen werden. Am 18.12.2010 in Paris führte Camus aus, die Präsenz von Zuwanderern in Frankreich sei Teil eines „groben Plans zum Bevölkerungsaustausch“ durch die Herrschenden. Hätten diese sich doch die – seinerzeit sarkastische - Aufforderung Bertold Brechts, sie mögen sich doch „ein neues Volk wählen“, zu Herzen genommen. Im Übrigen habe man es bei Straftätern migrantischer Herkunft „nicht mit Ganoven zu tun, sondern mit Soldaten“. Sei doch die „unerträgliche Unsicherheit“ Teil einer Kriegsführung, die auf Vertreibung der weiben „Eingeborenen“ abziele. 

Auch noch ein „Prachtexemplar“ auf dem Kongress: Rassist und Antisemit Jean Robin 

Noch eine andere Figur des Kongresses hätten wir beinahe ausgelassen. Es handelt sich um Jean Robin, der auf dem Anti-Islam-Kongress u.a. die russische Romanschriftstellerin Elene Tchoudinova (Autorin von „Die Moschee von Notre-Dame 2048“) übersetzte. Robin ist ansonsten auch Autor bei der Internetpublikation Riposte Laïque, wo er u.a. mehrere Artikel zu Themen wie dem „antiweiben Rassismus“ (etwa seinen Beitrag „Die Presse und die Bleichgesichter“) sowie dem „kolonialen Schuldkomplex“ absonderte.

Robin ist aber auch der Autor von Büchern über die „Judéomanie“ (2006 und 2008), ein Wort, das er erfunden hat und ungefähr – zugegeben sehr vergröbert übersetzt – „Judenwahn“ oder „Juden-Rummel“ bedeutet. Darin vertritt er die Grundthese, den Juden würden zu viel Aufmerksamkeit und zu viele Minderheitenrechte gewidmet. (Vgl. http://www.communautarisme.net) In einem Interview im Jahr 2008 für eine Webseite seines Verlegers, des Nationalrevolutionärs Philippe Randa, erklärte er zudem, die „Judéomanie“ sei nur die Blaupause für andere „Minderheiten-Rummel“. Robin dabei wörtlich: „Die Judéomanie führt zur Islamomanie, zur Negromanie, zur Homomanie usw., kurz, zum Kommunutarismus.“ Was ihn offenkundig störte, war, dass Leute, die nicht dem „Normalmenschen“ wie ihm selbst entsprechen, irgendwelche „Sonderrechte“ beanspruchen könnten... 

Heute hat er sich allem Anschein nach stärker darauf verlegt, auf die Moslems einzuprügeln. Aber das Strickmuster bleibt identisch.

Herr Schweini fühlt sich wirklich sauwohl. Oder: Wenn ein Würstchen sich für einen historischen Helden hält 

Ach ja, ein ziemlich armes Würstchen könnte man vielleicht am Rande noch erwähnen: Monsieur „Pascal Hilout, geboren Mohamed Hilout“ (laut Selbstbezeichnung), der an jenem Samstag früh um kurz vor zehn Uhr die Podiumsreden eröffnet hatte. 

Pascal-Mohamed Hilout ist ein Individuum, das durch seine marokkanischstämmigen Eltern als Moslem erzogen wurde, aber dieser Religion später abschwören wollte. So weit, so absolut in Ordnung: Es herrscht in Frankreich schlieblich Glaubens- & Gewissenfreiheit, und dies ist auch gut so. Nur konnte unser armer Pascal-Mohamed Hilout diese gewaltige Tat, die er auf diese Weise beging, offenkundig geistig-moralisch nicht verarbeiten. Nun isst der Mensch „sogar“ Schweinefleisch – wie unzählige andere Menschen (darunter auch solche, die in moslemischen Familien geboren wurden) auch, welche allerdings keine Staatsaffäre daraus machen und sich auch nicht deswegen zu Helden aufschwingen. Über seinen eigenen Wagemut erstaunt, kommt unser Pascal-Mohamed Hilout seinerseits jedoch über diese gewaltige Tatsache gar nicht hinweg, sondern muss ein planetares Aufsehen darum veranstalten. 

Seitdem tingelt unser Pascal Hilout durch die Lande, bis vor einiger Zeit noch als Prophet „des neuen Islam“ – inzwischen jedoch mit seiner (neuen) Botschaft, dass der Islam das Allerschlimmste und Übelste auf der Erde überhaupt darstellte. Dies kann er nicht tun, ohne stets mit einer Schweinewurst unter dem Arm aufzutreten, welche die gewaltige Nachricht von seiner heroischen Selbstbefreiung aus diesem Weltübel, vulgo: seinen Kampf mit dem Drachen symbolisiert. 

Unser Schweinewurstfetischist – der halbwegs Deutsch spricht bzw. schreibt – darf an dieser Stelle ruhig selbst zu Wort kommen. So glaubte er, vor kurzem die Kommentarspalte des deutschsprachigen jüdischen Internetmagazins hagalil vollsudeln zu müssen, um von seinen Heldentaten zu berichten. Aber hören wir ihn selbst schwadronieren: Ich habe auch die Schweinwurst als Massive Waffe der Destruktion gegen die Mauern die die islamische und jüdische Religion um Menschen aufbauen.“ Der von ihm benutzte Ausdruck in der Mitte des Satzes ist eine schlechte bzw. grottenfalsche Übersetzung des französischen Ausdrucks ,arme de destruction massive’, der nichts anderes bedeutet als „Massenvernichtungswaffe“.  

An anderer Stelle führt unser historischer Held ferner aus: Wenn man Juden und Muslime wirklich liebt muss man das Risiko hinnemen eine geballte Faust auf die Schnauze zu kriegen während man Ihnen klipp und klar erklärt : Eure religiösen Verbote führen zu Gettos hinter Mauern die die Menschen trennen und zum Jammern hinführen.“ Aha, man schreibe sich also gefälligst – laut Herrn Hilout – hinter die Ohren: Wenn beispielsweise Juden Jahrhunderte hindurch in Ghettos lebten, dann war ausschlieblich ihre Religion mit ihren Regeln daran schuldig. Und nicht etwa die Mehrheitsgesellschaft! – Vgl. dazu, jeweils in der Kommentarspalte: http://www.hagalil.com 

Nebenthema: Nationalismus versus Europäische Union 

Ein zweites Thema, neben den Obsessionen bezüglich Einwanderung und Muslimen, beschäftigte viele Redner unterdessen auch: Die Unterdrückung der europäischen Nation durch die Union in Brüssel und die Einheitswährung Euro. Die Existenz des Euro wurde der Europäischen Union am 18. Dezember 2010 - neben ihren Rahmen-Richtlinien für ein Anti-Rassismus-Strafrecht in ihren Mitgliedsländern (über welche etwa die österreichische Anti-Moslem-Eiferin aus dem Umfeld der FPÖ, Elisabeth Wolff, wortreich jammerte) - heftig vorgeworfen. So erhielt der Däne Anders Gravers von ,Stop the islamisation of Europe’ heftigen Applaus, als er die Union der Unterdrückung der europäischen Völker zieh. Unter anderem mit den Worten: ,The biggest totalarian projet is the European Union’, nachdem er zuvor behauptet hatte, Kommunismus und Islam seien angebliche „totalitäre“ Brüder im Geiste. Vgl. http://www.wikio.fr/

Pierre Cassen und Christine Tasin von ‚Riposte Laïque’, respektive ihrer Vorfeldorganisation ,Résistance Républicaine’ (welcher u.a. auch der rechtsradikale Pseudo-Gewerkschafter Jacques Philarcheïn als Regionalverantwortlicher angehört), deren politischer Standort ungefähr als autoritärer National-Republikanismus charakterisiert werden kann, sprachen sich für eine rasche Rückkehr zum französischen Franc aus. Aber auch der dänische Redner Anders Gravers von der Vereinigung ,Stop the islamisation of Europe’ beschrieb die supranationale Europäische Union als eine der Hauptbedrohungen. 

Tasin erklärte, sie sei „Republikanerin und Legalistin“, doch falls im Wahljahr 2012 kein grundlegender Wandel vollzogen werde, dann drohe eine Revolution  - ihrer Auffassung nach braucht es in dem Falle eine solche, aber von rechts. „Das französische Volk könnte dann auf die Strabe gehen, um sich die Macht zurückzuholen.“

Editorische Anmerkungen

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