Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Rechtsextreme Intellektuelle: Alain de Benoist, Yvan Blot, Jean-Yves Le Gallou - Auf der politischen Bühne zurück?
 

01/09

trend
onlinezeitung

Es war kein alltäglich wirkendes Thema, über dem die Teilnehmer an einem zweitägigen Kolloquium am 30. und 31. Oktober 2008 brüteten. „Der Held in der europäischen Identität“ lautete die Themensetzung. Es ging aber nicht darum, einen Besinnungsaufsatz zu verfassen, sondern um die philosophische Begründung von Politik – durchaus mit dem Ziel, früher oder später zu einem Agieren mit ganz handfesten Konsequenzen zu führen. Sehr „handfest“ war die Darstellung des vorgegebenen Themas in der Ankündigung zur Konferenz, die sich bei dem militant-neofaschistischen Infodienst im Internet „Novopress“ fand. Dort wurde das Thema durch die Abbildung eines antik ausgestatteten Kriegers, mit Helm und Schwert, illustriert. 

Nun blieb die Fragestellung nicht bei der Antike stehen, sondern man interessierte sich sehr konkret für die „europäische Identität“ mit heutigen Bezügen. Es waren auch sehr konkrete Akteure heutiger „Realpolitik“, die die ganze Veranstaltung – die in einer Bibliothek in Nizza stattfand – ausrichteten. Nämlich das Rathaus von Nizza sowie eine private Bildungseinrichtung, das „Europäische Institut für höhere internationale Studien“ (IEHEI). Letzteres richtete schon zum dritten Mal die „Gespräche zur europäischen Identität“ aus. Aber bei diesem Male hatte es eine brisante Auswahl für den „Stargast“ getroffen. 

Denn der erste Konferenzredner, der am Vormittag des 30. Oktober – gleich nach dem Grubwort des stellvertretenden Bürgermeisters von Nizza, Bernard Asso, der im Rathaus für „europäische Angelegenheiten“ zuständig ist – zu Wort kam, war niemand anders als Alain de Benoist. Der Mann, der seit den späten siebziger und frühen achtziger Jahren als „Papst der Nouvelle Droite (Neuen Rechten)“ galt, ist seit über 40 Jahren „der“ Vordenker einer konzeptuellen Erneuerung der extremen Rechten.  

Zu Anfang des Jahres 1968 gründete er in derselben Stadt, in Nizza, das GRECE oder „Forschungs- und Studienverband für die europäische Zivilisation“ (Groupement de recherche et d’études pour la civilisation européenne). Das GRECE diente dazu, die Ideen und Konzepte der extremen Rechten in Zeiten, da die Letztgenannte von einer schweren inneren Krise gebeutelt wurde, gründlich zu überarbeiten und theoretisch neu zu fundieren. Die leitenden Kader des GRECE waren bis dahin selbst politische Aktivisten gewesen und für den Sieg Frankreichs in den Kolonialkriegen oder – im Falle Alain de Benoists – für den Erhalt des Apartheidsystems im damaligen Südafrika und Süd-Rhodesien (dem heutigen Zimbabwe) eingetreten. Aber die Niederlagen Frankreichs in seinen wichtigsten Kolonialkriegen läuteten für die Aktivistengruppen, die zuvor an der Heimatfront Terror gegen „Vaterslandsverräter“ und linke Antikolonialisten verbreitet hatten, den Niedergang ein. Ein neues Herangehen, in Form von gründlicher Theoriearbeit, sollte nun Abhilfe verschaffen. Dafür wurde das GRECE geschaffen. 

Der Name dieses zentralen Denklaboratoriums der extremen Rechten im darauf folgenden Vierteljahrhundert stand aber, in seiner abgekürzten Form, auch für  einen Bezug auf (das alte) Griechenland, französisch <La Grèce>. Denn sowohl in der hellenischen Antike als auch bei heidnischen Kelten suchten die Vorzeigeintellektuellen dieser rechtsextremen Strömung Anknüpfungspunkte: Sie wollten mit der  dominierenden „judeo-christlichen Kultur“ brechen und an vor-monotheistische Wurzeln der „indo-europäischen Zivilisation“ anknüpfen. Denn das „Judeo-Christentum“ galt ihnen als von Übel: Einerseits sei, aufgrund des jüdischen Ursprungs der Christenheit, als (rassischer) „Fremdkörper in der europäischen Kultur“. Auf der anderen Seite störte sie, dass die monotheistischen Religionen die Gleichheit aller Menschen vor einem einzigen predigen: Diesen „schädlichen Egalitarismus“ sah man bereits als historische Vorstufe zum Kommunismus an.

Vom antiken Griechenland zu den „Indoeuropäern“ 

In seinem jüngsten öffentlichen Vortrag in Nizza sprach Alain de Benoist übrigens über Georges Dumézil. Auch dies ist kein Zufall: Dieser, im Jahr 1986 verstorbene, Linguist forschte zu „indo-europäischen Sprachfamilien“. Auch wenn er selbst keine ideologischen Absichten damit verbunden haben mag, wird er doch seit Jahrzehnten durch Rechtsextreme für ihre Sache vereinbart: Wo der Wissenschaftler nach Abstammungslinien der „indo-europäischen Völker“ suchte und Sprachforschung betrieb, erblicken sie „Arier“ und suchen nach ihrem politisch-ideologischen Leitbild.  

Erstaunlicher hingegen ist die offizielle Teilnahme Alain de Benoists an einem Kolloquium, das durch die Stadt Nizza ganz offiziell mit veranstaltet wurde. Dies lässt sich freilich erklären: In der südostfranzösischen Stadt hatte das bürgerlich-konservative Lager sehr lange Zeit hindurch offene Flanken zur extremen Rechten. Bis im März 2008 amtierte dort als Bürgermeister Jacques Peyrat, der von 1972 bis 1994 dem rechtsextremen Front National (FN) angehört hatte. Dann wurde er parteilos, und wenige Monate nach seiner Wahl trat er 1996 zur bürgerlichen Rechten über – doch behielt ein weit rechtsauben stehendes Profil bei. In diesem Jahr wurde er nun durch einen Rivalen aus den Reihen der UMP, Nicolas Sarkozys früheren Minister für die Überseegebiete, Christian Estrosi, abgelöst. Aber offenkundig sind dadurch nicht alle Brücken von den örtlichen Konservativen hin zur extremen Rechten abgerissen. 

Aus dem dereinstigen Dunstkreis rund um Alain de Benoist kommt auch Yvan Blot, ein hoher Beamter, der lange Jahre im elsässichen Strasbourg ansässig war - inzwischen aber (hauptsächlich aus beruflichen Gründen) in Paris lebt, wo er im grobbürgerlichen 16. Arrondissement ansässig ist. Im April 2008 erhielt besagter Yvan Blot nun eine Auszeichnung: den „Preis für das liberale Buch 2008“ - für ein Werk, welches er im vorangegangenen Jahr über den britischen Liberalen Herbert Spencer verfasst hatte, das aber in Wirklichkeit vor allem auf seiner Doktorarbeit von 2004 basiert. (Vgl. seine im Internet abrufbare Dankesrede bei Antritt des Preises: http://www.dailymotion.com/ ) Aber derselbe Herr ist für Kenner der französischen extremen Rechten ein uralter Bekannter.  

„Preis für das liberale Buch 2008“ ging an langjährigen rechtsextremen Funktionär 

Bevor er sich – aufgrund der Spaltung des FN in Le Pen- und Mégret-Anhänger (1999), die ihn zutiefst verunsicherte – im Jahr 2000 aus der aktiven Politik zurückzog und sich seiner Laufbahn im gehobenen Staatsdienst widmete, war er einer der führenden Intellektuellen des FN.  

Dort bewegte er sich früher jahrelang im Umfeld des früheren Chefideologen der Partei, Bruno Mégret, der im Dezember 1998 durch Jean-Marie Le Pen geschasst wurde, was eben jene Spaltung auslöste. Neben Schulungsaufgaben war Blot damals beim FN auch für die internationalen Kontakte zuständig, insbesondere für jene nach Deutschland. In München nahm er im Winter 1991/92 am so genannten „Leuchter-Kongress“ der Auschwitzlügen-Anhänger teil und  wurde zusammen mit dem Neonazi Bela Ewald Althans photographiert. Noch bis im Januar 2000 war Yvan Blot Mitglied im, rund vierzigköpfigen, „Politischen Büro“ des FN. Bei ihm handelt es sich um die zweithöchste Führungsinstanz der rechtsextremen Partei (unterhalb des „Exekutivbüros“). Danachch legte er seine parteipolitischen Ämter und Funktionen nieder, gab seine Freistellung als politischer Hauptamtlicher auf und kehrte in seinen Position als hoher Beamter (den er als Absolvent der Elitehochschule ENA, von der 1973 abging, innehat) zurück. Yvan Blot arbeitet seit 2000 als Aufseher über die Verwendung der Staatsfinanzen im französischen Innenministerium.  Sein Name ist über die Unterlagen der Ministerialverwaltung offiziell abrufbar. (FUSSNOTE 1) 

Seit 2005 ist Blot nun allerdings auch wieder Mitglied einer politischen Partei, der konservativ-wirtschaftsliberalen UMP Nicolas Sarkozys. Deren Sektion im elsässischen Bezirk Unterer Rhein (Département Bas-Rhin), wo er damals noch – in Strasbourg – ansässig war, hatte Yvan Blots Beitritt bereits 2002 akzeptiert. Aber damals hatte die Kommission für die Mandatskontrolle ihm noch die Parteimitgliedschaft versperrt respektive wieder entzogen. Doch drei Jahre später war es dann definitiv soweit: Yvan Blot wurde als neues Parteimitglied in die UMP aufgenommen. 

 Ähnlich wie andere ehemalige intellektuelle Gefolgsleute des GRECE hat er allerdings Übung in Sachen Unterwanderungsstrategie zwecks „Gewinnung der (ideologischen) Deutungshoheit“. Denn schon früher war er in bürgerlichen Parteien organisiert: Yvan Blot trat im Jahr 1989 vom damaligen neogaullistischen RPR (einem Vorläufer der jetzigen UMP) zum rechtsextremen FN über. Neben ihm waren auch andere GRECE-Schüler, wie Jean-Yves Le Gallou und Mégret selbst, bis Mitte der achtziger Jahre und bis zum Aufstieg des FN bei konservativ-liberalen Parteien aktiv gewesen. Dort versuchten sie, „die Begriffe zu besetzen“ und diese Parteien ideologisch nach Rechts zu ziehen, u.a. mittels der von ihnen als „Metapolitik“ („jenseits der Politik“) bezeichneten Aktivität. Dabei ging es nicht darum, zu tagespolitischen Fragen aktuell Stellung zu beziehen oder offenen Rassismus und Anti-Egalitarismus zu predigen - sondern historische Symbole in den Raum zu setzen und durch stetige Bearbeitung bestimmten Worten einen neuen Sinn geben. So versuchte etwa Mégret wiederholt dem Wort „Demokratie“ einen neuen Sinngehalt zu verpassen: Diese bezeichne die „Herrschaft des Volkes“; um aber Subjekt dieser Herrschaft sein zu könne, müsse das Volk (gemeint war: ethnisch und kulturell) „homogen“ sein. In Anlehnung etwa an Carl Schmitt wurden so, in beharrlicher geistiger Arbeit, Begriffe verzerrt. 

Auch wenn Yvan Blot nun wieder in konservativen Kreisen gelandet ist, was seine Parteimitgliedschaft betrifft, so hat er doch seinen ideologischen Hobbys und Manien nicht abgeschworen. Im Gegenteil. Noch im Jahr 2006 publizierte Blot beispielsweise ein Buch über „Unser griechisches Erbe“, und hielt Vorträge über „Die Kritik der Demokratie bei den griechischen Philosophen“. Aus letztgenanntem Anlass wollte er etwa anstelle der „vier modernen Idole: Technik, Subjekt, Arbeit, Geld“ lieber folgende „Werte“ setzen: „Erde, religiöses Prinzip, Königtum (Anm.: im übertragenen Sinne), Freiheit“. Um eine „Welt“ zu schaffen, die „auf Pflichten, auf einer Aristokratie begründet ist“.  (vgl. http://cafebleu.over-blog.com/article-2826068.html)  Der ewige Griechenlandfimmel – wie er sich schon im Namen des GRECE widerspiegelt(e) -, Kritik der Demokratie und des Egalitarismus, Eintreten für „Aristokratie“, angeblich „natürlich“ Ungleichheit und Erdverbundenheit: Alles Wesentliche und Uralte vom Denken der rechtsextremen Intellektuellen ist bei ihm offenkundig noch vorhanden. 

„Liberalismus“ und lupenreiner Sozialdarwinismus  

Nun erhielt er also einen Preis für das „liberale Buch 2008“. Dabei sei darauf hingewiesen, dass der französische ‚Libéralisme’-Begriff, in seiner überwiegenden Benutzung, nur den Aspekt des wirtschaftlichen Liberalismus (im Sinne des Eintretens für eine ungezügelte „freie Marktwirtschaft“ und das Recht des wirtschaftlich Stärkeren) bezeichnet, aber nicht notwendig den im Deutschen so genannten Bürgerrechtsliberalismus einschliebt. Im Französischen sind, im üblichen Gebrauch, beide Begriffe getrennt: den Wirtschaftsliberalismus nennt man ‚libéral’, hingegen bezeichnet man ein Eintreten für die Bürgerrechte oder ein Bürgerrechtsbewusstein als ‚engagement citoyen’ oder ‚conscience citoyenne’. Und ist im Französischen kein logisches Problem, etwa auch die Diktatur des Generals Augusto Pinochet – der das damalige Chile durch massive Privatisierungen in einen Vitrine für den Wirtschaftsliberalismus verwandelt hat, aber zugleich mit autoritärer „eiserner Faust“ regierte – als ‚libéral’ zu bezeichnen.  

Das fragliche Buch erschien unter dem Titel „Herbert Spencer, ein Evolutionist gegen den Etatismus“ und beruht auf der Doktorarbeit, die Yvan Blot über diesen britischen Philosophen, Soziologen und politischen Denker verfasst hat. 

Spencer, der im 19. und frühen 20. Jahrhundert schrieb, gilt  allgemein als einer der Vordenker des so genannten Sozialdarwinismus. Der Begriff wurde ursprünglich sogar geschaffen, um seine Lehre zu bezeichnen. In Wirklichkeit ist er etwas unscharf, wenn von Herbert Spencer die Rede ist - da dieser in Bezug auf die zeitgenössische Debatte über die Evolutionslehre in der Biologie nicht Anhänger Charles Darwins war, sondern des einige Jahrzehnte früher lebenden französischen Biologen Jean-Baptiste de Lamarck. Der Unterschied zwischen beiden beruhte darauf, dass Lamarck behauptete, zu Lebzeiten vom Individuum einer Gattung erworbene Eigenschaften könnten von diesem an seine Nachfahren weiter vererbt werden. Sein Musterbeispiel lautete: Die Giraffe muss ihren Hals strecken, um das rarer werdende Futter noch zu erreichen, und kann dann auch die Eigenschaft „längerer Hals“ vererben. Darwin bestritt dies und behauptete, nur zufällig auftretende Mutationen im Erbgut seien für die biologische Evolution verantwortlich: Zu Lebzeiten erworbene Eigenschaften seien nicht vererblich, aber der Überlebenskampf sortiere jene (zufällig entstandenen) Eigenschaften aus, die eben zum Überleben am Besten geeignet seien. Bekanntlich hatte Darwin in diesem Punkt recht, was das Tierreich und die Pflanzenwelt betrifft. Auf die menschliche Gesellschaft wollte Charles Darwin die von ihm beschriebenen Gesetze selbst nie anwenden – im Gegensatz zu manchen seiner Epigonen, und zu Spencer. 

Es war Herbert Spencer, der – diese Idee der „natürlichen Auslese“ von Darwin übernehmend – dafür den unscharfen Begriff des ‚Survival of the fittest’ prägte. Selbiger wurde dann als „Überleben des Stärkeren“ ins Deutsche übersetzt, obwohl auch diese Vorstellung mindestens ungenau ist. Nicht „der Stärkere“ überlebt laut Darwin im biologischen Überlebenskampf, sondern derjenige, der den jeweiligen – geographischen, klimatischen oder sonstigen – Bedingungen „am besten angepasst“ ist. Das kann auch beispielsweise durch die bessere Tarnung, aufgrund einer zufällig vom Erbgut programmierten Färbung, geschehen. Auch ausgesprochen friedliche Arten können also „am besten angepasst“ sein. Nicht so friedlich hingegen ist die Gesellschaftstheorie, die durch die Übertragung solcher – in der Natur geltenden – Gesetzesmäbigkeiten auf das menschliche Zusammenleben entstand. 

Wie Andere vor und nach ihm, übertrug Spencer diese Vorstellung des ‚Survival of the fittest’ auf die menschlichen Gesellschaften, und auf ihre Ökonomie. Im Unterschied zu manchen sonstigen, so genannten Sozialdarwinisten – unter ihnen den deutschen Nazis – trat Spencer dabei allerdings nicht für einen autoritären Staat ein, sondern für einen „Minimalstaat“, der sich so wenig wie möglich in gesellschaftliche Belange einmischen möge. Die Austragung des Überlebenskampfs, vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet, werde sich in der Gesellschaft schon von selbst regeln, befand Spencer. Deshalb gilt er auch weiterhin vielfach als Liberaler. 

An diesem Punkt setzt Yvan Blot an, um zu versuchen, die Ideen Spencers ein gutes Jahrhundert später nutzbar zu machen – und sich damit an ein liberales oderr liberal-konservatives Publikum zu wenden. Daher auch der programmatische Titel: „Ein Evolutionist“ bezieht sich auf die, vergröbert gesprochen, sozialdarwinistischen Vorstellungen Spencers. Und „gegen den Etatismus“ meint bei Blot mitnichten einen anarchistischen oder antiautoritären Impuls, sondern lässt sich am besten in den Worten „für mehr Markt“ zusammenfassen. Die Vorstellung vom ‚Survival of the fittest’ mit einem Plädoyer für „die Zurückdrängung des Staates“ – im Sinne von „mehr Markt“ – zusammenzuführen: eine sehr „aktuelle“ Herangehensweise, unter anderem auch in Zeiten der Krise... 

Wie man es mit der liberal-kapitalistischen Wirtschaft und dem „Markt“ – nach ihren Vorstellungen – hält, war lange Zeit ein Streitpunkt unter französischen rechtsextremen Intellektuellen. Sie spalteten sich in den frühen siebziger Jahren in zwei Richtungen auf: Die eine glaubte an eine mögliche Aussöhnung ihrer eigenen Vorstellungen mit liberal-konservativen Politikansätzen, wohl – wiederum vergröbert gesprochen – im Zeichen eines als „naturkonforme Gesellschaftstheorie“ aufgefassten Sozialdarwinismus. Die andere Richtung hingegen lehnte Kompromisse mit Liberal-Konservativen ab, da der bürgerliche Liberalismus in ihren Augen keinesfalls ein verlässlicher Bündnispartner war: Er habe nämlich, zumal in Frankreich, wo er sich ab dem späten 18. Jahrhundert bekanntlich revolutionär (gegen Monarchie und Adel) durchsetzte, „natürlich gewachsene, organische Gesellschaftsordnungen“ zerstört.  

Zunächst war es eine Arbeitsteilung, aber später erwuchs daraus eine reale ideologische Differenz. Um neue Anhänger unter den Abgängern von Elitehochschulen zu rekrutieren, schuf die Zentrale des GRECE einen neuen Zirkel, den Club de l’Horloge (Uhrwerksclub). Letzterer nahm zukünftige Führungskräfte in Staat und Ökonomie, die sich oft im Studentenalter oder zu Anfang ihrer Karriere befanden, auf. Aber alsbald wurde klar, dass die im Club de l’Horloge organisierten Kader tendenziell für eine Aussöhnung mit „dem Markt“ und dem real existierenden Kapitalismus eintraten und diesem eine – sozusagen - explizit sozialdarwinistische, ideologische Grundlage zu verleihen suchten. Hingegen lehnte der harte Kern der alten Gruppe eine solche Annäherung an die Strukturen des vorhandenen politischen und ökonomischen Systems ab: Dieses sei keine „organisch gewachsene“, mit biologischen Prinzipien im Einklang stehende Gesellschaftsordnung, sondern habe solche „natürlichen Gemeinschaften“ vielmehr zerstört. Später übte ein Teil des übriggebliebenen GRECE sich in sektenartige Ritualen. Um die Orientierung auf der Suche nach einem Bruch mit dem ‚judéo-christianisme’ auch auf symbolischer und „spiritueller“ Ebene umzusetzen, besorgten sich Anhänger des GRECE Kultgegenstände für neuheidnische Rituale. Der antifaschistische Journalist René Monzat hat später in einerr Schrift unter dem Titel „Die schlimmste Hypothese ist die richtige“ ermittelt, dass die dabei benutzten neuheidnischen Kandelaber früher durch die SS in ihrer, für solche Aufgaben zuständigen, „Stiftung Ahnenerbe“ entwickelt worden waren. 

Die Wiege beider Strömungen befindet sich im oben zitierten GRECE. Allerdings entwickelte die erstgenannte Richtung, um Yvan Blot und Jean-Yves Le Gallou, sich damals von ihrem gemeinsamen Ausgangspunkt weg und ging ihren „Weg durch die Institutionen“ durch die konservative und wirtschaftsliberale Rechte - bevor sie in den 80er Jahren auf dem Umweg über den aufsteigenden Front National (FN) auch parteipolitisch auf der extremen Rechten landete. Hingegen hielten die Anhänger der zweitgenannten Gruppe, rund um Alain de Benoist, damals gegen diesen „weltanschaulichen Opportunismus“ eisern an ihren Orientierungen und Dogmen fest. Allerdings fanden Anhänger beider Strömungen ab den späten 80er Jahren beim FN, wo etwa ab 1987/88 auch der Rassenideologe Pierre Vial – vier Jahre zuvor noch ein führendes Mitglied des GRECE – aktiv wurde, zeitweise wieder zueinander. So lange, bis die Parteispaltung von 1998/99 ihre Wege zum Teil erneut trennte.

Um Yvan Blot geht es in diesen Zeilen, auf Alain de Benoist (der am Anfang dieses Artikels auftauchte) wird gegen Schluss nochmals zurückzukommen sein. Und was wurde aus den übrigen? Auch sie betreiben, im Augenblick jedenfalls, keine aktive Parteienpolitik – aber haben den Kampf um ihre rassistischen „Ideen“ keineswegs aufgegeben. Pierre Vial nimmt als Redner auf allen möglichen Konferenzen, bei denen neue rechtsextreme Sammlungsbewegungen begründet werden sollen, teil. Jean-Yves Le Gallou wiederum führt eine eigene  Stiftung unter dem Namen „Polemia“ (mit oft aktualisierter Homepage, Newsletter und rregelmäbigem Veranstaltungsprogramm) an, mit deren Hilfe er den „Kampf um die Köpfe“ und um die Besetzung der Begriffe fortsetzen möchte. In einem Artikel, den er am 31. Oktober 2008 auf der Homepage der radikalfaschistischen ‚Identitaires’ unter dem Titel „Zwölf Thesen für einen technologischen Gramscismus“ (Douze thèses pour un gramscisme technologique) publizierte, behauptet Le Gallou, die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien seien ein wichtiges Instrument in diesem ideologischen Kampf. Klar, dass er diese Auffassung deshalb vertritt, weil die Nutzung des Internet bisherige – durch begrenzte finanzielle Mittel oder redaktionelle Vorgaben gesetzte – Schranken für Publikation und Kommunikation einstürzen lassen. Die extreme Rechte, so möchte Jean-Yves Le Gallou ihr nahe legen, müsse diese Situation dringend nutzen, um ideologisch wieder in die Offensive zu kommen. 

„Liberaler“ Preisverleiher: ALEPS – A... leck! 

Zurück zu „unserem“ Preisträger Yvan Blot. Verliehen wird der „Preis für das liberale Buch“ – dessen Name denn doch etwas seltsam klingt, wenn er an einen langjährigen rechtsextremen Ideologen wie Yvan Blot verliehen wird, selbst wenn dieser sich bürgerlich zu tarnen versteht – durch eine Vereinigung namens ALEPS („Vereinigung für die wirtschaftliche Freiheit und den sozialen Fortschritt“). Es handelt sich dabei um einen Club von thatcheristischen Wirtschaftsliberalen, der extrem gewerkschafts- und sozialstaatsfeindlich ausgerichtet ist. Er kann zwar nicht insgesamt als rechtsextrem gelten, aber der Verein animiert auch eine Radiosendung auf dem Sender „Radio Courtoisie“, der eine Schnittstelle zwischen Konservativen und Rechtsextremen bildet und bei dem auch regelmäbig Vertreter des FN zu Wort kommen. Im Kern tritt die ALEPS für einen möglichst „unpolitischen“ und von Technokraten regierten – also gesellschaftlichen Kontroversen und sozialen Ansprüchen weitestgehend entzogenen – starken Staat ein. Gewerkschaften sollen zurückgedrängt werden. „Den Arbeitern und den Bürgern“ werden dafür, als „wahre Demokratie“, „der Markt und die Konkurrenz“ als Betätigungsfeld angeboten. (Vgl. http://www.humanite.fr/) Vielleicht kein Wunder, dass man dort auch mit eventuell autoritär gepolten Rechten keine Probleme zu haben scheint. 

Neue rechtsextreme Zeitung 

Eines der Betätigungsfelder für rechtsextreme Intellektuelle, mögen sie nun aus der Denkschule des GRECE kommen oder nicht, war lange Zeit die Presse. Alain de Benoist persönlich löste in den Jahren 1979/80 einen in die breite Öffentlichkeit getragenen Skandal aus, als publik wurde, dass er beim ‚Figaro-Magazine’ – der Wochenendbeilage der konservativen Tageszeitung ‚Le Figaro’ – Anstellung gefunden hatte. war Alain de Benoist dort ein führendes Redaktionsmitglied. Zusammen mit einer Reihe von Gefolgsleuten konnte er dort fünf oder sechs Jahre lang journalistisch mitwirken und seine Ideen verbreiten.  

Dieses Wochenmagazin bildete damals, zusammen mit den ebenfalls wöchentlich erscheinenden Magazinen ‚Valeurs actuelles’ und ‚Spectacle du Monde’, ein Sammelbecken für rechts bis rechtsauben stehende Denker und Schriftsteller. Die Redaktion der dazu gehörigen Zeitung (‚Le Figaro’) war zwar eher bürgerlich-konservativ ausgerichtet, betrachtetee das Treiben dieser scharfzüngigen und mitunter gut formulierenden Publizisten aus der ‚Nouvelle Droite’ aber als „Gegengift“ zum – damals in der intellektuellen Landschaft eher dominierenden – Marxismus. Noch lange Jahre blieb ein Einfluss von (teilweise aus dem Umfeld des GRECE) kommenden rechtsextremen Schreibern auf das ‚Figaro-Magazine’ erhalten, unter anderem verbunden mit dem lange als Redakteur dort arbeitenden früheren GRECE-Mitglied Patrice de Plunkett. Seit dessen Tod, aber auch seit einem Relaunch des Magazins sowie einer gewissen Begradigung der politisch-redaktionellen Linie (auf einen Mitte-Rechts-Kurs) ist ihr Einfluss dort allerdings seit den späten 1990er Jahren nun fast auf den Nullpunkt zurückgegangen.  

Es blieb als Betätigungsfeld eine rechtsextreme Presse, die freilich kein Massenpublikum erreichte, wie die FN-nahe (und zu 40 % im Eigenbesitz der Partei befindliche) Wochenzeitung ‚National Hebdo’ (NH). Letztere musste jedoch im Mai 2008 ihren Bankrott anmelden: Die Partei hatte, infolge ihrer massiven finanziellen Schwierigkeiten, jegliche monetäre Unterstützung eingestellt. Eine Zeitung wie NH war Alain de Benoist freilich als Ort, um seinen politischen Gedanken und Ideologien Ausdruck zu verleihen, wohl zu primitiv.  

Nun steht aber Ersatz für die Bankrott gegangene „Nationale Wochenzeitung“ bereit, neben diversen rechtsextremen Nachrichtenmagazinen „online“ im Internet auch auf Papier. Und auch Alain de Benoist – der  sich lange Zeit vom Front National, der ihm bei weitem zu „plebeiisch“, theorielos und rabaukenhaft war, ausgesprochen fern hielt – ist mit von der Partie. Am 30. Oktober 2008 erschien die erste Ausgabe der neuen rechtsextremen Zeitung ‚Flash’. Ein Teil der früheren Redaktion von ‚NH’ ist mit von der Partei, etwa Nicolas Gauthier, der sich um die Interviews kümmert, und die Kolumnistin respektive Glossen-Verfasserin ‚Topoline’ (hinter dem weiblichen Pseudonym verbirgt sich allerdings ein männlicher Autor). Auf den ersten Blick wirkt die Zeitung eher dünn, und mit ihrem Farbdruck eher wie eine Boulevardzeitung. Bei NH beschränkten sich die Farben noch auf Schwarz und Weib, sowie rot für die (deshalb mitunter „schreiend“ wirkenden) Titelblätter. 

Der Inhalt aber hat es in sich, oder jedenfalls die Namen, die künftig für diesen Inhalt sorgen sollen. Alain de Benoist, der sich bislang aus dem „Tagesgeschäft“ der extremen Rechten – sei es in Partei- oder in Zeitungsform - weitgehend heraushielt, ist in der ersten Ausgabe mit einer vollen Seite vertreten. Darin analysiert er ganz „realpolitisch“ die aktuelle Finanzkrise, wobei sein Artikel weitgehend „unverfänglich“ formuliert ist in dem Sinne, dass er – so, wie er abgedruckt wurde – auch in vielen Zeitungen völlig anderer Orientierung hätte erscheinen können. Denn de Benoist benutzt, um die Finanzkrise zu analysieren, keine spezifisch rechtsextremen Konzepte. Im Gegenteil deutet er die Ursachen der Finanzkrise mit Instrumenten, die auch von Marxisten, Gewerkschaftern oder linken Intellektuellen eingesetzt werden könnten. Beispielsweise spricht er in dem Artikel davon, die Ursprünge der Subprime-Krise lägen in dem Widerspruch zwischen einer sinkenden Massenkaufkraft – aufgrund sinkender oder bestenfalls stagnierender Löhne einerseits – und wachsendem Konsumangebot andererseits begründet. Die Kluft zwischen beiden habe man durch die Aufblähung des Kredits zu überbrücken versucht, was aber früher oder später scheitern und auffliegen musste.  Vernünftiger wäre es demnach gewesen, stattdessen die Löhne zu erhöhen. Ein Ansatz, der für Rechtsextreme völlig untypisch ist: In Frankreich traten die rechtextremen Parteien noch nie für Lohnerhöhungen ein, sondern propagierten stets Steuersenkungen als angeblichen Ansatz zur Lösung sozialer Probleme in den Unterklassen. 

Aber in Wirklichkeit hat Alain de Benoist damit nur einmal mehr seine Fähigkeit bewiesen, Erkenntnisse und Konzepte, die aus völlig anderen als rechtsextremen Zusammenhängen stammen, zu sich „herüberzuziehen“ und in seine Argumentation einzubauen. Auf diese Weise hat er sich schon in der Vergangenheit Versatzstücke aus den Veröffentlichungen von linken, liberalen und anderen Autoren nutzbar gemacht. Sein Ansatz unterscheidet sich dabei kaum in der Analyse des Bestehenden, in der Beschreibung des herrschenden Zustands, für welchen er sich oft „fremde“ Erkenntnisse aus ihm politisch fern stehenden Spektren zu eigen macht. Der Unterschied liegt vielmehr in dem, was anstelle des Bestehenden als „Alternative“ anzustreben ist. Alain de Benoist lässt in dem aktuellen Artikel zur Finanzkrise offen, und bleibt auch sonst in diesem Bereich oft beim Impliziten statt. Es wird jedoch aus anderen seiner Schriften, aus seinen Büchern heraus klar, welche Gesellschaftsordnung er anstrebt, falls die – von ihm diagnostizierte – Krise des liberalen Kapitalismus akut wird: eine hierarchische, auf vermeintlichen „natürlichen Gesetzen“ beruhende, angeblich „organische“ Gesellschaft. 

Der redaktionelle „Kopf“ der neuen Zeitung – während als Herausgeber der rechtsextreme Verleger Philippe Randa firmiert - ist Alain Soral, ein früherer Linker und Publizist, der sich für einen Intellektuellen hält und als Berufsprovokateur (etwa mit dem Bekenntnis „Ich bin ein Macho“ und der Veröffentlichung eines Buchs unter dem Titel „Anleitung zum Anbaggern“) auftritt. In der ersten Nummer des neuen Blatts beklagt er sich darüber, er müsse in Frankreich in einem „weichen GULAG“ leben, da die Medien einem „Dissidenten“ wie ihm kein Gehör verschafften – es wäre ihm persönlich noch lieber gewesen, in der Sowjetunion Opfer des wirklichen GULAG oder Opfer der McCarthy-Kampagnen in den USA zu werden. Denn in diesem Falle würde man wenigstens von ihm als heldenhaftem Widerständler reden. So aber sei sein heutiges Schicksal, und das der übrigen Dissidenten, noch viel beklagenswerter. 

Neben Alain Soral meldet sich der mit ihm befreundete schwarze Antisemit Dieudonné M’bala M’bala zu Wort, der sich in einem längeren Interview gegen „Denkverbote“ – denen seine Wortmeldungen zum Opfer fielen – wendet. Und den Aubenpolitikteil der Zeitung gestaltet als verantwortlicher Redakteur Christian Bouchet, ein – laut eigenen Worten – „Nationalbolschewist“, der innerhalb der extremen Rechten aufgrund seines Sektierertums (und seiner zeitweiligen bizarren esoterischen Neigungen) als sehr umstritten gilt.  

Die ersten Ausgaben der Zeitung konnte Bouchet ziemlich stark prägen. So enthält die Nummer 2 vom 17.  November 2008 eine mehrere Seiten (von insgesamt 16 des doch ziemlich dünn wirkenden Blättchens) umfassende Titelstory unter der Überschrift: „Die spinnen, die Amerikaner! Gegen das Imperium, der Widerstand...“ Darin träumen Christian Bouchet, Alain Soral (der von einer jüngst absolvierten Reise nach Serbien berichtet: „Das Kosovo existiert nicht!“) und Nicolas Gauthier (früher bei ‚National Hebdo’) von einer vermeintlichen Einheitsfront gegen die US-Hegemonie. Diese soll - ihnen zufolge - „russische Nationalisten“, serbische Ultras, den Iran unter Präsident Ahmedinedjad, den irakischen „Widerstand“, aber auch Venezuelas Linkspopulisten Hugo Chavez und andere lateinamerikanische politische Anführer (Evo Morales, Rafael Correa, Daniel Ortega oder Fidel Castro) umfassen. Wie immer man auch zum linkspopulistischen Militär und Staatschef Hugo Chavez stehen mag: Weder eher (über den das Blatt schreibt: „Hugo Chavez in Frankreich wäre Le Pen“) noch der bolivianische Präsident und frühere Wortführer der entrechteten indigenen Bevölkerung, Evo Morales – laut ‚Flash’ angeblich „ein Gewerkschafter, der aus der radikalen Rechten hervorging“ (sic!) – können etwas dafür, dass diese Faschisten versuchen, an sie anzudocken und sie einfach für ihren rechten Antiamerikanismus zu vereinnahmen. 

In der Ausgabe Nummer 3 vom o4. Dezember 2008 wiederum entdeckt Christian Bouchet sozusagen  „völkische“ Kräfte, um eine deutsche Begrifflichkeit überzustülpen -, im (angeblich) auseinanderbrechenden Belgien. Seine Interpretation der Zustände im, zeitweise von politischen Krisen geschüttelten und dann doch wieder (vorübergehend oder dauerhaft?) stabilisierten, Nachbarland lautet: „Die Wallonen wollen zu Frankreich, die Flamen zu den Niederlanden!“ Bouchet erträumt sich wohl ein Grobfrankreich nach faschistischem Gusto, das freilich mit der Tradition des französischen republikanischen Nationalismus – der auf 1792 rekurriert – radikal bricht. 

Ansonsten spielen die „Kritik“ (im demagogischen) Sinne am Staat Israel sowie am „Finanzkapital“ eine Schlüsselrolle für die, vor allem internationale, Berichterstattung des Blättchens - das bislang freilich laut Kioskinhabern durchaus keinen bedeutenden Anklang auf „Massenebene“ zu finden scheint. Sondern dessen Lektüre, bislang jedenfalls, eher einem ohnehin rechtsextrem beeinflussten Milieu vorbehalten zu sein scheint. 

In der Nummer 4 vom 18. Dezember 2008 verfasst unser „Nationalbolschewist“ und Aubenpolitik-Redakteur Christian Bouchet gleich mehrere länger Artikel auf den Internationales-Seiten selber. So schreibt er über den „Triumph Hugo Chavez’“ bei den Regional- und Kommunalwahlen in Venezuela von Ende November 2008 (wobei der venezolanische Präsident und Linkspopulist einmal mehr nichts für den höchst unerbetenen Beifall von dieser falschesten Seite kann). In einem Artikel über den Bürgerkrieg an der Grenze zwischen Kongo und Rwanda – der im Oktober vergangenen Jahres kurzzeitig heftig aufflammte, allerdings seit Mitte Januar o9 tatsächlich beendet ist – denunziert Bouchet die Tutsi-Rebellen unter Laurent Nkunda und die Bereicherung US-amerikanischer Konzerne an den Rohstoffen im Bürgerkriegsgebiet. Tatsächlich verdienen beide Kritik: Laurent Nkunda ist ein Warlord, der sich an der kongolesischen Zivilbevölkerung vergangen hat, und tatsächlich bereichern sich US-amerikanische – aber eben nicht nur US-amerikanische – Konzerne an der Plünderung von Rohstoffen in den Bürgerkriegszeonen. Aber was Bouchet nicht dazu schreibt, ist, dass die USA keineswegs die Alleinschuldigen sind, sondern dass es in erster Linie Frankreich war, das 1994 einen Völkermord von Hutu-Ethnorassisten an der dortigen Tutsibevölkerung in Rwanda (aus geostrategischen Gründen) unterstützt hat. Erst später hat die Flucht der Hutu-Extremisten aus Rwanda in den Ostkongo, nach vollbrachtem Völkermord 1994, die Rebellion der orstansässigen Tutsi – die sich ihrerseits von den Hutu-Rassisten gefährdet sahen – ausgelöst. BOuchet aber geht es um etwas Anderes, das er zeigen möchte: In seinen Augen ist der Tutsi-Rebellenführer Laurent Nkunda „der Böse“ – und er versteckt sich hinter einem reichlich verkorksten und zudem zurechtgebogenen Zitat einer israelischen Presseagentur (Metula News Agency), um wörtlich zu schreiben, Laurent Nkunda sei „ein afrikanischer Jude“. Dies, weil er „seine Evangelisierungsmission fortführen“ möchte (Ex-General Nkunda ist ein christlicher Sektenpriester), obwohl in der jüdischen Religion üblicherweise keine „Evangelisierungsmissionen“ vorkommen, sondern Aubenstehende im Prinzip nicht missioniert werden. Ein Schlusswort zu Bouchets Artikel, der freilich tief blicken lässt, was sein Weltbild betrifft: Auch im Kongokrieg trägt der Jude, und sei es ein „afrikanischer“ (und nur im übertragenen Sinne „jüdischer“), an allem oder fast allem Übel letztlich die Schuld – neben gierigen US-Amerikanern. Vom Genozid in Rwanda 1994 und der Rolle Frankreichs dabei liest man bei ihm Nichts. Aber wen wundert es. 

Ach ja, bezüglich des Darfur-Konflikts beleuchtet ein anderer Artikel (aus der Feder von Albert Jacquemin) „die trübe Rolle Israels“. Und fünf Seiten weiter hin plädiert Alain Soral auf einer vollen Seite dafür, man müsse endlich die Existenz von menschlichen Rassen anerkennen. 

Soweit die Nummer 4, nun noch kurz zum Inhalt der Ausgabe 5 (vom o5. Januar 2009), der bisher zuletzt erschienen. Angerissen sei: Olivier Besancenot, ein Politiker der radikalen Linken, wird im Sandkasten spielend und dabei die Faust zum Kommunistengrub erhebend, während ein hoher Vertreter der Bourgeoisie (verkörpert durch die Gesichtszüge von Jacques Attali) auf ihn aufpasst. Die Botschaft lautet, die radikale Linke bestehe in Wirklichkeit aus Agenten der Bourgeoisie und seien deshalb nicht ernst zu nehmen, während die wahren Revolutionäre auf der extreme Rechten säben. Eine Botschaft, die namentlich Alain Soral ansonsten immer und immer wiederkäut, und dabei den „revolutionären“ Demagogen heraushängen lässt – bisweilen aber auch den Autoritären, der vom Polizeistaat träumt, wenn er etwa in einer Fernsehsendung im Herbst 2008 forderte, man wüsse „genau wissen, mit wem dieser Besanencot verkehrt, wo er wohnt, was er verdient und wer ihn in Wirklichkeit finanziert“. 

Auf einer vollen Seite geht es wiederum um die Finanzkrise. „Dem Finanzkapital“ wird eine weit überhöhte Bedeutung für die kapitalistische Gesamtökonomie zugeschrieben („die gesamte Ökonomie ist unter der Herrschaft der Finanz“). Allerdings klingen die, moderat formulierten, angebotenen Lösungen – „ökonomische und ökologische Planung“ der Produktion, und Ausrichtung an den Bedürfnissen statt am Profit – nicht spezifisch rechtsextrem. Am Ende des Artikels wird sogar der Linkssozialist Marceau Pivert mit seinen berühmten Worten, die er während des Generalstreiks im Mai und Juni 1936 aussprach, zitiert: „Alles ist möglich, sogar eine soziale Revolution“. (Diese Äuberung war damals übrigens eine Antwort auf den stalinistischen KP-Chef Maurice Thorez, der zuvor mit den Worten zur Beendigung des Streiks aufgerufen hatte: „Es ist nicht alles möglich. Man muss einen Streik beenden können, wenn die Forderungen erfüllt sind - und selbst wenn nicht alle Forderungen erfüllt sind, aber ein Kompromiss über die wesentlichen erzielt werden konnte.“ Vor allem die erste Satzhälfte, ‚il faut savoir terminer une grêve’, also „man muss einen Streik beenden können“, ist unter antistalinistischen Linken seitdem zum geflügelten Wort geworden.) Dieser Teil der extremen Rechten versteht sich definitiv ziemlich gut auf Tarnung und rhetorische Mimikry. 

Im Aubenpolitikteil verbirgt Christian Bouchet seine Abneigung gegen den Staat Israel – die in seinem Falle definitiv aus antisemitischem Ressentiment resultiert, was nicht auf alle Gegner und Kritiker/innen dieses Staates oder seiner realen Politik zutrifft – geschickt hinter einer Kampagne, die derzeit von anderen (überwiegend linken) Kräften durchgeführt wird. Sie führen derzeit eine breite Kampagne für die Freilassung des jungen französisch-palästinensischen Doppelstaatsbürgers Salah Hamouri durch, der seit langen Jahren in Israel im Gefängnis sitzt – er verbrachte erst drei Jahre in Untersuchungshaft und wurde daraufhin zu sieben Jahren Freiheitsentzug verurteilt -, nur weil er Kontakt zur Jugendorganisation der linksnationalistischen PFLP hatte. Der Vorwurf lautete auf Terrorismus, wobei ihm jedoch keinerlei konkreter Tatvorwurf gemacht werden konnte, sondern ihm lediglich zur Last gelegt wird, zum falschen Zeitpunkt an der falschen Stelle mit dem Auto vorbeigekommen sein – nämlich in der Nähe des Hauses des rechtsradikalen und die Araber buchstäblich zum Teufel wünschenden Rabbis Yossef Ovadia. Der Artikel von Lionel Placet ist sogar relativ sachlich formuliert. Dies kann aber kaum die obsessionshafte und in grundsätzlichem Ressentiment wurzelnde „Kritik“ an Israel vergessen machen, die Bouchet und Andere animiert – in diesem Falle aber geschickt hinter einer politischen Kritik auch von anderen (nicht antisemitischen) Kräften verborgen wird. 

Auf einer gegenüberliegenden Seite wird in einem ausführlichen Artikel von Christian Bouchet über diverse, zum Teil rassistische und zum Teil schlicht verschrobene Separatisten- und Sezessionsbewegungen in den USA berichtet. Diese, oft obskurantistischen und rechten, Abspaltungsbewegungen werden unter dem Sammelnamen „Dissidenz“ benannt. Unter ihnen „Akvisten, die die Nostalgie des Alten Südens“ hegen, also der einstmals Sklaven haltenden Südstaaten aus der Zeit von vor dem Sezessionskrieg (1861 bis 1865)... 

FUSSNOTEN: 

ANMERKUNG 1: Vgl. http://www.afsp.msh-paris.fr/annu/fiches/blot.html  

Ein mutmablich von vorne bis hinten falsches Gerücht - das jüngst durch linke Mailinglisten und Webpages (darunter mehrere regionale französische Indymedia-Ausgaben) verbreitet wurde und mehrfach die Runde machte - besagt, Yvan Blot bekleide eine wichtige Position im umstrittenen „Ministerium für Einwanderung und nationale Identität“. (Siehe zu diesem Ministerium nebenstehenden Artikel.)  

Dort – so fährt das Gerücht fort - habe er die Aufgabe, für die „Sicherheit der Häfen“ und Hafenstädte zu sorgen. Und er sei in dieser Funktion für die Vertreibung der – oft irakischen und afghanischen – Flüchtlinge im nordfranzösischen Calais zuständig. Letztere wollen in aller Regel von Calais aus auf die britischen Inseln übersetzen, werden aber seit der Schliebung des vom Roten Kreuz unterhaltenen Durchgangslagers in Sangatte am Ärmelkanal (2002/03) durch die Polizei einem immer höheren Druck und immer brutalerer Vertreibungspolitik ausgesetzt. Dafür sei, behauptet der Artikel, Yvan Blot qua Amtes zuständig. (Siehe bspw. unter: http://www.hns-info.net/spip.php?article16863)  

Eine Überprüfung hat jedoch ergeben, dass gleich mehrere in dem Artikel enthaltene Informationen schlichtweg falsch sind. So arbeitet Yvan Blot bis zum Beweis des Gegenteils bis heute im Innenministerium, und nicht beim Ministerium „für Zuwanderung und nationale Identität". Zudem wird in dem Artikel behauptet, der – soeben in ein anderes Ministerium gewechselte – bisherige Amtsinhaber als „Minister für Immigration und nationale Identität“, Brice Hortefeux, komme ursprünglich „aus der rechtsextremen Bewegung Occident“. Dies dürfte jedoch nur schwer möglich sein: Diese rechtsextreme Schlägerorganisation, die hauptsächlich aus Studenten bestand, wurde 1964 gegründet und im Juni 1968  (nachdem sie gewaltsam gegen die Mai-Unruhen vorzugehen versucht hatte) durch die damalige Regierung aufgelöst. Hortefeux ist laut seiner Biographie im Jahr 1958 geboren, war damals also zehn Jahre alt. Der zitierte Artikel behauptet also schlichtweg unsinnige Dinge.

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung