Von Kiel bis Leningrad.
Erinnerungen eines revolutionären Matrosen 1917-1930

01/09

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Lange blieben die Aufzeichnungen, Herrmann Knüfken nach dem 2. Weltkrieg verfasst hat, unveröffentlicht. Jetzt hat der Basisdruck Verlag seine Erinnerungen unter dem Titel »Von Kiel nach Leningrad« endlich herausgegeben.

»In unseren Wäschespinden fanden sich von Kropotkin bis Marx, von Bakunin bis Hebel, von Bernstein bis Liebknecht Literatur, die bekanntlich vor der Meuterei 1917 nicht verboten war. Bei der Nennung dieser Namen habe ich absichtlich Anarchisten und Sozialdemokraten zusammengemischt, um zu zeigen, dass wir keine Parteifanatiker waren ... Alle, die an der Niederlage arbeiteten, waren uns gleich lieb und willkommen. ... Unser Ziel war ein gemeinsames: die militärische Niederlage der deutschen Kriegsmacht.«

Diese offene, aber entschlossene Haltung der revolutionären Matrosen von 1917, zu deren wichtigsten Aktiven Knüfken gehörte, hatte eine entscheidende Bedeutung für die Kämpfe, die zum Zusammenbruch des Kaiserreichs und zur Revolution führten. Knüfken gelangte von Kiel nach Skandinavien, wo er in den Häfen und auf den Schiffen im Untergrund arbeitete, und kam schließlich ins Fuhlsbütteler Gefängnis, aus dem er von den revoltierenden Matrosen und Soldaten befreit wurde.

Dem folgte das bekannteste Kapitel seiner Biografie: die Entführung eines deutschen Frachtschiffes, mit dem er und Franz Jung in die Sowjetunion reisten, um mit den führenden Bolschewik! über die Strategie der deutschen kommunistischen Parteien zu diskutieren. Die Gesandten blieben stur, proletarische Demokratie und nicht Parteidisziplin blieben für sie entscheidend.

Die weiteren Erinnerungen zeigen die — bisher wenig erforschte - Bedeutung der rätekommunistischen Bewegung und die Bedeutung der Schifffahrt für die Organisation und Kommunikation der Komintern.

Knüfken geriet immer wieder in Konflikt mit der offiziellen Parteipolitik der KPD, die er für die Niederlage 1933 verantwortlich mach-

te. Zuletzt arbeitet er für die internationale Transportarbeiter-Föderation in der Sowjetunion und übernimmt die Vertretung für viele europäische Seemannorganisationen.

Dies und die Fürsprache von Genossen aus der Machtelite der Bolschewiki, schützt in lange vor der zunehmenden Macht der Geheimpolizei OGPU. Knüfken schildert den Machtkampf ab 1926 und den Sieg Stalins über seine Widersacher:» Wären die verantwortlichen Leiter des Sinowjew-Kamenew-Trotzki-Blocks mutig genug gewesen, den wirklichen Kampf zu riskieren, hätten sie gesiegt«.

Im September 1929 wird Knüfken wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in antistali-nistischen Oppositionsgruppen verhaftet. Er durchläuft mehrere Gefängnisse und landet in der berüchtigten Lubjanka in Moskau. Unglaublich sind die Beschreibungen der Verhöre und des Gefangenenalltags, des Zusammenlebens mit den auf ihre Erschießung Wartenden in der Gemeinschaftszelle. Hier enden die Aufzeichnungen Knüfkens. Nach Protesten im Ausland wird er im Mai 1930 entlassen. Das hervorragende Nachwort und zusätzliche Dokumente umreißen sein weiteres Lebens, das er in den folgenden Jahren dem Kampf gegen den Nationalsozialimus widmen sollte.

Eine Leseempfehlung des Buchladens SCHWARZE RISSE

Herrmann Knüfken
Von Kiel bis Leningrad.
Erinnerungen eines revolutionären Matrosen 1917-1930

BasisDruck
474 Seiten, geb.
28 Euro