Im Juni 1967 kam die erste Ausgabe der Zeitung »Roter Morgen
heraus, im Juli/August 1967 folgte die zweite. Die Zeitungen
erschienen zunächst anonym, herausgegeben von einer
»KPD/Marxisten-Leninisten«, und verfolgten den Zweck, innerhalb
der KPD zu arbeiten, um sie in ihrer »alten Form«
wiederherzustellen. Tatsächlicher Herausgeber des »Roten Morgen«
war Ernst Aust, der von Anfang 1953 bis Dezember 1966 für die
KPD-Zeitung des Küstengebiets mit dem Titel »Blinkfüer«
verantwortlich gewesen war. Die Januar-Ausgabe 1968 des »Roten
Morgen« stellte die Aufgabe heraus: »Marxisten-Leninisten
Westdeutschlands, vereinigt euch!«
Es ist Ernst Aust später der Vorwurf gemacht worden, er habe im
»Blinkfüer« den Revisionismus der KPD verbreitet. Zu seiner
Rechtfertigung zitierte er in dem Buch »Die Hindernisse für
eine prinzipienfeste Einheit der Marxisten-Leninisten müssen
ausgeräumt werden« (S. 34/35) einige Auszüge aus Artikeln des »Blinkfüer«
der Jahre 1956—1960, gegen die nichts einzuwenden war, die aber
kein Gesamturteil über die Zeitung erlaubten.
Der moderne Revisionismus, den Chruschtschow auf dem XX.
Parteitag der KPdSU im Februar 1956 proklamiert hatte, wurde von
der KPD erst nach und nach übernommen, und diese Entwicklung
fand auch im »Blinkfüer« ihren Niederschlag. Hier begann die
Kritik an Ernst Aust, gegen die er sich im theoretischen Organ
der KPD/ML, »Der Weg der Partei« 2/1974, in einem Artikel »Der
Aufbau der bolschewistischen Partei im Kampf gegen den modernen
Revisionismus«, wehrte:
»Genossen aus anderen Organisationen haben Ernst vorgeworfen,
daß er im >Blinkfüer< früher auch revisionistische
Artikel geschrieben und zu lange mit der Trennung gewartet habe.
Ernst sagte dazu: „Das stimmt. Aber nicht ich bestimmte den
Kurs der Partei, sondern das Zentralkomitee, der
Parteivorstand, dem ich nicht angehörte. Solange ich Mitglied
der KPD war, waren für mich ihre Beschlüsse bindend. Auch wenn
ich persönlich anderer Meinung war, hatte ich sie durchzuführen.
Erst nachdem ich im innerparteilichen Kampf gegen den modernen
Revisionismus erkannte, daß die korrekte
marxistisch-leninistische Linie nicht durchzusetzen war,
vollzog ich den notwendigen Schritt der Trennung. Das war kein
leichter Schritt. Schließlich wechselt man eine Partei nicht wie
sein Hemd, zumal nicht eine, in die man unter der Voraussetzung
eingetreten ist, für den Kommunismus, für die Beseitigung der
Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu kämpfen. Was ich
mir vorzuwerfen habe, ist, daß ich über den täglichen Kampf, die
tägliche Praxis, nicht ständig mein Wissen m der
marxistisch-leninistischen Theorie vervollständigt habe, so daß
ich in der Lage gewesen wäre, schon früher den Kampf gegen den
revisionistischen Verrat m der Partei zu führen.« (S. 120)
Diese Rechtfertigung war zu billig. Gewiß wurde der
revisionistische Kurs vom Parteivorstand bestimmt und
schrittweise eingeführt, und das kam nicht immer offen zum
Ausdruck. Hinzu kam aber etwas sehr Bedeutendes, was die
Entwicklung des Revisionismus in der KPD förderte: das Verbot
der KPD, ein halbes Jahr nach dem XX. Parteitag der KPdSU. Die
KPD wurde in die Illegalität gedrückt, und das machte eine
breite Parteidiskussion unmöglich. Nach den Regeln der
Konspiration — »Niemand darf von der Organisation und der
Arbeit mehr wissen, als zur Durchführung seiner Arbeit notwendig
ist« — war die Verbindung der Zellen untereinander
unterbrochen. Verstöße gegen diese Regel konnten den Ausschluß
aus der illegalen Partei zur Folge haben. So war eine
Diskussion nur im Rahmen der eigenen Zelle und die Weitergabe
der Kritik nur über den nächsthöheren Verbindungsmann möglich.
Das kam der revisionistischen Führung gelegen, um jede Kritik an
ihrer revisionistischen Linie zu isolieren und zu unterbinden.
Trotzdem mußte in diesem engen Rahmen eine grundsätzliche und
harte Kritik geübt werden.
Da Ernst Aust theoretisch schwach war, nur über ungenügende
Kenntnis des Marxismus-Leninismus verfügte, konnte er die
raffinierten Methoden der modernen Revisionisten zunächst nicht
durchschauen. Erst als der Kampf der KP Chinas unter Mao
Tsetung gegen den modernen Revisionismus der Führung der KPdSU
offen ausgetragen wurde, trat auch der offene Revisionismus in
der Redaktion des »Blinkfüer« hervor.
Hier hat die Kritik am weiteren Verhalten von Ernst Aust zu
beginnen. Anstatt sich in grundsätzlichen Diskussionen mit der
revisionistischen Politik der Redaktion auseinanderzusetzen,
auch mit der Konsequenz, aus der KPD ausgeschlossen zu werden,
ließ er heimlich den »Roten Morgen« erscheinen. Erst nach der
zweiten Nummer schöpften die Revisionisten Verdacht, daß er der
Herausgeber sein könnte. Daraufhin schrieb Ernst Aust im Oktober
1967 seinen »Offenen Brief« und trat aus der KPD aus. Im »Roten
Morgen« 3/4 von September/Oktober 1967 begründet er seinen
Austritt mit dem Zustand der Partei:
»Der Zustand unserer Partei? Der Ausspruch eines führenden
Genossen: Man knallt die Hacken zusammen und gehorcht. Ihr
selbst kennt den Zustand in unseren Gruppen, soweit sie noch
existieren. Kein offenes Wort. Kein Ansprechen der Probleme des
Weltkommunismus, die praktisch jeden bewegen . . . Isolierung,
und wenn es sich um einen führenden Genossen handelt,
Abstempelung als Agent des Verfassungsschutzes im »Freien Volk<
sind die Folgen. Bezahlte Funktionäre, die unter vier Augen ihre
Meinung offenbaren, halten nach außen und oben den Mund.
Schließlich findet man mit 50 oder 60 Jahren als bekannter
Kommunist keine Arbeit mehr. Mitglieder lassen sich
einschüchtern, in der unberechtigten Angst, vom rechten Weg des
Marxismus-Leninismus abzuweichen. Demokratischer Zentralismus
wird kleingeschrieben. Kurz gesagt, der Zustand unserer Partei
ist erbärmlich.« Ernst Austs Opportunismus lag darin, daß er vor
dem ideologischen Kampf, der offenen Auseinandersetzung in der
Partei und in der Redaktion des »Blinkfüer« zurückwich. Dieser
Opportunismus begleitete ihn auch bei späteren
Auseinandersetzungen.
Um den »Roten Morgen« gruppierten sich dann rasch bisher
vereinzelt arbeitende Gruppen. Anfang 1968 kam in Hamburg zum
erstenmal der Leserkreis »Roter Morgen« zusammen, der sich aus
ehemaligen KPD-Mitgliedern und einem Studenten zusammensetzte.
Derartige Versammlungen fanden anschließend fast jeden Monat
statt.
Am 27./28. April 1968 gab es eine erste zentrale
Zusammenkunft der »Roter Morgen«-Gruppen in der Gaststätte
Werner Heuzeroths in Niederschelderhütte bei Siegen. Es waren
Vertreter aus Hamburg, Karlsruhe, Mannheim und Köln anwesend
sowie Vertreter der ein Jahr vorher gegründeten FSP/ML (Freie
Sozialistische Partei/ Marxisten-Leninisten).
Diese Gruppen einigten sich darauf, »... ihre Arbeit politisch
und organisatorisch mit dem Ziel der Gründung einer deutschen
revolutionären marxistisch-leninistischen Partei zu
koordinieren — ihr Organ ist der >Rote Morgen«« (»Roter Morgen«,
Mai 1968).
Es wurde eine provisorische zentrale Leitung zusammengestellt,
in der die wichtigsten Gruppen vertreten waren: Hans Kolbe
(ehemals KPD, Hamburg), Günter Ackermann (Köln), Werner
Heuzeroth (FSP/ML, Siegen), Helmut Günther (Mannheim) und Rainer
Strähle (Mannheim). Ernst Aust als Leiter des
Redaktionskollektivs »Roter Morgen« konnte an allen Sitzungen
teilnehmen.
Der Wunsch nach einem »schnellen Aufbau einer revolutionären
marxistisch-leninistischen Kampfpartei« (»Roter Morgen«, Mai
1968) prägte bereits dieses erste Treffen, statt daß die
Teilnehmer ihre Aufmerksamkeit auf die Schaffung der
ideologischen, politischen und organisatorischen Voraussetzungen
der Parteigründung gelenkt hätten. Diese hätten in der damaligen
Situation darin bestanden:
-
Gründliche Entlarvung der revisionistischen KPD als Nachweis
der Notwendigkeit, die marxistisch-leninistische Partei zu
gründen. Gemeinsame Erarbeitung der dazu nötigen Schriften.
-
Gemeinsame praktisch-politische Aktionen, da sich die Gruppen
ja selbst noch gar nicht kannten, und zur Überwindung der
Isolierung von der Arbeiterklasse. Erfahrungsaustausch und
Auseinandersetzung darüber im »Roten Morgen«.
-
Einführung des Demokratischen Zentralismus zunächst in den
einzelnen Gruppen, Verdrängung des vorherrschenden
Zirkelwesens.
-
Gemeinsame Schulungen.
Auf diese Weise hätte eine ideologisch-politische Klärung für
die weitere Arbeit der Marxisten-Leninisten in der BRD
herbeigeführt und hätten proletarische Kader entwickelt werden
können. Gerade das aber geschah nicht. So mußten sich die
fehlenden Voraussetzungen der Parteigründung immer wieder in
ideologisch-politischen Abweichungen, innerer Zerfahrenheit und
Spaltungen auswirken.
Die Einheit des ersten Treffens zerbrach rasch am persönlichen
Führungsanspruch Ernst Austs. Er beschuldigte ohne jegliche
Beweise den zum Gesamtleiter gewählten Hans Kolbe, ein »Agent
der Revisionisten« zu sein, und nahm dessen Platz ein. Die
Mannheimer Gruppe kritisierte das Vorgehen gegen
Kolbe, die Gruppe Rhein/Ruhr unterstützte es. Gleichzeitig
traten die politischen Widersprüche zwischen und in den
einzelnen Gruppen immer stärker hervor. Das wurde dann eines der
Motive für die rasche Parteigründung: die Annahme, die Gruppen
würden durch die Bindung in der Partei organisatorisch zu einer
festen Einheit.
Ernst Aust begründete die rasche Parteigründung mit einer völlig
überspitzten, ultralinken Fehleinschätzung der politischen
Situation und des Klassenkampfes in der BRD:
»Wir leben unter einer militaristisch-faschistischen Herrschaft,
die sich nur noch aus optischen Gründen Formen der
bürgerlich-parlamentarischen Ordnung bedient.« (»Roter Morgen«,
Juni 1968)
Und diese angeblich »militaristisch-faschistische Herrschaft«
sollte bereits »angeschlagen« sein: »Notstandsgesetze, Einsatz
von Schuß-waffen und Tränengas gegen Demonstranten sowie
Schutzhaftbestimmungen sind die Mittel, mit denen die
herrschende Klasse ihre angeschlagene Stellung zu retten
versucht.« (»Roter Morgen«, Dezember 1968/Januar 1969) Eine so
zugespitzte Klassenkampfsituation ersetzte in diesen Köpfen
natürlich die Voraussetzungen für den Parteiaufbau.
Günter Ackermann äußerte seine Variante der Rechtfertigung der
überstürzten Parteigründung in einem Brief vom 9. Oktober 1968:
»Wir müssen die Partei so schnell wie möglich gründen, denn der
Klassenfeind läßt uns nicht allzuviel Zeit . . . Bei uns
bereitet die Bourgeoisie den Faschismus vor, und der
Antikommunismus ist stärker als in allen anderen Ländern
Westeuropas.«
Gleichzeitig verarbeitete der »Rote Morgen« sein Wunschdenken in
Meldungen über den Stand der Parteigründung, die nicht den
Tatsachen entsprachen:
»Überall in Westdeutschland, zur Zeit in 21 Städten und Orten,
arbeiten marxistisch-leninistische Gruppen oder befinden sich
solche im Aufbau, vereinigen sich mit dem Ziel der Gründung
einer deutschen revolutionären marxistisch-leninistischen
Partei.«
Es waren jedoch kaum zehn Gruppen, die eine längerfristige
Arbeit leisteten, und sie zeigten zudem starke Schwankungen. In
einem Brief vom 13. Oktober 1968, 13 Tage vor dem zweiten
zentralen Treffen, wies die Mannheimer Gruppe mit Nachdruck auf
die fehlenden politischen und organisatorischen Voraussetzungen
einer Parteigründung hin:
»Ausgehend von unserer Situation in Mannheim, können wir die
Wiedergründung der KPD nicht befürworten . . . Wir konnten die
politische Arbeit in der letzten Zeit nicht so durchführen, wie
es notwendig gewesen wäre.« Als wichtigster Einwand galt für die
Mannheimer Genossen: »Ebensowenig wie man ein Haus ohne
Fundament bauen kann, können wir eine Partei ohne qualifizierte
Kader gründen.« Vor allem forderten sie: »Rechenschaft aller
Gruppen über ihren personellen, qualitativen und finanziellen
Stand sowie über ihre bisher geleistete Arbeit.« (zitiert nach:
REBELL 21/22/1970, S. 25)
Ende September 1968 hatte bereits die Hamburger Gruppe um Hans
Kolbe in einer Stellungnahme zur Parteigründung festgestellt:
"….die auf den >Roten Morgen< orientierten Gruppen sind weder
ideologisch noch organisatorisch in der Lage, eine Partei zu
gründen. Beweis dafür ist einerseits die innere Zerrissenheit
der Gruppen, andererseits die meist rein persönlich motivierten
>Machtkämpfe< zwischen den einzelnen Gruppen. Wir sehen darin
einen klaren Ausdruck mangelnder politischer Reife . . . Die
Bildung einer marxistisch-leninistischen Partei, die diesen
Namen auch wirklich verdient und nicht etwa dem Gespött
ausgesetzt ist, kann nur das Ergebnis eines langen Prozesses
sein.« (ebenda S. 25)
Als Konsequenz schlugen sie vor, die »offene Diskussion um eine
Reorganisierung der westdeutschen Marxisten-Leninisten zu
eröffnen« (ebenda S. 25). Die Hamburger Gruppe strebte dann die
Bildung einer marxistisch-leninistischen Liga an. Ähnliche
Kritik an einer verfrühten Parteigründung äußerten die Gruppen
aus Karlsruhe und Tübingen.
Die Stellungnahmen aus Hamburg und Mannheim waren in der
Hauptseite berechtigt, kennzeichneten richtig die Schwächen, die
einer raschen Parteigründung im Wege standen. Sie waren aber
selbst Ausdruck einer ideologisch-politischen
Perspektivlosigkeit und beschränkten sich entweder auf eine
Bestandsaufnahme (wie Mannheim) oder wiesen in eine falsche
Richtung der Bildung einer Liga (wie Hamburg). Denn eine Liga
ist ein unverbindlicher Zusammenschluß von Zirkeln, keine
Schule für den Parteiaufbau.
Trotz allem Hickhack der Auseinandersetzung beeilte sich Ernst
Aust, mit der Gründung der KPD/ML Ende 1968 vollendete
Tatsachen zu schaffen, um sich auf das »Erstgeburtsrecht«
berufen zu können. Bei allen späteren »Vereinigungsgesprächen«
mit anderen Gruppen hat er den Standpunkt vertreten, daß diese
sich der KPD/ML »anschließen«, das heißt, sich unterordnen
sollten…..
….Warum waren im Herbst 1968 Aust, Ackermann und Heuzeroth so
hektisch bestrebt, die Parteigründung in aller Eile
voranzutreiben? Weil die Widersprüche zwischen den Gruppen und
innerhalb der einzelnen Gruppen sich derartig zuspitzten, daß
die Gründung überhaupt in Frage gestellt war. Die
Prinzipienlosigkeit und die Zerfahrenheit dieser Gruppen kam
darin zum Ausdruck, daß sie sich gegenseitig beschuldigten,
Agenten der Revisionisten zu sein.
Letzte Vorbereitungen
Am 26. Oktober 1968 fand in Köln ein zweites Treffen statt (das
erste war im April), zu dem die Hamburger Gruppe um Hans Kolbe
gar nicht erst eingeladen wurde und die Gruppen aus Mannheim und
Karlsruhe nicht erschienen. Ernst Aust legte den später im
»Roten Morgen« veröffentlichten »Gründungsaufruf« erst
auf dieser Tagung vor. Die Teilnehmer wählten einen »vorläufigen
Vorstand der sich neu konstituierenden KPD/ML« — mit Ernst Aust
an der Spitze. Zu dieser Tagung wurden auch zwei
Studentengruppen aus Kiel und Westberlin hinzugezogen.
Ernst Aust, der vorher Hans Kolbe beschuldigt hatte, ein Agent
der Revisionisten zu sein, schaltete die Hamburger Gruppe
autoritär aus. Diese reagierte empört in einer von Hans Kolbe,
Knut Mellenthin und Peter Rosenberg unterschriebenen
Stellungnahme vom 6. November 1968 »Zum Ergebnis der Kölner
Tagung vom 26. 10. 1968«:
»Auf der Kölner Tagung vom 26. 10. 1968 hat Werner Heuzeroth den
Mannheimer Genossen Rainer Strähle als >Agenten der DKP<
bezeichnet. Heuzeroth versicherte darüber hinaus, er habe
Beziehungen zur >DKP< und könne den Beweis für seine Behauptung
jederzeit antreten.
Die in Köln zusammengekommenen Genossen haben sich daraufhin
eindeutig von Werner Heuzeroth und seiner >FSP/ML< abgegrenzt.
Das ist zu begrüßen und hätte schon früher geschehen sollen.
Wir weisen jedoch darauf hin: Diese Methoden sind keineswegs auf
dem Mist von Werner Heuzeroth gewachsen, sondern wurden
eindeutig von Ernst Aust selbst in unsere Bewegung
hineingetragen. Das wiegt umso schwerer, da Ernst Aust gewiß
intelligenter und weniger cholerisch ist als Werner Heuzeroth.
Die Methode, fehlende Argumente durch wilde Verleumdungen und
Beschimpfungen zu ersetzen, wird übrigens auch von der Kölner
Ackermann-Gruppe praktiziert, die sich jetzt anscheinend sehr
über die >FSP/ML< und Werner Heuzeroth ereifert. Wenn auch in
Köln unsere Stellungnahme als >Verrat< abqualifiziert wurde, so
betrifft das alle fünf Genossen, die nach wie vor hinter dieser
Erklärung stehen.
In Anbetracht dieser Situation und weil wir gegenwärtig
keinerlei Einfluß auf die weitere Entwicklung innerhalb der auf
den >Roten Morgen< orientierten Bewegung haben, lehnen wir es
ab, weiter die Verantwortung für deren Handlungen zu tragen. Wir
werden daher in Zukunft auf die Bezeichnung >Gruppe Roter
Morgen« verzichten. Damit distanzieren wir uns auch ganz klar
von Ernst Aust, der dabei ist, die marxistisch-leninistische
Bewegung in Westdeutschland in den Sumpf zu führen.«
Auf Betreiben von Günter Ackermann ließ Ernst Aust sich
bewegen, auch Heuzeroth fallenzulassen, der nicht mehr zu den
nachfolgenden Sitzungen eingeladen wurde. Die »Einheit« der
Gruppen war bereits zerstört, bevor es zur Gründung der Partei
kam. Knut Mellenthin schrieb in einem Brief an einen gewissen
Anton über den Ausschluß der Hamburger Gruppe:
»Aust hat auf dem Kölner Treffen über den Ausschluß unserer
Gruppe diskutieren lassen und damit eine Abfuhr erlitten.
Für uns gibt es kein Gespräch mehr mit einem derart
niederträchtigen Menschen, weder in Mannheim noch in Hamburg.
Wenn Du uns nun vorschreiben willst, wir müßten nach Mannheim
kommen, widrigenfalls Du uns als Revisionisten betrachten
willst, so ist das — nimm's mir nicht übel — reichlich anmaßend.
Kolbe und Rosenberg sind Arbeiter, ich bin Student, wir können
nicht wie Aust in der Weltgeschichte herumkutschieren.
Du möchtest, was verständlich ist, die >Einheit< erhalten. Aber
welche >Einheit<? Mag sein, daß Du eine >Einheit< mit Aust und
seiner >KPD/ML< möchtest. Wir lehnen diese Einheit ab.
Die Spaltung, die Du verhindern möchtest, ist ohnehin schon
eingetreten, und zwar durch den Alleingang von Ernst Aust.«
Ernst Aust, der sein Verhalten Hans Kolbe gegenüber
rechtfertigen wollte und Auswirkungen auf die Parteigründung
befürchtete, schrieb in seiner Prinzipienlosigkeit am 13.
November 1968 einen vier Seiten langen Brief an Hans Kolbe, in
dem er auch auf die Beschuldigung der Agententätigkeit
einging:
»Du selbst kennst doch die Methoden der KPD am besten, eine im
Entstehen begriffene Bewegung zu zerschlagen oder zu
übernehmen. Nachdem mein Auftreten trotz aller Bestechungs- und
Überredungsversuche seitens der KPD nicht mehr zu verhindern
war, mußte man jemanden finden, den man in die Bewegung
einschleuste mit dem Auftrag, sie zu übernehmen und, wenn das
nicht gelang, zu zerschlagen. Und wer wäre dazu besser geeignet
gewesen als Du? Die Partei wußte doch genau, daß uns eine
persönliche Freundschaft verband, daß Du mich am ehesten im
Sinne der Verhinderung des Entstehens einer
marxistisch-leninistischen Partei beeinflussen könntest.
Außerdem besitzt Du die für einen solchen Auftrag nötigen
politischen Qualitäten . . .
Wenn Du ganz ehrlich bist, mußt Du zugeben, daß mein Verdacht,
Du seist von den Revisionisten geschickt, begründet war.«
Die in diesem Brief zutage tretende Demagogie war kaum zu
überbieten: Hans Kolbe erst verleumden, dann ausschalten, um
sich selbst an die Spitze zu stellen, hinterher wegen mangelnder
Beweise erklären: Es könnte so gewesen sein! So wurde die
Parteigründung vorbereitet!
Auf der dritten zentralen Konferenz zur
Parteigründungsvorbereitung im November 1968 war Ernst Aust
bereit, den Druck des REBELL zu übernehmen unter der Bedingung,
daß der ideologische Kampf um die Parteigründung im REBELL nicht
geführt würde. Das lehnte die Mannheimer Gruppe ab, die sich
dann allerdings spaltete: Ein Teil nahm an der Gründung der
KPD/ML teil, ein anderer Teil scharte sich um den REBELL als
selbständige Gruppe.
Zur letzten zentralen Tagung vor der Parteigründung am 7./8.
Dezember 1968 wurden keine kritischen Gruppen mehr eingeladen.
Trotzdem verstummte die Kritik nicht. Eine Gruppe aus
Altenkirchen-Neuwied beklagte in einer Stellungnahme: »Diese
Konferenz hat gezeigt, daß der dort eingeschlagene Weg nicht
zum Ziele führt, einfach nicht führen kann ... daß vor dem
Entwurf einer Satzung keine Einigung in den marxistischen
Grundfragen erreicht wurde. Es herrschten sehr verschiedene
Meinungen, teils in formeller Dialektik, teils im unduldsamen
Parteijargon oder im dogmatischen Schlagwortstil vorgetragen.
Das sehr oft gebrauchte Wort Revisionismus schien nur noch ein
leeres Modewort.« Doch konnte diese Kritik die Gründung der
KPD/ML nicht mehr aufhalten.
Editorische
Anmerkungen
ZK der Marxistisch-Leninistischen
Partei Deutschlands (Hrsg),
Geschichte der MLPD,
Stuttgart 1985, Teil 1, S.30 - 54
OCR-Scan red. trend
Siehe
im TREND
zur KPD/ML-Gründung auch:
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