Solidarität mit Angelo Lucifero!
PRESSESPIEGEL

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01/08

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Der Pressespiegel wurde am 8.1.2008 von den GewerkschafterInnen gegen Rechts zusammengestellt.


junge welt vom 22.12.2007 / Inland / Seite 4

Ver.di entläßt Antifaschisten
Thüringer Gewerkschaftssekretär Lucifero soll gekündigt werden. Zutritt zu Büro verweigert Von Maik Baumgärtner/Daniel Behruzi

Wie am Freitag bekannt wurde, ist Angelo Lucifero, ver.di-Sekretär in Thüringen und langjähriger antifaschistischer Aktivist, von seiner Tätigkeit Mitte Dezember suspendiert worden. Wie Thomas Voß, Landesbezirksleiter der Dienstleistungsgewerkschaft, auf jW-Nachfrage bestätigte, wird eine »außerordentliche Kündigung« gegen den hauptamtlichen Gewerkschafter vorbereitet. Der Vorwurf: Lucifero habe »in unzulässiger Weise persönliche politische Arbeit auf Kosten und mit Mitteln der Gewerkschaft ver.di betrieben«. »Mir wurde der Zutritt zu meinem Büro verweigert und die Schlösser wurden ausgetauscht«, berichtete Lucifero gegenüber jW. Auch zu dringend benötigten persönlichen Unterlagen sei ihm durch diese Maßnahmen der Zugang verwehrt.
Konflikte zwischen Lucifero und den Gewerkschaftsoberen gab es schon mehrfach. So im März dieses Jahres, als der Antifaschist -- der bereits vielfach Angriffen und Einschüchterungsversuchen von Neonazis ausgesetzt war -- sich am Rande einer Demonstration mit einer Schreckschußpistole gegen einen rechten Übergriff verteidigte. Sowohl Voß als auch Thüringens DGB-Vorsitzender Steffen Lemme distanzierten sich seinerzeit öffentlich von Lucifero. Mehr als 180 Gewerkschafter aus dem ganzen Bundesgebiet protestierten daraufhin in einem offenen Brief »gegen die Gleichsetzung von rechtsextremen Angriffen und Selbstverteidigung sowie gegen Distanzierungen aus dem Kreise der Gewerkschaften«.
Lucifero wurde wegen des Vorfalls zu einem Jahr Freiheitsentzug auf Bewährung sowie der Zahlung von 120 Tagessätzen verurteilt. Das Berufungsverfahren, zu dem die Gruppe »GewerkschafterInnen gegen Rechts« mobilisiert, findet am 16. und 23. Januar 2008 jeweils ab 8 Uhr im Amtsgericht Erfurt (Rudolfstr. 46, Raum 18) statt. Auch die jetzt vom ver.di-Landesbezirk angestrebte Kündigung des Gewerkschaftssekretärs dürfte eine juristische Auseinandersetzung nach sich ziehen.

junge welt vom 27.12.2007 / Inland / Seite 5


Ver.di in der Kritik
Geplante Kündigung in Erfurt sorgt für Aufsehen
Von Maik Baumgärtner


Das Unverständnis über die geplante »außerordentliche Kündigung« des ver.di-Sekretärs Angelo Lucifero aus Erfurt wächst. Die Gewerkschaft ver.di unterrichtete über die geplante Kündigung ohne die Zustimmung oder den Widerspurch des Betriebsrats oder des Integrationsamtes abzuwarten. Das Integrationsamt muß bei dieser Entscheidung gehört werden, da Lucifero durch einen Tinitus als schwerbehinderter Beschäftigter anerkannt ist. Die »GewerkschafterInnen gegen Rechts« (GGR) teilten in einer Stellungnahme zu den Vorgängen mit, daß die Schritte des Landesbezirks »katastrophal kurz« vor Luciferos Prozeß passiert seien. Der aktive Antifaschist war nach einer Auseinandersetzung mit Neonazis zu einem Jahr Freiheitsentzug auf Bewährung und 120 Tagessätzen verurteilt worden. Am 16. Januar beginnt in Erfurt das Berufungsverfahren.
Die NPD Erfurt bezeichnete Lucifero nach dem Bekanntwerden der Suspendierung als »verwirrtesten Gastarbeiter des Landes« und rief auf ihrer Internet-seite zu einem Eintritt in die Gewerkschaft auf. Es sei »an der Zeit«, bei der »Umgestaltung der Gewerkschaft ver.di
mitzuwirken«. Wie der NPD-Kreisvorsitzende Kai-Uwe Trinkaus bestätigte, habe er bereits die Mitgliedschaft beantragt. »Ver.di muß sich jetzt positionieren, und den Eintritt von NPD-Mitgliedern klar zurückweisen«, sagte Steffen Dittes (GGR) am Mittwoch gegenüber jW.
Auf der NPD-Internetseite sind außerdem sämtliche E-Mail-Adressen aus dem Verteiler der gewerkschaftlichen »Antira«-Liste veröffentlicht worden. Die Liste ist nach Angaben der GGR eine »kollektive Infrastruktur«, um antirassistische und antifaschistische
Gewerkschafter zu vernetzen und gemeinsames Handeln zu ermöglichen. Die GGR vermutet, daß sich ver.di-Landesbezirksleiter Thomas Voß auf diese Liste bezog, als er als Kündigungsgrund mitteilte, daß Lucifero Gewerkschaftsgelder für privates politisches Engagement verwendet habe. Daß der Verteiler Teil gewerkschaftlicher Arbeit ist, müßte allerdings spätestens seit dem ver.di-Bundeskongreß 2007 klar sein. Dort beschlossen die Delegierten, daß »sich die Gewerkschaft eine grundlegende Haltung zulegen müsse, um
nach außen eindeutig gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit Stellung zu beziehen«.



Aus dem Neuen Deutschland vom 29.12.2007:
THÜRINGER NPD WILL VER.DI UNTERWANDERN


Kündigung Luciferos von Nazis begrüßt

Berlin (ND-Engelmann). Im Streit um die Entlassung des Thüringer ver.di Gewerkschaftssekretärs und Antifaschisten Angelo Lucifero hat die NPD Thüringen ihre Mitglieder dazu aufgerufen, in die Gewerkschaft ver.di einzutreten. Wenn sich die Gewerkschaft von Lucifero trenne, sei es "an der Zeit, aktiv an ihrer Umgestaltung mitzuwirken", so NPD-Kreisvorsitzender Kai-Uwe Trinkaus. Zuvor hatte Presseberichten zufolge ver.di-Landesbezirksleiter Thomas Voß die fristlose Kündigung von Lucifero angekündigt. Die NPD sieht darin anscheinend eine Positionierung der Gewerkschaft gegen den bekannten Antifaschisten. Zudem nutze die NPD in Thüringen im Hinblick auf die 2009 anstehenden Landtags- und Kommunalwahlen jede Möglichkeit, in Bürgerinitiativen, Vereinen und Organisationen Fuß zu fassen, warnen Beobachter. Derzeit
setzen sich Gewerkschafter, Linke und Antifaschisten für eine Rücknahme von Luciferos Kündigung ein. Die GewerkschafterInnen gegen Rechts sowie LabourNet Germany rufen zu Protestschreiben an Voß sowie ver.di-Chef Bsirske auf. Einige Gewerkschaftsmitglieder haben bereits ihren Austritt angekündigt. Zudem hat sich die ver.di-Bundesjugendkonferenz
solidarisch mit Lucifero ausgesprochen und ihm "jede mögliche Unterstützung, auch juristischer Art" zugesichert. Eine Panne bei einer von Lucifero initiierten antifaschistischen Mailingliste, die über den ver.di-Bundesvorstand lief, hatte zu Ärger bei Gewerkschaft und
Listenmitgliedern und hämischer Freude bei den Rechten geführt. So hatte die NPD Erfurt-Sömmerda auf ihrer Website alle Adressen der Mailing-Liste veröffentlicht. Bereits im Dezember hatte die NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten Erfurt auf ihre Homepage eine Liste mit etwa 200 Personen gestellt, die sich in einem Offenen Brief mit Lucifero solidarisiert hatten. Lucifero war zu einer Haftstrafe von einem Jahr sowie zu 120 Tagessätzen verurteilt worden, weil er sich mit einer Schreckschusspistole gegen Neonazis zur Wehr gesetzt hatte. Das Urteil war zur Bewährung ausgesetzt worden.
Vorausgegangen waren wiederholte Angriffe von Neonazis gegen den stadtbekannten Gewerkschafter. Über eine Berufung Luciferos entscheidet das Landgericht Erfurt im Januar. Bis Redaktionsschluß war ver.di nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Radio Z, Nürnberg, 03.01.2008

Interview mit Thomas Voss,
Landesbezirksleiter ver.di Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen zur Kündigung des engagierten Gewerkschafters und Antifaschisten Angelo Lucifero. Hörbar unter: http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=20388

Radio Z, Nürnberg, 03.01.2008

Interview mit Steffen Dittes
von den "GewerkschafterInnen gegen Rechts" zur Kündigung des engagierten Gewerkschafters und Antifaschisten Angelo Lucifero. Hörbar unter:
http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=20390


Freies Wort, Ressort Thüringen, Erschienen am 05.01.2008 00:00

Suspendierung
"Angelo Lucifero hat auf eigene Faust Kämpfe geführt" Gewerkschaft Verdi
hält an der Kündigung ihres umstrittenen Thüringer Sekretärs fest

Voss: Standpunkte sind nicht vereinbar
Von Jens Voigt und Matthias Thüsing Erfurt/Leipzig

rotz anschwellender Proteste von Gruppierungen, Funktionären und Mitgliedern hält die Landesleitung der Gewerkschaft Verdi an der Kündigung ihres Thüringer Sekretärs Angelo Lucifero fest. "Wir tun uns nicht leicht mit diesem Schritt, aber wir sehen keine andere Möglichkeit", sagte Thomas Voss, Verdi-Landesbezirksleiter für Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt gestern auf Nachfrage dieser Zeitung. Auslöser der im Dezember erfolgten
Suspendierung Luciferos sei jedoch nicht unmittelbar dessen Einsatz einer Schreckschusspistole gegen mutmaßlich rechtsextreme Angreifer während einer Kundgebung im März gewesen, sondern das Festhalten Luciferos an der Richtigkeit seines Verhaltens. "Das ist mit unserer Auffassung, dass Waffen gleich welcher Art auf Veranstaltungen der Gewerkschaft nichts zu suchen haben, absolut nicht vereinbar", betonte Voss. Auch wird dem umstrittenen Gewerkschaftler seitens seines Arbeitgebers zur Last gelegt, dienstliche Gelder und Adressverzeichnisse für private Zwecke eingesetzt zu haben. "Angelo hat auf eigene Faust Kämpfe geführt", sagte Voss, darüber sei die Auseinandersetzung mit ihm "in den letzten Monaten eskaliert". Nach einem Personalgespräch im Dezember sei klar gewesen, dass die Standpunkte von Landesleitung und Lucifero nicht mehr vereinbar waren. Die Trennung von dem aus Hessen
stammenden Funktionär sei aber keine politische Auseinandersetzung, betonte Voss. "In dem Engagement für Demokratie und Menschenwürde, gegen Rassismus und Nazi-Ideologie stimmen wir mit Angelo nach wie vor überein", erklärte der Verdi-Landesleiter. Offenkundig jedoch wird bei Verdi hinter den Kulissen der Öffentlichkeit heftig über die Wahl der Waffen im Kampf gegen Rechts gestritten. Nach inoffiziellen Angaben sollen inzwischen einige Hundert Protestmails an die Landesleitung und den Verdi-Bundesvorsitzenden Frank Bsirske gegangen sein, darunter auch von Funktionären anderer Landesbezirke, linken Jugendorganisationen und Antifa-Gruppen. In zahlreichen Schreiben heißt es, etliche Thüringer Neonazi-Organisationen würden Luciferos Kündigung als ihren Erfolg feiern. Dem scheint Voss gewerkschaftsintern mit einem eigenen Memo begegnen zu wollen, indem er detailliert ("streng vertraulich, nur intern, nur zur Kenntnis") über die Hintergründe der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung mit Lucifero Stellung bezieht. Demzufolge habe dieser wiederholt private Infopost verschickt, "die auf Verdi-Kosten frankiert über die Mitglieder-Verteiler verschickt wurden." Als ebenfalls schwerwiegend wird seitens der Landesleitung der Umstand gewertet, dass Lucifero versucht habe, die Selbstbewaffnung mittels waffenscheinpflichtiger Gasdruckpistole entgegen der eindeutigen, anders lautenden Vorgaben seiner Vorgesetzten "politisch zu rechtfertigen".
Zudem liege der Landesleitung eine schriftliche Erklärung von Sekretärinnen aus Luciferos Mitarbeiterkreis vor, aufgrund dieser Bedrohungsszenarien gemeinsam mit Angelo Lucifero künftig nicht an dienstlichen Veranstaltungen teilnehmen zu wollen. "Angesichts dieser Fakten wurde die Suspendierung ausgesprochen", so Voss in seinem Memo. Die nun angestrebte fristlose Kündigung habe die Landesleitung demgegenüber erst nach einem weiteren Vorfall Ende Dezember beschlossen. "Nachdem ihm die Suspendierung schriftlich ausgefertigt überreicht worden war, verabschiedete er sich auf dem Hof von der Landesbezirksleitung mit ,Heil Hitler' und drohte, er werde das Gewerkschaftshaus zerstören", so Voss.
Die Entfremdung zwischen Lucifero und seinem Arbeitgeber vollzog sich dabei über mehrere Jahre hinweg. Schleichend. Doch erst nach dem Vorfall im März, damals hatte Lucifero während einer Gewerkschaftsaktion auf dem Erfurter Anger einen Störer aus der rechtsextremistischen Szene durch das Abfeuern einer Schreckschusspistole verletzt, hatten sich DGB und Verdi erstmals öffentlich von Luciferos Verhalten distanziert. Auch kompromittierende Fotos Luciferos, Arm in Arm mit bekannten Thüringer Rechtsradikalen am Rande der Demonstrationen zum G8-Gipfel in Heiligendamm, stießen der Landesleitung intern sauer auf. Lucifero betonte in beiden Fällen in Notwehr gehandelt zu haben, da er jeweils einer deutlichen Übermacht an Rechtsradikalen gegenüber gestanden
habe. Die Staatsanwaltschaft Erfurt erteilte dem Funktionär wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz im März einen Strafbefehl über ein Jahr Haft, ausgesetzt zur Bewährung, den Lucifero allerdings nicht akzeptierte, sodass es in Mitte Januar zum Prozess kommen wird. Lucifero selbst widersprach in einer Stellungnahme den Darstellungen seines Chefs. Er habe zum Beispiel nicht "Heil Hitler" gerufen, sondern nach dem Gespräch zum Ausdruck bringen wollen, dass durch seinen Rausschmiss nur den Rechten geholfen werde, erklärte Lucifero.

Thüringer Allgemeine, 7. Januar 2008

BITTERER STREIT BIS VOR GERICHT
Ein Gewerkschaftsfunktionär vor Gericht, das wäre kein echter Kündigungsgrund. Bei Angelo Lucifero kam viel zusammen, bis Verdi ihn suspendierte.

Von Kai Mudra


ERFURT/LEIPZIG. Angelo Lucifero kokettierte oft mit einer europäischen Herkunft, in der sich vieles vereinige. Dabei spaltete er oft mit dem Credo: Wer nicht für ihn sei, spiele den Faschisten in die Hände. Jüngst erfuhren das Verdi-Funktionäre, seine Kollegen bei der Gewerkschaft. Bereits vor Jahren zerbrach an dieser Haltung auch die Freundschaft zwischen Lucifero und dem Bundestagsfraktionsvize der Linkspartei, Bodo Ramelow. Nun droht Luciferos Agieren, Verdi zu beschädigen. Nachdem vor Weihnachten seine Suspendierung bekannt wurde, schwappte eine per Internet geführte Kampagne in die Öffentlichkeit. Er habe hunderte von Mails erhalten, weil die Gewerkschaft einem Antifaschisten kündigen wolle, sagte Thomas Voß dieser Zeitung. Daher sei einiges klarzustellen, fügte er als Verdi-Chef für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen an. Seither tobt eine Debatte, zumal sich Lucifero am 16. Januar vor dem Amtsgericht Erfurt wegen Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffen- und Versammlungsrecht zu verantworten hat. Ihm wird vorgeworfen, im März mit einer Schreckschusspistole auf einen Menschen geschossen zu haben. Das bestätigte Lucifero gegenüber dieser Zeitung und
erklärte, dass er sich gegen einen rechtsextremen Angriff verteidigen musste. Später wurde er verurteilt. Dagegen hatte er Widerspruch eingelegt, so dass das Amtsgericht nun verhandelt. Lucifero sei nicht wegen seines antifaschistischen Engagements suspendiert worden, sagte Voß: "Das unterstützen wir, so lange es nicht zum Straßenkampf wird." Auch sei die Gerichtsverhandlung kein Anlaß für arbeitsrechtliche Schritte gewesen.
Er lehnt es wegen der laufenden Verfahren aber ab, die Gründe für die Suspendierung zu nennen. Laut TA-Informationen wird Lucifero vorgeworfen, über Mailing-Listen von Verdi private Materialien verschickt und die Listen selbst bundesweit verbreitet zu haben. Auch soll er sich in einer Runde mit Kollegen gebrüstet haben, dass seine Jacke mit einer hochgefährlichen Waffe gegen Angreifer präpariert sei. Lucifero war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

ND vom 7. Januar 2008

Ver.di Thüringen hat keinen Platz für Nazis
Kündigung eines Antifaschisten rief NPD auf den Plan -- Gewerkschaft kündigt Wachsamkeit an

Thomas Voss ist ver.di-Landesbezirksleiter von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Über die Entlassung des Gewerkschafters Angelo Lucifero und Konflikte mit der Thüringer NPD sprach mit ihm ND-Redakteurin Anke Engelmann.

ND: Der Erfurter NPD-Kreisvorsitzende Kai-Uwe Trinkaus hat NPD-Mitglieder dazu aufgerufen, in die Gewerkschaft einzutreten. Haben Sie davon was gemerkt?

Voss: Nein. Wir haben auch vorgesorgt und uns öffentlich gegen die NPD, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit ausgesprochen und erklärt, dass wir uns für ein NPD-Verbot einsetzen und auf keinen Fall dulden werden, dass Mitglieder solcher Organisationen bei uns Mitglied werden.

ND: Wie wollen Sie das verhindern?

Voss: Wir werden ein ganz besonderes Augenmerk darauf haben.

ND: Wie sind Sie mit dem Antrag von Herrn Trinkaus umgegangen?

Voss: Ich habe noch keinen gesehen. Doch wenn, würde er abgelehnt.

ND: Auslöser war die Meldung, dass Sie dem Gewerkschafter und Antifaschisten Angelo Lucifero gekündigt haben. Was werfen Sie ihm vor?

Voss: Noch haben wir ihm nicht gekündigt, das Verfahren läuft. Wir werfen ihm nicht sein Engagement gegen Rechts vor, sondern arbeitsrechtliche Verfehlungen.

ND: Sie haben erklärt, dass Herr Lucifero in unzulässiger Weise Mittel der Gewerkschaft missbraucht haben soll. Was meinen Sie damit?

Voss: Er hat ver.di-Verteiler benutzt für private Aktivitäten, die nicht mit der Gewerkschaft abgesprochen waren, und auf ver.di-Kosten den Postversand frankiert, der mit ver.di-Inhalten nichts zu tun hatte.

ND: Sie meinen die Antira-Mailingliste?

Voss: Ja. Die Liste wurde neu eingerichtet. Dabei gab es ein großes Durcheinander und es trat zutage, dass Menschen in der Liste waren, die nicht um ihre Zustimmung gefragt worden waren. Die haben sich massiv bei uns beschert.

ND: Das also legen Sie Herrn Lucifero zur Last?

Voss: Genau. Das geht so nicht. Ich muss in dem Moment reagieren, wo sich jemand beschwert und sagt, dass er in einen Verteiler ist, in den er nicht möchte. Offensichtlich sind zudem ver.di-Daten eingeflossen. Das ist für uns ein sehr sensibler Punkt.

ND: Dass diese Daten dann auf Websites der NPD und ihrer Jugendorganisation veröffentlicht worden sind, deutet auch darauf hin, dass schon jetzt in der Gewerkschaft manche mit den Rechten liebäugeln.

Voss: Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass nicht nur ver.di-Haupt- oder Ehrenamtliche im Verteiler der Mailingliste sind, sondern ein großer Personenkreis. Dass darunter Spitzel der Nazi-Szene sein können, ist nicht ausgeschlossen.

ND: In Kürze steht Angelo Lucifero vor Gericht, weil er sich mit einer Schreckschusspistole gegen Nazis gewehrt hat. Die Kündigung wird als deutliches Signal interpretiert, und zwar auch von den Rechten.

Voss: Mir tut es außerordentlich leid, dass es diesen zeitlichen Zusammenhang gibt. Mit dem Gerichtstermin hat unsere Entscheidung jedoch nichts zu tun.

ND: Bei den Linken gibt es eine breite Solidaritätsbewegung für Lucifero. Der Ruf der Gewerkschaft scheint beschädigt. Wie wollen Sie den wieder herstellen?

Voss: Wir mussten, wie jeder andere Arbeitgeber auch, aus rechtlichen Gründen so handeln. Ich glaube nicht, dass unser Ruf dadurch beschädigt worden ist. Es hat bereits im April eine Auseinandersetzung gegeben, als Herr Lucifero Karikaturen veröffentlichte gegen die Gewerkschaftsführung, die Landesbezirksleitung und mich persönlich. Eine
Diskreditierung der Gewerkschaft, die wir nicht akzeptieren konnten. Er hat dies auf unser Verlangen zurückgenommen und sich öffentlich davon distanziert. Deswegen haben wir damals auf arbeitsrechtliche Maßnahmen verzichtet.

ND: Wie sieht die antifaschistische Arbeit von ver.di Thüringen aus?

Voss: Es gibt eine DGB-Arbeitsgruppe zu antifaschistischen Aktivitäten vor Ort. Ver.di ist zudem Mitglied bei Mobit, der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen. Wir rufen immer wieder zu Kundgebungen gegen die Rechten auf, vor allem im Hinblick auf die 2009 anstehenden Wahlen. Das ist auch oft Anlass für handfeste Auseinandersetzungen, so wie im März, als die NPD versuchte, eine Donnerstagdemo mit sozialen Themen zu besetzen. Dabei kam es zu dem Vorfall mit der Schreckschusspistole.

ND: Wird ver.di die Antira-Mailingliste weiter beherbergen?

Voss: Ich habe keine Ahnung. Einen Antrag habe ich nicht erhalten. Der Kollege Lucifero hat die Liste von sich aus ganz privat finanziert und neu eingerichtet. Das hat er in einer Stellungnahme betont.

junge welt, 07.01.2008 / Inland / Seite 5

Protest gegen Kündigung
Kritik an Entlassung des Thüringer Gewerkschaftssekretärs und profilierten Antifaschisten Angelo Lucifero. Ver.di weist Avancen der NPD zurück
Daniel Behruzi

Die Entlassung des Thüringer ver.di-Sekretärs Angelo Lucifero (jW berichtete) schlägt in den Reihen der Dienstleistungsgewerkschaft weiter hohe Wellen. Beim verantwortlichen Landesbezirksleiter Thomas Voß und auch bei Gewerkschaftschef Frank Bsirske gingen in den vergangenen Tagen eine Vielzahl von Protestschreiben ein. Voß verwahrte sich derweil vor Versuchen der NPD, den Vorfall für ihre Zwecke auszunutzen. Die formale Kündigung will ver.di nach eigenen Angaben womöglich nach einer am heutigen Montag stattfindenden Anhörung beim Integrationsamt aussprechen.
Von »vollkommen unverständlich« über »beschämend« bis hin zu »selbstmörderisch« reichen die Reaktionen, die Gewerkschafter in Mails und Briefen an die Verantwortlichen äußern. Seit etlichen Jahren war Lucifero als Hauptamtlicher erst für die hbv, dann für ver.di in Thüringen tätig gewesen und hatte seiner Organisation dabei insbesondere im Kampf gegen neofaschistische Umtriebe profiliert. Eben diese Aktivitäten sind nun offenbar der Grund für seine Entlassung. Lucifero habe »in unzulässiger Weise persönliche politische Arbeit auf Kosten und mit Mitteln der Gewerkschaft ver.di betrieben«, so Voß in einer Stellungnahme gegenüber jW. Gemeint ist damit wohl unter anderem der Betrieb der antifaschistischen Mailingliste antira@ver.di.de  (jetzt: antira@lag-antifa.de ), die Aktivisten als Informations- und Kommunikationsplattform dient. Diese Mailingliste habe einen Anteil daran gehabt, »die Gewerkschaften in Thüringen zu einem auch kurzfristig ansprechbaren Akteur im Kampf gegen Rechtsextremismus« zu machen, heißt es in einem von knapp 30 ver.di-Mitgliedern unterzeichneten Brief.
Gewerkschaftssprecherin Annett Weller betonte auf jW-Nachfrage: »Die Darstellung, Lucifero sei wegen seines Engagements gegen Rechtsradikalismus entlassen worden, ist falsch.« Der ver.di-Sekretär habe aber für »seine persönliche politische Arbeit« Mittel der Gewerkschaft in Anspruch genommen, ohne dies im Einzelfall mit der Landesbezirksleitung abzusprechen. Dabei gehe es zum Beispiel »um die ausufernde« Nutzung der Frankiermaschine und des Kopierers«. Die Gruppe »GewerkschafterInnen gegen Rechts« hält dem entgegen: »Angelo Lucifero hat Beschlüsse von ver.di umgesetzt. Es ist infam, sein langjähriges und immer wieder von ver.di bestätigtes Engagement nun als >persönliche Arbeit< zu diskreditieren und sogar arbeitsrechtlich zu ahnden.« Auch Andreas Köhn, stellvertretender Landesbezirksleiter in Berlin und Brandenburg, erklärte gegenüber jW: »Antirassistische Arbeit ist Satzungsauftrag und kann keinesfalls die Begründung für die Entlassung eines Gewerkschaftsfunktionärs sein«. Für Wolfgang Zimmermann, Vorsitzender des ver.di-Bezirks Rhein-Wupper, haben Luciferos Aktivitäten »eindeutig eine gewerkschaftspolitische Grundlage«.
Ein weiterer Vorwurf an Lucifero lautet, er habe der Landesbezirksleitung eine Unterstützung des Rechtsradikalismus unterstellt. Damit habe er seine »langjährige engagierte Arbeit selbst diskreditiert und geschädigt«, so Voß. Lucifero selbst wollte sich
zu den Anschuldigungen vor dem heutigen Anhörungstermin nicht äußern. Seine
Unterstützer verweisen darauf, daß nicht nur die Maßnahme selbst, sondern auch deren Zeitpunkt höchst problematisch ist: Am 16. und 23. Januar muß sich Lucifero vor dem Erfurter Amtsgericht (Rudolfstr 46, Raum 18, jeweils ab acht Uhr) verantworten, weil er sich im März dieses Jahres mit einer Schreckschußpistole gegen Übergriffe von Neonazis verteidigt hatte. Winfried Wolf, Ex-Bundestagsabgeordneter für die PDS und jW-Autor, kritisiert in einem Schreiben an ver.di-Chef Bsirske, es sei für die Gewerkschaften »selbstmörderisch, daß ihr damit dem Druck der Nazis und der Rechten nachgebt, die just dies -- eine Distanzierung und Trennung der Gewerkschaft ver.di von dem Kollegen Lucifero -- gefordert haben.« Die NPD freute sich denn auch auf ihrer Homepage sogleich darüber, daß ver.di »endlich die Forderung aller nationalen Kräfte und insbesondere der NPD« umgesetzt und sich »von diesem gewerkschaftlich finanzierten Kleinkriminellen getrennt« habe. »Das nun einsetzende Tauwetter innerhalb der Gewerkschaft ver.di sollten möglichst viele Kameraden nutzen, um Mitglied zu werden«, ließ der Kreisvorsitzende der Neonazi-Partei, Kai-Uwe Trinkaus, wissen. Voß stellte daraufhin in einer Pressemitteilung klar: »Wir werden nicht zulassen, daß NPD-Mitglieder in unsere Gewerkschaft eintreten.« Für ver.di-Sprecherin Weller sind die Aussagen der Neofaschisten in erster Linie Folge der »einseitigen Berichterstattung in der jungen Welt«. Mit dem Vorgehen des ver.di-Landesbezirks gegen einen antifaschistisch engagierten Hauptamtlichen haben sie demnach wohl nichts zu tun. Infos: www.labournet.de/diskussion/rechten/opfer/angelo.html 

TAGESSPIEGEL VOM 08.01.2008

Verdi entlässt Funktionär -- NPD jubelt
In der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wird heftig um die Entlassung des Thüringer Gewerkschaftsfunktionärs Angelo Lucifero gestritten. Der Deutsch-Italiener war in den vergangenen Jahren immer wieder in Auseinandersetzungen mit Neonazis und der NPD verwickelt.

Berlin - Beim Landesbezirksleiter Thomas Voß und beim Verdi-Bundesvorsitzenden Frank Bsirske gingen in den vergangenen Tagen zahlreiche Protestnoten ein. Mitglieder von Gewerkschaften, der Linkspartei und antifaschistischen Initiativen sammeln derzeit
Unterschriften gegen den Rausschmiss Luciferos. Noch sei die Kündigung nicht wirksam, hieß es von Verdi. Allerdings sei der Deutsch-Italiener von der Gewerkschaft suspendiert worden.
Lucifero war in den vergangenen Jahren immer wieder in Auseinandersetzungen mit Neonazis und der NPD verwickelt und muss sich derzeit wegen des Einsatzes einer Gaspistole gegen mutmaßliche Rechtsextremisten vor Gericht verantworten. Verdi Thüringen wirft dem einstigen Mitarbeiter jedoch vor, er habe in unzulässiger Weise
persönliche politische Arbeit auf Kosten der Gewerkschaft betrieben. "Wir haben ihn nicht wegen seinem Engagement gegen rechts entlassen", sagte Verdi-Sprecherin Annett Weller dem Tagesspiegel. Vielmehr habe Lucifero Mittel der Gewerkschaft für seine eigenen Aktionen genutzt.
In der rechtsextremen NPD freut man sich derweil darüber, dass Verdi sich "von diesem gewerkschaftlich finanzierten Kleinkriminellen getrennt" habe. Das nun "einsetzende Tauwetter" innerhalb der Gewerkschaft sollten "möglichst viele Kameraden nutzen, um
Mitglied zu werden", ließ der Kreisverband Erfurt der Partei wissen. "Wir werden nicht zulassen, dass NPD-Mitglieder in unsere Gewerkschaft eintreten", konterte Verdi gestern. Immer wieder hatte es Versuche von Rechtsextremen gegeben, auch linke Organisationen zu unterwandern. hah
--
GewerkschafterInnen gegen Rechts im Internet unter: http://ggr.blogsport.de/
 

Editorische Anmerkungen

Der Pressespiegel stammt von den GewerkschafterInnen gegen Rechts im Internet   http://ggr.blogsport.de/ vom 8.1.2008

Dazu im TREND 12-07: Solidarität mit Angelo Lucifero!