Nicht nur am
Hindukusch - auch in der Münchner U-Bahn soll jetzt „Deutschland
verteidigt“ werden.
Der
hessische Ministerpräsident Koch markiert den Vorreiter. Die CSU
fürchtet um ihre „Spitzenrolle“ bei der inneren Sicherheit, der
CDU-Vorstand stützt Koch und kann die ganze Aufregung nicht
verstehen - schließlich sorge man sich doch nur „um die Bürger“,
vorzugsweise jene mit deutscher Ahnengalerie.
Nach den „islamistischen
Hasspredigern,“ den heimtückischen „Konvertiten,“ den arabischen
„Bombenlegern“ sind jetzt die „kriminellen ausländischen
Jugendlichen“ als Drohpotential in den Mittelpunkt gerückt.
Konvertiten
sind - werden sie nicht monatelang beim BKA observiert - selten
aufgefallen und als „tagtägliche“ Sicherheitsfährdung freien
Auges nicht zu erkennen. Außerdem sollen sie selbst nach
geheimsten Geheimdiensterkenntnissen vorzugsweise US-Stützpunkte
oder jedenfalls militärische Einrichtungen im Blick haben, an
denen sich recht wenige deutsche „Normalbürger“ aufhalten.
Mit der
U-Bahn muss aber jeder fahren - und nach den letzten
Benzinpreiserhöhungen, trotz teurer gewordener Tickets, immer
mehr.
Aber
CDU-Generalsekretär Pofalla, bisher nicht als regelmäßiger
Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs aufgefallen, kennt sich da,
wie so viele andere Dienstwagenfahrer, gut aus. Die Bedrohung
ist täglich, sie steigt und der Bürger hat ein Recht auf mehr
Sicherheit.
Und was
soll's. Der „kriminelle ausländische Jugendliche“ treibt
schließlich nicht nur in U- und S-Bahn, sondern auch an der
Schule oder auf der Straße sein Unwesen. Auch wenn er nicht
kriminell ist, ist er in jedem Fall ein „Problemfall.“
Gegen diese
Hetze hilft der Verweis auf gefälschte Statistiken, auf freche
Lügen wenig. Da hilft es wenig, dass selbst die hessische
Polizeigewerkschaft nachweist, dass die „Ausländerkriminalität“
viel geringer ist als von Koch behauptet.
Kochs
Kritiker
Die
Kritiker des Roland Koch treten hier auf den Plan. Sie kommen
vorzugsweise aus den konkurrierenden Parteien von FDP, Grünen,
SPD bis zur LINKEN, aus der „Zivilgesellschaft,“ also der
bürgerlichen Öffentlichkeit.
Der Vorwurf
lautet „Wahlkampfpopulismus“ - und der ist schlecht, vor allem
wenn er den anderen Parteien zugute kommt. Sicher, wer wollte
Koch abstreiten, ein Populist und rechter Demagoge zu sein.
Doch, wer ist davon auch schon überrascht?
Daher
reichen Kochs „demokratische Kritiker“ auch noch ein paar
Argumentationsfiguren nach:
1. Die Kampagne kommt der NPD zugute.
Hört sich
kritisch an, ist es aber nicht. Hier wird bloß Kochs taktisches
Kalkül bei den WählerInnen der NPD für die CDU als Partei zu
werben, die Abschiebungen und „hartes Vorgehen“ nicht nur
fordert, sondern auch durchsetzt, gegen ihn gewendet.
Zweifellos
mag die Hetze der NPD Zulauf bringen. Doch ebenso ist es
möglich, dass Kochs Ziel aufgeht, dass die meisten
Hardcore-Rassisten gleich CDU statt NPD wählen und so zu einem
„glänzenden Sieg der Demokratie“ beitragen.
2. Koch übertreibt und ist undifferenziert.
Über solche
Kritik kann sich Koch geradezu freuen. Mag ja undifferenziert
sein, antwortet die CDU, aber wir haben des Problem immerhin
„aufgegriffen.“ Was ist schon die Fälschung einer Statistik oder
„Panikmache,“ wenn damit auch nur ein deutscher Opa eine
Ohrfeige weniger kriegt, wenn damit „die Sicherheit“ auf
ungeahnte Höhen steigt? Unwillkürlich stellt sich die Kritik an
Koch so auf den gleichen Ausgangspunkt wie Koch selbst. Das
„Problem“ ist vorhanden, das gestehen SPD und Grüne und, wo an
der Regierung, auch die LINKE praktisch zu. Koch packe es nur
falsch an.
Ganz im
diesem Sinne wird dann Kochs Forderungen nach „Straflagern“ und
noch rascherer Abschiebung entgegengehalten, dass die
„bestehenden Gesetze“ ausreichten, wohl aber effektiver
umgesetzt werden müssten.
Rassistische Gesetze gebe es also schon genug - nur die Praxis
müsse, ganz im Koch- Jargon, noch „brutalstmöglicher“ werden.
3. Nicht mehr Polizei, sondern mehr Pädagogik ist die Lösung
Während
Koch, Beckstein und andere CDU-Größen davon ausgehen, dass ein
mehr oder weniger großer Teil migrantischer Jugendlicher
möglichst durch Abschiebung aus dem Land selektiert werden muss,
wollen Kochs Kritiker „den Jugendlichen noch eine Chance geben“.
Die Chance soll es durch „pädagogisches“ Herangehen geben. Der
Spiegel, das aufgeklärt rassistisch-deutsche Gutmenschblatt, hat
dem auch gleich einen ganzen Artikel gewidmet. An
„Modell-Schulen“ könnten sich schon jetzt die Jugendlichen in
Box- und Tai Chi-Kursen abreagieren, um während des Unterrichts
und im Alltagsleben „nicht verhaltensauffällig“ zu werden.
Besonders
Bedeutung erhält dabei das „Grenzen setzen,“ wo sich die
Reformpädagogik auf Kochsche Höhen schwingt. Wer prügelt, fliegt
- zwar (noch) nicht aus dem Land, wohl aber von Schule.
Solche
innovativen Projekte könnte auch das hessische Kultusministerium
erfunden haben. Hier könnte sich auch der Neuköllner
SPD-Bezirksbürgermeister noch eine paar chauvinistische
Anregungen holen - hat er ja als erste in der BRD Schulen unter
Wachschutz gestellt, um der „Jugendkriminalität“ Herr zu werden.
Kurzum,
alle diese Kritiken (und es gibt hier noch zahlreiche mehr),
stehen auf einem gemeinsamen Boden mit Koch.
Dabei soll
der Wille vieler Menschen, die solche Argumente verwenden, einer
Verschärfung des Rassismus entgegentreten zu wollen, keineswegs
in Abrede gestellt werden. Ja, wir unterscheiden ausdrücklich
zwischen ihnen und verlogenen Zynikern wie Schröder, die im
Hamburger Wahlkampf den „Anti-Rassisten“ spielen und in den 90er
Jahren selbst die möglichst rasche Abschiebung gefordert haben.
Aber es
bleibt, dass solche Argumente nicht nur als Begründung zur
„zivileren“ rassistischen Maßnahmen herhalten, sondern auch dass
damit die Wurzeln des Problems vollkommen verkannt werden.
Rassismus
Das Problem
„kriminelle Ausländerjugendliche“ ist selbst eine rassistische
Konstruktion. Die reale Problematik besteht nicht in der
größeren oder kleinen „Kriminalität“ der Jugendlichen.
Sie besteht
in der grundsätzlichen rassistischen Unterdrückung der
MigrantInnen, die noch mit der Ausbeutung der Lohnabhängigen und
der Unterdrückung der Jugend kombiniert ist.
Die
rassistische Unterdrückung äußerst sich dann in eine
Benachteiligung, eine Diskriminierung in allen Lebensbereichen -
von geringen Einkommen, höherer Arbeitslosigkeit, Bedrohung mit
Abschiebung, Fehlen gleicher demokratischer Rechte (für alle,
die keine deutsche Staatsbürgerschaft haben), Verweigerung, die
eigene Sprache als Amts- oder Vertragssprache nutzen zu können,
... Wenn irgendetwas die Jugendlichen (und nicht nur
migrantische) in die Kriminalität treibt, so ist es die
zunehmenden Massenarmut, die durch neo-liberale Pappnasen wie
Koch vorangetrieben wird.
Die
rassistische Unterdrückung und damit verbundene Spaltung der
Arbeiterklasse in In- und AusländerInnen usw. ist konstitutiv
für den bürgerlichen Staat.
Allen
Konzepten - von Kochs Abschiebungs- und Lagervorschlägen bis zur
„Reformpädagogik - liegt jedoch zugrunde, dass die Ursache für
das „Problem“ bei den „ausländischen Jugendlichen“ oder den
MigrantInnen selbst liege - und dass es daher durch eine
Mischung staatliche Zwangsmaßnahmen und Förderung der sog.
„Integrationswilligen“ zu lösen sei.
Negiert
wird der inhärente rassistische Charakter des bürgerlichen, des
imperialistischen Staats, negiert wird der rassistische
Charakter der bürgerlichen Gesellschaft selbst. Das drückt sich
selbst noch den Parolen nach „mehr Toleranz“ aus. Die Parole hat
selbst ein chauvinistisches Element, da sie unwillkürlich
unterstellt, dass „die Ausländer“ Menschen wären, die sich so
verhielten, dass sie nur mit mehr Toleranz auszuhalten wären.
Bedeutung für
den Staat
In eine
Periode verschärfter Konkurrenz, verschärfter Angriffe auf die
Lohnabhängigen und einer auf Expansion und Sicherung der eigenen
Weltmarktposition abzielenden Außenpolitik, macht sich die
imperialistische Politik auch in einer Verschärfung
rassistischer Selektion und Mobilisierung nach innen breit.
Klar,
werden die Nazis davon auch profitieren und müssen dabei mit
allen notwendigen Mitteln bekämpft werden. Aber der eigentliche
Angriff kommt aus der „Mitte“ der Gesellschaft - aus den
Erfordernissen der herrschenden Klasse und ihrer politischen
Sachwalter selbst.
Dieser
Angriff kann nicht mir moralischen Parolen, pädagogischen
Formeln, Sozialarbeit, einer „Ausländerpolitik,“ die diese nur
als Objekt staatlicher Hilfs- und Zwangsmaßnahmen betrachtet,
oder ähnlichen bekämpft werden.
Die einzige
Möglichkeit besteht im gemeinsamen Kampf gegen rassistische
Unterdrückung und gegen die verschärfte kapitalistische
Ausbeutung.
Das heißt
unmittelbar im Wahlkampf der Koch-Leute, rassistischen Parolen
anzugreifen, gegen sie zu mobilisieren, so dass sie ihre offen
rassistische Message nicht widerspruchslos „frei“ ausposaunen
dürfen. Der Gefahr, dass die NPD und andere Nazis im Wahlkampf
mit diesen Parolen eingreifen, müssen wir dadurch
entgegentreten, dass MigrantInnen, Linke, die Arbeiterbewegung
gemeinsam den Rechten unter dem Motte „Kein Fußbreit den
Faschisten!“ ihr Rede- und Versammlungsrecht streitig machen.
Der
gemeinsame Kampf muss aber auch weitgehende politische und
soziale Forderungen beinhalten:
-
Gegen
alle Abschiebungen! Weg mit allen Einreise- und
Aufenthaltsbeschränkungen für MigrantInnen! Sie sind alle
rassistisch! Für offene Grenzen!
-
Schluss
mit der Kriminalisierung von MigrantInnen und Jugendlichen!
-
Schluss
mit der Repression an den Schulen! Weg mit allen Wachschützern
und Bullen! Für Komitees von SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen,
die für Verbesserung an den Schulen (Kleinere Klassen, ...)
und gegen rassische Übergriffe, für die Kontrolle über die
Schulen kämpfen!
-
Ausbildungsplätze für alle Jugendlichen zu tariflichen
Bedingungen, bezahlt aus Unternehmerprofiten! 30 Stunden-Woche
für alle, für ein Programm öffentlicher, gesellschaftlich
nützlicher Arbeiten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unter
Arbeiterkontrolle!
-
Für einen
Mindestlohn von 10 Euro/ Stunde zur Bekämpfung der Armut!
-
Weg mit
Hartz IV und insbesondere allen repressiven Sonderbestimmung
für MigrantInnen und Jugendliche! Für eine
Arbeitslosenunterstützung von mind. 1500 Euro!
Auf einer
solchen Basis ist ein gemeinsamer Kampf von MigrantInnen und
deutschen Lohnabhängigen nicht nur möglich, sondern notwendig -
ein Kampf, der reale Bedingungen, für eine Überwindung von
Rassismus, Chauvinismus, religiöser oder nationaler Vorurteile
legen kann. Es wäre jedoch mechanisch, das einfach nur aus
gemeinsamen Interessen und Erfahrungen abzuleiten. Der
Chauvinismus und Rassismus deutscher Arbeiter hat in einer, wenn
auch relativen Privilegierung ebendieser (und besonders in der
Arbeiteraristokratie) eine materielle Wurzel, die dann als
Sozialchauvinismus ideologisch reproduziert wird.
Um diese
überwinden ist es u.a. notwendig, dass MigrantInnen (wie auch
Jugendliche) in der Arbeiterbewegung das Recht haben, sich
gesondert zu treffen, um für ihre Interessen und gegen
Chauvinismus und Rassismus in der Arbeiterklasse einzutreten.
Schließlich
ist dazu auch eine revolutionäre Partei notwendig, die von
Beginn an eine reale Kampfgemeinschaft aller Schichten der
Arbeiterklasse darstellt, keine weitere deutsche Partei, sondern
als eine revolutionäre kommunistische Partei in Deutschland.
Editorische
Anmerkungen
Den Text erhielten durch
die ARBEITERMACHT-INFOMAIL,
Nummer 339 vom 10. Januar 2008
Erstveröffentlicht bei