Betrieb & Gewerkschaft

Spanische ArbeiterInnen im Konflikt mit dem Stuttgarter Multi Behr Group

von Soli

01/08

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Am 21. Dezember 2007 haben sich die ArbeiterInnen des Werkes "Frape Behr" in Barcelona in der Fabrik eingeschlossen. Vorausgegangen war die Ankündigung einer massiven Entlassungswelle seitens der spanischen Tochter des Automobilzuliefer-Multis "Behr Industries" mit Sitz in Stuttgart. Mehr als 300 ArbeiterInnen sollen entlassen werden, andere zu erheblich schlechteren Bedingungen weiterarbeiten müssen. Die Aktion ist der aktuelle Höhepunkt in einer Kette von Mobilisierungen, die mit der Ankündigung der Massenentlassung und der Gründung einer Betriebsgruppe der spanischen Gewerkschaft CNT-AIT im Oktober ihren Anfang nahm.

Am Abend des 21. Dezember ist die Belegschaft von "Frape Behr" nicht wie üblich für die Weihnachtstage nach Hause zu ihren Familien zurückgekehrt. Stattdessen haben sie sich im Kampf gegen die massive Verschlechterung ihrer Bedingungen im Werk eingeschlossen und versuchen zu verhindern, dass die katalanische Regionalregierung (Generalitat) am 24. Dezember den von der Firma eingereichten Schließungs- und Sozialplan (ERE) genehmigt. Die ArbeiterInnen haben sich nach drei Monaten des Kampfes gegen die Werkschließung für diese zunächst begrenzte aber entschlossene Aktion entschieden.

Die Behr Gruppe

Die Firma "Frape Behr" gehört zur "Behr Group" bzw. "Behr Industries" mit Sitz in Stuttgart. Der Konzern ist ein wichtiger Zulieferer für die Automobilindustrie, besonders im Bereich Klimaanlagen und Motorkühlung. Über ein Netz von dreizehn Beteiligungsgesellschaften arbeiten weltweit in 30 Produktionswerken und 17 Entwicklungsstandorten knapp 20.000 ArbeiterInnen, um dem Konzern einen Jahresumsatz von zuletzt über 3 Milliarden Euro zu bescheren. In Spanien produziert Behr u.a. in der Freihandelszone "Zona Franca" von Barcelona, in unmittelbarer Nähe eines Zentrums der iberischen Automobilindustrie.

Die ArbeiterInnen wehren sich

Nachdem im September die Umstrukturierungs- und Entlassungspläne des Managements bekannt geworden waren, gingen die ArbeiterInnen sofort gegen die Pläne auf die Straße. Ein Teil der Belegschaft organisierte sich außerdem in der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft CNT. Am 18. Oktober waren die ArbeiterInnen erneut auf der Straße. Mit drei Bussen fuhren sie nach Montblanc und Constantì in der Provinz Tarragona, wo verschiedene Firmen ihren Sitz haben, die zur "Behr Group" gehören. Die ArbeiterInnen informierten die EinwohnerInnen und zogen dann zum Sitz von "Behr-Montblanc", wo sie die Zufahrtstraße blockierten. Da die Werksleitung die Tore geschlossen hatte, konnten die ArbeiterInnen der Frühschicht das Werk zunächst nicht verlassen. Als die von Behr eilends herbeigerufene Guardia Civil und später eine Aufstandsbekämpfungs-Einheit aus Benemérita eintrafen, kam es zu Schubsereien und Schlagstockeinsätzen, die aber angesichts der Entschlossenheit der ArbeiterInnen genauso erfolglos blieben wie der Versuch, ein Fernsehteam von TV3 an Aufnahmen zu hindern.

Behr versucht es mit Sanktionen

Nach einer ganzen Reihe von weiteren Mobilisierungen erfuhr die Belegschaft Anfang Dezember, dass Behr sechs ArbeiterInnen entlassen hatte. Unter den Gefeuerten befand sich auch ein Mitglied der CNT-Betriebsgruppe. Er teilte mit, dass die Firma ihm und den anderen fünf Entlassenen vorwerfe, sie hätten im Werk Unruhe gestiftet und Sabotageakte begangen. Für die Arbeiter stellen die Kündigungen nur die Spitze eines Eisberges von Schikanen dar, zu denen die Werksleitung in den letzten Monaten gegriffen hatte und zu denen u.a. penible Einlasskontrollen gehören, die aus angeblichen "Sicherheitsgründen" notwendig geworden seien.

Champions-League der besonderen Art

Falls das Management glaubte, die ArbeiterInnen einschüchtern zu können, hatte es sich reichlich getäuscht. Nur zwei Tage nach Bekanntwerden der Entlassungen hatten sich die Beschäftigten etwas ganz besonderes einfallen lassen. Aus Anlass des Champions-League-Spiels Barcelona : VfB Stuttgart liefen sie vor dem Hotel auf, in dem das deutsche Team untergebracht war, das ja aus der Stadt kommt, in dem die "Behr Group" ihren Konzernsitz hat. Mit Schmunzeln nahmen die ArbeiterInnen zur Kenntnis, dass der Vereinspräsident ihnen versicherte, er kenne den Konzernchef persönlich und werde diesem die Beschwerden der spanischen Arbeiter weiterleiten.

Der Sozialplan

Bis Mitte Dezember hatte niemand aus der Belegschaft den ERE - eine Art Sozialplan bei massiven Entlassungen - als Dokument zu Gesicht bekommen. Lediglich die Absichten und einige Eckdaten, wie z.B. die Entlassung von 300 ArbeiterInnen, waren im September bekannt geworden. Auf einer Vollversammlung hatten die ArbeiterInnen seinerzeit diese Pläne rundweg abgelehnt. Am 14. Dezember, nachdem die Betriebsgruppe der CNT-Frape offiziel registriert war, hatten die ArbeiterInnen zum ersten Mal Zugriff auf das Dokument, das die Firmenleitung bei der katalanischen Regionalregierung eingereicht hatte. Keine halbe Stunde, nachdem die CNT in der Regionalverwaltung den Sozialplan kopieren konnte, machte Behr diesen plötzlich öffentlich. Nicht genug der Zufälle, die vom Konzern veröffentlichte Fassung war zudem nicht identisch mit dem bei der Generalitat eingereichten Dokument und enthielt in den Zusätzen eine Reihe von Verschlechterungen u.a. bei den Abfindungen.

Wie geht es weiter

Seit dem 21. Dezember haben sich die ArbeiterInnen im Werk eingeschlossen. An den Außenwänden haben sie große Transparente angebracht und u.a. 300 Hemden aufgehängt, eines für jede der geplanten Entlassungen. In Barcelona hat sich ein Solidariätskomitee, das "Comité de Apoyo a los Trabajadores de Frape" gegründet, an dem eine ganze Reihe von sozialen und gewerkschaftlichen Gruppen der Stadt beteiligt sind, darunter auch die CNT. Für den Abend des 24. Dezember haben die ArbeiterInnen eine Demonstration an der Fabrik angekündigt. Die CNT hat angekündigt, dass sie in ganz Spanien Aktionen gegen die "Behr Group" starten wird und dass sie bereit ist, den Konflikt zu internationalisieren und die Sektionen der IAA an den anderen Standorten der "Behr Group" (u.a. in Brasilien, der BRD, Frankreich und Tschechien) zu Aktionen aufzurufen. Wir werden unsere LeserInnen weiter informieren.

Editorische Anmerkungen

Den Text spiegelten wir von der FAU Seite. Er erschien im News-Bereich am 24.12.07