Die Sorge um die
unterdrückten Frauen scheint in Deutschland bei manchen
Männern hoch im Kurs. So hach, dass sie sich gar
Frauenbefreier gerieren. Allerdings handelt es sich dabei um
die Frauen im Islam, die diese Männer im Visier haben. Für sie
ist klar, eine Frau, die einen Schleier oder ein Kopftuch
trägt, kann nur unterdrückt sein und muss der Befreiung
harren.
Nun gibt es sicher
genügend Beispiele, wo Frauen von Verwandten,
Familienstrukturen etc. gezwungen werden, ihr Gesicht zu
verdecken und mit Strafen und Konsequenzen rechnen muss, wenn
sie sich weigert. Es sollte dann selbstverständlich sein, dass
wir uns auf die Seite der Frau stellen und sie in ihrer
Entscheidung bestärken, dass zu tragen, was sie will. Nur
brauchen wir dazu nicht ganze ideologische Brimborium, dass
man von den neuesten Freunden der Frau im Islam immer hört,
die speziell den Islamismus dafür verantwortlich machen, für
Kleidervorschriften der Frauen und Töchter. Männer, die so
argumentieren, sollten einmal in eine deutsche Familie
konservativer Prägung schauen. Auch dort stehen
Kleidervorschriften in erster Linie für die Frauen weiterhin
auf der Tagesordnung. Das fängt vom Mini-Rock-Verbot an und
geht bis zu Vorschriften über die Frisur. Sicher mag sich der
Druck in den letzten Jahren hier etwas gelockert haben. wobei
es sich hier um die Spätfolgen der feministischen Kämpfe
handelt, die in den 70er und 80er Jahren längst nicht nur
akademische sondern auch proletarische Frauen erfasst hat. Die
feministische Bewegung hatte sehr viele Facetten und auch
unterschiedliche Kampfformen. Aber ihre Grundlage war der
Kampf gegen patriarchale Strukturen weltweit, mit besondern
Schwerpunkt in den eigenen Ländern. Gerade daran aber fehlt es
den jüngsten Frauenbefreiern ganz. Diejenigen, die das Los der
Frau im Islam so wortreich beklagen, nehmen in der Regel die
Fortdauer des Patriarchats hierzulande kaum zur Kenntnis. So
ist die Frage schon berechtigt, ob hier wirklich die Sorge um
die Befreiung der Frau im Vordergrund steht, oder ob die
Frauen nur instrumentalisiert werden, um die Überlegenheit des
„Westens über den Islam“ zu demonstrieren.
Das will ich an einem
ganz aktuellen Beispiel verdeutlichen. So gab es von
LeserInnen der Wochenzeitung Jungle World Kritik an Comics in
der Jungle-Beilage Mamba, die als rassistisch bezeichnet
wurden. Es gab eine schriftliche Kontroverse zwischen den
KritikerInnen und einigen Redakteuren. Diese Debatte wurde
auch über verschiedenen Mailinglisten veröffentlicht. Die
Jungle-World-Autoren erfuhren davon erst später. Ein Redakteur
schrieb dann: "Was in der Tat schwer wiegt, ist die
Veröffentlichung meiner Antwort auf dem Verteiler der Gender
Studies. Mir sind die einschlägigen Vorgänge in diesem Forum
bekannt. Meiner Ansicht nach handelt es sich bei einer nicht
unerheblichen Zahl der Nutzer um notorische Islamversteher und
Freunde des Kopftuchs. Mit diesem Personenkreis will ich keine
Diskussion auf Augenhöhe führen. Ich kann diese Personen,
nicht einmal in beleidigender Absicht, sondern in sachlich
beschreibender Art, nur als reaktionäres Pack bezeichnen.“
In diesen Sätzen drückt sich glasklar aus, wie Kritik an
rassistischen Comics, wie berechtigt die war, sie hier nicht
zur Debatte gestellt, weggedrückt wird, mit dem Argument, auf
dem Verteiler würden auch islamfreundliche Meldungen
verbreitet, die sich wiederum nur daraus ableiten lassen, dass
das Kopftuch hier eben nicht nur als Unterdrückungsinstrument
gesehen wird. Niemand soll wegen des Tragens oder Nichtragens
eines Schleiers oder Kopftuches diskriminiert werden.
Dabei ist die Sache doch für Linke eigentlich ganz einfach.
Bringen wir sie auf die Formel: Niemand darf dazu gezwungen
werden, ein Kopftuch zu tragen, doch niemand darf gezwungen
werden, es gegen ihren Willen abzulegen! Das heißt konkret,
wir sollten Frauen unterstützen, die sich dagegen wehren, dass
ihnen von wem auch immer ein Kopftuch oder ein Schleier
aufgezwungen wird. Wir sollten aber auch Frauen akzeptieren,
die, warum auch immer sich, freiwillig entscheiden, ein
Kopftuch oder einen Schleier zu tragen. Wir sollten, dass in
der Weise akzeptieren, dass es eben ein individuelles
Kleidungsstück ist und jede und jeder muss selbst entscheiden
können, was er oder sie trägt. So einfach ist das. Natürlich
heißt akzeptieren nicht, dass nicht heftig gestritten werden
soll, wenn die Kopftuchträgerin oder bewusste
Nichtkopftuchträgerin sich das einzige wahre Vorbild
hinstellen. Beiden muss dann deutlich gemacht werden: Werdet
mit oder ohne Kopftuch glücklich, das ist Eure Entscheidung.
Aber versucht nicht, diese Entscheidung anderen aufzudrücken.
Wenn ihr, egal in welche Richtung, andere bedrängt, sich an
Euch ein Vorbild zu nehmen, müssen wir eingreifen und Euch
darin hindern, andere in ihren Rechten zu beschneiden. Wenn
man diese ganze Angelegenheit so nüchtern und sachlich sieht,
erspart man sich viel Wortakrobatik, bei mit der Frage von
einem Fetzen Stoff gleich die Zivilisation auf dem Spiel
steht. Geht es nicht etwas Bescheidener?
Editorische
Anmerkungen
Den Text erhielten wir
vom Autor zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.