Sehr
geehrte Wählerinnen und Wähler in Friedrichshain-Kreuzberg,
am 21.
Januar sind Sie aufgerufen, per Bürgerentscheid darüber abzustimmen, ob die Umbenennung
eines Teils der Kreuzberger Koch- in Rudi-Dutschke-Straße zurückgenommen werden
soll. Auch wenn die Redaktion BAHAMAS ganz bestimmt keine Agentur zur
Politikberatung ist, so möchte sie doch Ihnen, die Sie die Möglichkeit zur
Stimmabgabe haben, eine Wahlempfehlung geben: Stimmen Sie bitte am 21. Januar
mit „Ja“, d.h. gegen die Umbenennung der Kochstraße.
Wir wissen
genauso wenig wie Dutschkes engster Kampfgenosse Bernd Rabehl, ob “der Rudi”
heute mit ihm gemeinsam die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag beraten würde.
Wir wissen aber aus Pamphleten des Prof. Rabehl, dass der Rudi schon zu Zeiten
der Subversiven Aktion und erst recht des SDS selbst von seinem Genossen Bernd
nur schwer zu bremsen war, „Besatzer raus aus Deutschland!” zu fordern. Auch
wissen wir nicht, ob Dutschke sich als aufrechter Deutscher in seinem Hass auf
die Vereinigten Staaten von Amerika noch von der NPD hätte übertreffen lassen.
Wir wissen aber aus Rudis Schriften und seinen unzähligen Verbalinjurien gegen
den „US-Faschismus”, dass „der Rudi“ die Amerikaner als die schlimmeren Nazis
einschätzte und wohl einen guten Irving für Linke abgegeben hätte. Wir wissen
ebensowenig, ob Rudis „Gretchen” Recht hat, und „der Rudi“ in seinem
Selbstverständnis gar kein Nationalrevolutionär war. Wir wissen aber aus seinen
Tagebüchern, dass er mit aller Konsequenz und Hingabe wie einer gedacht hat und
wir wissen, dass „der Rudi“ die Ressentiments des linken NSDAP-Flügels in
Deutschland wieder salonfähig gemacht hat – ausgerechnet als Parolen des
„antiautoritären Flügels“ des SDS.
Wir wissen
nicht, welchen genaueren Anteil „der Rudi“ daran hat, dass die Phantasien über
die geheime Macht des Springer-Verlages bis heute den Vergleich mit denen über
die Protokolle der Weisen von Zion oder 9/11 nicht scheuen brauchen. Wir wissen
aber, dass Dutschke maßgeblich zu der heute noch gängigen Wahnvorstellung
beigetragen hat, das deutsche Volk hätte, um im NS die Erfüllung seiner Wünsche
zu sehen, erst manipuliert werden müssen, und die Manipulateure obendrein nicht
im Reichspropagandaministerium gesessen hätten, sondern im Springer-Hochhaus in
der Kochstraße arbeiteten.
Auch halten wir es für müßig darüber zu spekulieren, was
aus den Grünen geworden wäre, wenn „der Rudi“ nicht 1979 abgedankt hätte. Eine
neue etymologische Bedeutung des Wortes Rudi-mente aber ergibt sich in
Kreuzberg-Friedrichshain. Hier darf mit einigem Recht einer die geistige
Dutschke-Nachfolge für sich beanspruchen, der sich mit einem Direktmandat in
den Bundestag „reinwählen” ließ, um der Außenwelt zu zeigen, dass man in diesem
Bezirk der CDU noch viel schlechtere Wahlergebnisse bescheren kann als es die
Zonis im Ostteil der Stadt tun. Auch wenn der grüne Christian nie wie der rote
Rudi Ende der 70er das offene Bündnis mit Eso- und Öko-Faschos vom Schlage
Springmann und Gruhl herstellen wollte, so ist es doch ein offenes Geheimnis,
dass des grünen Christians Wahlerfolg der letzten Jahre in direkt
proportionalem Verhältnis zur stetig zunehmenden Anzahl von neuen Bio- und
Eso-Läden nicht nur am Kreuzberger Heinrich-Platz oder in der Skalitzer Straße
steht.
Sehr
geehrte Wählerinnen und Wähler in Friedrichshain-Kreuzberg,
auch wenn
wir wissen, dass die CDU ganz bestimmt nicht aus den von uns dargelegten
Gründen die Initiative gegen die Umbenennung der Kochstraße ergriffen hat, so
möchten wir Ihnen dennoch empfehlen, am 21. Januar mit einem JA deren Anliegen
zu unterstützen. Immerhin läßt sich nicht bestreiten, dass die Christdemokraten
– wenn auch aus vornehmlich falschen Gründen – das Richtige tun.
Stimmen
Sie also nicht für die CDU, stimmen sie gegen die Ströbele-Deutschen, um zu
verhindern, dass irgendwann einmal Realität werden könnte, was in deren
Zentral-Organ gewünscht wird: „Der Slogan ,Wir brauchen eine krasse /
Rudi-Dutschke-Strasse‘ hat gute Chancen, in Kreuzberg zum geflügelten Wort zu
werden. Weil er fast schon so einprägsam ist wie ,Schafft ein, zwei, viele
Vietnam‘. Und weil es kaum einen schöneren Ort für die Weltrevolution gäbe als
die Kreuzung Dutschke Ecke Springer.“ (taz)
Redaktion-Bahamas,
15. Januar 2007
P.S.: Dass
heute die Aufgabe des Revolutionärs gerade in Hinsicht auf Rudi Dutschke und
seine Folgen nur in der Verhinderung einer Revolutionierung der Massen bestehen
kann, wird in absehbarer Zeit im Rahmen einer Veranstaltung die Redaktion
BAHAMAS öffentlich begründen. Um freundliche Beachtung einer konkreten
Ankündigung wird gebeten (www.redaktion-bahamas.org.)