Der Film zur Bewegung !
Kann man einen Film der Spaß macht, trotzdem politisch kritisieren?

von Peter Nowak

01/05

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Efa hat mit ihren Untertitel schon den Tenor Ihres Beitrags in der Monatszeitung Analyse und Kritik vorgegeben. ...“Oder: Wie Spaß haben im Kino Linken zum Problem wird“.

Tatsächlich hat sie Recht damit, wenn sie den Film „Die fetten Jahre sind vorbei?“ vor allen Versuchen bierernster Alt68erInnner oder Neu89erInnen in Schutz nimmt. Wer, wie die von Efa zitierte Julia Zeh im Freitag allen Ernstes moniert, dass der Film nichts zur Lösung der Probleme in Deutschland oder der Welt beiträgt, hat wohl noch mehr Spott verdient. Ebenso ein in vielen Ämtern ergrauter Alt-68er, wie Ekkkehart Krippendorf, der hier wieder mal eine Gelegenheit nutzt, kundzutun, wie toll sie doch damals waren und wie doff, die Jugendlichen heute sind.

Nein, gerade dieses Moment der überschüssigen Energie, die den Film sehenswert macht, gilt es vor KritikerInnen wie Zeh und Krippendorf zu verteidigen. Dass mit den jugendlichen ProtagonstInnen des Films noch kein Staat zu machen ist, macht den Film sympathisch. Da spielt natürlich das Ende eine große Rolle. Der Alt-68er in Villa und Ämtern war eben doch nur in einer schwachen Minute bei einem Joint der nette Kumpel. Kaum daheim, war er wieder ganz Charaktermaske und Staatsbürger und rief umgehend die Polizei. Die Jugendlichen aber waren nicht so naiv, zu Hause auf die zu warten. Sie planten längst neue Aktionen. So ging es vor allem am Ende noch recht spaßig zu, als die Sendemasten krachten.

So viel Spaß aber hatten die ProtagonistInnen im Film vorher nicht. Im Gegenteil, hat man immer den Eindruck, sie leiden an den Verhältnissen. Die Frau sowieso, muss sie doch neben ihren ungeliebten Studium auf Lehramt noch in einem Yuppierestaurant jobben. Aus dem Job fliegt sie, als sie wirklich mal den Mund gegen soziale Ungerechtigkeit aufmacht. Zudem hat sie noch einen immensen Schuldenberg wegen dem Crash mit dem Luxusauto des Alt-68ers. Auch die jungen Männer sind eher von Selbstzweifeln und dem allgemeinen Leiden an der Gesellschaft geprägt. Ihre Lebenssituationen, von denen man im Film wenig erfährt, können als prekär bezeichnet werden, irgendwo zwischen Ich-AG und Studium. Ob die nächtlichen Möbel-Rück-Aktionen Pflicht oder Spaß waren, oder vielleicht von beiden
etwas, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit beantworten. Zumindest gibt es mehr als genug Indizien, dass es eben längst nicht nur reiner Spaß war.

Spätestens die Auseinandersetzung zwischen den beiden jungen Männern, wegen einer Uhr, die einer während einer nächtlichen Aktion mitgehen ließ, deutet an, dass es da auch zwischen beiden Differenzen gab. Wenn auch Spaß nicht das Lebensgefühl der jugendlichen ProtagonistInnen beschreibt, so hat der Film selber einen hohen Spaßfaktor. Doch muss das gleich heißen, auch die politische Tiefenwirkung gar nicht mehr auszuloten? Dass aber hieße, den Film politisch nicht mehr Ernst zu nehmen. Kann ein Film der Spaß macht, nicht auch politisch sein? Wenn man sie bejahrt, heißt es auch, man kann auch eine Debatte um die politische Message des Films führen. Man sollte es sogar. Es ist schon deshalb wichtig, die politischen Implikationen und Subtexte des Filmes zu kritisieren, weil sie ja ohne große Diskussion einfach undiskutiert übernommen werden.  Ein weiter Grund für eine notwendige Kritik. Der Film trifft das Politverständnis der Generation Attac gut. Es geht also darum, ein weit vorherrschendes Politverständnis kritisch unter die Lupe zu nehmen. Das ist primär ein moralisches. Die gesamten Aktivitäten des jugendlichen Trios waren von einem moralischen Leiden an den Verhältnissen geprägt. Ob es sich um die Sportschuhhersteller handelt, die ihre Produkte in Sweatshops herstellen lassen, ob es um die Empörung über den zur Schau gestellten Protz der Reichen und Neureichen geht. Noch in den Bekennersätzen wird diese Moral deutlich. „Sie haben zu viel Geld“, war die Botschaft. Wie der Mehrzahl der globalisierungskritischen Bewegung ist für die jungen FilmprotagonisInnen  Kapitalismus deshalb eine unmoralische Angelegenheit, weil Wenige viel und Viele wenig oder nichts haben. Das schon vor mehr als 150 Jahren Versuche unternommen wurden, den Kapitalismus materialistisch zu erklären, scheint an ihnen vorbei gegangen zu sein. Nun, komme niemand mit den Einwand, das wäre vor allem geschehen, um den Spaßfaktor beim Sehen des Filmes nicht zu reduzieren. Es gibt durch auch Filme mit Spaßfaktor, in denen die ProtagonistInnen durchaus Ahnung von Karl Marx haben. Gerade zuviel Moral erhöht keineswegs den Spaßfaktor. Es geht ja nicht darum, dass die ProtagonistInnen nach dem Vorbild der ArbeiterInnenfilme der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts als vorbildliche ProletarInnen agieren. Es geht schlicht darum, dass bei den ProtagonistInnen des Filmes ein Reden über die aktuellen Zustände nicht in Moral und falscher Kapitalismuskritik enden muss.

Kein Wunder, dass der theorieerfahrene Alt-68er den JungaktivistInnen im Diskurs überlegen ist. Denn der hat den Kapitalismus nicht nur praktisch sondern auch theoretisch besser verstanden. Er scheint auch der einzige, der auch in der misslichen Situation seinen Spaß hat. Zumindest, als die erste Schreckensminute nach der Verschleppung vorbei war. Auch das lustige Ende des Filmes hat einen herben Beigeschmack, wenn man den politischen Sinngehalt analysiert. Die Sendeanlagen, die für die Übertragung der europäischen Fernsehprogramme zuständig sind, waren Ziel des Anschlags. In der Vorstellung der jungen AktivistInnen ist das Fernsehen ein Instrument der Dauerberieslung und Manipulation, das die Massen von der Artikulierung ihrer Interessen abhält. Das ist Frankfurter Schule im
Billigformat und meilenweit entfernt von modernen Analysen, die  untersuchen, warum die Mehrheit der Bevölkerung im Sinne der StaatsbürgerInnen tagtäglich mitmacht und funktioniert. Nicht zuletzt sollte auch die Rolle der Frau im Film kritisch betrachtet werden. Sie wird eindeutig als nicht rational, gefühlig, emotional dargestellt. Sie will unbedingt ohne vorherige Erkundungen in die Villa ihres Gläubigers einbrechen, sie wollte unbedingt noch ein Sofa in den Pool werfen und hat dann auch noch ihr Handy vergessen, so dass beide noch mal in die Villa zurück mussten und dort prompt vom zurück kehrenden Hausherrn überrascht wurden.  Diese patriarchalen Zuschreibungen werden hingenommen in einem Film, der der Linken Spaß machen soll. 
 

Editorische Anmerkungen

Der Autor stellte uns seinen Artikel am 12.1.2005 zur Veröffentlichung zur Verfügung.