Wir. Mitglieder der KPD, die als Delegierte von
Kreisverbänden und Landesversammlungen der SPV - Die Grünen an dem Karlsruher
Gründungskongreß teilnehmen, erklären zur gestrigen Entscheidung über die
Frage der Doppelmitgliedschaft folgendes: Mit der mehrheitlich
verabschiedeten Satzungsbestimmung wurde die Grundlage geschaffen, uns sofort
bzw. innerhalb einer Übergangszeit auszuschließen. Wir betrachten dies als
eine Maßnahme, die der erklärten Absicht der Grünen, eine grundlegende
Alternative zu den etablierten Parteien zu sein, einen Schlag ins Gesicht
versetzen muß, noch bevor die Partei gegründet ist. Was wie eine formale
Satzungsbestimmung klingt, ist in Wirklichkeit eine politische Ausgrenzung
der kommunistischen und in der Konsequenz auch radikaldemokratischer
Positionen aus dieser Partei. Niemand hat das so deutlich zum Ausdruck
gebracht wie Olaf Dinne, als er sagte, er wolle sich von niemandem sagen
lassen, daß bei den Grünen auch Kommunisten mitarbeiten.
Jeder Anwesende weiß, daß wir nicht Anhänger oder
Vertreter eines Systems sind, das in der Sowjetunion oder der DDR im Namen des
Sozialismus Ausbeutung und Unterdrückung praktiziert. Es ging also nicht um
die Abgrenzung gegenüber Vertretern des "realen Sozialismus", sondern um
Abgrenzung gegenüber denjenigen, die gemeinsam mit großen Teilen der
fortschrittlichen Bewegungen in der BRD dafür eintreten, daß eine
grundlegende antikapitalistische Alternative geschaffen wird.
Unsere Organisation ist klein, aber unsere Genossinnen
und Genossen haben in allen wichtigen Kämpfen der fortschrittlichen
Bewegungen gemäß ihrer Kraft und Fähigkeiten, mit an
vorderster Front gestanden. Das gilt bekanntlich auch besonders für
den Kampf gegen das Atomprogramm der Bonner Regierung. Wenn Olaf Dinne sagt,
daß es eines der wichtigsten Ziele sei, dieses Atomprogramm zu Fall zu
bringen, dann sagen wir: das wird nur möglich sein, wenn eine alternative
Partei tatsächlich Ausdruck der vorhandenen Bewegungen ist und daher mit
allen Kräften zusammenarbeitet, die für dieses Ziel eintreten.
Grüne Bewegung, Demokraten, sozialistische und
kommunistische Kräfte vertreten • bei im einzelnen unterschiedlichen
Ausgangspunkten, Erfahrungen und Vorstellungen über den langfristig
einzuschlagenden Weg - ein elementares gemeinsames Anliegen: die
Verteidigung der Lebensgrundlagen und demokratischen Freiheiten
der Menschen, in ihrer heutigen Existenz und für die nach uns kommenden
Generationen, den Kampf gegen alle Verhältnisse, in denen die Natur zerstört
wird und die Menschen ein geknechtetes und erniedrigtes Wesen sind.
Der weitere gemeinsame Kampf ist durch den gestrigen
Beschluß gefährdet. Unsere Partei ist seit langer Zeit dafür eingetreten,
daß alle Anstrengungen unternommen werden, ein gleichberechtigtes Bündnis zu
schaffen, das bei den Bundestagswahlen 1980 die Chance hat, die Interessen
der verschiedenen fortschrittlichen Bewegungen als Alternative gegen Schmidt
und Strauß zu vertreten und sie nicht nur punktuell bei einzelnen Kämpfen zu
Gehör zu bringen, sondern sie als einen Vorstoß in die Domäne der
bürgerlichen Parteien • ins Parlament - zu tragen, um ihnen so auf ihrem
ureigensten Feld der Politik entgegenzutreten. Wir haben diese Perspektive
auch gegenüber Befürchtungen vieler basisdemokratischer Kräfte, die sich am
liebsten vollständig auf ihre Arbeitsbereiche und Aktionen vor Ort
beschränken möchten, verteidigt. Wir haben die Gemeinsamkeiten mit der
grünen Bewegung, wie Ihr wißt, auch gegenüber denjenigen verteidigt, die die
Abgrenzung und Konfrontation mit der grünen Partei in den Vordergrund
stellen wollten. Dabei haben wir zu jedem Zeitpunkt deutlich gemacht, daß wir
keinerlei Interesse haben an einer Unterwanderung oder Majori-sierung der
verschiedenen Bewegungen • auch nicht der grünen -, sondern daß es uns
darum geht, eine offene und ehrliche inhaltliche Diskussion über die
ideologischen Unterschiede wie über die politischen Gemeinsamkeiten zu
führen/um zu prüfen, wie weit die gemeinsamen Interessen gehen.
Wir stellen
fest, daß uns nicht mit derselben Haltung begegnet wird. Die Forderung nach
der Schaffung eines solchen Bündnisses wurde zurückgewiesen mit dem Hinweis,
daß dieses Bündnis auch innerhalb einer grünen Partei möglich sei. Viele von
Euch haben uns selbst aufgefordert. Mitglied der Grünen zu werden. Einige
Mitglieder der KPD haben trotz Vorbehalten diesen 'Weg
beschritten.
Viel war von "Einheit in der Vielfalt" die Rede. Jetzt
soll dies offensichtlich ad acta gelegt werden. Auf rein formaler Ebene •
und gerade nicht über die inhaltliche Diskussion • werden Kommunisten und
große Teile der linken und alternativen Kräfte ausgeschlossen.
Hätten es die Befürworter der Unvereinbarkeitsbeschlüsse
denn lieber gesehen, wenn wir tatsächlich aktiv eine
Politik des Masseneintritts in die SPV propagiert und die Linken versucht
hätten, den Karlsruher Kongreß zu majorisieren? Sicher nicht, denn dann wäre
gerade dieser Versuch kritisiert und als Anlaß zur Spaltung genommen worden.
Es wäre doch vielmehr darum gegangen, den linken,
sozialistischen und kommunistischen Flügel in der grünen Bewegung und Partei
zu akzeptieren und ihm einen legitimen Aktionsspielraum einzuräumen. Dazu
hätte es jedoch der bewußten Einsicht auf beiden Seiten bedurft. Wir
bedauern, daß dieses Ergebnis nicht erreicht werden konnte, und das wahrlich
nicht nur unseretwegen, sondern vor allem deshalb, weil auch eine grüne
Bewegung oder Partei in der BRD auf längere Sicht keine Chance hat, eine
grundlegende Alternative zu werden, wenn sie nicht das gesamte
antikapitalistische Potential in der BRD zusammenschließt.
Kurzfristige wahltaktische Überlegungen (á
la Dinne) werden sich als Bumerang für die Grünen erweisen, denn damit hat
das Zurückweichen vor den herrschenden Parteien und ihrer Kommunistenhetze
bereits begonnen. Wenn auch die Linke in der BRD momentan relativ schwach ist,
so wird sie es in den 8oer Jahren nicht bleiben Ohne die Linken wird eine
konsequente und standfeste alternative Position in der BRD nicht erreicht
werden. Die Haltung unserer Partei, wie die der Sozialisten und
Radikaldemokraten insgesamt, wird nach diesem Kongreß gegenüber der grünen
Partei erneut überprüft und bestimmt werden müssen. Trotz unserer Empörung
über den gestrigen Beschluß werden wir uns nicht davon abhalten lassen, unsere
Kräfte und unsere Argumente ins Feld zu führen - so
gut wir können - um ein
möglichst breites, antikapitalistisches und konsequent
radikaldemokratisches Bündnis zu schaffen. Wir haben immer erklärt, daß wir
nicht selbständig zu den Bundestagswahlen kandidieren werden, weil wir eine
grundlegende Alternative zu Schmidt und Strauß anstreben, um die politischen
Verhältnisse in der BRD in Bewegung zu bringen. Es liegt an Euch • vor allem
aber an den Mitgliedern der grünen Partei, ob sie zur Schaffung einer solchen
Alternative doch noch einen vorantreibenden Beitrag machen wollen, oder den
Weg der Ab- und Ausgrenzung, der Unvereinbarkeitsbeschlüsse und des Ausschlußes
ganzer Teile der fortschrittlichen Bewegung weiter beschreiten wollen.
Johanna Mayr
Uli Lenze
Uwe Carstensan