Vor 25 Jahren:Rechte Baumschützer & gescheiterte Bewegungslinke gründen grüne Partei

Berichte, Dokumente & Statements aus der Roten Fahne vom 24.1.1980
01/05

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KPD-Mitglieder zum Beschluß über das Verbot der Doppelmitgliedschaft

Wir. Mitglieder der KPD, die als Delegierte von Kreisverbänden und Landesversammlungen der SPV - Die Grünen an dem Karls­ruher Gründungskongreß teil­nehmen, erklären zur gestrigen Entscheidung über die Frage der Doppelmitgliedschaft fol­gendes: Mit der mehrheitlich verabschiedeten Satzungsbe­stimmung wurde die Grundlage geschaffen, uns sofort bzw. in­nerhalb einer Übergangszeit auszuschließen. Wir betrachten dies als eine Maßnahme, die der erklärten Absicht der Grü­nen, eine grundlegende Alterna­tive zu den etablierten Parteien zu sein, einen Schlag ins Ge­sicht versetzen muß, noch be­vor die Partei gegründet ist. Was wie eine formale Satzungs­bestimmung klingt, ist in Wirk­lichkeit eine politische Ausgrenzung der kommunistischen und in der Konsequenz auch radikal­demokratischer Positionen aus dieser Partei. Niemand hat das so deutlich zum Ausdruck ge­bracht wie Olaf Dinne, als er sagte, er wolle sich von nieman­dem sagen lassen, daß bei den Grünen auch Kommunisten mit­arbeiten.

Jeder Anwesende weiß, daß wir nicht Anhänger oder Vertreter eines Systems sind, das in der Sowjetunion oder der DDR im Namen des Sozialismus Aus­beutung und Unterdrückung praktiziert. Es ging also nicht um die Abgrenzung gegenüber Vertretern des "realen Sozialis­mus", sondern um Abgrenzung gegenüber denjenigen, die ge­meinsam mit großen Teilen der fortschrittlichen Bewegungen in der BRD dafür eintreten, daß ei­ne grundlegende antikapitalisti­sche Alternative geschaffen wird.

Unsere Organisation ist klein, aber unsere Genossinnen und Genossen haben in allen wichti­gen Kämpfen der fortschrittli­chen Bewegungen gemäß ihrer Kraft und Fähigkeiten, mit an vorderster Front gestanden. Das gilt bekanntlich auch be­sonders für den Kampf gegen das Atomprogramm der Bonner Regierung. Wenn Olaf Dinne sagt, daß es eines der wichtig­sten Ziele sei, dieses Atompro­gramm zu Fall zu bringen, dann sagen wir: das wird nur möglich sein, wenn eine alternative Par­tei tatsächlich Ausdruck der vorhandenen Bewegungen ist und daher mit allen Kräften zu­sammenarbeitet, die für dieses Ziel eintreten.

Grüne Bewegung, Demokraten, sozialistische und kommunisti­sche Kräfte vertreten • bei im einzelnen unterschiedlichen Ausgangspunkten, Erfahrungen und Vorstellungen über den langfristig einzuschlagenden Weg - ein elementares gemein­sames Anliegen: die Verteidi­gung der Lebensgrundlagen und demokratischen Freiheiten der Menschen, in ihrer heutigen Existenz und für die nach uns kommenden Generationen, den Kampf gegen alle Verhältnisse, in denen die Natur zerstört wird und die Menschen ein geknech­tetes und erniedrigtes Wesen sind.

Der weitere gemeinsame Kampf ist durch den gestrigen Be­schluß gefährdet. Unsere Partei ist seit langer Zeit dafür einge­treten, daß alle Anstrengungen unternommen werden, ein gleichberechtigtes Bündnis zu schaffen, das bei den Bundes­tagswahlen 1980 die Chance hat, die Interessen der verschie­denen fortschrittlichen Bewe­gungen als Alternative gegen Schmidt und Strauß zu vertre­ten und sie nicht nur punktuell bei einzelnen Kämpfen zu Ge­hör zu bringen, sondern sie als einen Vorstoß in die Domäne der bürgerlichen Parteien • ins Parlament - zu tragen, um ihnen so auf ihrem ureigensten Feld der Politik entgegenzutreten. Wir haben diese Perspektive auch gegenüber Befürchtungen vieler basisdemokratischer Kräfte, die sich am liebsten voll­ständig auf ihre Arbeitsbereiche und Aktionen vor Ort beschrän­ken möchten, verteidigt. Wir ha­ben die Gemeinsamkeiten mit der grünen Bewegung, wie Ihr wißt, auch gegenüber denjeni­gen verteidigt, die die Abgren­zung und Konfrontation mit der grünen Partei in den Vorder­grund stellen wollten. Dabei ha­ben wir zu jedem Zeitpunkt deutlich gemacht, daß wir kei­nerlei Interesse haben an einer Unterwanderung oder Majori-sierung der verschiedenen Be­wegungen • auch nicht der grü­nen -, sondern daß es uns dar­um geht, eine offene und ehrli­che inhaltliche Diskussion über die ideologischen Unterschiede wie über die politischen Ge­meinsamkeiten zu führen/um zu prüfen, wie weit die gemein­samen Interessen gehen.

Wir stellen fest, daß uns nicht mit derselben Haltung begegnet wird. Die Forderung nach der Schaffung eines solchen Bünd­nisses wurde zurückgewiesen mit dem Hinweis, daß dieses Bündnis auch innerhalb einer grünen Partei möglich sei. Viele von Euch haben uns selbst auf­gefordert. Mitglied der Grünen zu werden. Einige Mitglieder der KPD haben trotz Vorbehalten diesen 'Weg beschritten.

Viel war von "Einheit in der Viel­falt" die Rede. Jetzt soll dies of­fensichtlich ad acta gelegt wer­den. Auf rein formaler Ebene • und gerade nicht über die inhalt­liche Diskussion • werden Kom­munisten und große Teile der linken und alternativen Kräfte ausgeschlossen.

Hätten es die Befürworter der Unvereinbarkeitsbeschlüsse denn lieber gesehen, wenn wir tatsächlich aktiv eine Politik des Masseneintritts in die SPV pro­pagiert und die Linken versucht hätten, den Karlsruher Kongreß zu majorisieren? Sicher nicht, denn dann wäre gerade dieser Versuch kritisiert und als Anlaß zur Spaltung genommen wor­den.

Es wäre doch vielmehr darum gegangen, den linken, sozialisti­schen und kommunistischen Flügel in der grünen Bewegung und Partei zu akzeptieren und ihm einen legitimen Aktions­spielraum einzuräumen. Dazu hätte es jedoch der bewußten Einsicht auf beiden Seiten be­durft. Wir bedauern, daß dieses Ergebnis nicht erreicht werden konnte, und das wahrlich nicht nur unseretwegen, sondern vor allem deshalb, weil auch eine grüne Bewegung oder Partei in der BRD auf längere Sicht keine Chance hat, eine grundlegende Alternative zu werden, wenn sie nicht das gesamte antikapitali­stische Potential in der BRD zu­sammenschließt.

Kurzfristige wahltaktische Über­legungen (á la Dinne) werden sich als Bumerang für die Grü­nen erweisen, denn damit hat das Zurückweichen vor den herrschenden Parteien und ih­rer Kommunistenhetze bereits begonnen. Wenn auch die Linke in der BRD momentan relativ schwach ist, so wird sie es in den 8oer Jahren nicht bleiben Ohne die Linken wird eine kon­sequente und standfeste alter­native Position in der BRD nicht erreicht werden. Die Haltung unserer Partei, wie die der So­zialisten und Radikaldemokra­ten insgesamt, wird nach die­sem Kongreß gegenüber der grünen Partei erneut überprüft und bestimmt werden müssen. Trotz unserer Empörung über den gestrigen Beschluß werden wir uns nicht davon abhalten lassen, unsere Kräfte und unse­re Argumente ins Feld zu führen - so gut wir können - um ein möglichst breites, antikapitalistisches und konsequent radi­kaldemokratisches Bündnis zu schaffen. Wir haben immer er­klärt, daß wir nicht selbständig zu den Bundestagswahlen kan­didieren werden, weil wir eine grundlegende Alternative zu Schmidt und Strauß anstreben, um die politischen Verhältnisse in der BRD in Bewegung zu brin­gen. Es liegt an Euch • vor allem aber an den Mitgliedern der grü­nen Partei, ob sie zur Schaffung einer solchen Alternative doch noch einen vorantreibenden Beitrag machen wollen, oder den Weg der Ab- und Ausgrenzung, der Unvereinbarkeitsbe­schlüsse und des Ausschlußes ganzer Teile der fortschrittli­chen Bewegung weiter be­schreiten wollen.

Johanna Mayr
Uli Lenze
Uwe Carstensan

Editorische Anmerkungen

Die Erklärung erschien in der ROTEN FAHNE, dem Zentralorgan der KPD, 10. Jhg./Nr.2 vom 24.1.1980, S. 6

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