Die Übergangsperiode und der Staat in der Übergangsperiode

Referat - Diskussionszirkel in Köln April 2004
01/05

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Was ist eine Übergangsperiode?

Die Gesellschaften der bisherigen geschriebenen Geschichte waren Klassengesellschaften, die jeweils eine eigene Produktionsweise hatten. Bezeichnend für diese Gesellschaften war, dass sie eine aufsteigende Phase, eine Blütezeit, ein Dekadenz und einen Zerfall hatten. Eine Klasse hat in dieser Gesellschaft die Macht ausgeübt und die anderen Klassen unterdrückt. Und zwar notgedrungen, weil die Produktionsmittel noch nicht so weit entwickelt waren, dass man die Bedürfnisse aller hätte befriedigen können, sondern eine kleine Minderheit hat auf Kosten der großen Mehrheit gelebt. Als jeweils eine neue Produktionsform anfing sich zu entwickeln, übernahm die neue aufsteigende Klasse, die auch der Träger der neuen Produktionsform war, die Macht in der Gesellschaft. Diese Machtübernahme konnte aber erst dann geschehen, wenn die Produktivkräfte, die der neuen Produktionsform entsprachen, zu einer gewissen Stufe gelangt waren. Die wesentlichen Gesellschaftsformen in der Geschichte sind die Sklavenhaltergesellschaft, die asiatische Gesellschaft, die Feudalgesellschaft und die kapitalistische Gesellschaft.

Eine Übergangsperiode ist die Zeit, wo die neue Produktionsweise allmählich die alte verdrängt, sie stellt keine eigene Produktionsform dar, sondern ist ein Bindeglied zwischen den zwei Produktionsweisen. Die Dekadenz der alten Gesellschaftsform ist aber nicht gleichzusetzen mit der Übergangsphase, sondern das sind zwei unterschiedliche Sachen. Die Dekadenz bedeutet die Erschöpfung der alten Produktionsweise, ist aber gleichzeitig die Bedingung für eine neue Entwicklung, die wiederum nicht automatisch erfolgt. Eine Übergangsperiode kann nur folgen, wenn neue Kräfte aufkommen und neue Bedingungen entstehen, die eine Auflösung und Überwindung der alten Widersprüche erlauben.

Was unterscheidet die Übergangsperiode zum Kommunismus von den bisherigen Übergangsperioden?

Die bisherigen Übergangsperioden konnten sich in der alten Gesellschaft entwickeln, weil sie alle dieselbe soziale und wirtschaftliche Grundlage hatten, die Spaltung in Klassen, das Privateigentum und die Ausbeutung. So war die Machtübernahme mehr nur ein Wechsel oder Übernahme der Privilegien, nicht deren Beseitigung. Die endgültige Machtübernahme erfolgte am Ende der Übergangsperiode. Die bisherigen Gesellschaften konnten auch aus diesen Gründen anachronistische Überbleibsel vergangener Wirtschaftssysteme, sozialer Beziehungen, Ideen und Vorurteile weiter beibehalten.

Die Übergangsperiode zum Kommunismus kann nur außerhalb des Kapitalismus beginnen, also nach der Revolution. Im Gegensatz zu den bisherigen Gesellschaften, gibt es ja im Kommunismus keine Klassen, kein Privateigentum und keine Ausbeutung mehr, deshalb kann die neue Gesellschaft keinerlei Überbleibsel, weder ökonomische noch soziale, aus der kapitalistischen Gesellschaft übernehmen. Daher muss die Arbeiterklasse, die die politische Macht bei der Revolution übernimmt, radikal mit der alten Gesellschaft und mit ihren Strukturen brechen. Sie muss die politische, wirtschaftliche und soziale Vorherrschaft des Kapitalismus in der Gesellschaft zerstören. Das ist die Vorbedingung der Entwicklung hin zum Kommunismus in der Übergangsphase. Der Grundunterschied zwischen der Übergangsperiode zum Kommunismus und den vorherigen Übergangsperioden ist, dass die erstere nach der Revolution und die letztere schon vorher stattfindet.

In den früheren Übergangsperioden konnte die neue, an die Macht kommende Klasse den Staat mit seinen Institutionen übernehmen, das ist in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Kommunismus logischer weise nicht möglich. Die Arbeiterklasse muss den kapitalistischen Staat zerstören.

Der Staat in der Übergangsphase ist ein Übergangsstaat, den die Arbeiterklasse für ihre Zwecke auf den Weg zur klassenlosen Gesellschaft benutzt. Dieser Staat ist ferner ein absterbender Staat, den die Arbeiterklasse kontrolliert.

Während sich die vorhergehenden Gesellschaften zeitlich, regional und nationalstaatlich unabhängig und separat voneinander entwickeln konnten, kann die kommunistische Gesellschaft nur gleichzeitig und in allen Ländern der Welt entwickeln. Genau wie der Kommunismus nur weltweit möglich ist, kann die Übergangsperiode auch nur weltweit begonnen werden.

Die Probleme der Übergangsperiode

1. Die Generalisierung der Revolution

Die erste Bedingung für die Eröffnung der Übergangsperiode ist die weltweite Generalisierung der Revolution. Es ist klar, dass die Bourgeoisie die Macht nicht freiwillig abgibt, sondern mit einem brutalen Bürgerkrieg antworten wird. In dieser Periode muss alles dem Ziel untergeordnet werden, die Macht des Kapitalismus durch die Weltrevolution zu zerstören.

2. Die Diktatur des Proletariats

Die Arbeiterklasse übt ihre Diktatur aus. Das bedeutet, sie ist in Arbeiterräten organisiert und übt dadurch ihre politische Macht aus. Die Aufgabe der Arbeiterklasse in der Übergangsphase ist, die Entwicklung der Gesellschaft hin zum Kommunismus zu beeinflussen. Sie übernimmt nicht Aufgaben, die ihrem Wesen fremd sind, z. B. die Bildung der Roten Armee oder die Verwaltung des Staates. Sie hat sich ihre revolutionäre Partei geschaffen, deren Aufgabe es genauso ist, die politische Einflussnahme auszuüben. Die kommunistische Partei ist aber darüber hinaus die Avantgarde der Arbeiterklasse, das heißt sie bemüht sich, die Klarheit über die Gesamtheit Arbeiterklasse zu haben, deren Geschichte, deren Ziel und über den Weg hin zum Kommunismus. Die Partei verfügt über keinerlei Macht, ihre einzige Waffe ist die Fähigkeit, das Proletariat politisch überzeugen zu können. Das Proletariat darf ihre Aufgabe nicht jemand anders delegieren, auch wenn andere produktive und nicht ausbeutende Klassen in den Kampf gezogen werden können, darf sie sich nicht durch andere Klassen beeinflussen oder verwirren lassen, und auch nicht in ihnen auflösen. In der Übergangsphase kommen dem Staat Verwaltungsaufgaben zu, dieser Übergangsstaat wird von der Arbeiterklasse, die bewaffnet ist, kontrolliert. Das Proletariat darf sich nicht mit dem Staat identifizieren, und notfalls muss es in der Lage sein, sich gegen diesen Staat durchzusetzen, wenn ihre Interessen dies erfordern. Allein das Proletariat ist der Träger des Kommunismus, und hat das kommunistische Programm, das sie auch durchführt. Die Arbeiterklasse muss unbedingt eine autonome und politisch herrschende Klasse in der Gesellschaft bleiben.

3. Die anderen Klassen, die noch vorhanden sind

Wie sind die Beziehungen zwischen dem Proletariat und den anderen Klassen, die es in der Übergangsperiode ja noch gibt? Den Kapitalisten und den alten Herrschern in der kapitalistischen Gesellschaft werden alle Bürgerrechte genommen und sie werden aus dem politischen Leben ausgeschlossen. Andere Schichten z. B. Bauern und Handwerker, haben die Möglichkeit sich in Territorialräten zu organisieren und am politischen Leben teilzunehmen. Sie dürfen jedoch nicht autonome Organisationen bilden, sie sollen als Bürger nicht als Klasse integriert werden. Die Arbeiterklasse sollte eine Politik verfolgen, wo diese Klassen in die Arbeiterklasse aufgelöst werden.

4. Die Verwaltung der Wirtschaft

Nach der revolutionären Zerstörung des kapitalistischen Staates, hat die Arbeiterklasse die politische Macht, aber die Wirtschaft ist noch kapitalistisch. Die Übergangsphase ist notwendig, damit die Arbeiterklasse durch eine gezielte Wirtschaftspolitik die Wirtschaft umgestaltet, so dass sie hin zum Kommunismus führt. Die Produktivkräfte sind im Kapitalismus zwar so weit entwickelt, dass sie der kommunistische Produktionsform erlauben, aber der Kapitalismus ist gleichzeitig zu einer Fessel der Produktivkräfte geworden. Der Kommunismus ist eine Gesellschaft, wo kein Mangel und kein Hunger herrscht, also ist die Aufgabe des Proletariats, die Entwicklung dahin zu treiben, dass die Wirtschaft von diesen Hindernissen befreit wird. Der Wirtschaft kann zu keiner Zeit von der Entwicklung des politischen Kampfes der Klasse getrennt werden, und zwar auf internationaler Ebene. Wenn die Revolution in einem Land siegreich ist, kann sie sich nicht einfach darauf konzentrieren, die eigene Wirtschaft zu entwickeln, unabhängig vom Kampf des Proletariats in anderen Ländern. Die Zukunft jener Wirtschaft ist untrennbar mit der Entwicklung der internationalen Revolution verbunden und ihr direkt untergeordnet. Jede Wirtschaftspolitik muss einen provisorischen Charakter haben, und im wesentlichen darauf abzielen, der internationalen Revolution zu helfen.

Die Wirtschaftspolitik soll eine proletarische sein, d.h. sie soll auf einer Wachstumsrate fußen, die im richtigen Verhältnis zu den Konsumbedürfnissen der Produzenten steht. Sie wird daher auf die Produktion von Konsumgütern abzielen, die für die Befriedigung der Arbeiterbedürfnisse unmittelbar notwendig sind.

Nach der Revolution wird das Proletariat lediglich dazu im Stande sein, die entwickelten und konzentrierten Industriebereiche und das große Landeigentum zu kollektivieren. Das kleine Privateigentum jedoch wird fortfahren zu existieren und erst durch einen langen Prozess abgeschafft werden.

Der Staat in der Übergangsperiode

Warum gibt es einen Staat und sogar als eine Notwendigkeit nach der proletarischen Revolution?

Nach der Revolution ist die Gesellschaft noch in Klassen gespalten, deren Interessen zueinander im Widerspruch stehen. Also entsteht zwangsläufig während der Übergangsphase ein Staat. Die Aufgabe dieses Staates ist zu verhindern, dass die noch aus Klassen bestehende Gesellschaft auseinander fällt.

Wie schon erwähnt, wird die Bourgeoisie auf die Revolution mit einem brutalen und erbarmungslosen Bürgerkrieg antworten, den sie mit modernen und gut gerüsteten Armeen und mit allen Regeln der militärischen Kunst führen wird. Diesem gegenüber kann eine bewaffnete Arbeiterklasse nichts ausrichten, sondern es bedarf einer regulären Armee. Dies wird unter anderen eine staatliche Institution notwendig machen.

Dem noch vorhandenen Staat werden auch eine Menge Verwaltungsaufgaben des öffentlichen Lebens zukommen, wie z. B. Organisierung der Produktion und der Verteilung, der Beziehungen mit der noch kapitalistischen umgebenden Welt, bis alle Staaten abgeschafft sind und die Menschen in der klassenlosen Gesellschaft die Verwaltung selbst in die Hand nehmen.

Was unterscheidet den Staat in der Übergangsperiode von den früheren Staaten?

Zum ersten Mal in der Geschichte steht der Staat nicht im Dienste der Minderheit zur Unterdrückung der Mehrheit, sondern umgekehrt. Wenn bisher der Staatsapparat in der Revolution von der neuen herrschenden Klasse übernommen wurde, dann dazu, um die Ausbeutungsverhältnisse aufrechtzuerhalten, so ist er jetzt ein notwendiges Übel. Die neue politisch herrschende Klasse, das Proletariat, benutzt den Staat nicht, um irgendwelche Privilegien zu verteidigen, sondern um jegliche Klassen und Privilegien abzuschaffen. Die Mitglieder und Funktionäre des Staates sind keine Beamten mehr, sondern werden gewählt und sind abwählbar.

Der Staat in der Übergangsperiode ist ein Übergangsstaat, und wie der Name schon sagt, er ist etwas für den Übergang, etwas, was nicht bleibt, sondern absterben soll, ein absterbender Staat, ein notwendiges Übel. Trotzdem hat dieser Staat die Merkmale, wie alle anderen Staaten auch. Nämlich er hat einen konservativen Charakter, er neigt dazu, zu erhalten, er neigt dazu, sich zu vergrößern und verselbstständigen, also kann er nie der Träger des Kommunismus sein. Ganz im Gegenteil wird der Staat in der Übergangsphase dazu neigen, den bestehenden ökonomischen Zustand zu erhalten, sich der sozialen Umwälzung entgegenzustellen, die Spaltung der Klassen aufrechtzuerhalten. Der Übergangsstaat wird, wie jeder andere Staat auch, sich von der Gesellschaft zu lösen, sich ihr aufzuzwingen, seine eigene Existenz zu verewigen suchen, ein Nährboden für die Bildung einer Bürokratie und ein Sammelplatz für die Überläufer der alten Gesellschaft sein.

Das Proletariat ist der Träger des Kommunismus und zwingt den Staat dazu, in dieser Richtung zu handeln. Das Proletariat kann das nur tun, indem es ihn von innen her kontrolliert und von außen her beherrscht. Das Proletariat muss seine vollständige Freiheit gegenüber dem Staat behalten, es darf sich nicht mit dem Staat identifizieren, sondern es muss seine Funktionen einschränken, so weit die Bedingungen es erlauben, um so den Prozess seines Absterbens sicher zu stellen und zu überwachen. Nur das Proletariat übt die Macht durch die Arbeiterräte aus, also die Diktatur des Proletariats.

Die Arbeiterklasse übernimmt bei der Revolution die politische Macht, das ist die Vorbedingung für die Entwicklung hin zum Kommunismus. Diese Entwicklung ist aber ein Kampf, ein Kampf zwischen Kapitalismus und Kommunismus in der Übergangsphase. Daher darf das Proletariat keinen Augenblick unwachsam sein, darf sich nicht verwirren lassen, darf ihr Ziel nicht aus den Augen verlieren. Die Stärke der Arbeiterklasse war schon immer ihre Solidarität und ihr Klassenbewusstsein, in der Übergangsphase muss sie aber dieses Bewusstsein in praktische Politik umsetzen können. Wenn die Arbeiterklasse sich jetzt und in der Übergangsphase von der Zukunft des Kommunismus inspirieren lassen muss, dann gilt auch für uns, uns von der kommunistischen Gesellschaft, von der ersten wirklich menschlichen Gesellschaft inspirieren zu lassen.

Editorische Anmerkungen

Der Text stammt aus dem Politischen Diskussionszirkel - Rheinland und wurde am 147.4.2004 verfasst. Wir spiegelten ihn von
http://de.geocities.com/zirkelrunde/referat/refuebergstaat.html

Der politische Diskussionszirkel Rheinland entstand im Dezember 2002 in Opladen als eine Eigeninitiative von politisch interessierten Menschen, die ein Forum schaffen wollten für sich und andere, die ein Interesse an politischer Diskussion haben.
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