Daß der Wert
wesentlich historisch besondere Formbestimmung ist, als solche aber
einen allgemeinen, ihre historische Besonderheit übersteigenden
Inhalt – woran erst die Form sich als besondere erweist – zwingend
voraussetzt, darüber haben die Wertkritiker nicht nachgedacht. Und weil sie
nicht nachgedacht haben, mystifizieren sie „den Wert“, handeln von ihm als
einem Gegenstand aus eigener Vollkommenheit statt als wesentlicher
Bestimmung der Ware. So wird dann die besondere Daseinsweise,
welche im Wert der Ware die Arbeit annimmt, identifiziert mit ihrem Dasein
überhaupt, abgesehen von jeder bestimmten gesellschaftlichen Form. Das
Besondere des Werts ist aber gerade die sachliche Form, die er der
gesellschaftlichen Arbeit bzw. (als Wertgröße) der gesellschaftlichen
Arbeitszeit gibt und die erwächst aus dem bloß nachträglich, beim
Austausch ihrer Produkte zu konstatierenden, gleichwohl immer
schon vorausgesetzten, die Produzenten daher wie eine elementare Naturkraft
überwältigenden Zusammenhang ihrer besonderen Arbeiten.
Wenn Marx die kommunistischen Produktionsweise unmittelbar auf die
Rechnungsgrundlage der Arbeitszeit stellt, dann setzt er natürlich eine
veränderte Form des Zusammenhangs der Arbeiten voraus. Dieser exekutiert
nicht länger sich gleichsam selbstherrlich erst an ihren Resultaten, nachdem
also die wirklichen konkreten Arbeiten schon getan sind, sondern liegt ihnen
als gesellschaftlicher Plan zugrunde, als das gewußte gemeinsame
Geschöpf selbstbewußt gesellschaftlicher Produzenten; und mit dieser
veränderten Form, wie Arbeit gesellschaftliche Arbeit ist, Arbeit für die
Gesellschaft auf Rechnung der Gesellschaft, entfällt auch ihre nachträgliche
Darstellung als Wert der Produkte der Arbeit, nämlich „als
eine von ihnen besessene sachliche Eigenschaft“, wie Marx erläuternd
hinzusetzt.
Andersherum kritisiert Marx
an den Proudhonschen „Stundenzetteln“ nicht den damit angepeilten Versuch,
überhaupt Produkte mit der für sie aufzuwendenden Arbeitszeit unmittelbar in
Beziehung zu setzen, sondern die damit einhergehende Proudhonsche Prämisse,
daß dies auf der Grundlage von Warenproduktion geschehen soll. Marxens
Argumentation geht daher in zwei Richtungen:
Zunächst zeigt er,
wie unter der Voraussetzung, daß die von der proudhonistischen „Tauschbank“,
anstelle des Geldes – in der edlen Absicht, dessen vermeintlich ungerechte
Privilegien und daraus erwachsende Mängel zu beheben – ausgegebenen
Stundenzettel unter den Produzenten tatsächlich als Tauschmittel
zirkulieren, dieser Geldersatz oder das so „verbesserte“ Geld alle Probleme
wieder hervorbringt, die es beseitigen sollte. Die „Stundenzettler“
verkennen, daß der Unterschied zwischen Wert und Preis nicht bloß ein
nomineller ist. Es ist nicht das Problem, daß der Wert, da doch „in
Wahrheit“ Arbeitszeit, in der Geldware unangemessen ausgedrückt wäre.
Vielmehr ist es die Eigenart warenproduzierender Arbeit
selbst, einer Arbeit also, die sich erst in ihrem Resultat, eben der Ware,
auf alle anderen Arbeiten als Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit
bezieht, daß an ihr die individuelle, vom einzelnen Produzenten wirklich
aufgewendete Arbeitszeit im Verhältnis zu der aller anderen Warenproduzenten
einerseits sowie die gesellschaftlich gültige Größe dieses Verhältnisses
andererseits nur im Durchschnitt, im Einzelfall jedoch höchstens ganz
zufällig übereinstimmen, die Abweichung beider voneinander dagegen die
Regel ist.
Würden die Warenpreise in Geld ausgedrückt, dessen Einheit „Arbeitsstunde“
hieße, so liefe das praktisch nur darauf hinaus, daß der reale Unterschied
zwischen der tatsächlich für die Produktion der Ware jeweils aufgewendeten
Arbeitszeit und dem was davon gesellschaftlich gültig ist, d.h. in Form der
gegen sie eintauschbaren Stundenzettel gewissermaßen beurkundet wird, nur
um so greller hervorträte: Drei Stunden Arbeit tauschen sich hier gegen zwei
Stunden Arbeit, während sie sich dort vielleicht im Verhältnis fünf zu drei
tauschen etc. – das bekämen die Warenproduzenten schwarz auf weiß bestätigt.
Schlimmer noch: Diese Verhältnisse wären für keine Ware in der Weise fix,
daß mit ihnen fortan wenigstens zuverlässig gerechnet werden könnte, sofern
nur der einzelne Produzenten seine Produktion unter unveränderten
Bedingungen, daher seine individuelle Arbeitszeit beibehielte; denn er kann
niemanden verpflichten, es ihm gleichzutun; und andersherum, zieht er sich
beispielsweise aus der Produktion dieser Ware zurück, um sich auf ein
anderes, günstigere Konditionen verheißendes Geschäft zu werfen, verbessert
sich unter Umständen das erste, während das zweite sich vielleicht
verschlechtert, gerade weil andere es ihm gleichtun; etc. Verläßlich ist
einzig, daß die Bilanz dieses Spiels, worin Glück und Pech der in ihm auf
und ab und hin und her gescheuchten Produzenten sich irgendwie die Waage
halten, selbst immer nur vorübergehender Natur sein kann, fortwährender
Veränderung unterliegt, die Produzenten also nie längere Zeit zur Ruhe
kommen läßt. Am Ende beweisen so die Proudhonschen Stundenzettel gerade das
Gegenteil dessen, wovon ihre Anhänger ausgingen: daß nicht die Arbeitszeit,
sondern das gewöhnliche, rein sachliche Geld den Wert der Waren
angemessen zum Ausdruck bringt; denn sie führen (als Gedankenexperiment,
gedanklich-praktisch gewissermaßen) unmittelbar vor Augen, wie unter der
Voraussetzung, daß die wirkliche, konkrete Arbeit sich in Waren
darstellt, daß sie also statt auf gesellschaftliche auf private
Rechnung abgeleistet wird, die die Gesellschaft, d.h. jeweils alle anderen
Produzenten als solche nichts angeht, die Arbeitszeit dieser privaten
Produzenten nach ihrer gesellschaftlichen Seite, d.h. hinsichtlich ihrer
gesellschaftlichen, alle Produzenten zusammenschließenden Verbindlichkeit
eine von allen Produzenten bzw. deren Arbeit unabhängige, d.h.
aber eine sachliche Form annehmen muß.
Jedoch ist dies, wie
gesagt, nur die eine Seite der Marxschen Argumentation gegen die „Stundenzettler“.
Nach der anderen nämlich untersucht Marx, welche wirklichen
gesellschaftlichen Bedingungen – statt der von Proudhon und Co.
vorausgesetzten Warenproduktion – deren Projekt der „Tauschbank“ erforderte,
damit die von ihr ausgegebenen Stundenzettel erfüllen könnten, was die
Erfinder sich davon versprechen: die Arbeitszeit als Maß des Werts
tatsächlich unmittelbar zur Deckung zu bringen mit dem Preis der Waren als
der Form, in der der Wert sich ausdrückt.
Dies ist freilich, wie Marx vorwegschickt, keine Untersuchung „über die
wirklichen Geldverhältnisse“, da Deckung von Wert und Preis voraussetzt
„Decken von Nachfrage und Zufuhr; von Produktion und Konsumtion“ – also
schon erfolgreiche Beseitigung des ganzen Problems, das unter der Bedingung
der Warenproduktion die Geldform annimmt.
Marx zeigt nun, daß die
Bank zum ersten „zugleich der allgemeine Käufer und Verkäufer in einer
Person“ sein müßte, wenn ihre Stundenzettel wirklich, wie unter anderen
Umständen das gewöhnliche Geld, dessen Rolle sie übernehmen sollen, als
universelles Tauschmittel fungieren sollen und nicht bloß als ein höchst
spezielles Verkehrsmittel zwischen der Bank und einzelnen Produzenten,
vergleichbar etwa der Funktion der Eintrittskarte im beschränkten Verkehr
zwischen einem Theater und seinen kulturbeflissenen Besuchern. Und da so
aller Warenverkehr zwischen einerseits der Bank und andererseits
allen Produzenten bzw. Konsumenten stattfände, könnte das
Stundenzettelgeld auch die Form bloßer Konten annehmen, auf denen bilanziert
wird, was der einzelne Produzent /
Konsument der Bank an Arbeit in einer Form geliefert oder in anderer
entnommen hat. Ferner, da es sich ja bei der für die Warenwerte in Frage
kommenden Arbeitszeit um eine gesellschaftlich verbindliche
handelt, „die Zeit in der sie [die Waren; DD] hervorgebracht werden
müssen“ (Hervh. von mir; DD), müßte die Bank über die durchschnittlichen
Bedingungen, unter denen die verschiedenen Waren produziert werden, sich
ständig auf dem Laufenden halten, „um die in ihnen materialisierte
Arbeitszeit ... authentisch zu fixieren“. Darüber hinaus hätte sie dafür zu
sorgen, daß die Arbeit der Produzenten jeder bestimmten Warenart über die
Durchschnittsbildung nicht für gleich produktiv nur dekretiert wird
(was früher oder später Obstruktion in der einen oder anderen Richtung
erzeugen müßte), sondern es auch – wenigstens angenähert – ist, d.h.
sie hätte für annähernd gleiche Produktionsbedingungen zu sorgen. „Aber auch
das wäre nicht hinreichend“: Wenn die Stundenzettel wirklich universell
eintauschbar sein sollen, müßten der Bank die Waren auch in solchen
Proportionen der verschiedenen Warensorten zueinander von den Produzenten
geliefert werden, daß diese als Konsumenten nicht nur überhaupt irgendeine
ihrer gelieferten Arbeit entsprechende Menge an Waren jeweils
zurückerhalten, sondern diese auch in den ihren bestimmten Bedürfnissen
entsprechenden Gebrauchsformen. Sie hätte also „die Quanta Arbeitszeit zu
bestimmen, die auf die verschiedenen Produktionszweige verwandt werden
soll.“ Alles in allem wäre sie damit nicht nur der allgemeine Käufer und
Verkäufer, so schließt Marx seinen Gedankengang, „sondern auch der
allgemeine Produzent. In der Tat wäre sie entweder die despotische Regierung
der Produktion und Verwalterin der Distribution, oder sie wäre in der Tat
nichts als ein board, was für die gemeinsam arbeitende Gesellschaft Buch und
Rechnung führte.“
Diese Konsequenz
ihrer Idee: eine Gesellschaft auf gemeinsame Rechnung arbeitender
Produzenten war sicherlich nicht das, was Marx den „Männer[n] des
Stundenzettels“ zum Vorwurf zu machen gehabt hätte. Im Gegenteil. Daß sie
diese Konsequenz, die „die Negation der ganzen Grundlage der auf dem
Tauschwert basierten Produktionsverhältnisse ist“,
nicht ziehen wollten, daß sie statt dessen sich einbildeten, deren
Widersprüche auf eben derselben Grundlage heilen zu können; daß sie die
gesellschaftliche Rechnung in Arbeitszeit aus einer Form der Planung und
Rechenschaftslegung, die nur erst als Resultat der Beseitigung des
Privateigentums Sinn macht, herunterbringen auf eine – notwendigerweise
widersinnige, völlig untaugliche – Reform dieses Privateigentums – das
allein läßt Marx solches Projekt als „seichten Utopismus“ verwerfen. Wieviel
er offenbar andererseits von jenem „board“ gehalten hat, das „für die
gemeinsam arbeitende Gesellschaft Buch und Rechnung führte“, geht
beispielsweise daraus hervor, daß er im „Kapital“ zu Beginn des Kapitels
über „Das Geld oder die Warenzirkulation“, in einer Fußnote – seine
Erörterung „eines ‚Arbeitsgelds‘ auf Grundlage der Warenproduktion“ in „Zur
Kritik ...“ zitierend – „das Owensche ‚Arbeitsgeld‘“ ausdrücklich (gleichsam
sogar die allerneuesten Geistesblitze einer „politischen Ökonomie des
Sozialismus“ vorsorglich ableitend) dagegen in Schutz nimmt, mit ersterem
identifiziert zu werden: „Owen setzt unmittelbar vergesellschaftete Arbeit
voraus, eine der Warenproduktion diametral entgegengesetzte Produktionsform.
Das Arbeitszertifikat konstatiert nur den individuellen Anteil des
Produzenten an der Gemeinarbeit und seinen individuellen Anspruch auf den
zur Konsumtion bestimmten Teil des Gemeinprodukts. Aber es fällt Owen nicht
ein, die Warenproduktion vorauszusetzen und dennoch ihre notwendigen
Bedingungen durch Geldpfuschereien umgehn zu wollen.“