Neujahr 1983/1984
6 Tote Menschen in der Abschiebehaft

gepostet bei Idymedia von GEGEN DAS VERGESSEN am 30.12.2003 

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Zeit heilt alle Wunden", heißt ein Sprichwort.
Ich halte dagegen: "Es bleiben Narben, die ..."

Leider macht Mensch die Erfahrungen, daß zu "geschichtlichen" Veranstaltungen, die in dieser schnelllebigen Konsumgesellschaft stattfinden, meist recht wenig Interessierte kommen. Nichts destotrotz gibt es immer ein paar Menschen, die nicht so selbstfixiert, konform, konsumistisch und geschichtslos sind. (Klingt jetzt zwar ein wenig frustriert, basiert jedoch auf langjährigen Erfahrungen). Diese Erinnerung ist zwar nicht nur für diese gedacht, aber mit einem einfachen Artikelchen läßt sich der Egoismus und die gesellschaftdominante Ignoranz leider nicht bekämpfen.

Neujahr 1983/1984
6 Tote Menschen in der Abschiebehaft


Hamned Djelassi
Kassem Said(19)
Krishnapillai Velautvapillai (22)
Nzar Sleimann (24)
Rejasingam Jevvakumaran (24)
Kulanthaigopulu Thirunarukkaru (26)

aus dem TAZ Archiv (viele Dank an Mario)
(die TAZ CD- ROM geht erst ab 1986)

TAZ Abschrift:

"Freiwillig" in den Tod gegangen
Sechs Abschiebehäftlinge verbrannten in ihren Zellen/ Polizei ermittelt wegen Gefangenenmeuterei

Bei einem Brand in einem Abschiebegefängnis im Berliner Ortsteil Lichterfelde sind in der Silversternacht sechs Menschen ums Leben gekommen. Alle Ermittlungen der Feuerwehr weisen auf eine Verzweiflungstat der abgewiesen Asylbewerber hin, die in zwei Gemeinschaftszellen gleichzeitig ihre Matratzen entzündeten und die Tür versperrten. Was von den politisch Verantwortlichen als "unfaßbares" Geschehen gewertet wird, wirft indes nur ein Schlaglicht auf eine repressive Politik gegenüber Asylbewerbern, die sich in monatelanger Abschiebehaft unter unerträglichen Bedingungen nur mit Hungerstreiks und Verzweiflungstaten wehren können. Für die CDU, für Innensenator Lummer aber dient diese unmenschliche Behandlung der Entmutigung und Abschreckung: die "freiwillig" zurückgezogenen Asylanträge haben zugenommen. Dafür haben nach Informationen der "Liga für Menschenrechte" im letzten Jahr 10 Asylbewerber Selbstmord verübt.

Weitere Über -und Unter- Überschriften

  • "Freiwillige "Rückkehr, Sammellager, willkürliche Festnahmen 
  • Abschreckung mit System
  • "unfaßbares" Geschehen mit Vorgeschichte 
  • "Spontanaktion" mit tragischen Ausgang"
  • "Die Biedermänner als Brandstifter"
  • "Rechtswidrig in Abschiebehaft"
  • "Die sechs in Berliner Abschiebehaft Verbrannten hätten gar nicht festgehalten werden dürfen"
  • "Opfer der Ausländerjagd"
  • "Abschreckung um jeden Preis"

Der Gesamttext ist bei Weitem noch ergiebiger/erhellender, jedoch aufgrund der schlechten Vorlage nicht zum einscannen geeignet. Wer/welche ihn haben möchte wende sich ans TAZ Archiv.

Zum Gesamtzusammenhang:
Flüchtlingspolitik, Widerstand und zur aktuellen Repression:
Zu einem ersten Fanal wurde 1983 der Tod von Kemal Cemal Altun: Er hatte sich nach Ablehnung seines Asylantrages aus dem Fenster des Bundesverwaltungsgerichtes (Berlin) gestürzt, um seiner Abschiebung in die Türkei zu entgehen. In der Neujahrsnacht 1983/84 verbrannten sechs Flüchtlinge in Abschiebehaft in Polizeiarrestzellen am Berliner Augustaplatz (Abschiebeknäste waren damals noch nicht etabliert). Sie hatten gegen ihre Einkerkerung, die Überbelegung und die menschenunwürdige Behandlung protestieren wollen. Ihre Wärter waren nicht zur Stelle, um ihnen während des Brands aufzuschließen. Einzelne Behörden und Beamte setzten die staatlichen und medialen Hetzvorgaben mit eigener Energie und rassistischem Vorsatz in eine Flüchtlingspolitik um, zu einer Zeit, als sie noch nicht vollends in Spezialgesetze gegossen war.  http://www.freilassung.de/zf/buendnis/berl_erklaerung.htm

Auf einmal geht die Erinnerung auf an Kemal Cemal Altun, an die Skandal-Urteile zu Abschiebungen in Folterstaaten eben jenes Bundesgerichtshofes (BGH), an welchem Richter Korbmacher "wirkte", die Erinnerung an den Brand im Polizeigewahrsam am Augustaplatz in Berlin unter der Ägide des Ausländerbehörden-Chefs Harald Hollenberg, bei welchem sechs Abschiebehäftlinge in einer überfüllten Zelle qualvoll verbrannten, an das sogenannte Berliner Loch, durch das viele Flüchtlinge und MigrantInnen den Weg nach West-Europa fanden und welches die BRD mit allen Mitteln zu schließen trachtete, und an die entstehenden Instrumente der Flüchtlingsabwehr, die uns heute noch in perfektionierter Weise geläufig sind, wie etwa das Ausländer- Zentral- Register (AZR). http://www.freilassung.de/diskus/offlimits.html

Editorische Anmerkungen

Der Artikel ist eine Spiegelung von
http://www.germany.indymedia.org/2003/12/71029.shtml