Danke PDS!

von Lutz Getzschmann

01/03
 
 
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Danke für das äußerst lehrreiche Beispiel, dass Ihr mit Eurem Ausscheiden aus dem Bundestag gegeben habt. Wir werden davon sicherlich noch lange zehren. Danke, dass Ihr mal wieder all das bestätigt habt, was revolutionäre Linke schon immer über die Fallstricke des Parlamentarismus und der Regierungsbeteiligung gesagt haben. Erst habt Ihr uns zwölf Jahre lang mit lustigen Vorschlägen zur Rettung des Ostens, zur Schaffung einer verallgemeinerten Sozialhilfe („soziale Grundsicherung“) und eines ökologisch aufgepeppten Billiglohnsektors auf dem Arbeitsmarkt  („öffentlicher Beschäftigungssektor“) unterhalten, habt uns jahrelang mit Dramoletten nach Art „Staatssozialistische Prinzipienritter gegen Realo-Funktionäre“ in Atem gehalten, nur dass eben das Ergebnis schon nach dem ersten Akt immer vorhersehbar war und es eigentlich auch, von der Praxis her, nie einen realen Unterschied gemacht hat, wer da nun gewinnt – und nun demonstriert ihr uns auch noch am halbtoten Objekt, was mit einer „sozialistischen“ Partei passiert, wenn sie, die mit Klassenkampf und sone ollen Kamellen eh nichts mehr am Hut hat, mitregieren wollen und dabei vergessen, dass es ja auch einen Grund gibt, warum euch so viele in den letzten Jahren noch zähneknirschend gewählt haben. Und das mit dem Antikriegswahlkampf, dass kriegt die Sozialdemokratie, wenn sie denn gezwungen wird, viel theatralischer hin, als Ihr. Tja, das war´s dann wohl: Für eine Organisation, die ausser Kommunalpolitik und Kita-Schliessungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern nichts anzubieten hat und schon gar nichts, was auch nur annähernd das Profil einer sozialistischen Partei ausmachen würde, dürfte der Verlust ihrer Bundestagsfraktion und der Abgang ihres populärsten Spitzenrhetorikers wohl das Ende bedeuten. Dazu sei Euch, zum Abschied, noch mal folgendes ins Stammbuch geschrieben:

„Worin sich die sozialistische Politik von der bürgerlichen unterscheidet, ist der Umstand, dass die Sozialisten als Gegner der gesamten bestehenden Ordnung im bürgerlichen Parlament grundsätzlich auf die Opposition angewiesen sind. Die vornehmste Aufgabe der parlamentarischen Tätigkeit der Sozialisten, die Aufklärung der Arbeiterklasse, findet vor allem in der systematischen Kritik der herrschenden Politik ihre Lösung. Allein, weit entfernt, praktische, handgreifliche Erfolge, unmittelbare Reformen fortschrittlichen Charakters unmöglich zu machen, ist die grundsätzliche Opposition vielmehr für jede Minderheitspartei im allgemeinen, ganz besonders aber für die sozialistische, das einzige wirksame Mittel, praktische Erfolge zu erzielen.“
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 Das hättet Ihr also alles schon bei Rosa Luxemburg nachlesen können. Aber in der Parteischule hat anscheinend keiner aufgepasst, muß wohl Bestandteil Eures Widerstandes gegen den Stalinismus gewesen sein. Oder haben sie Euch das damals vorenthalten, weil sie dachten, Opposition bräuchte im „sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat ohnehin kein Mensch mehr?

Geschichte findet, laut Marx, immer zweimal statt. Das eine mal als Tragödie, das andere mal als Farce. Genau dies lässt sich auch am Beispiel des kurzen Aufstiegs und Niedergangs dieser reformistischen Partei konstatieren. Und mitunter konnte man den Eindruck haben, dass den Protagonisten in der Führungsspitze das auch irgendwie bewusst war. Sie haben das Spiel trotzdem mitgespielt, das in der weitaus ernsteren Fassung vor gut einem Jahrhundert die Transformation der Sozialdemokratie von einer mehr oder weniger revolutionär gestimmten Massenpartei zu einem Bollwerk der bürgerlichen Staatsideologie in der Arbeiterbewegung hieß. Nun ist Sahra Wagenknecht, trotz ihrer Verkleidung, eben keine Rosa Luxemburg und zum Glück hing die Entfesselung eines imperialistischen Krieges diesmal auch nicht von der Zustimmung der PDS ab, genauso wenig wie es eine nennenswerte soziale Verankerung der PDS in der Arbeiterklasse gibt, die einem solchen Schauspiel eine gesellschaftlich ernstere als nur mediale Bedeutung gegeben hätte.

„Die Zentralregierung des heutigen Staates ist die Verkörperung der bürgerlichen Klassenherrschaft, deren Beseitigung eine unumgängliche Voraussetzung des sozialistischen Sieges ist, die Selbstverwaltung ist das Element der Zukunft, an das die sozialistische Umwälzung in positiver Weise anknüpfen wird.“
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So weiter Rosa Luxemburg, die an den Kapriolen auch es „linken“ Flügels der PDS sicherlich ihre Freude gehabt hätte. Dass der bürgerliche Staat nicht demokratisch reformiert und übernommen werden kann, sondern revolutionär zerschlagen und durch die Rätemacht der Lohnabhängigen ersetzt werden muß, dass einer „sozialistischen“ Partei, die diese Lehre der Geschichte in den Wind schlägt, die ihr Hauptbetätigungsfeld im Parlament sieht und darin, so schnell wie möglich irgendwie in Regierungsverantwortung zu geraten, der Weg vorgezeichnet ist, ins Lager der Bourgeoisie oder in die Bedeutungslosigkeit, das ist zwar gegenwärtigen in der alten und neuen Rest-Linken der BRD nicht unbedingt common sense. Dass die PDS-Realos es aber in den letzten Jahren fertiggebracht haben, so ziemlich alles zu ignorieren, was die linke Befindlichkeit noch immer als Schmezgrenze definiert und selbst beim letzten Thema, bei dem sie sich noch als „Fundamentalopposition“ gerierten, gelegentlich durch wohl nicht so ganz ungezielte Vorstöße einzelner Parteivorständler oder Abgeordneter zu signalisieren, dass es mit der Verweigerungshaltung auf die Dauer so weit nun auch nicht her sein wird, dürfte wohl ein echter Fehler gewesen sein. Und es ist ja auch recht bemerkenswert, wie wenig Beachtung diese Wahlniederlage der PDS ausserhalb der eigenen Reihen in der Linken fand, die, bei aller Verquerheit immerhin eines kapiert hat: für unsere realen Kämpfe bringt uns eine PDS im Bundestag gar nichts. Und so wurde denn mit ziemlicher Gelassenheit und allenfalls ironisch registriert, dass der PDS-Führung mittlerweile alles egal zu sein schien, anders sind solche nicht nur inhaltlich katastrophalen, sondern auch schon sprachlich bis weit jenseits der Lächerlichkeitsgrenze debilen Plakate („Arbeit soll das Land regieren“), mit denen uns die Strategen aus dem Karl-Liebknecht-Haus diesmal beglückten, kaum zu erklären. Dass damit auch die anderen Probleme der Linken, nämlich ihre Fixierung auf die Fetische Arbeit, Ware, Geld, Staat und Nation, anfangen würden, sich ähnlich umstandslos zu verflüchtigen, davon kann hingegen erst einmal nicht ausgegangen werden. Denn im Gegensatz zu den politischen Perspektiven der Staats- und Regierungssozialisten erledigen die sich nicht von selbst, die müssen von KommunistInnen in harter Arbeit im Rahmen der realen Klassenkämpfe angegangen werden.

Anmerkungen

1  Rosa Luxemburg: Die sozialistische Krise in Frankreich, 1901
2  Ebd.

 

Editorische Anmerkungen

Der Autor stellte uns am 14.1. 2003 seinen Artikel zwecks Veröffentlichung zur Verfügung.