unsere zeit - Zeitung der DKP v. 19. Januar 2001

Der neue Militärische-Industrielle Komplex in Europa
Rüstungs-Raketen
von Fred Schmid

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Der neu formierte Flugzeug- und Raketenriese EADS brennt ein gigantisches Rüstungs- und Profitfeuerwerk ab. 2200 Arbeitsplätze stehen im Feuer.

Besonders brisante Silvester-Raketen trafen beim trinationalen Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS ein. Kurz vor der Jahreswende erhielt der aus der Fusion von DASA (DaimlerChrysler), Aerospatiale/Matra (Frankreich) und der spanischen Casa entstandene größte europäische Flugzeug- und Raketenkonzern (siehe UZ vom 15. 12. 00; isw-spezial Nr. 13) von der französischen Regierung einen 2,85 Milliarden-Euro-Auftrag zur Entwicklung einer neuen U-Boot-gestützten Interkontinental-Atomrakete (sogenanntes M51-Programm). Damit hat DaimlerChrysler, der größte deutsche Industriekonzern und ehemalige Waffenlieferant der Nazi-Wehrmacht seine Finger unmittelbar auch im Atomwaffengeschäft.

Mit dem Atomraketen-Auftrag reagierte die französische Regierung prompt auf eine Erpressung des deutschen EADS-Co-Vorstandsbosses Rainer Hertrich. Dieser hatte kurz vor Weihnachten für die Verteidigungssparte seines Konzerns mit dem Abbau von 2200 der zuletzt 17 000 Arbeitsplätze gedroht, wenn sich die "Branchensituation nicht bessere". Begründet wird der Abbau mit den angeblich stagnierenden Rüstungsetats in Deutschland und Frankreich. Auch die Stillegung von Werken schloss Hertrich nicht aus.

Kerngeschäft ist Herstellung von Tötungsapparaten

Um es gleich vorwegzunehmen. Mit unzureichenden Rüstungsaufträgen haben die angekündigten Entlassungen in Wirklichkeit absolut nichts zu tun, sondern mit einem gigantischen Kostenreduzierungs- und Profitsteigerungsprogramm. Sie sind zunächst die unmittelbare Folge der Fusion: 1 500 Arbeitsplätze wurden bereits in den vergangenen zwölf Monaten wegrationalisiert - "Synergieeffekte". Jetzt sollen nochmals 2 200 hinzukommen. Dabei gehen 700 auf das Konto "Outsourcing". Es betrifft die Ausgliederung von Standortdiensten wie Feuerwehr oder Kantinen, damit sich die EADS auf ihr "Kerngeschäft", die möglichst profitable Herstellung von Tötungsapparaten konzentrieren kann. Weitere 1 500 (950 in Frankreich, 550 in Deutschland) fallen wiederum "Synergieeffekten", d. h. der Bereinigung von Kapazitätsdoppelungen, zum Opfer.

Was dagegen die Rüstungs-Orderbücher anbelangt, sie sind prallvoll. In der vorgeblich unzureichend ausgestatteten EADS-Sparte "Verteidigung" beträgt der Auftragsbestand mehr als 9 Milliarden Euro und hat damit eine Reichweite von 4,2 Jahren, gemessen an der Jahresproduktion von 2000. Noch nicht eingerechnet ist dabei die im Vorjahr beschlossene Entwicklung der Luft-Luft-Rakete "Meteor".

Alles was tatsächlich "bumm" macht

Im Unternehmensbereich "Verteidigung" fasst EADS aber nur das Waffengeschäft im engeren Sinne zusammen: Lenkwaffen, Raketen, Sprengköpfe - also alles was tatsächlich "bumm" macht. Fast ausschließlich Rüstungsaufträge finden sich aber auch in der "Division Aeronautics": Kampfflugzeuge und Hubschrauber. Hier liegen Aufträge im Wert von 12,7 Milliarden Euro vor, was die Produktion auf über drei Jahre hinaus sichern würde. Noch nicht einbezogen ist hier die ebenfalls beschlossene Entwicklung und Produktion des Militärhubschraubers NH-90. Und schließlich wurde im Jahr 2000 ein zusätzliches Militär-Geschäftsfeld neu eingerichtet: "Militärtransporter". In Vorwegnahme auf die Entwicklung des militärischen Großtransporters Airbus A400M, die dann von sieben Verteidigungsministern europäischer NATO-Länder auf der Luftfahrtschau in Farnborough auch prompt beschlossen wurde. Auftragswert bis zum Jahre 2007 über 20 Milliarden Euro.

Zur Panikmache also absolut kein Grund. In der Waffenproduktion sind die Kapazitäten von EADS auf Jahre hinaus ausgelastet - wenn man den Produktionsumfang des Jahres 2000 zugrunde legt. Doch das ist genau der Knackpunkt. EADS plant im Rüstungsgeschäft eine traumhafte - für den Steuerzahler eher traumatische - Expansion, verbunden mit einer Explosion der Rüstungs-Rendite. Hier der Beweis, der leider nicht ohne Zahlen und kleine Rechenaufgaben zu erbringen ist.

Spitzenwert unter den Großkonzernen

Nach Konzernangaben soll die Umsatzrendite für den Gesamtkonzern EADS im Jahr 2004 auf acht Prozent erhöht werden. Originalton Hertrich auf der Halbjahres-Bilanz-Pressekonferenz im Juli in Amsterdam: "Da unsere Märkte deutliche Wachstumschancen zeigen und unser Auftragsbestand eine wesentliche Steigerung der Umsätze und Ergebnisse ab 2002 zur Folge haben wird, können wir unser Ziel von 8 Prozent EBIT Marge im Jahr 2004 bestätigen." Schon nach 2003 hoffe man, vor allem wegen des starken Dollars, "diese Profitabilitätsziele sogar zu übertreffen". (EBIT = Earnings Before Interest and Taxes = Gewinn vor Zinsen und Steuern; EBIT-Marge = Ebit bezogen auf den Umsatz in Prozent, also Umsatzrendite). Um das Ziel 8 Prozent Umsatzrendite zu erreichen, müssen die Profite um 54 Prozent gesteigert werden. Denn Mitte 2000 betrug die EBIT Marge erst 5,2 Prozent, was allerdings bereits einer Eigenkapital-Rendite von satten 20 Prozent entsprach. Ein Spitzenwert unter den Großkonzernen. Siemens z. B. erreichte diesen Wert erstmals im Geschäftsjahr 1999/2000 und erst nach einem gigantischen Gewinnsprung von 74 Prozent, beim Mutterkonzern DaimlerChrysler liegt die Zielrendite bei 15,5 Prozent, die aber 2000 weit verfehlt wird. Die von Hertrich als locker erzielbar angesehene und angestrebte EBIT-Marge von 8 Prozent entspricht einer Eigenkapital-Rendite von über 30 Prozent.

Atemberaubende Ausweitung das Militärgeschäftes

Jetzt aber wird es spannend. Dieser Profitsteigflug kann nicht aus dem Airbus-Geschäft, bisher der Hauptgewinnbringer, herrühren. Im Gegenteil. Wegen der Entwicklungskosten für den Super-Jumbo A3XX (A 380) sackt die Airbus-Rendite vorübergehend sogar durch. Zumindest nach Konzernverlautbarungen. Andreas Sperl, der designierte Finanzchef der Airbus Integrated Company, die kurz vor ihrer Gründung steht, erwartet deswegen für 2004 eine Umsatzrendite im operativen Airbus-Geschäft von nur drei bis vier Prozent. Um deshalb auf die angestrebten 8 Prozent Umsatzrendite für den Gesamtkonzern zu kommen, bedarf es einer geradezu atemberaubenden Ausweitung des Militärgeschäftes und Hochkatapultieren der Rüstungsrendite. Dazu sei nochmals Adam Riese bemüht. Der Airbus trug bislang etwa 60 Prozent zum Umsatz bei, knapp 25 Prozent erbrachte das Rüstungsgeschäft, 10 Prozent entfielen auf die Raumfahrt, der Rest auf "andere", z. B. zivile oder halb zivile - Polizei/BGS - Hubschrauber. Der Raumfahrtanteil wird sich kaum erhöhen, die Umsatzrendite von 2,7 Prozent in diesem Bereich ebenfalls nicht wesentlich. Hochgefahren aber wird, nach Konzernangaben, das Rüstungsgeschäft.

Rüstungs-Rendite im Jahr 2004 50 Prozent und mehr

Die Weichen hierfür sind gestellt:

  • Im Herbst 2000 wurde der zig-Milliarden teure "Eurofighter" auf Band gelegt. Am teuersten europäischen Kampfflugzeug aller Zeiten ist die EADS direkt mit 43 Prozent, über das vor der Gründung stehende Gemeinschaftsunternehmen European Military Aircraft Company (EMAC) (EADS / Alenia) sogar mit 62,5 Prozent beteiligt.

  • 2002 beginnt die Serienproduktion des Kampfhubschraubers "Tiger" und der Luft-Boden-Rakete "Taurus".

  • Aber auch die in Auftrag gegebenen Entwicklungsprojekte wie Militär-Airbus, Militärhubschrauber NH-90 und Luft-Luft-Rakete "Meteor" blähen das Rüstungsgeschäft auf.

Nimmt man all diese Programme, dann dürften sie bis zum Jahr 2004 zu einer Verdoppelung bis Verdreifachung des Militärumsatzes führen.

Unter der Voraussetzung eines insgesamt expandierenden EADS-Umsatzes wird dann der Rüstungsanteil 40 Prozent, möglicherweise gar 50 Prozent ausmachen. Und jetzt ein letztes Rechenexempel: Etwa 60 Prozent des Umsatzes würden dann auf Airbus und Raumfahrt entfallen, die nach Konzernangaben 2004 eine EBIT Marge von maximal 4 Prozent abliefern. Um auf die angepeilten 8 Prozent Gesamt-EBIT zu kommen, muss zum Ausgleich im Rüstungsgeschäft dann eine Umsatzrendite von 14 Prozent erzielt werden. Bezogen auf das Eigenkapital ergibt das die geradezu obszöne Rendite von 50 Prozent und mehr.

Mit anderen Worten: Jede zweite Mark, die der Steuerzahler für die Rüstung blechen muss, sacken die EADS-Anteilseigner als Profit ein. Und Eichel sorgt mit seiner Steuerreform dafür, dass davon nicht zuviel an Gewinnsteuern bezahlt werden muss.

Mit Drohung von Entlassungen Rüstungsaufträge erpressen

Um auf die besagten Maxi-Profitraten zu kommen, bedarf es aber nicht nur der beschriebenen Aufblähung des Rüstungsgeschäftes. Notwendig sind dann eben auch die oben erwähnte Reduzierung aufs Kerngeschäft, Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen, kurz: die Minimierung der Kosten.

Und mit der Drohung von Entlassungen und Werkschließungen lassen sich zudem noch weitere Rüstungsaufträge erpressen. Hertrich denkt über 2004 hinaus. Die einmal hochgefahrenen Rüstungskapazitäten sollen dann dauerhaft ausgelastet und möglichst erweitert werden. Sein französischer Kollege und Mit-Vorstandsboss Philippe Camus kündigte für den "Bereich Verteidigung" bereits Zukäufe an, vor allem in den USA. Gleich mehrere Milliarden Euro könne EADS dafür ohne Kapitalerhöhung aufbringen. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung zeigte sich wiederum Hertrich mit der Entwicklungsrichtung in der deutschen Rüstungspolitik zufrieden: "Mit der Entscheidung für den Militärtransporter A400M, das Meteor-System und den Hubschrauber NH 90 ist die deutsche Regierung auf dem richtigen Weg... Allerdings halten wir den investiven Anteil im deutschen Verteidigungsetat für zu gering. Der damit verbundene Beschäftigungs- und Geschäftsrückgang schwächt die deutsche Position in Europa und in der Welt - das gilt gerade auch für die industriellen Strukturen. Darüber wollen wir das Gespräch mit Regierung und Parlamentariern fortsetzen".

Großkonzerne übernehmen das Kommando bei der Bundeswehr

Klar, wer hier soufflierte, als Kriegsminister Scharping in Kabinett und Bundestag eine Erhöhung des Investitionsanteils auf 30 Prozent und mehr forderte. Hertrich wusste auch bereits vor Scharping ganz genau, was deutsche Militärs für künftige Kriegsspiele brauchen: "Die Erfahrungen aus dem Kosovo haben es allen gezeigt, und im Bericht der Weizsäcker-Kommission wird es ausdrücklich betont. Es besteht dringender Bedarf, die Bundeswehr und ihre europäischen Verbündeten mit modernen Erdbeobachtungs- und Aufklärungstechnologien, mit neuen Transportkapazitäten, neuen Führungs- und Kommunikationssystemen und modernen, abstandsfähigen Systemen auszustatten. Das sind genau die Fähigkeiten, auf die wir uns in der Verteidigung konzentriert haben. Ich sehe uns gerade auch in diesem Geschäft sehr gut positioniert". Na sowas! Da ist es sicher auch der reine Zufall, wenn in der von Scharping installierten "Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH (GEBB)", die als Kernstück des neuen "Bündnisses Bundeswehr und Wirtschaft" künftig maßgeblich die Beschaffung der Bundeswehr beeinflussen wird, der Daimler-Mann Helmut Werner (früher Mercedes-Boss) den Aufsichtsratsvorsitz innehat. Die EADS und die mit ihr verbundenen Großkonzerne übernehmen zunehmend das Kommando bei der Bundeswehr.

Fred Schmid ist Mitarbeiter beim isw e. V., verfasste zu dieser Thematik das isw-spezial Nr. 13 "Hochzeiten des Todes" Flugzeug- und Raketenindustrie im Fusionsfieber.

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