zurück

Editorial

INFO-Broking & INFO-Müll
Im Hamsterrad des Internetinformationsumschlags

01/00
trdbook.gif (1270 Byte)
trend
online
zeitung
Briefe oder Artikel:
info@trend.partisan.net
  
ODER per Snail:
Anti-Quariat
Oranienstr. 45
D-10969 Berlin
Am 19.12.1999 um ca. 6.00 Uhr morgens erstürmten mehrere Hundertschaften der
Polizei, GSG9-Beamte, das BKA, die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe und
sonstige Spezialeinheiten des Repressionsapparates den Mehringhof. Bereits ab Mittag des selben Tages konnten die laufenden Informationen dazu mittels des Internets quasi weltöffentlich auf den Seiten linker Info-Projekte abgerufen werden. Heute umfaßt der Informationspool in Sachen Überfall auf den Mehringhof allein fast 40 Postings bei GIBinfopool und www.linkeseite.de hat eigens eine Mehringhof Sonderseite eingerichtet mit weiteren  Links, Verweisen etc.  Dies ist nicht außergewöhnlich, sondern es ist mittlerweile Usus, jedes politische Ereignis, das für linke&radikale Kräfte von Bedeutung zu sein scheint, mit einem umfassenden themenbezogenen Infopool zu fundamentieren.

Vor fast genau vier Jahren war im deutschsprachigen Raum des Internets der trend so ziemlich das einzige Projekt, das ein Nachrichtenangebot für unterdrückte, ausgegrenzte Nachrichten anbot und damit gegenöffentlich in diesem Medium arbeitete.

Die heutige Situation des Internets könnte uns daher mit ein wenig Stolz erfüllen, waren wir schließlich in Sachen Gegenöffentlichkeit so etwas wie ein trendsetter. Rubriken wie "In Kürze", "Infopool" und "Wandzeitung" aber auch Termin und Veranstaltungsservice, die wir bereits vor Jahre unterhielten, gehören nun zu den Standards  linker Internet-Projekte.

Doch bedauerlicherweise kommt dieses Gefühl nicht auf.

Denn anstelle von Gegenöffentlichkeitsarbeit passiert - bei Licht betrachtet - nur dröge Faktenhuberei und redundantes Info-Broking: Bürgerliche Nachrichtendienste werden abgegrast und deren News - nach Reizwörtern sortiert - in linke Infokanäle eingespeist, um die dort bereitgehaltenen Nachrichten aus den eigenen Zusammenhängen zu komplettieren.

Der Fleiß jener im Hamsterrad des Internetinformationsumschlags laufenden Infojunkies soll hier nicht in Zweifel gezogen werden. Wenn schon Gefühle, dann eher Mitleid: Denn wer gekettet an PC und Modem seinen politischen Alltag verrauscht ist Opfer. Und nicht zuletzt deswegen, weil er (weibliche Infojunkies scheint es nicht zu geben) seiner Legende aufsitzt, jenes Info-Broking erbrächte Einsichten in den Gang der Geschichte und in die Tiefe der Verhältnisse.

Weit gefehlt! Wer nur Information umbricht ohne dabei den geringsten Anschein zu erwecken, dass ihn auch noch das Bedürfnis umtreibe, diese Infos theoretisch zudringen, der ist nicht nur Opfer seiner Obsession, sondern als Produzent von Infomüll auch Täter.

Peter Schulz

Dazu gab´s alsbald den ersten LeserInnenbrief:

Send reply to: "Kai" <Arafat@gmx.de>
From:
"Kai" <Arafat@gmx.de>
To:
<p.schulz@trend.partisan.net>
Subject:
Editorial 01.2000: INFO-Broking & INFO-Müll
Date sent:
Sat, 15 Jan 2000 17:02:42 +0100

Hallo,
ganz kurz etwas zu eurem Editorial.
Eigentlich kann ich vielen Punkten in eurem Text nur zustimmen. Klar, daß
eine reine Informationsbeschaffung aus den öffentlichen Medien bestmmt nichts, oder zumindestens kaum etwas, zur Verbesserung der Geschichtskenntnisse und zum erkennen der derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnisse beiträgt. Aber finde ich Newsgroups, wie bsplw. den "Infopool" doch schon sehr wichtig, da so die Möglichkeit für jeden einzelnen besteht, in kompakter Weise, einen Überblick über ein Nachrichtenfeld zu erlangen, welches sich ansonsten sehr vielen Menschen verschlossen halten blieb. Über die Mühe und vielleicht auch den Sinn der informationsbeschaffenden Leute bleibt sicher zu streiten, ich persönlich bin aber schon froh darüber in einem kaum überschaubaren Nachrichtenangebot eine, auf ein eher "linkes" Spektrum zugeschnittene Nachrichtenauswahl gelíefert zu bekommen.
Die weitere Vertiefung und der Zusammenhang zwischen einzelnen Nachrichten
bleibt natürlich weiter den "denkenden" Menschen außerhalb der bürgerlichen Medien überlassen. Damit spiele ich auch auf die hoffentlich weiterhin ziemlich interessanten Texte im "trend" / "partisan-net" an.
Ansonsten macht weiter so und versucht das beste aus der Informationsflut
herauszuholen.
Mit fiebrigen Grüßen
KAI

nach oben