Die Wertbestimmung durch
die Arbeitszeit - das "innere Band" aller Ökonomie - Die
konsequent esoterische Methode Ricardos
Kommentar
Die logische Geschlossenheit des
von Ricardo entwickelten Systems der klassischen bürgerlichen
politischen Ökonomie ergibt sich daraus, daß Ricardo bei der
Analyse aller ökonomischen Kategorien konsequent von der
Wertbestimmung durch Arbeitszeit ausgeht und auf diese Weise den
inneren Zusammenhang der kapitalistischen
Produktionsverhältnisse aufzudecken versucht.
Marx zur Methode Ricardos:
„Die Methode Ricardos besteht nun
darin: Er geht aus von der Bestimmung der Wertgröße der Ware
durch Arbeitszeit und untersucht dann, ob die übrigen
ökonomischen Verhältnisse, Kategorien, dieser Bestimmung des
Wertes widersprechen oder wie weit sie dieselbe modifizieren.
Man sieht auf den ersten Blick sowohl die
historische Berechtigung dieser Verfahrungsart, ihre
wissenschaftliche Notwendigkeit in der Geschichte der Ökonomie,
aber zugleich auch ihre wissenschaftliche Unzulänglichkeit, eine
Unzulänglichkeit, die sich nicht nur in der Darstellungsart
(formell) zeigt, sondern zu irrigen Resultaten führt, weil sie
notwendige Mittelglieder überspringt und in unmittelbarer Weise
die Kongruenz der ökonomischen Kategorien untereinander
nachzuweisen sucht. Historisch war diese Untersuchungsweise
berechtigt und notwendig. Die politische Ökonomie hatte in A.
Smith sich zu einer gewissen Totalität entwickelt, gewissermaßen
das Terrain, das sie umfaßt, abgeschlossen .. . Smith selbst
bewegt sich mit großer Naivität in einem fortwährenden
Widerspruch. Auf der einen Seite verfolgt er den innren
Zusammenhang der ökonomischen Kategorien oder den verborgnen Bau
des bürgerlichen ökonomischen Systems. Auf der andren stellt er
daneben den Zusammenhang, wie er scheinbar in den Erscheinungen
der Konkurrenz gegeben ist... Die Nachfolger A. Smiths nun . . .
können in ihren Detailuntersuchungen und Betrachtungen . . .
stets A. Smith als ihre Unterlage betrachten, sei es nun, daß
sie an den esoterischen oder exoterischen Teil seines Werkes
anknüpfen oder, was fast immer der Fall, beides durcheinander
werfen. Ricardo aber tritt endlich dazwischen und ruft der
Wissenschaft: Halt! zu. Die Grundlage, der Ausgangspunkt der
Physiologie des bürgerlichen Systems — des Begreifens seines
innren organischen Zusammenhangs und Lebensprozesses — ist die
Bestimmung des Werts durch die Arbeitszeit. Davon geht Ricardo
aus und zwingt nun die Wissenschaft, ihren bisherigen
Schlendrian zu verlassen und sich Rechenschaft darüber
abzulegen, wieweit die übrigen von ihr entwickelten,
dargestellten Kategorien — Produktions- und Verkehrsverhältnisse
—, Formen dieser Grundlage, dem Ausgangspunkt entsprechen oder
widersprechen, wieweit überhaupt die bloß die Erscheinungsformen
des Prozesses wiedergebende, reproduzierende Wissenschaft (also
auch diese Erscheinungen selbst) der Grundlage entsprechen, auf
der der innre Zusammenhang, die wirkliche Physiologie der
bürgerlichen Gesellschaft beruht oder die ihren Ausgangspunkt
bildet, wie es sich überhaupt mit diesem Widerspruch zwischen
der scheinbaren und wirklichen Bewegung des Systems verhält.
Dies ist also die große historische Bedeutung Ricardos für die
Wissenschaft. . . Mit diesem wissenschaftlichen Verdienst hängt
eng zusammen, daß Ricardo den ökonomischen Gegensatz der Klassen
— wie ihn der innre Zusammenhang zeigt —
aufdeckt, ausspricht, und daher in der Ökonomie der
geschichtliche Kampf und Entwicklungsprozeß in seiner Wurzel
aufgefaßt wird, entdeckt wird." (MEW,Bd.26.2, S. 161 ff.)
„Ricardos Theorie der Werte ist
die wissenschaftliche Darlegung des gegenwärtigen ökonomischen
Lebens, . . . Ricardo konstatiert die Wahrheit seiner Formel,
indem er sie aus allen wirtschaftlichen Vorgängen ableitet und
auf diese Art alle Erscheinungen erklärt, selbst diejenigen,
welche im ersten Augenblick ihr zu widersprechen scheinen, wie
die Rente, die Akkumulation der Kapitalien und das Verhältnis
der Löhne zu den Profiten. Gerade das ist es, was seine Lehre zu
einem wissenschaftlichen System macht. . ." (MEW, Bd. 4, S. 81
f.)
Editorische
Anmerkungen
Günter Fabiunke, Geschichte der
bürgerlichen politischen Ökonomie Berlin
DDR 1975, S.119-121
OCR-Scan: red .trend
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