Geschichte der bürgerlichen politischen Ökonomie
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David Ricardo (1772 - 1823)
Der Vollender der klassischen bürgerlichen politischen Ökonomie


David Ricardo war der theoretisch reifste Vertreter der klassischen bürgerlichen politischen Ökonomie. In seinem 1817 unter dem Titel „Über die Grundsätze der Politischen Ökonomie und der Besteuerung" erschienenen Hauptwerk erreichte die klassische bürgerliche Arbeitswertlehre und Mehrwerttheorie ihre höchste Vollendung. Im Mittelpunkt des Ricardoschen Werkes steht die Begründung einer hohen Kapitalakkumulation als Bedingung für den weiteren Aufschwung der Produktivkräfte. Entschieden verteidigte Ricardo die Interessen der englischen Industriebourgeoisie gegen die Landaristokratie, den industriellen Profit gegen die Grundrente. Als konsequentester „Apostel des Freihandels" trug er zur Vervollkommnung des von den Physiokraten begründeten und von Adam Smith weiterentwickelten klassischen bürgerlichen Liberalismus bei.

Da Ricardo kompromißlos viele Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise offen aufdeckte, denunzierte ihn die spätere bürgerliche Vulgärökonomie als Vater des Kommunismus, der mit seinen Lehren dem Sozialismus die geistigen Waffen zum Kampf gegen das Kapital geschmiedet habe.

Karl Marx zur Klassenposition und wissenschaftlichen Grundhaltung Ricardos:

„Ricardo betrachtet mit Recht, für seine Zeit, die kapitalistische Produktionsweise als die vorteilhafteste für die Produktion überhaupt, als die vorteilhafteste zur Erzeugung des Reichtums. Er will die Produktion der Produktion halber, und dies ist recht. Wollte man behaupten, wie es sentimentale Gegner Ricardos getan haben, daß die Produktion nicht als solche der Zweck sei, so vergißt man, daß Produktion um der Produktion halber nichts heißt, als Entwicklung der menschlichen Produktivkräfte, also Entwicklung der menschlichen Natur als Selbstzweck .

Die Rücksichtslosigkeit Ricardos war also nicht nur wissenschaftlich ehrlich, sondern wissenschaftlich geboten für seinen Standpunkt. Es ist ihm aber deshalb auch ganz gleichgültig, ob die Fortentwicklung der Produktivkräfte Grundeigentum totschlägt oder Arbeiter. Wenn dieser Fortschritt das Kapital der industriellen Bourgeoisie entwertet, so ist es ihm ebenso willkommen. Wenn die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit das vorhandne capital fixe um die Hälfte entwertet, was liegt dran, sagt Ricardo. Die Produktivität der menschlichen Arbeit hat sich verdoppelt. Hier ist also wissenschaftliche Ehrlichkeit. Wenn die Auffassung Ricardos im ganzen im Interesse der industriellen Bourgeoisie ist, so nur, weil und soweit deren Interesse koinzidiert mit dem der Produktion oder der produktiven Entwicklung der menschlichen Arbeit. Wo sie in Gegensatz dazu tritt, ist er ebenso rücksichtslos gegen die Bourgeoisie, als er es sonst gegen das Proletariat und die Aristokratie ist...

Es ist nicht gemein von Ricardo, wenn er die Proletarier der Maschinerie oder dem Lastvieh oder der Ware gleichsetzt, weil es die ,Produktion' (von seinem Standpunkt aus) befördert, daß sie bloß Maschinerie oder Lastvieh oder weil sie wirklich bloß Waren in der bürgerlichen Produktion seien. Es ist dies stoisch, objektiv, wissenschaftlich. Soweit es ohne Sünde gegen seine Wissenschaft geschehn kann, ist Ricardo immer Philantrop, wie er es auch in der Praxis war." (MEW, Bd. 26.2, S. 110 ff.)
 

Editorische Anmerkungen

Günter Fabiunke, Geschichte der bürgerlichen politischen Ökonomie  Berlin DDR 1975, S.116f