Geschichte der bürgerlichen politischen Ökonomie
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Adam Smith's widersprüchliche Wertbestimmungen

Smith:

„Jemand ist reich oder arm, je nachdem in welchem Grad er sich den Genuß der notwendigen Artikel, der Annehmlichkeiten und Vergnügungen des menschlichen Lebens leisten kann. Aber nachdem sich die Arbeitsteilung einmal völlig durchgesetzt hat, kann sich ein Mensch nur noch einen sehr kleinen Teil davon durch seine eigene Arbeit verschaffen. Ihren weitaus größten Teil muß er von der Arbeit anderer Menschen herleiten. Er muß reich oder arm sein, dem Quantum Arbeit entsprechend, das er zu kommandieren oder zu kaufen vermag. Daher stimmt der Wert einer beliebigen Ware für ihren Besitzer, der sie nicht selbst verwenden oder verzehren, sondern gegen andere Waren austauschen will, mit dem Quantum Arbeit überein, das er damit kaufen oder kommandieren kann. Arbeit ist also das reale Maß des Tauschwerts aller Waren."(Smith, A., Eine Untersuchung über den Ursprung und das Wesen des Reichtums der Nationen, Akademie-Verlag, Berlin 1963, S. 40)

„In jenem frühen und rohen Zustand der Gesellschaft, der sowohl der Akkumulation von Kapital als auch der Aneignung des Bodens vorausgeht, scheint das Verhältnis zwischen den zur Erlangung verschiedner Gegenstände erforderlichen Arbeitsmengen die einzige Grundlage zu sein, aus der irgendeine Regel für den wechselseitigen Austausch abgeleitet werden kann. Wenn in einem Stamm von Jägern beispielsweise die Erlegung eines Bibers in der Regel zweimal soviel Arbeit wie die eines Hirsches kostet, so wird natürlich der Biber gegen zwei Hirsche ausgetauscht oder zwei Hirsche wert sein.

Es ist selbstverständlich, daß das normale Produkt zweitägiger oder zweistündiger Arbeit doppelt soviel wert ist wie das, was normalerweise das Erzeugnis eintägiger oder einstündiger Arbeit ist." (Ebenda, S. 62.)

„Die Arbeit ist also, das zeigt sich offensichtlich, sowohl das einzig universelle als auch das einzig genaue Maß des Wertes oder der alleinige Maßstab, durch den jederzeit und allerorts die Werte von verschiedenen Waren verglichen werden können." (Ebenda, S. 48.)

„Das zur Erlangung oder Herstellung einer Ware gewöhnlich aufgewendete Arbeitsquantum ist der einzige Faktor, der die Menge an Arbeit bestimmen kann, welche mit jener Arbeit gekauft, kommandiert oder ausgetauscht wird." (Ebenda, S. 63.)

Karl Marx zur zweifachen Wertbestimmung durch Adam Smith:

„. . . dieser Widerspruch und das Übergehn .von der einen Erklärungsweise zur andren (beruht) bei A. Smith auf Tieferem . . . Gesetzt, alle Arbeiter seien Warenproduzenten, produzierten nicht nur ihre Waren, sondern verkauften sie auch. Der Wert dieser Waren ist bestimmt durch die in ihnen ent-haltne notwendige Arbeitszeit. Werden also die Waren zu ihrem Wert verkauft, so kauft der Arbeiter mit einer Ware, die das Produkt 12stündiger Arbeitszeit ist, wieder 12stündige Arbeitszeit in der Form einer anderen Ware, d. h. 12stündige Arbeitszeit, die in einem andren Gebrauchswert verwirklicht ist. Der Wert seiner Arbeit ist also gleich dem Wert seiner Ware, d. h. gleich dem Produkt 12stündiger Arbeitszeit. Der Verkauf und Wiederverkauf, kurz, der ganze Austauschprozeß, die Metamorphose der Ware, ändert nichts hierdran. Er ändert nur die Gestalt des Gebrauchswerts, worin sich diese 12stündige Arbeitszeit darstellt. Der Wert der Arbeit ist also gleich dem Wert des Produkts der Arbeit. Es tauschen sich erstens in den Waren - soweit sie ihrem Wert nach ausgetauscht werden — gleiche Quanta vergegenständlichter Arbeit aus. Zweitens aber tauscht sich ein bestimmtes Quantum lebendiger Arbeit gegen ein gleiches Quantum vergegenständlichter Arbeit aus, denn erstens vergegenständlicht sich die lebendige Arbeit in einem Produkt, einer Ware, die dem Arbeiter gehört, und zweitens tauscht sich diese Ware wieder gegen eine andre Ware aus, worin gleich großes Quantum Arbeit enthalten ist. In der Tat tauscht sich also ein bestimmtes Quantum lebendiger Arbeit gegen ein gleich großes Quan turn vergegenständlichter Arbeit aus. Es ist also nicht nui Ware, die sich gegen Ware austauscht in dem Verhältnis, wo rin sie gleich viel Arbeitszeit vergegenständlicht darstellen, sondern ein Quantum lebendige Arbeit tauscht sich gegen Ware aus, die dasselbe Quantum Arbeit vergegenständlicht darstellt.

Unter dieser Voraussetzung könnte der Wert der Arbeit (das Quantum Ware, das man mit einem gegebnen Quantum Arbeit kaufen kann, oder das Quantum Arbeit, das man mit einem gegebnen Quantum Ware kaufen kann) ebensowohl wie die in der Ware enthaltne Quantität Arbeit als Maß ihres Werts gelten, da der Wert der Arbeit stets dasselbe Quantum Arbeit vergegenständlicht darstellt, was die lebendige Arbeit zur Produktion dieser Ware erheischt, oder ein bestimmtes Quantum lebendiger Arbeitszeit stets ein Quantum Ware kommandierte, das gleich viel Arbeitszeit vergegenständlicht darstellte. Nun aber findet in allen Produktionsweisen -namentlich auch der kapitalistischen Produktionsweise —, worin die gegenständlichen Bedingungen der Arbeit einer oder mehreren Klassen gehören, das bloße Arbeitsvermögen dagegen einer ändern Klasse, der Arbeiterklasse, das Gegenteil statt. Das Produkt oder der Wert des Produkts der Arbeit gehört nicht dem Arbeiter. Ein bestimmtes Quantum lebendiger Arbeit kommandiert nicht dasselbe Quantum vergegenständlichter Arbeit, oder ein bestimmtes Quantum in Ware vergegenständlichter Arbeit kommandiert ein größres Quantum lebendiger Arbeit, als in der Ware selbst enthalten ist. Da A. Smith nun ganz richtig von der Ware und dem Warenaustausch ausgeht, die Produzenten sich also ursprünglich nur als Warenbesitzer, Warenverkauf er und Warenkäufer gegenübertreten, so entdeckt er (scheint es ihm), daß im Austausch zwischen Kapital und Lohnarbeit, vergegenständlichter Arbeit und lebendiger Arbeit (unter kapitalistischen Bedingungen — G. F.), das allgemeine Gesetz sogleich aufgehoben wird und die Waren (denn auch die Arbeit ist Ware, soweit sie gekauft und verkauft wird) nicht im Verhältnis der Arbeits-quanta, die sie darstellen, sich austauschen. Daher schließt er, daß die Arbeitszeit nicht mehr das immanente Maß ist, das den Tauschwert der Waren regelt, sobald die Arbeitsbedingungen in der Form des Grundeigentums und des Kapitals dem Lohnarbeiter gegenübertreten. Er hätte vielmehr, wie Ricardo ihm richtig bemerkt, umgekehrt schließen müssen, daß die Ausdrücke .Quantität der Arbeit' und ,Wert der Arbeit' nicht mehr identisch sind, also der relative Wert der Waren, obgleich durch die in ihnen enthaltne Arbeitszeit, nicht durch den Wert der Arbeit reguliert wird, da der letz-tre Ausdruck nur richtig war, soweit er mit dem erstren identisch blieb." (MEW, Bd. 26.1, S. 42 ff.) „Ich habe schon im ersten Teil dieser Schrift, bei Gelegenheit der Analyse der Ware, nachgewiesen (vgl. MEW, Bd. 13, S. 44 f., G. F.), wie A. Smith in der Bestimmung des Tauschwerts schwankt und namentlich die Bestimmung des Werts der Waren durch die Quantität der zu ihrer Produktion erheischten Arbeit bald verwechselt mit, bald verdrängt durch das Quantum lebendiger Arbeit, womit Ware gekauft werden kann, oder, was dasselbe ist, durch das Quantum Ware, womit ein bestimmtes Quantum lebendiger Arbeit gekauft werden kann. Hier macht er den Tauschwert der Arbeit zum Maß für den Wert der Waren. In der Tat das Salair; denn das Salair ist gleich dem Quantum Waren, das mit einem bestimmten Quantum lebendiger Arbeit erkauft wird, oder gleich dem Quantum Arbeit, das mit einem bestimmten Quantum Waren gekauft werden kann. Der Wert der Arbeit oder vielmehr des Arbeitsvermögens wechselt wie der jeder andren Ware und unterscheidet sich in nichts spezifisch von dem Wert der andren Waren. Es wird hier Wert zum Maßstab und Erklärungsgrund von Wert gemacht, also cercle vicieux/1/." (Ebenda, S. 41 f.)

Editorische Anmerkungen

Günter Fabiunke, Geschichte der bürgerlichen politischen Ökonomie  Berlin DDR 1975, S.85ff