Geschichte der bürgerlichen politischen Ökonomie
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Adam Smith (1723-1790)
Der zusammenfassende politische Ökonom der Manufakturperiode des Kapitalismus am Vorabend der industriellen Revolution in England

Kurze Charakteristik:

Karl Marx nannte Adam Smith den „Grundleger der politischen Ökonomie". Friedrich Engels bezeichnete ihn als den „ökonomischen Luther". Und W. I. Lenin wertete ihn als den „großen Ideologen der fortschrittlichen Bourgeoisie" und „Vater der politischen Ökonomie", der neben seinem Nachfolger Ricardo den entscheidenden Anteil an der Entwicklung der klassischen bürgerlichen politischen Ökonomie zu einer der drei Quellen des Marxismus hatte.

Das Hauptwerk von Smith erschien 1776 unter dem Titel „Eine Untersuchung über das Wesen und die Ursachen des Reichtums der Nationen". In ihm hatte sich, wie Marx hervorhob, die bürgerliche politische Ökonomie „zu einer gewissen Totalität entwickelt, gewissermaßen das Terrain, das sie umfaßt, abgeschlossen" (MEW, Bd. 26.2, S. 162). Smith vervollkommnete die von Petty begründete klassische bürgerliche Arbeitswertlehre, indem er bewies, daß allein die Arbeit Wert schafft, und zwar — Marx bezeichnete dies als „ungeheuren Fortschritt von Adam Smith" — jede Arbeit, „Arbeit schlechthin". Mit seiner Feststellung, daß die Arbeiter im Kapitalismus zwar den gesamten Wert schaffen, selbst aber, entsprechend dem kapitalistischen Lohngesetz, in Form des Arbeitslohnes nur den Teil davon erhalten, der für ihre Existenz notwendig ist, hatte er die Lohnarbeit als Quelle der kapitalistischen Ausbeutung freigelegt und damit den Ursprung des Mehrwerts erkannt. v Das Werk des Adam Smith enthielt viele Widersprüche und Ungereimtheiten, von denen Marx sagte, daß sie „naturgemäß bei dem Grundleger der politischen Ökonomie, der notwendig tastet, experimentiert, mit einem erst sich gestaltenden Ideenchaos ringt". (MEW, Bd. 20, S. 217.) Sie boten sowohl der wissenschaftlichen Weiterentwicklung der politischen Ökonomie als auch ihrer Vulgarisierung Ansatzpunkte.

Das „doppelte Geschäft" des Adam Smith in der Geschichte der
politischen Ökonomie. Die sich daraus ergebende Widersprüchlichkeit der Methode seines ökonomischen Denkens


Karl Marx zur Methode von Adam Smith:

„Smith selbst bewegt sich mit großer Naivität in einem fortwährenden Widerspruch. Auf der einen Seite verfolgt er den innren Zusammenhang der ökonomischen Kategorien oder den verborgnen Bau des bürgerlichen ökonomischen Systems. Auf der andren stellt er daneben den Zusammenhang, wie er scheinbar in den Erscheinungen der Konkurrenz gegeben ist und sich also dem unwissenschaftlichen Beobachter darstellt, ganz ebensogut wie dem in dem Prozeß der bürgerlichen Produktion praktisch Befangenen und Interessierten. Diese beiden Auffassungsweisen — wovon die eine in den innren Zusammenhang, sozusagen in die Physiologie des bürgerlichen Systems eindringt, die andre nur beschreibt, katalogisiert, erzählt und unter schematisierende Begriffsbestimmungen bringt, was sich in dem Lebensprozeß äußerlich zeigt, so wie es sich zeigt und erscheint — laufen bei Smith nicht nur unbefangen nebeneinander, sondern durcheinander und widersprechen sich fortwährend. Bei ihm ist dies gerechtfertigt. .., da sein Geschäft in der Tat ein doppeltes war. Einerseits der Versuch, in die innre Physiologie der bürgerlichen Gesellschaft einzudringen, anderseits aber zum Teil erst ihre äußerlich erscheinenden Lebensformen zu beschreiben, ihren äußerlich erscheinenden Zusammenhang darzustellen und zum Teil noch für diese Erscheinungen Nomenklatur zu finden und entsprechende Verstandesbegriffe, sie also zum Teil erst in der Sprache und [im] Denkprozeß zu reproduzieren. Die eine Arbeit interessiert ihn so sehr wie die andre, und da beide unabhängig voneinander vorgehn, kommt hier eine ganz widersprechende Vorstellungsweise heraus, die eine, die den innren Zusammenhang mehr oder minder richtig ausspricht, die andre, die mit derselben Berechtigung und ohne irgendein innres Verhältnis — ohne allen Zusammenhang mit der andren Auffassungsweise — den erscheinenden Zusammenhang ausspricht." (MEW, Bd. 26.2, S. 162.) Zu den aus dieser widersprüchlichen Methode entspringenden widersprüchlichen Theorien von Smith erklärte Marx: „Die Widersprüche A, Smith's haben das Bedeutende, daß sie Probleme enthalten, die er zwar nicht löst, aber dadurch ausspricht, daß er sich widerspricht." (MEW, Bd. 26.1, S. 121.)

Editorische Anmerkungen

Günter Fabiunke, Geschichte der bürgerlichen politischen Ökonomie  Berlin DDR 1975, S.76ff