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Offener Brief an die InitiatorInnen von Becklash

von Rolf-Dieter Missbach
Spiegelung aus der 02-04 für die trend Notausgabe
Wenn die bürgerliche Gesellschaft von Emanzipation spricht, dann hat sie dabei nicht die Absicht, ihre “abstraktes Allgemeines- ihre ökonomische Basis - in frage zu stellen. Vielmehr wird diese ökonomische Basis im Denken nicht mit einbezogen und das Denken widerspiegelt sich als verselbstständigte Ideologie im Bewusstsein der Menschen als angenommene Realität, als Wirklichkeit, als ihr Dasein wieder.

Was für die bürgerliche Gesellschaft der Wert ist, dominiert in der Religion als Gott, beides aber geht von einem verkehrten Bewusstsein aus. Das erstere produziert Waren und vermittelt sich über das Geld, das zweite geht von dem Glauben aus, und ist Ausdruck einer verhimmelten Form. Da aber die bürgerliche säkularisierte Gesellschaft beide Bewusstseinsformen in sich trägt und anerkennt als Staatsform (obwohl Staat und Religion von einander getrennt sind), bleiben beide Formen bestehen, haben Einfluss und sind in Gesetzesform verankert, weil jedes privat- bürgerliche Individuum das Recht hat, Warenbesitzer zu sein, und als abstrakter Staatsbürger, politisches Tier, auch das Recht  auf seine Religion hat.

Das bedeutet , dass das Individuum in der Sphäre von Recht, Politik, als Entfremdete Zwangsgesellschaftlichkeit in dieser bürgerlichen Gesellschaft, formalistisch gleiche Rechte besitzt. Deshalb ist es nicht möglich, den christlichen Glauben, sei es der Protestantismus, der Katholizismus, der jüdische Glaube oder der islamische Glaube zu verbieten. Alle vier Glaubensrichtungen sind auf religiöse Freiheit, auf religiöse Gleichheit, und auf die bürgerliche Menschenrechte innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft beschränkt.

Schaut man sich die vier Religionsrichtungen an, gibt es Unterschiede, die in ihrer Auslegung und Auffassung von einander abweichen. Der Protestantismus ist eine auf dem Staat fixierte Religion, wo hingegen der Katholizismus auf eine Person fixiert, den Papst, der als Abgesandter und Stellvertreter  Gottes gilt. Die jüdische Religion wartet auf den Messias im Heiligen Land, um erlöst zu werden, und die islamische Religion bezieht sich auf Allah. Alle haben Gott als Metapher.

Solange die Religion das menschliche Bewusstsein durchdringt und als Fetisch sein Dasein hat, und nicht zurückgenommen wird als übernatürliche Fehlgeburt einer irrationalen Ideologie, ist es heuchlerisch, irgend eine der Religionen zu verbieten. Statt generell die Religion(en) in Frage zu stellen bzw. sie positiv aufzuheben, um sich von der Religion zu befreien und um sich als menschliches Individuum gegen seine eigene Verblendung emanzipieren zu können! Deshalb ist die  Kopftuch-Debatte auch falsch, weil sie eine “fremde“ Religion kritisiert, aber die Religionen in diesem Staate so hinstellt, als seien sie, die aufgeklärtere, die emanzipiertere Religion, die das Recht der Frauen weniger unterdrückt. Denn bisher war es so, dass der Mann als der Unterdrücker und Ausbeuter der Frau galt, ganz im Sinne eines populären Feminismus, der das als Patriarchat geschichtlichen Gegenstand und die gesellschaftliche Wirklichkeit um den Kampf der Differenzen zum Mann, d.h. die Klassengesellschaft zwischen den Geschlechtern, zum Ausdruck brachte. Es handelt sich hier um ein Unterdrückungs- und Gewaltverhältnis zwischen Männern, Frauen und den Kindern, das immanent in der bürgerlichen Gesellschaft ihr Verhältnis bestimmt.

Deren Form ist es, dass sie über den Warenfetischismus diese Trennung erst möglich macht, indem der Mensch zum Privatmenschen gestempelt wird, sodass aus  Arbeit, Ware und Geld eine gesellschaftliche Beziehung entsteht, die zwischen den Menschen existiert, sie zu einer gesellschaftlichen Beziehung zwischen Sachen verkehrt wird, sozusagen ein entfremdetes Verhältnis, das die Differenzen zwischen den Geschlechtern erst ermöglicht.

Der bürgerliche Feminismus, bleibt adäquat, weil er in seiner Kritik nicht den Widerspruch dieser Klassengesellschaft, d.h. die kapitalistische Gesellschaft überhaupt in Frage stellt. Er will sich emanzipieren innerhalb dieser Verhältnisse, als Gleichstellung von Mann und Frau, was natürlich ein Unding ist! Das gleiche bezweckt die Kopftuch-Debatte. Sie ist aber auf eine bestimmte Weise pervertiert, weil nicht “die Religion“ der Kritik unterzogen wird, sondern nur eine bestimmte. Deshalb muss diese Debatte zu einem “ideologischen Konstrukt“ verkommen. Nebenbei, wenn man den islamischen Glauben zu einer reaktionären Religion stempelt, dann sind der Katholizismus so wie der Protestantismus oder der orthodoxe jüdische Glaube genauso konservativ bis reaktionär  und stehen der menschlichen Emanzipation im Wege.

Deshalb lehne ich die “Becklash-Initiative“ auch ab, weil sie die Wirklichkeit mehr verschleiert als sie aufklärt. Und weil sie stellvertretend von weißen eurozentristischen bürgerlichen Intellektuellen in Namen der ImmigrantInnen und Flüchtlinge geführt wird. Zudem kommt sie noch in unverschämter Weise daher und behauptet: “Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männer und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Das ist nicht nur verlogen sondern Zynismus hoch drei!

Wollen die InitiatorInnen ernsthaft behaupten, der Staat kümmere sich hier um die ausländischen Bürger und garantiere Ihnen die Gleichberechtigung? Die politischen Tatsachen sprechen eine andere Sprache, man muss sich nur die Verschärfung der Asylgesetze in den letzten zwei Jahren in diesem Land anschauen, die die Herrschenden, sie gegenüber den Flüchtlingen durchgesetzt haben. Man steckte sie in Isolationsknäste und Flüchtlingsheime, die mehr einem Konzentrationslager entsprechen. Man lässt sie Video überwachen, vom privaten Wachschutz kontrollieren. Mit Verboten und rassistischer Gewalt werden sie gefügig gehalten und bewusst von der Öffentlichkeit total abschirmt.

“Becklash“ lässt diese Tatsachen unbekümmert. Die InitiatorInnen verlangen sogar, das alle Flüchtlinge und ImmigrantInnen das GG nach Art. 3 Abs. 2 unterschreiben sollen, falls sie nicht die hier geltenden Menschenrechte beachten, hätten sie ihr Aufenthaltsrecht verwirkt und könnten ausgewiesen bzw. abgeschoben werden.

Sie verlangen von der Integrationsbeauftragte Frau Marieluise Beck, sowie von der Frauenministerin Frau Renate Schmidt und der Justizministerin Frau Brigitte Zypries, dass sie die Gesetze verschärfen soll. Aber es geht noch weiter, man bleibt nicht stehen, verlangt dass gleiche auch von der doitschen Bevölkerung, insbesondere von den Linken. Falls sie dies nicht tun, verstoßen sie gegen die FDGO!

Ich frage ich mich, was ist hier eigentlich los? Das schärfste ist, dass sie von der Antifaschistischen Gruppe im Prenzlauer Berg (AGIP) verlangen, dass sie das GG nach Art. 3 Abs. 2 das heisst, die FDGO unterschreiben sollen, sonst erteilt das Partisan.net Ihnen eine Abmahnung wegen Ihrer Kritik an Becklash. Das Ganze wurde unterschrieben mit antiautoritären grüssen!

Es ist eindeutig, dass die InitiatorInnen das Partisan.net missbrauchen - zumal Ihnen das gar nicht gehört, und dennoch wollen sie selbstherrlich darüber bestimmen!

Schaut man sich die Unterzeichner dieser Kampagne an, lässt sich feststellen, dass viele UnterzeichnerInnen des “offenen Briefes“ aus der Esoterikszene stammen, wo irrationale Ideologien vertreten werden, die bis in die faschistische Richtung gehen. Folglich wird schon in bestimmten linken Kreisen darüber diskutiert, “sich eine andere technische Pattform zusuchen, bevor sich das Partisan.net seiner angestammten Tendenz folgend, in einen offenen Querfront-Server verwandelt hat“ (siehe dazu Delete Partisan.net!?). Das muss bedenklich stimmen, und es wird Zeit, bevor es noch schlimmer kommt, diesen Missbrauch abzustellen, für den die “Becklash-InitiatorInnen“ verantwortlich sind.

Ich fordere die InitiatorInnen von Becklash auf, ihr reaktionäres Handeln zu beenden.
U
nd wäre es nicht besser, sie verließen das Partisan.net?!

Editorische Anmerkung

Der Artikel ist wurde uns vom Autor mit der Bitte um Veröffentlichung am 24.2.2004 zugeschickt.

Folgende Artikel wurden u.a. bisher von Rolf-Dieter Missbach im trend veröffentlicht.