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Nr. 03-04
Notausgabe 4. März 2004
9. Jahrgang online

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Wie aus wackeren Antifaschisten Parteigänger der patriarchalen Reaktion werden. 
Leute, die sich "Antifaschistische Gruppe in Prenzlauer Berg" nennen, mutieren zu dem, was sie vorgeben zu bekämpfen.

Partisan.net mahnt ab:

agip_berg@gmx.de

Werte Prenzlberger Antifaschisten,

ihr habt die partisan-plattform genutzt, um einer anderen gruppe derselben plattform böse dinge vorzuwerfen, wie z.B. die kleinigkeit von rassismus. Dies kann unter umständen durchaus gerechtfertigt sein. Bei näherem hinsehen allerdings entpuppt sich euer anliegen als das gegenteil. Wie formuliert doch so schön der volksmund: die schärfsten kritiker der elche sind am ende selber welche. Zugegeben, die infrage stehende materie ist nicht einfach. Nicht von ungefähr gehen die meinungen dazu quer durch alle politischen lager. Ihr z.b. versteht euch als antifaschistisch und befindet euch, dem tenor eurer kritik entsprechend, vermutlich doch mit Le Pen oder mit dem erzreaktionären kardinal Ratzinger in einem boot. Beide verteidigen, wie ihr, das recht fundamentalistisch-muslimischer frauen, als lehrerinnen in der klasse ein kopftuch tragen zu dürfen. Zur burka haben sie sich noch nicht geäußert, müsste nach ihrer und eurer (?) logik aber auch gestattet werden.

Angesichts dieser merkwürdigen koalition von sich selbst als antifaschisten deklarierenden leuten mit protofaschisten, stellt sich die frage, ob das zufällig ist, oder die elch-metapher zu verändern wäre, etwa so: die schärfsten kritiker der imaginierten elche sind am ende selber welche. Soll heißen, im kern seid ihr gar keine antifaschisten sondern das genaue gegenteil.

Eure inhaltliche analyse eines briefes von drei leuten, unterstützt von mehr als 100 anderen, an drei ministerinnen strotzt nur so von unverständnis, fehlinformationen, fehlinterpretationen und unterstellungen. Die von euch gewählte diktion ist autoritär-hetzerisch und erfüllt damit die vorbedingung für den begriff faschistoid.

Zum inhalt: Der von euch inkriminierte text wurde namentlich von drei leuten gezeichnet und von mehr als 100 anderen unterstützt. Ein hinweis, dass eine organisation mit dem namen SDS diesen text ebenfalls unterschrieben hätte, lässt sich beim besten willen nicht finden. Dies wäre auch völlig unmöglich, da sich die organisation mit diesem namen vor jetzt 34 jahren bereits aufgelöst hatte. Schaut euch doch mal um im partisan.net, falls ihr die geschichte der linken in Deutschland nicht kennt. Dort, speziell auch auf der seite der veteraninnen dieses verbandes, könnt ihr euch sachkundig machen. Daneben gibt es noch im archiv die reihe "Aufruhr & Revolte" und 1968 Geschichte und Konsequenzen. Bevor ihr das nächste mal losgeifert, erst mal studieren.

1.   Nirgendwo erscheint im text des offenen briefes, in Deutschland oder anderswo sei die "volle" gleichstellung der frauen erreicht. Eure diesbezügliche behauptung ist also eine bewusste lüge.

2.   Nirgendwo bezieht sich der text explizit auf den islam. Das wäre auch nicht sinnvoll, da viele musliminnen nicht vom gebot des kopftuchtragens ausgehen und es daher auch ablehnen, ein solches zu tragen. Dazu ist inzwischen ein weiterer offener brief an Marieluise Beck von hauptsächlich muslimischen frauen veröffentlich worden (taz, 14.2.04 bzw. auf SDS-Website). Die verquickung von religion und herkunftstraditionen nehmt ihr selbst vor und projiziert dies auf den euch nicht genehmen text. Dies ist vermutlich keine bewusste lüge, nur eine unbewusste, was nicht viel besser ist.

3.   Süffisant versucht ihr die ausgangsbeschreibung des becklash-briefes zusammenzufassen, die auf die tägliche unterdrückung von vielen frauen in unserer mitte abzielt, so als ob diese tatbestände nicht existierten. Damit macht ihr euch der entsolidarisierung mit diesen frauen und vor allem mit diesen mädchen schuldig.

4.   Ihr behauptet, ein "rassistisches Sondergesetz" würde verlangt. Dies ist erneut eine bewusste lüge. Es wird weder ein rassistisches, noch überhaupt ein gesetz gefordert. Gefordert wird die einhaltung und durchsetzung des GG-Artikels 3. Ihr seid offenbar gegen den wortlaut dieses artikels, der inzwischen in den offenen brief aufgenommen wurde:


"Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."


In einem nachtrag ergänzen die autorinnen:


Der Schutz des GG gilt nach Art.3 Abs.3 prinzipiell auch für alle anderen Minderheiten, wie Immigranten, Asylsuchende, Juden sowie Homosexuelle und sollte sowohl von der Mehrheitsgesellschaft wie von den Minderheiten als Minimum des zivilen Miteinanders anerkannt und durch den bürgerlichen Staat gesichert werden!


Bitte teilt mit, ob ihr diese sätze unterschreiben könnt. Falls nicht, würdet ihr unter das verdikt der becklasherinnen fallen, die zu maßnahmen aufrufen, auch denjenigen den Art 3 GG nahezubringen, "die bereits ein Aufenthaltsrecht hier haben oder als Deutsche in den erwähnten Punkten gegen die FDGO verstoßen".

5.   Ihr benutzt bewusst falsche zitate. Im becklash-text wird weder von "wir deutsche", weder vom "starken staat", noch von mehr repression gesprochen. Das ist mehr als Lüge, das ist bewusste verleumdung. Im gegenteil, es geht den autorinnen und ihren unterstützerinnen um weniger repression, nämlich um weniger repression in den familien, in denen es an freiheit und repressionslosigkeit der individuen, insbesondere bei mädchen und frauen mangelt. Hier greifen die autorinnen an die grundaussage des feminismus und der antiautoritären- und kommunebewegung an: Das private ist politisch.

6.   Ihr schreibt, die bestehenden gesetze würden ausreichen, die betroffenen frauen und mädchen zu schützen. Dem kann zugestimmt werden, nur bedarf es offenbar eines erneuten anstoßes, damit dies auch geschieht. Diesem ziel dient der aufruf.

7.   Was euer vergleich mit dem KuKluxKlan soll, bleibt unklar. Der Klan war nie in der lage, gesetze zu formulieren. Er agierte hauptsächlich im untergrund einiger südstaaten der USA und versuchte, anderen leuten, juden, katholiken und insbesondere menschen afrikanischen ursprungs, das wahlrecht und andere rechte streitig zu machen. Sie selbst verhüllten sich unter einer weißen kapuze, heute könnten wir sagen unter ihrer spezifischen burka, damit sie niemand erkennen konnte. Unfreiwillig habt ihr hier einen ekligen bezug aufgemacht, da ihr offenbar nichts gegen die verhüllung, also der segregation von frauen entgegenstellt. Nur waren beim Klan die täter verhüllt, jetzt sind's die opfer, die opfer des abrahamitisch geprägten patriarchats.

8.   Euer hinweis auf den jugoslawienkrieg ist ähnlich verquer. Die bundeswehr ist dort vorgeblich einmarschiert, um muslimische Bosniaken und muslimische Albaner vor dem vermeintlichen zugriff christlich-orthodoxer Serben zu schützen. Die becklasherinnen haben sich zu Jugoslawien nicht geäußert, aber vorausgesetzt, sie hätten die von euch behauptete position, dann wären sie doch promuslimisch und nicht antiislamistisch wie ihr eingangs behauptet habt. Bitte einigt euch also, ob die becklasherinnen nun als anti- oder als proislamistinnen anzusehen sind.

9.   Weder ist in dem text von Türken noch von Arabern die rede, schon gar nicht von ihrem rausschmiss. Hier lügt ihr erneut. Das gegenteil ist der fall. Weil den autorinnen insbesondere das schicksal von frauen und mädchen am herzen liegt, wo immer sie auch herkommen mögen, sollen sie vor patriarchaler gewalt und willkür geschützt werden, insbesondere auch wenn sie aus den von euch genannten ländern stammen. Im übrigen sind die autorinnen in anderen zusammenhängen für das recht auf asyl für frauen eingetreten, die aufgrund ihres geschlechts missbraucht bzw. verfolgt werden.

10. Was eine provokation mit dem erzählen von witzen zu tun haben soll, erschließt sich erst mal nicht. Die provokation, von der Frigga Haug sprach, liegt offenbar in dem verweis auf das aufenthaltsrecht, das nicht erteilt oder verwirkt sein soll, wenn bewerber den gleichheitsgrundsatz des grundgesetzes nicht anerkennen wollen. Da ihr den becklasherinnen fälschlicherweise unterstellt, sie würden sich auf den islam beziehen, sei hier nur auf den eher fundamentalistisch orientierten Zentralrat der Muslime in Deutschland verwiesen, der hat keine probleme mit dem GG, er erkennt das GG in toto an, damit also auch den artikel 3, um den es hier geht. Da fragt sich, wes geistes kind muss jemand sein, der das nicht anerkennt? Gläubige muslime betrifft das jedenfalls nicht, es betrifft allenfalls eine totalitäre politfraktion (Osama u.a.), die den islam als legitimationsideologie zu nutzen sucht und ihn sozusagen für sich gehijackt hat. Im grunde entpuppt sich die geforderte unterschrift unter den artikel 3 GG als eine bildungs- oder erziehungsmaßnahme. Ihr könnt jetzt darüber räsonnieren, ob das irgend etwas bringt, ob das eine adäquate maßnahme ist, um den betroffenen frauen und mädchen zu helfen, oder eben nicht. Anstatt gegenvorschläge zu erarbeiten, übt ihr euch in schaum vor dem mund.

11. Ihr schreibt, ihr würdet "antiislamismus" bekämpfen. Mit islamismus wird der politische islam bezeichnet, der die trennung zwischen staat und religion aufheben möchte. Wenn ihr also gegen diejenigen seid, die sich diesem ansinnen entgegenstellen, seid ihr rechtsradikal und leistet totalitärer ideologie vorschub. Wie sich das mit eurem vorgeblichen antifaschismus verträgt, müsst ihr unter euch ausmachen. Es wäre aber nicht das erste mal, dass jemand, der ein übel bekämpft, sich während des kampfes diesem übel unbewusst annähert und dessen kampfformen, manchmal sogar dessen inhalte übernimmt. In der psychologie würde man das die identifikation mit dem aggressor nennen.

12. Ihr versteckt euch hinter eurem gruppennamen, schießt also aus dem anonymen heraus, ähnlich dem von euch zitierten KukKluxKlan. Von daher erschließt sich nicht, welche herkunft oder geschlecht ihr habt. Da ihr im prenzlauer berg beheimatet seid, kennt ihr vermutlich nicht allzu viele migrantinnen, wenn überhaupt, und schwadroniert deshalb mit dem begriff "doitsch". Erneut eine projektion?

Ihr habt für euren hetzartikel die überschrift "fight SDS" gewählt. Nur zu, da kommt ihr nur 34 jahre zu spät. Es erschließt sich aus eurem text nicht, weshalb ihr so sauer auf einen leichnam seid und gegen ihn kämpfen wollt. Habt ihr keine lebenden gegner ausfindig machen können oder habt ihr angst vor real existierenden bösewichtern? Vielleicht glaubt ihr ja auch, der SDS sei nur "untot" und geistert noch irgendwie, vampirgleich in der gegend herum?

Was die veteraninnen dieser gruppe, also die wirklich untoten betrifft, so bieten sie raum für kontroverse diskussionen. Sie veröffentlichten sowohl den feministischen becklash-aufruf als auch harsche kritik daran, wie z.b. die von der chipkarten-ini, aber auch andere. Weshalb habt ihr nicht den kontakt zu diesen leuten gesucht, die seit mehr als 35 jahren unter beweis gestellt haben, dass sie sich dem mainstream nicht unterordnen und an emanzipativen inhalten festhalten?

Ihr habt einen hetzerischen text geschrieben und ihn verbreitet. Wir erwarten von euch, dass ihr euch den schaum vom mund wischt und selbstkritik übt. Dieses angebot gilt, weil ihr auf derselben plattform euch verbreitet wie die veteraninnen der gruppe, die ihr in unverantwortlicher weise in zusammenhang mit dem becklash-brief gebracht habt. Falls ihr auf diesen vorschlag nicht eingehen wollt, solltet ihr euch überlegen, eine andere plattform zu wählen.

Mit antiautoritären grüßen

admin partisan.net
i.A. Eric   (17.2.04)

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