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Nr. 03-04
Notausgabe 4. März 2004
9. Jahrgang online

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Stichwort: Becklash*
Offener Brief
an die
Integrationsbeauftragte Frau Marieluise Beck,
die Frauenministerin Frau Renate Schmidt
und die Justizministerin Frau Brigitte Zypries

*) backlash (engl.) = Rückwirkung, (heftige) Reaktion; Beck = deutsche Politikerin, Initiatorin des Aufrufs "Wider eine Lex Kopftuch"

 Von der Integrationsbeauftragten Frau Marieluise Beck, der Frauenministerin Frau Renate Schmidt und der Justizministerin Frau Brigitte Zypries erwarten wir, dass sie sich mit den Freiheitsrechten, die den Kern des Grundgesetzes ausmachen, auskennen und sich für deren Durchsetzung einsetzen. Bei der gegenwärtigen „Kopftuch-Debatte“ geht es nicht nur um eine Kleiderordnung. In Wirklichkeit befinden sich viele in Deutschland lebende Frauen in einem rechtsfreien Raum. Es gibt eine große Zahl hier lebender Frauen und Mädchen, für die das GG nicht zu gelten scheint und denen das GG keine Rechtssicherheit bietet. Was heißt das?

Diese Frauen dürfen nicht aus eigenem Willen das Haus verlassen, sei es, weil es ihnen als Ehefrauen von ihren Männern verboten wird oder weil sie von Menschenhändlern nach Deutschland verschleppt, zur Prostitution gezwungen und ansonsten versteckt, weil illegal gehalten werden.

Mädchen dürfen – veranlasst durch deren Eltern und Verwandte - sich auf der Straße nicht frei bewegen, in den Schulen nicht am Sportunterricht teilnehmen, nicht am Sexualkundeunterricht, nicht an Klassenfahrten. Sie dürfen keine Freizeitangebote wahrnehmen oder als Erwachsene nicht die zur Verfügung gestellten Integrationsangebote annehmen, z.B. Sprachkurse belegen.

Zu Hunderten werden sie allein in Berlin jährlich entführt und zwangsverheiratet. Das Beschneidungsverbot wird übertreten und praktisch nicht verfolgt.

Solange die RegierungsvertreterInnen trotz des Gleichheitsgebots im GG Art.3 Absatz 2(*siehe unten) nichts gegen diese Missstände und Verbrechen unternehmen, tolerieren sie die Verbrechen und erfüllen nicht ihren Gesetzesauftrag.

Deswegen machen wir jetzt folgenden, leicht umzusetzenden und billigen Vorschlag:

Alle Frauen und Männer, die aus Ländern kommen, in denen Männer gegenüber den Frauen rechtlich privilegiert sind und die ein Aufenthaltsrecht in Deutschland beantragen, unterschreiben ab sofort, dass sie Art.3 Abs.2 GG anerkennen. Damit anerkennen sie gleichzeitig, dass sie bei Verstößen ihr Aufenthaltsrecht verwirken. Sie unterschreiben zudem, was dieses Recht im einzelnen praktisch bedeutet: Sie nehmen zur Kenntnis und akzeptieren, dass Frauen gleichberechtigt sind, das Recht auf körperliche Unversehrtheit haben, im Rahmen der hier geltenden Chancen das Recht auf Bildung, das Recht, ab einem bestimmten Alter ihren Aufenthaltsort selbst bestimmen zu können. Die allgemeine Schulpflicht gilt auch ohne Einschränkungen für Mädchen und sie haben das Recht auf die Wahrnehmung von schulischen Freizeitveranstaltungen. Bei Verstößen oder Behinderungen haben die Mädchen das Recht auf professionelle Beratung und institutionelle Integrationshilfe.

Weiter erwarten wir von den BundesministerInnen einen Regierungsentwurf dazu, auf welche Weise für die in Deutschland lebenden und von den beschriebenen Problemen betroffenen Frauen das GG zur Geltung gebracht werden kann und wie mit denjenigen zu verfahren ist, die bereits ein Aufenthaltsrecht hier haben oder als Deutsche in den erwähnten Punkten gegen die FDGO verstoßen.


17. Dezember 2003

Halina Bendkowski, Agentin für Feminismus & Geschlechterdemokratie
Günter Langer, unterrichtet im Berlin-Kreuzberger Kiez, aktiver Gewerkschafter.
Helke Sander, Prof., Autorin und Regisseurin

(
*) "Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."

Aufgrund der bisherigen Diskussion fügen wir hinzu: 

Der Schutz des GG gilt nach Art.3 Abs.3 prinzipiell auch für alle anderen Minderheiten, wie Immigranten, Asylsuchende, Juden sowie Homosexuelle und sollte sowohl von der Mehrheitsgesellschaft wie von den Minderheiten als Minimum des zivilen Miteinanders anerkannt und durch den bürgerlichen Staat gesichert werden!
(*zurück)

 
Anmerkung Red. trend:

Die Ergänzung wurde am 22.2.2004, um 23:30 !!!! dazugefügt.

  • Mensch beachte, bei der CDU hieß es vor Jahren stattdessen Leitkultur.

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