Die Kolonisation Palästinas war zu Beginn kein Produkt des
Zionismus, sondern des französischen und später des britischen
Imperialismus. In der Anfangsphase ging die Auseinandersetzung um
die "jüdische Arbeit", d.h. um die Frage, ob arabische Arbeiter
ausgebeutet werden oder jüdische. Siegreich in dieser
Auseinandersetzung war der Zionismus, der die Vorherrschaft der
"jüdischen Arbeit" gegen die Ausbeuter arabischer Arbeitskraft - und
damit die Grundlage für die Vertreibung der Araber - mit Terror
durchsetzte. Der Zionismus sah die mögliche Aufhebung des
Intesemitismus nicht in revolutionären Prozessen in jenen Ländern,
in denen Juden lebten, sondern in der Schaffung eines starken
zionistischen Staates nach dem Muster der europäischen bürgerlichen
Demokratien.
Ausgangspunkt war die Akzeptierung des Rassismus als
unveränderlicher Teil einer fiktiven menschlichen Natur, die
Konsequenz die nationalistisdie Verbiegung des Problems zur
postulierten Notwendigkeit einer Heimstatt aller Juden, zum
rassistischen zionistischen Staat. Die endgültige Etablierung dieses
Staates konnte allerdings erst auf dem Hintergrund der Erfahrung
des
Faschismus (der Erhöhung der Zahl der Einwanderer und der
politischen Scheinlegitimierung eines Judenstaates) erfolgen.
Der Kapitalismus und Imperialismus durchziehende Rassismus, der
hier seinen Ausdruck in der ideologischen Rechtfertigung der
Ausbeutung als Entwicklungshilfe und in der Heranziehung von
Arbeitern aus der europäischen Peripherie als depraviertesten Teil
des Proletariats findet, ist in anderer Weise Grundpfeilter des
zioninistischen Staates. Dieser nämlich lebt
von dem Schein, daß
jeder Angriff auf diesen Staat identisch sei mit Antisemitismus und
so eine Fortsetzung der Verfolgung, die die Juden aus den
verschiedensten Gründen in den Ländern erfuhren, aus denen sie
flohen. Dieser Kurzschluß ist nur möglich, weil Israel selber ein
rassistischer Staat ist, und er scheint richtig, solange keine
relevanten Gruppen in Israel selbst ihren Rassismus überwinden. Die
spezifische Schwierigkeit der palästinensischen Revolution liegt in
der Tatsache, daß der Rassismus integrierender Teil eines Staates
mit einer sehr viel entwickelteren sozialen Struktur als die
Strukturen der umliegenden Länder ist und daß dadurch die
materiellen Vermittlungsebenen der palästinensischen und arabischen
Emanzipationsinteressen zu den Interessen der Klassen in Israel im
gegenwärtigen Entwicklungsstadium nicht angebbar sind. Zwar sagt Abu
lyad, Mitglied des ZK der Al-Fatah: "Wenn wir als Ziel unseres
Kampfes das Zusammenleben von Juden und Palästinensern in einem fortschrittlichen Palästina - nach
der Zerschlagung des Zionismus - erklären, dann bedeutet das, daß
wir auf der Seite eines jeden verfolgten und unterdrückten Juden
stehen, daß wir bereit sind, ihm ein Gewehr in die Hand zu geben und
gemeinsam mit ihm zu kämpfen." Außer auf der intellektuellen Ebene,
die den Zionismus als Rassismus und als Ideologie durchschauen kann,
ist die Interessenidentität von Teilen der israelischen Bevölkerung
und den palästinensischen Revolutionären jedoch noch nicht bestimmt
und dementsprechend sind bislang fast ausschließlich Intellektuelle
in der Lage, antizionistische Positionen innerhalb Israels zu
vertreten.
Die Juden in der Diaspora können Terroraktionen wie jene gegen
das Gemeindehaus in Berlin nur begreifen auf dem Hintergrund ihrer
Verfolgung und Vernichtung als Juden. Gewiß sind die jüdischen
Gemeinden auch Zentren der Finanzierung des zionistischen Staates,
für den ein immenser Kapitalfluß notwendig ist. Dennoch ist die
Identifizierung jüdischer Institutionen mit zionistischen Basen
selber eine rassistische, die den rassistischen Staat
stärkt und
nicht schwächt. Diese Identifikation wird bewußt von den
Propagandisten des Zionismus aufgebaut, nicht nur um jede Kritik am
Staate Israel als antisemitisch denunzieren zu können, sondern auch
um die durch die Barbarei des Faschismus erzeugten Schuldgefühle,
die in der BRD in einen positiven Rassismus in Gestalt des
Philosemitismus umgeschlagen sind, in eine emotionale
pro-israelische Stimmung umzukehren. Wer diesen Zusammenhang nicht
durch Aktionen und Aufklärung durchbricht, fällt der
palästinensischen Revolution in den Rücken, die den
kleinbürgerlichen Rassismus eines Shukeiry längst liquidiert hat.
Solche Aktionen liegen im Interesse der Konterrevolution, da sie der
zionistischen Projektion des eigenen Rassismus auf die
palästinensische Widerstandsbewegung und damit auch auf uns, die mit
dieser Bewegung solidarisch sind, Vorschub leisten. In der
derzeitigen Phase kommt es in der BRD auf Aktionen bei konkreten
zionistischen Propagandaveranstaltungen und auf ein Aufbrechen der
Scheinidentifikation von physischer Existenz der Juden mit der
Existenz eines zionistischen Staates an.
Das Bombenattentat, die Parolen an Mahnmalen der Opfer des
Faschismus und deren Begründung stellen objektiv eine
Provokation dar. Innerhalb der Bewegung müssen wir solche Aktionen
bekämpfen, wenn bei uns der Internationalismus nicht in einem
geschichtslosen Moralismus enden soll.
Die notwendige Kritik falscher
Ansichten innerhalb der Bewegung und daraus folgender Aktionen, die
wir nicht billigen, ist keine Rechtfertigung vor der bürgerlichen
Fresse, die aus Meinungsverschiedenheiten Kapital für ihre antisozialistischen Diffamierungskampagnen schlagen will. Wenn
diese Aktion zu einem Gegenstand der Klassenjustiz werden sollte,
dann müssen wir verdeutlichen, daß politische Fehler, auch wenn sie
der Bewegung schweren Schaden zufügen,
nichts an unserer prinzipiellen Solidarität gegenüber der
Klassenjustiz zu verändern vermögen.
Palästina-Komitee Frankfurt
Burkhard Bluem
Detlev Claussen
Daniel Cohn-Bendit
Ronny Loewy
Heiner
Roetz