Die Fahrt nach Ebrach war organisatorisch und politisch eine
Pleite. Die von der Münchner Rechtshilfe als perfekt dagestellte
Organisation eines Knastcamps hat sich als Betrug erwiesen, dem
immerhin eine Menge Genossen aus der BRD und
Westberlin aufgesessen sind. Weder Unterkunft noch Verpflegung war -
entgegen anderslautender Ankündigung vom Zentralen
Ermittlungsausschuß Westberlin unglücklicherweise ohne vorherige
Prüfung übernommen - vorher ausgehandelt
worden. Hasch war hingegen immer genügend vorhanden. Genossen waren
frustriert und Leute, die man oft Genossen nennt, kifften und
sonnten sich, ohne an politische Konzeption zu denken. Nachdem der
Haschischvorrat zur Neige gegangen war, ging
man teilweise zum "fixen" über. Skeptischen Genossen wurde die
sattsam bekannte und gleichsam undurchsichtige Argumentationsglocke
der "Bewußtselnserweiterungsideologie"
so lange über den Kopf gestülpt, bis sie - wie üblich
leider resignierend - schwiegen. Von den
kleinen Schweinereien am Rande soll hier
nicht die Rede sein. Die Argumentation wäre sonst im wesentlichen
persönlich und nicht politisch. Wir haben uns seit langem darum
bemüht, Einblick in die Ideologie "der Hascher" zu gewinnen. In
Gesprächen, in teilweise selbst vorgenommenen Experimenten. Was uns
allen auffiel, war, daß kein Ganoase politisch effektiv arbeitet,
wenn er "high" ist. Wir haben die Frage gestellt, ob Haschen zur
Befriedigung kollektiver oder lediglich individueller Bedürfnisse
dienen kann. Das Ergebnis war, daß stets festgestellt wurde, wie
sehr zwar Hasch zur Befriedigung individueller Bedürfnisse dient,
aber andererseits die politische Arbeit einschläft.
Niemand von uns bestreitet indes, daß
Haschischraucher mit zu den unterdrückten und stigmatisierten
Minderheiten dieser Gesellschaft gehören, daß Haschischgesetze dazu
dienen, Menschen weiterhin verwertbar zu halten im Sinne des Systems
des Konsumterrors, des leitungs- und Anpassungszwange. Von den
"Haschern" wurde das bislang nicht der linken Öffentlichkeit
vermittelt. Ein smoke-in mit etlichen -zig
Leuten ist noch lange nicht politisch. Warum eigentlich steht eine
Hundertschaft Polizisten zusammen mit dem R-Dezernat
tatenlos in der Gegend herum, wenn zweihundert Leute haschen? Doch
nicht weil sie sich nicht trauen, "abzuräumen"?
Hier sind doch schon andere Mengen zusammengeschlagen worden! Warum
sorgt denn die CIA in den sogenannten "Entwicklungsländern", in
denen die Revolution ständig vor der Tür
steht, so eifrig u. systematisch für
regelmäßigen Haschkonsum der linken Opposition?
Es gibt hier in Westberlin seit einiger Zeit einen "Zentralrat
der umherschweifenden Haschrebellen" (ZduH) . Er begreift sich als
"selbsternannter Repräsentant" der Hascher und versteht sich u.
diese dabei als "links". Was das heißt, wußte er bis heute nicht zu
artikulieren. Wie er sich zusammensetzt,
welche organisatorische Struktur und welches politische Konzept er
vertritt, ist unbekannt. Lediglich bei von ihm selbst organisierten
"smoke-lns" und einer nicht zustande gekommenen Demonstration vor
dem Haupteingang der Heilanstalt Wit-tenau trat er als
Organisationskomitee in die Öffentlichkeit. Der ZduH hat sich bis
heute politisch durch nichts ausgewiesen, es sei denn durch
Terroraktionen vor dem "Obdach" gegen Polizisten und Polizeiwagen
wobei er der linken Öffentlichkeit es schuldig blieb, zu vermitteln,
warum hier Polizisten angegriffen wurden. Wer
Steine wirft, ohne vermitteln zu können, aus welchen
Unterdrückungsmechanismen heraus er dazu gezwungen wird, offensiv zu
werden - und nur das währe eine politische
Legitimation zur Gewaltoffensive - und wer noch dazu
Verbalradikalismen wie "Berlin muß brennen, damit wir leben können"
also ebenfalls unvermittelte Parolen ausgibt, handelt unpolitisch
wenn nicht sogar unverantwortlich konterrevolutionär. Ale die
Basisgruppe Kreuzberg vor zwei Wochen in der Redaktionskonferenz von
"883" erschien u. versuchte, uns die
Schädlichkeit eines in "883"
veröffentlichten Haschartikels des ZduH mit üblen und zum Teil
primitiven Argumenten klarzulegen, daß dort individueller
Terror unvermittelt propagiert werde und der Unterdrückungsmechanismus
der nun mehr Obdachlosen nicht zum Ausdruck komme, hatten wir noch
keine konkreten Anhaltspunkte dafür, daß hier realer Schaden
entstanden sei. Anstatt uns aufzuklären, verließen sie demonstrativ
den Saal unter dem Beifall der anwesenden Kollektiv-Mitglieder der
"883". Vorher bestimmten sie. daß ab sofort der Verkauf von "883" in
der schwarzen Rose einzustellen sei, zogen nicht nur die kommerzielle
Anzeige zurück, sondern stempelten 883" auch
noch als faschistisch Blatt ab.
Seit Ebrach ist das anders. Hier war das politische Anliegen der
geplanten Aktion klar: Reinhard Wetter ist von der politischen
Justiz, welche in München bislang erheblich härter zuschlägt als in
Westberlin, mit einem der übelsten
Formaltricks ausgeschaltet und ins Gefängnis gebracht worden. Man
hat ihn zuerst nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt und erst in der
2. Instanz nach Jugendstrafrecht, so daß keine Möglichkeit der
Revision bleibt. Während er nun einsitzt, sind Bestrebungen im
Gange, die noch gegen ihn anhängigen Verfahren im Schnellgang
durchzuziehen, damit er gleich für längere Zeit als ohnehin
9 Monat drinbehalten werden kann.
Das hatte auch die Ebracher Dorfjugend
begriffen, als die Münchner Rechtshilfe vor Wochen zum ersten Mal
einen Besuch in Ebrach und Umgegend
abstattete. Damals hatten sich Dorfjugend und
alte Einwohner solidarisiert und sogar
mitgemacht. Diesmal nicht. In Bamberg war man den Ebrach-Fahrern
hinterher, als gelte es Hexen zu verbrennen. Ein Genosse
liegt mit Nierenbluten im Krankenhaus, seit Lokaljournaillen
zur Bürgerwehrbildung aufgerufen hatten.
Politisch passierte nichts. Außer daß eine Gerichtsverhandlung
gestört wurde, ausser einem go-in in einem verschlafenen Rathaus, in
dem zudem der falsche
Landrat saß, der nicht im geringsten etwas mit dem "allgemeinen
Zeitverbot" zu tun hatte. Die Frustration war da, Genossen
reisten bald ab, und 40 Leute verbrachten ein paar Stunden in
Gefängniszellen, angesichts eines verstörten Haftrichters, der sie
dann auch bald wieder laufen ließ. Sehr zu ihrem Ärger. Alles, auch
die Organisation blieb reaktiv. Die Frage der
Organisation jedoch ist keine Angelegenheit der Praxis allein, also
der spontanen Aktion von Gruppen, sondern im wesentlichen auch eine
Theorie. Die Theorie der Aktion innerhalb der Linken erfuhr ihre
praktische Negation durch die Nichtorganisation der als "rot"
proklamierten Knastwoche in Ebrach. Einerseits verließ man sich auf
die politischen Genossen, die zwar aufgerufen
hatten, aber nur als Spurenelement in Ebrach
zu finden waren, andererseits war man aber bemüht» bei deren
Ausfall für Ersatz zu sorgen. Die letzliche
Organisation der Knastwoche lag erkennbar
nicht mehr bei denen, die aufgerufen hatten (Münchner Rechtshilfe,
Ermittlungsausschuß), sondern bei denen, die nicht begriffen haben,
daß die Organisation derartiger Aktionen abhängig gemacht wurde, von
den Voyeuren der Linken, d.h. von den
Unrtergroundvoyeuren politischer Vorgänge
überhaupt, und wenn das Gegenteil der Fall
war, d.h. wenn Genossen Hasch ausgewichen
sind, dann ist aus mangelnder politischer Motivation die rote
Knastwoche zu einer braungrünen Haschwoche
geworden. Die Praxis hätte also durchaus
organisatorisch bewältigt werten können; da
aber die Theorie über diese Aktionen
theoretische völlig unvorbereitet waren (was
eben Motivation und deren Erkenntnis
einschließt); konnte sich in Ebrach unter der Scheinkulisse "links"
tummeln, wer wollte. Eben auch jene Gruppe, welche
sich seit einiger Zeit als selbsternannter politischer
Repräsentant der Hasch-Konsumenten bezeichnet, bis heute jedoch
nicht anderes getan hat, als objektiv die Funktion eines Sprachrohrs
kleinkapitalistischer "Dealer" zu erfüllen. Fünf Pfund "Stoff"
wurden gespendet, damit das Bewußtsein der Genossen sich gebührend
erweiterte. Wie das allenthalben aussieht,
wenn es an politischer Arbeit geht ist hinlänglich
bekannt. Nach drei Tagen wurde dann auch
Nachschub gebraucht, vielleicht auch gebraut.
Der Mißerfolg von Ebrach jedenfalls geht
auf das Konto der Haschrebellen
und Buwußtseinsideologen. Das sollte endlich den klarwerden, die
immer noch Underground mit revolutionärem
Potential verwechseln. Damit hat der
Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen
vorläufig jeden Anspruch verwirkt, mit
Krediten von "Links" bedacht zu werden.
Vielmehr wird es an der Zeit, daß Ihn die arbeitenden Gruppen
auffordern, politisches Konzept
und politischen Nachweis zu erbringen und Ihm klar zu machen,
nicht meinen zu können, nach zwei mal
öffentlich Haschen habe man sich die Eintrittskarte! in die Linke
Bewegung erschlichen und könne dort unter dem Mantel des
"revolutionären undergrounds"
weiterhin unbewusst kapitalistische Konsumsideologie
reproduzieren, ohne sich dafür verantworten
zu müssen.
Politische Aktion innerhalb der Linken heißt nicht, in
Voyeurismus zu verharren und Ebrach-reaktiv
zu bleiben, sondern heiß aktiv und offensiv
den Kampf gegen die Institutionen zu führen. Als
Alternative zur Knastwoche, die im Kiff
erstank, wird der Sternmarsch zur U-Haftanstalt in Moabit am Freitag
diesen Kriterien gerecht werden. Bundeswehrdeserteure, die sich in
Westberlin stellen, handeln offensiv. Ebenso
die Genossen, welche am Freitag einen Menschenraub verhindern
wollen, der von der politischen Justiz geplant ist.
Redaktionskollektiv "883 "