B. Schmid: "Gelbwesten-Chronik"

Bewegung vor entscheidender Kraftprobe?
Gewerkschaften positionieren sich neu gegenüber der Protestbewegung

Bericht vom 07. Dezember 2018

Der Charakter der Auseinandersetzung ändert sich – Teile der Gewerkschaften klinken sich verstärkt ein; hingegen fällten die großen Dachverbände am Donnerstag, den 06. 12. 18 einen Beschluss, der vor allem ins Vorzimmer der Regierung führen soll – Oberschüler/innen/protest flammt auf, und die Bilder der polizeilichen Reaktionen sorgen für breite Empörung – Die Regierung (und Andere) dramatisieren das nächste Mobilisierungsdatum am Samstag, den 08.12.18, wohl im Hoffen auf einen mehr oder minder spektakulären Show-down.

In Frankreich spitzen sich die Dinge zu, denn in diesen Tagen entscheidet sich, ob der Protest der „Gelben Westen“ abflauen oder aber aufrechterhalten bleiben wird. Dem kommenden Samstag, den 08. Dezember könnte dafür entscheidende Bedeutung zukommen. Zugleich kamen die Dinge auf Gewerkschaftsseite nun reichlich in Bewegung, so dass sich einige Fronten verschoben haben und sich dadurch auch der Charakter der Proteste z.T. zu wandeln begann.

Neue Protestfront: Oberschulen (und Universitäten)

Als aktuelles Ereignis, das durch die „Gelbe Westen“-Proteste dezidiert mit beflügelt wird, flammen seit Anfang dieser Woche frankreichweit massive Oberschüler/innen-Proteste auf. (Vgl. bspw. http://www.lavoixdunord.fr/5 ) Diese wurden durch die Wahrnehmung der „Gelbe Westen“-Bewegung mit beflügelt. Inhaltlich werfen sie eigene Forderungen und Anliegen auf; nach den vorläufig gescheiterten Protesten im Frühjahr 2018 (damals eher an Universitäten an den Oberschulen selbst, wir berichteten ausführlich) handelt es u.a. um einen neuen Anlauf, um gegen die Einschränkung des Zugangs zu Hochschulen nach dem Abitur durch das System Parcoursup (Abkürzung für „Laufbahn im höheren Bildungswesen“) zu protestieren. Dieses wird erstmals im laufenden Schul- und Universitätsjahr 2018/19 angewendet.

Gegenstand der Proteste ist aber auch die soeben angekündigte Versechszehnfachung – von bislang knapp unter 200 Euro, auf künftig über 2.700 Euro jährlich – von Einschreibgebühren für ausländische Studierende. (Vgl. https://actu.orange.fr/) Dagegen rührt sich an manchen Universitätsstandorten (vgl. http://www.lefigaro.fr/) nun Protest, die Abschaffung dieser diskriminierenden Maßnahme ist aber auch Gegenstand des Oberschüler/innen/protests.

Dem Regierungslager geht es vor allem darum, die Zusammensetzung der in Frankreich lernenden ausländischen Studierendenschaft zu verändern – weniger Studierende aus früheren Kolonien Frankreichs etwa in Afrika, verstärkte Anwerbung von Kindern chinesischer und indischer Kapitaleliten. Kalt erwischt werden dabei vor allem jene ausländischen Studierenden, die bereits in Frankreich eingetroffen sind und dort ihre Universitätslaufbahn begonnen haben.

Dieser Oberschüler/innen/protest führte zu heftigen polizeilichen Reaktionen, welche ihrerseits spektakuläre Bilder produzierten. Über 700 Oberschüler/innen wurden allein an diesem Donnerstag, 06. Dezember frankreichweit festgenommen. ( Vgl. https://actu.orange.fr/) An mehreren Orten, in Pariser Banlieues aber auch etwa im Raum Grenoble, wurden Teilnehmer/innen am Oberschüler/innen/protest mit flash ball-Munition (eine Art Hartgummigeschoss) am Kopf oder im Gesicht verletzt; vgl. http://canempechepasnicolas.over-blog.com/ Insbesondere aber sorgte ein Video für Aufsehen, das 148 Festgenommene von einer Schule in der rund 35 Kilometer westlich von Paris gelegenen Trabantenstadt Mantes-la-Jolie zeigt ( vgl. https://actu.fr/ und https://www.bfmtv.coml oder https://www.bfmtv.com/mediaplayer/ sowie https://actu.orange.fr); manche Beobachter/innen fühlten sich dabei an Bilder aus einem militärisch besetzten Land erinnert. Auf einem der Videos hört man eine Stimme den zynisch wirkenden Kommentar sprechen: „Hier hätte wir eine Klasse, die ruhig gestellt ist!“ Selbst der amtierende Bildungsminister Emmanuel Macrons, der aus der politischen (konservativen) Rechten kommende und eher reaktionäre Jean-Michel Blanquer, erklärte sich ob der Bilder „schockiert“. (Vgl. http://www.lefigaro.fr ) Das Innenministerium kündigte daraufhin am Freitag früh eine Untersuchung und die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse an. Vgl. https://www.francetvinfo.fr/

Dieser aktuelle Kontext befeuert notwendig die Protestneigung in Teilen der französischen Gesellschaft noch zusätzlich.

Gewerkschaftliche Beschlüsse

Am Vormittag des gestrigen Donnerstag, den 06. Dezember 18 versammelten sich die etablierten Gewerkschaftsverbände am Sitz der CFDT, also des (je nach variierenden Angaben) größten oder zweitgrößten Dachverbands, rechtssozialdemokratisch geleitet. Dort verabschiedeten sie eine gemeinsame Erklärung, die mutmaßlich stark durch die gastgebende CFDT inspiriert wurde. ( Vgl. ihren Text: http://canempechepasnicolas.over-blog.com ) Darin heißt es, die aktuelle Protestbewegung drücke bislang „einen legitimen Zorn“ aus. Doch glücklicherweise, fährt die Erklärung fort, habe die amtierende Regierung ja nun „eine Öffnung zum Dialog“ erkennen lassen. Deswegen wolle man nun verhandeln gehen. (Gezeichnet: CGT, FO, CFDT, CFTC – christlicher Gewerkschaftsdachverband -, CFE-CGC – Angestelltengewerkschaft -, UNSA.)

Ansonsten ist zu lesen, man verurteile „alle Formen von Gewalt, mit denen die Forderungen zum Ausdruck gebracht werden“; eine Formulierung, die eine Verurteilung auch polizeilicher Gewalt anscheinend ausschließt. (Zur Letztgenannten vgl. u.a. dieses spektakuläre Video, das derzeit in Frankreich und vielleicht auch darüber hinaus breit gestreut wird: https://www.gentside.com) Von Inhalten ist hingegen eher wenig die Rede, an dieser Stelle wird lediglich darauf verwiesen, jeder Verband werde sich „mit seinen eigenen Forderungen und Vorschlägen“ einbringen. Vielleicht hätte man ja auch ein paar Vorderungen und Forschläge, hmhmm, an zentraler Stelle näher benennen können (auch wenn zumindest Themenbereiche benannt werden: „Kaufkraft, Löhne, Wohnung, Transportmittel, Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, Steuerpolitik“).

Richtig wäre es wohl gewesen, die Sache ziemlich genau anders herum aufzuzäumen:

  • zwischen richtigen respektive progressiven Inhalten in der Bewegung (an jenen Stellen, wo sie eher Einkommensungleichheiten statt eine isolierte Steuer aufgreift und kritisiert) und eher reaktionären Elementen (etwa mittelständisch geprägten „Anti-Steuer-Rebellen“) zu unterscheiden;

  • die Repression zu verurteilen, ohne natürlich notwendig alle einzelnen Aktionen aus der heterogenen Bewegung heraus gutzuheißen;

  • und zu versuchen, auf eigenen inhaltlichen Grundlage eine Richtung in die Proteste zu bringen bzw. innerhalb der Protestbewegung zu stärken.

Auf diese Erklärung der etablierten Dachverbände reagierte der Gewerkschaftszusammenschluss Solidaires – zu ihm zählen v.a. die seit 1989 entstandenen, linken oder linksalternativen Basisgewerkschaften vom Typ SUD - umgehend mit einer eigenen. ( Vgl. https://solidaires.org/) Bei Solidaires (Eigenname im Plural) handelt es sich in gewisser Weise um den inhaltlich linkesten Gewerkschaftszusammenschluss in Frankreich; der Ausdruck „Dachverband“ erschiene nicht ganz angemessen (denn der Zusammenschluss ist relativ locker, es herrscht Einstimmigkeitsprinzip zwischen den einzelnen Mitgliedsgewerkschaften bei wichtigen Beschlüssen, und es gibt keinen bürokratisierten Hauptamtlichen-Apparat).

In ihrer Erklärung kritisieren Solidaires die problematischen Punkte in jener der etablierten Dachverbände („Es ist nicht möglich, es als vordringlich zu erachten, nichts zu tun; sich in ihren Augen vermeintlich durch die Regierung eröffnete Verhandlungen zu begeben; allein/ausschließlich ‚die Gewalt in den Ausdrucksformen der Forderungen‘ zu verurteilen“). Daraufhin stellen sie konkrete Aktionsvorschläge auf; sie fordern die übrigen Gewerkschaften dazu auf, eine Initiative für einen eintägigen Generalstreik für bessere Einkommen und verbesserte soziale Rechte zu ergreifen und umzusetzen. Insbesondere jedoch rufen sie konkret dazu auf, am kommenden Samstag, den 08. Dezember 18 auf die Straße zu gehen. Bemerkenswert darin ist, dass Solidaires dazu aufrufen, eine Verbindung zwischen der an jenem Tag um 14 Uhr aufgerufenen Demonstration für Klimaschutz und jener der sozioökonomischen Protestbewegung herzustellen. Also eben keine Mobilisierung für die Bleifußfraktion.

Jene Demonstration für Klimaschutz (in Zusammenhang mit der derzeit stattfindenden COP24-Klimakonferenz im polnischen Katowice) war seit längerem geplant. Emmanuel Macrons Innenminister Christophe Castaner forderte vor wenigen Tagen ihre Absage aufgrund der erwarteten Proteste in „gelben Westen“ und des geplante gigantischen Polizeieinsatzes in diesem Zusammenhang, doch hielten die Veranstalter/innen an ihrem Vorhaben fest. ( Vgl. bspw. https://www.20minutes.fr ) Allerdings musste ihr Auftaktort vom Trocadéro – oder Platz der Menschenrechte -, da zu sehr in der Nähe der Champs-Elysées liegend, auf die place de la Nation am anderen Ende von Paris verlegt werden. Die Solidaires-Aktiven werden nun dazu aufgefordert, sich zu Beginn der dortigen Demonstration zusammenzufinden, um in Auswertung der konkreten Situation zu diesem Zeitpunkt über weitere Schritte zu beraten.

Kurz zuvor rief am Mittwoch, den 05. Dezember 18 bereits eine Branchengewerkschaf von Solidaires, die linksalternative Basisgewerkschaft SUD Rail im Schienenverkehr, faktisch explizit zur Unterstützung der derzeitigen Proteste – mit progressiven Inhalten - auf. ( http://m.leparisien.f) Von ihrer Seite wird ferner dazu aufgerufen, am Protest Teilnahmewillige am kommenden Samstag kostenlos in den Zügen zu befördern. ( https://actu.fr/ ) Das gilt zwar grundsätzlich als illegal, da seit einem Urteil des Obersten Gerichtshof von 1989 das Nichtkontrollieren von Fahrkarten durch – an ihren Arbeitsplätzen befindliche – Bahnbedienstete (Schaffner/innen) nicht als rechtmäßige Ausübung des Streikrechts anerkannt wird; in der konkreten Praxis ist es hingegen vorwiegend eine Frage des realen Kräfteverhältnisses…

Auch die linke, ökologischen Themen ebenfalls aufgeschlossene Agrargewerkschaft Confédération paysanne ruft nunmehr ebenfalls zur Teilnahme an Straßenprotesten am Samstag, den 08. Dezember mit auf. (Vgl. ihre Erklärung : http://danactu-resistance.over-blog.co )

Innerhalb der CGT nimmt ebenfalls die Anzahl von Mitgliedsstrukturen, die sich in die Proteste einklinken, zu. ( Vgl. bspw. auf örtlicher Ebene: http://canempechepasnicolas.over-blog.com/ ; und auf Branchenebene in der Chemieindustrie: http://canempechepasnicolas.over-blog.com/2018/12/ - Anmerkung: Die Webseite, von der diese Aufrufe hier dokumentiert werden, ist eine Publikation neostalinistischer Tendenz, mit einem gewissen Faible für „geopolitische“ Schnittmuster, die zu einer tendenziellen Unterstützung für das russische und das chinesische Regime führen. Raum für Kritik an ihren Urhebern gäbe es also an anderer Stelle genug. Im Spektrum rund um die französische KP und die CGT zählte diese Webseite von Anfang an zu den Unterstützer/inne/n einer positiven Wahrnehmung der „Gelben Weste“; auch in der Anfangsphase, als die progressiven Bezüge zu der Bewegung noch nicht so deutlich waren wie in der jetzigen Situation.)

Mehrere Branchenverbände der CGT rufen unterdessen zwar vor allem zur Organisierung des CGT-eigenen Aktionstag am Freitag, den 14. Dezember 18 – wir berichteten – auf, erklären jedoch zugleich, die Herstellung von Kontakten zu den „Gelben Westen“ (deren „Unabhängigkeit“ man „respektieren“) zu wünschen. Vgl. dazu http://canempechepasnicolas.over-blog.com/

Regierungslager wirkt konfus; doch Macron‘sches „Basta“ zur Vermögensbesteuerung (Njet No Nein Non!)

Das Regierungslager unter Präsident Emmanuel Macron und seinem Premierminister geben den Eindruck eines gewissen panischen und unkoordinierten Nachgebens bei einzelnen Aspekten, um andere Punkte ihres Programms notdürftig zu retten.

Im Laufe der Woche gab es dort zunächst einiges verwirrende Hin & Her rund um die Frage, ob die ab dem 1. Januar 19 geplante Spritsteuererhöhung nun vorübergehend ausgesetzt ( http://www.leparisien.fr/ ) sei – wie es zunächst von Regierungsseite her hieß, wo die Verschiebung als „Moratorium“ bezeichnet wurde ( https://www.20minutes.fr/) – oder doch aufgehoben. Am Mittwoch Abend entschied sich dann der Elysée-Palast, also das präsidiale Machtzentrum in Frankreich, für die zweitgenannte Sprachregelung: Die Spritsteuer-Anhebung sei „abgeschafft“. Bei genauerem Lesen oder Hinhören ist dann wiederum von „abgeschafft für 2019“ ( https://www.bfmtv.com/ ) die Rede, also für das kommende Haushaltjahr, in dessen Staatshaushalt die geplante Erhöhung nicht eingeplant ist. Dies entspricht zunächst einem Ausfall von zwei Milliarden Euro an geplanten Einnahmen. Für die darauffolgenden Jahre gibt es natürlich noch keine Haushaltsgesetze.

Unter dem Druck der Proteste zeichnen sich allerdings auch an anderer Stelle im Regierungslager zunehmende Risse ab. Mehrere Regierungsmitglieder, unter ihnen Frauenministerin Marlène Schiappa, haben zu erkennen gegeben ( https://www.bfmtv.com/), sie seien nicht gegen eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer (ISF), welche Emmanuel Macron 2017 – sehr zu Anfang seiner Regierungszeit – kippte, was dem Staat vier Milliarden Euro Einnahmen von Reichen und Superreichen entgehen ließ. Dafür wurde die Ministerin jedoch durch Macron in ziemlich scharfer Form zur Ordnung gerufen. ( http://video.lefigaro.fr ) Im Sinne dessen, was in Deutschland zu Gerhard Schröders Regierungszeit als „Bastapolitik“ bezeichnet wurde, sprach Macron am Kabinettstisch und schloss jegliche Wiedereinführung der Vermögensabgabe aus. (https://www.lesinrocks.com )

Mobilisierung für den Angstzustand

Unterdessen versucht die Regierungsspitze, die Wahrnehmung der Ereignisse zu dramatisieren: Aus dem Elysée-Palast verlautbarte, man rechne für Samstag, den 08. Dezember mit der Anreise von „Tausenden Personen, die kommen, um kaputtzuschlagen und zu töten“ sowie mit „großer Gewalt“ ( https://www.francetvinfo.fr/ ). Die Sache mit der behaupteten Tötungsabsicht ist in den Augen von Vielen wohl doch allzu starker Tobak.

Auch an anderer Stelle wird reichlich dramatisiert. So wollte der seit kurzem amtierende französische Innenminister Christophe Castaner am Sonntag Abend nicht ausgeschlossen wissen, dass der - infolge der Attentate vom Bataclan und an anderen Orten verhängte, und von November 2015 bis zum 31. Oktober 2017 landesweit geltende - Ausnahmezustand erneut verhängt werde. Diesbezüglich wollte er zunächst „keine Tabus“ in der Diskussion gelten lassen (https://actu.orange.fr/ ). Am Montag früh schien diese Option jedoch, laut seinem Innen-Staatssekretär Christophe Nuñez, wieder vom Tisch. ( https://actu.orange.fr )

Am Samstag, den 08. Dezember d.J. will die Staatsmacht nun laut letzten Ankündigungen vom Donnerstag stattliche 89.000 Polizisten mobilisieren – frankreichweit, darunter 8.000 allein in Paris, u.a. mit zwölf Panzerfahrzeugen. (Vgl. https://www.lci.fr/ und http://www.leparisien.fr/f sowie http://www.lefigaro.fr/) Auch die, (anders als die, dem Innenministerium unterstellte Polizei) ihrerseits dem Verteidigungsministerium unterstehende Gendarmerie soll mit außerordentlichen Kräften mobilisiert werden; vgl. https://actu.orange.fr/

(Auch wenn man sich vor einigen nunmehr die Runde machenden Gerüchten hüten sollte; so behaupten Informationen, es solle mittels Scharfschützen auf den Dächern potenziell auf die Protestierenden geschossen werden. Auf Bildern ist tatsächlich auch die Präsenz mindestens eines Scharfschützen in Paris am vorigen Samstag, den 1. Dezember 18 belegt. Vgl. u.a. https://www.ouest-france.fr/ Allerdings sind solche Spezialisten jedenfalls nach bestehenden Einsatzregeln dafür im Einsatz, im Falle etwa terroristischer Angriffe auf die Menge diese abzuwehren – vor dem ersten Protesttag am 17. November 18 hatten, laut Ermittlern jedenfalls, zwei jihadistische Schwachköpfe in Südostfrankreich tatsächlich auf die Protestierenden zielen wollen. Vgl. dazu https://www.ladepeche.fr/ Gut, sicherlich kann dies in bestimmten Situation de facto auch eskalationsträchtig werden… Und ferner kursieren Bilder, auf denen man Zivilisten mit gelben Westen aus oder in Polizeiwagen klettern sieht, verbunden mit der Behauptung, mehr oder minder alle Sachschäden seien auf eingeschleuste Agents provocateurs zurückzuführen. In Wirklichkeit handelt es sich hier jedoch wohl eher um Mitglieder von besonderen Festnahmeeinheiten, die als Greiftrupps an den Hot-spots im Handgemenge tätig werden. )

Der konservative Oppositionsführer Laurent Wauquiez – selbst ein Gegner der Spritsteuererhöhung - seinerseits forderte von der Regierung, „den Ausnahmezustand für einige Tage einzuführen“ ( https://www.europe1.fr/ ). Solche Vorschläge scheinen sogar relativ populär, denn wenn die Bevölkerung auch laut Meinungsumfragen mehrheitlich die Anliegen der Protestierenden unterstützt, so ist zugleich auch eine knappe Mehrheit ebenfalls für einen Ausnahmezustand auf Zeit. ( http://www.lefigaro.fr/ )

In Nordostfrankreich sprach der zuständige Präfekt (juristische Vertreter der Staatsmacht ) mittlerweile Versammlungsverbote für kommenden Samstag aus; vgl. http://www.lefigaro.fr/

. In mehreren Städten über Paris hinaus – wie etwa in Bordeaux und anderswo – werden an diesem Samstag Museen geschlossene, unter freiem Himmel aufgezeichnete TV-Sendungen wurden abgesagt bzw. in geschlossenr Räume verlagert (wie die wohltätigen Zwecken gewidmete Show Le téléthon), Fußballspiele wurden verschoben…

Innerhalb der Polizei selbst, wo es von Anfang, ähnlich wie in den bürgerlichen Medien, auch spürbare Sympathien für die Protestbewegung gegeben hat ( vgl. https://www.lemonde.fr/), werden nun die Verwaltungsdienste ab kommenden Samstag zum „unbefristeten Streik“ aufgerufen. (http://www.cestlagreve.fr/ ) Die zum „unbefristeten Streik in der Polizei“ aufrufende Gewerkschaft hat allerdings einen minoritären Charakter, ist also keine mehrheitsfähige Berufsorganisation (vgl. https://actu.orange.fr/). Zugleich zeigen sich viele Polizeibedienstete durch die vergangenen Einsätze und die damit verbundenen Stresssituationen öffentlich ziemlich erledigt; vgl. bspw. https://actu.orange.fr/

Daneben fordert aber auch eine Polizeigewerkschaft, angesichts der heftigen Auseinandersetzungen am 1. Dezember rund um die Champs-Elysées, eine Verstärkung der Polizeikräfte durch die Armee… ( https://www.valeursactuelles.com/ )

Aber auch andere Akteure dramatisieren die bevorstehende Ereignisse. Unter ihnen der LKW-Fahrer Eric Drouet, inzwischen einer der Prominenten der „Gelbe Westen“-Bewegng. Derzeit kündigt er – reichlich breitbeinig und großsprecherisch – an, am kommenden Samstag gehe es darum, in den Elysée-Palast einzudringen – was in gewisser Weise die oben beschriebene Dramatisierung noch befördert. ( https://www.huffingtonpost.fr) Doch was, wenn dieses, gelinde ausgedrückt, ziemlich hochgesteckte Ziel nicht erreicht wird? Legt man die Eskalationsschwelle so hoch an, droht man eventuell (je nach konkreter Lage natürlich), im Endeffekt sein eigenes Scheitern in Szene zu setzen…

Möglicherweise wird also ab dem Samstag Nachmittag ein Show-down einsetzen (oder wird dies jedenfalls von offizieller Seite angestrebt werden), falls das Ausmaß oder der spektakuläre Charakter des Geschehens dann doch hinter manchen, im Vorfeld geschürzten Erwartungen zurückbleiben sollten.

Zusatz (zur institutionellen Ebene)

Auf parlamentarischer Ebene haben die etablierten Linksparteien – Sozialdemokratie, Französische KP, die Wahlplattform LFI („Das unbeugsame Frankreich“) von Jean-Luc Mélenchon – für kommenden Montag einen Missantrauensantrag gegen die Regierung angekündigt. ( https://www.lemonde.fr/ ) Aufgrund der bestehenden parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse werden sie diese jedoch, mit der Zahl ihrer bestehenden Sitze, nicht stürzen können.