Gustav Adolf
Ein Fürstenspiegel zu Lehr und Nutzen der deutschen Arbeiter

von Franz Mehring (1908)

4. Der Dreißigjährige Krieg

In den österreichischen Erblanden hatte sich eine ähnliche Entwicklung vollzogen wie im Deutschen Reiche. Adel und Städte kämpften unter protestantischem Banner gegen die monarchische Gewalt, die an die katholische Kirche gekettet war. Wie sich in den Niederlanden sieben rebellische Provinzen gegen die spanische Linie des Hauses Habsburg erhoben, so erhoben sich sieben rebellische Provinzen gegen die österreichische Linie dieses Hauses: Böhmen, Mähren, Schlesien, Ober- und Niederlausitz, Ober- und Niederösterreich. Aber auch hier feierte die jesuitische Restauration glänzende Triumphe. Die österreichischen Erblande schützten das europäische Abendland vor den Angriffen der Türken; zerfielen sie, sei es durch innere Zwistigkeiten des Herrscherhauses, sei es durch die Rebellionen der einzelnen Länder und ihrer Stände – und aus beiden Ursachen standen sie im Anfange des siebzehnten Jahrhunderts dicht vor dem Zerfalle –, so drohte ein ungeheurer Zusammensturz. In diesem Verhältnis wurzelten die großen Erfolge, welche die Jesuiten in den österreichischen Erblanden errangen. Ihr fanatisierter Zögling, der Erzherzog Ferdinand von Steiermark, in seiner Art ein ganzer Mann wie der bayerische Herzog Max, stellte die Einheit des Herrscherhauses, das enge Bündnis mit der spanischen Linie der Habsburger wieder her; für ihn gab es keine Vermittlung mit den meuternden Provinzen; er kannte nur die eine Politik, sie in der Einheit des katholischen Glaubens zu bändigen. Trotz seiner wohlbekannten Gesinnungen wurde er auch von den protestantischen Kurfürsten zum deutschen Kaiser gewählt; die habsburgische Macht schickte sich noch einmal an, die ihr schon halb entfallenen Zügel der Weltherrschaft zu ergreifen.

In dem alten Hussitenlande Böhmen kam es zur ersten Entscheidung der Waffen. Die böhmischen Stände hatten Ferdinand wegen seiner katholischen Restaurationsversuche der Krone für verlustig erklärt und den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, einen fahrigen Hans in allen Gassen, zum Könige gewählt, in der Hoffnung, dadurch den Beistand der Union zu erhalten. Aber die Union erwies sich als völlig unfähig zum Handeln. In einem Vertrage, den sie mit der Liga in Ulm schloss, verpflichtete sie sich, von jeder Einmischung in die böhmischen Händel abzusehen; sie erklärte, dass sie den Pfälzer nur zu unterstützen verpflichtet sei, falls er in seinen Erblanden angegriffen werden sollte. Wie sehr sie sich dabei übertölpeln ließ, geht schon aus der Tatsache hervor, dass Herzog Max von Bayern als Haupt der Liga gleichzeitig mit dem Kaiser verhandelte und sich von diesem als Preis für die Bundesgenossenschaft der Liga – neben der Verpfändung österreichischer Besitzungen – die pfälzische Kurwürde und die Oberpfalz versprechen ließ. Bei aller Frömmigkeit standen auch dem bayerischen Herzoge seine dynastischen Interessen obenan, und am wenigsten dachte er daran, den Kaiser um dessen schöner Augen oder gar um der kaiserlichen Gewalt willen aus der Patsche zu helfen.

Er ließ deshalb zunächst den Grafen Tilly, einen wallonischen Söldnergeneral, den er in seine Dienste genommen hatte, mit 30.000 Mann die österreichische Grenze überschreiten, um sich seinen vertragsmäßigen Pfandbesitz zu sichern, und dann erst nach Böhmen einrücken, um durch die Vertreibung des neugebackenen Königs sich die pfälzische Kurwürde und die Oberpfalz zu erwerben. Am 8. November 1620 kam es am Weißen Berge, vor den Toren Prags, zur entscheidenden Schlacht, in der Tilly mit leichter Mühe siegte. Der Kurfürst floh und ließ auch seine Erblande im Stich, um sich nach Holland zu retten. Böhmen fiel durch diesen einen Schlag wieder in die Hand des Kaisers, der es nun erbarmungslos einer blutigen politischen und religiösen Restauration unterwarf. „Zu Hunderten wurden die Häupter des böhmischen Adels und des protestantischen Bürgertums in Prag hingerichtet, der größte Teil ihres Grundbesitzes konfisziert und um Spottgelder an adlige kaiserliche Parteigänger der verschiedensten Nationalitäten verschachert. Deutsche, spanische, italienische, französische und schottische Günstlinge des Kaisers teilten untereinander die reiche Beute auf, und die Namensliste der Feudalherren, die noch heute in Böhmen Thron und Altar schützen, gleicht einer Musterkarte aller Nationen." (Hugo Schulz.)

Der Kriegsbrand wäre nun aber ausgetreten gewesen, wenn die Bundesgenossen des Kaisers nicht ihren Lohn aus der Hinterlassenschaft des landesflüchtigen und vom Kaiser geächteten Kurfürsten von der Pfalz verlangt hätten. Die Spanier sandten Truppen nach der Kurpfalz, die ihnen trefflich zwischen ihren deutschen Besitzungen gelegen war, während der bayerische Herzog als Haupt der Liga die pfälzische Kurwürde und die Oberpfalz beanspruchte. Ging Ferdinand darauf ein, so zahlte er als deutscher Kaiser die Schulden, die er als böhmischer König gemacht hatte. Schon die Acht, die er eigenmächtig über den flüchtigen Kurfürsten verhängt hatte, war nach bestehendem Reichsrechte an die Zustimmung der Kurfürsten gebunden; verfügte er nun gar aus kaiserlicher Machtvollkommenheit über die pfälzischen Besitzungen, so legte er die Axt an die Wurzeln der fürstlichen Souveränität. Dabei war auch nicht zu übersehen, dass mit der Übertragung der pfälzischen Kur an Bayern das konfessionelle Gleichgewicht im Kurfürstenrate gänzlich verschoben wurde; es standen dann nur noch zwei protestantische (Brandenburg, Sachsen) gegen vier katholische Stimmen (Bayern, Mainz, Trier, Köln); die siebente Kur gehörte dem Kaiser als Könige von Böhmen. Trotz so dringender Anlässe waren die protestantischen Fürsten viel zu feige, viel zu eigen- und ränkesüchtig, um geschlossen für ihr eigenstes Interesse einzutreten. Nur einige kleine Bandenführer, wie der Graf Mansfeld und Christian von Braunschweig, spielten die Ritter des flüchtigen Kurfürsten, aber weniger, um seine Länder zu schützen, als um in den geistlichen Gebieten zu rauben und zu plündern. Tilly warf ihre Haufen ohne große Mühe auseinander, und im Jahre 1623 übertrug der Kaiser auf einem Reichstage in Regensburg die pfälzische Kurwürde an den Herzog von Bayern – unter ohnmächtigem Proteste des brandenburgischen und des sächsischen Kurfürsten.

Damit waren nun aber die europäischen Mächte mobil gemacht. Das Haus Habsburg hatte eine Höhe der Macht erreicht wie zur Zeit Karls V.; mit der Übertragung einer protestantischen Kur auf einen katholischen Fürsten hatte Kaiser Ferdinand sogar mehr gewagt als sein Ahnherr nach der Schlacht von Mühlberg; Spanien setzte sich in der Kurpfalz fest und erneuerte die Feindseligkeiten gegen Holland. Ein europäischer Widerstoß gegen den österreichisch-spanischen Vorstoß war unvermeidlich. In Frankreich kam eben Richelieu zur Macht, doch banden die inneren Wirren seine Hände noch in der europäischen Politik. So übernahmen England und Holland die Führung. Sie schlossen ein Schutz- und Trutzbündnis zum Seekriege gegen Spanien und unterstützten den König von Dänemark mit Geldmitteln, um an der Elbe und Weser ein stattliches Heer aufzustellen als Sammel- und Stützpunkt für die protestantischen Fürsten in Deutschland. In loserem Verhältnis erstreckte sich die antihabsburgische Koalition bis auf die Türkei, die ihrem Vasallen Bethlen Gabor von Siebenbürgen, einem sehr frommen Lutheraner, der Kirchenlieder dichtete und die Bibel nicht weniger als sechsundzwanzigmal durchlas, die Erlaubnis erteilte, in die österreichischen Erblande einzufallen. Auf der anderen Seite war nun aber der Kaiser stark genug, eine eigene Kriegsmacht aufzustellen; er nahm das Anerbieten des böhmischen Magnaten Albrecht Wallenstein an, ihm ein großes Heer zu werben, und Wallenstein löste seine Aufgabe noch weit über sein Versprechen. Im Jahre 1625 begann der niedersächsisch-dänische Krieg, nach den Kriegen um Böhmen und die Pfalz die dritte Periode des Dreißigjährigen Krieges. Er endete nach vierjähriger Dauer abermals mit gewaltigen Erfolgen des Kaisers: Im Frieden von Lübeck verpflichtete sich Dänemark, sich nicht mehr in die deutschen Angelegenheiten zu mischen; auch über dem nördlichen Deutschland herrschten die kaiserlichen Waffen.

In erster Reihe verdankte der Kaiser diese Erfolge seinem General. Wir sind gewohnt, in Wallenstein vor allem den großen Kriegsfürsten zu sehen, doch ist dagegen nicht ohne Grund eingewandt worden, ein soldatischer Charakter sei Wallenstein nicht gewesen und im Grunde nicht einmal ein militärisch gerichteter Geist. „Wallenstein vermochte es, eine machtvolle Feldherrnpersönlichkeit zu werden, ohne eigentlich ein hervorragender Stratege zu sein." (Hugo Schulz.) Man darf jedoch nicht so weit gehen zu sagen, dass Wallenstein im rein militärischen seiner Aufgaben unter dem Mittelmaße geblieben sei; er hatte vielmehr schon vollkommen die Theorie des Krieges begriffen, die Clausewitz im neunzehnten Jahrhundert entwickelt hat: Der Krieg war ihm immer nur ein Mittel der Politik, ein Verfolgen politischer Zwecke mit gewaltsamen Mitteln, wo friedliche Mittel versagten. Seine militärischen Missgriffe erklären sich so aus irrtümlichen Voraussetzungen seiner Politik, entlasten den Feldherrn Wallenstein also mehr, als dass sie ihn belasten.

Das politische Ziel Wallensteins aber war dasselbe Ziel, das Richelieu in Frankreich verfolgte, war das höchste Ziel, das zu erreichen war bei dem Höhepunkt, auf dem sich damals die europäische Entwicklung befand: die weltliche Monarchie als nationale Einheit, frei von allem religiösen Spuk, in überlegener Einsicht die widerstreitenden Interessen der einzelnen Klassen ordnend, ihre gemeinsamen Interessen kräftig gegen das Ausland kehrend. Wenn Richelieu dies Ziel erreichte, Wallenstein aber elend unterging, so war die Verschiedenheit ihrer Schicksale begründet in der Verschiedenheit der französischen und der deutschen Zustände. Nicht, was man seinen Treubruch am Kaiser nennt, macht Wallenstein zu einer echt tragischen Gestalt, sondern die Selbsttäuschung, worin er die „gemeine Wirklichkeit der Dinge" durch seine überlegene Kraft zu bändigen gedachte. Der phantastische Zug, der durch sein Tun und Treiben ging, entsprang nicht seinem klaren und tiefen Verstande, sondern der Notwendigkeit, mit phantastischen Faktoren zu rechnen, wenn er eine historische Entwicklung von Jahrhunderten umkehren und eine deutsche Monarchie herstellen wollte.

Als Wallenstein dem Kaiser ein Heer aufrichtete, soll er gesagt haben, nicht zwanzig-, aber wohl fünfzigtausend Mann könne er im Felde halten. Die Anekdote ist nicht beglaubigt, aber gleichviel, ob Wallenstein so gesprochen hat oder nicht: Auf keinen Fall hat er damit sagen wollen, wie ihm sooft nachgeredet worden ist, dass er mit einem umso größeren Heere umso gründlicher brandschatzen könne. Im Gegenteil erkannte er die militärische Schwäche des zügellosen Plünderungs- und Raubsystems, von dem die protestantischen Bandenführer eben erst wieder die scheußlichsten Proben geliefert hatten. Er war der erste Heerführer, der die Strategie des achtzehnten Jahrhunderts anbahnte, der die Kriegführung planmäßig auf der soldatischen Zucht und der ökonomischen Fürsorge für das Heer aufbaute, so zwar, dass Bauern und Bürger daneben bestehen konnten. Damit ist weder gesagt, dass ihm diese Absicht mit einem Schlage gelungen wäre und Wallensteinsche Truppen überhaupt nicht geplündert hätten, noch das Wallenstein vor harten Konfiskationen und Kontributionen zurückgescheut wäre, falls sie seinen politischen Zwecken dienten. Je schwerer die deutschen Fürsten die Lasten des Krieges empfanden, um so eher zwang er sie zum Frieden, zwang er sie unter die kaiserliche Autorität. Wallenstein sprach sich unumwunden dahin aus, mit der Macht seiner Erblande könne der Kaiser den Krieg nicht bestehen; dazu brauche er das Deutsche Reich. Im Innern Deutschlands müsse er ein mächtiges und zahlreiches Heer aufstellen, das alle Feinde des Kaisers in Schach halte und nie in die Gefahr gebracht werden dürfe, in Belagerungen oder Schlachten aufgerieben zu werden. Mit diesem Heere dürfe das Haus Österreich aber keine Eroberungen machen wollen; nur dann werde es zusammenbleiben, da die Obersten, deren man sich bedienen könne, größtenteils Lutheraner seien. Darauf müsse man denken, das Reich in Frieden zu setzen und darin zu erhalten; dann werde der Kaiser allen Seiten furchtbar werden. So legte Wallenstein dem ersten Minister des Kaisers sein Programm dar, und danach handelte er, unberührt von dem religiösen Hader, allem Pfaffentum in tiefster Seele abhold; obwohl selbst Katholik, sagte er wohl, es werde nicht eher Friede im Reiche werden, als bis einem Bischof der Kopf vor die Füße gelegt wäre.

Seine Politik trug reiche Früchte. Systematisch belegte er ganz Norddeutschland mit seinen Quartieren, verdrängte das ligistische Heer, das unter Tilly neben ihm kämpfte, nahm bei seinen Durchzügen, Requisitionen, Werbungen nicht die geringste Rücksicht auf die Landesobrigkeiten, gleichviel ob sie katholisch oder protestantisch waren, konfiszierte die Länder der Fürsten, die Güter der Junker, die gegen den Kaiser in Waffen standen, stattete seine Generale und Obersten mit diesen Ländereien aus, ließ sich selbst mit Mecklenburg belehnen und zum Admiral des baltischen Meeres ernennen. Über die Ostsee sollte fortan das Szepter des Kaisers herrschen. In diesen Tagen, in denen ihm nichts mehr unerreichbar schien, hat Wallenstein wohl einen weit aussehenden Plan zur Eroberung Konstantinopels, zur Vertreibung der Türken aus Europa entworfen. Aber mit all seinem Genie kam er nicht auf gegen die ökonomischen Ursachen, die den Gang der deutschen Reformation bestimmten. Nicht an den Mauern Konstantinopels fand er die Grenze seiner Triumphe, sondern an den Wällen des „Städtchens" Stralsund.

So tief die Macht der deutschen Hansastädte gesunken war: Ihre Hilfe war für den Kaiser unentbehrlich, wenn er über die Ostsee herrschen wollte. Diese Städte aber hatten noch weniger als hundert Jahre früher den Mut einer selbständigen Politik. Sie waren nicht gegen den Kaiser, dessen Hilfe sie oft genug beanspruchten, wo sie ihnen nützen konnte, so Hamburg, Bremen, Lübeck, wenn sie von Dänemark bedrängt wurden. Sie waren aber auch nicht für den Kaiser, wenn dessen Freundschaft ihnen etwas zu kosten drohte. Das Interesse des süßen Handels stand ihnen über allen Rücksichten. Auf einem Hansatage in Lübeck lehnten Hamburg, Bremen, Lübeck, Köln, Braunschweig, Lüneburg, Magdeburg, Stralsund, Rostock, Wismar das Gesuch des Kaisers ab, ihm Schiffe zu stellen; sie gingen auch nicht auf den Handelsvertrag mit Spanien ein, den ihnen der Kaiser vorschlug, „da sie sich den Potentaten, so auf dem Meere mächtig wären und deren Pässe sie gebrauchen müssten, nicht widersetzen oder selbige sich zu Feinden machen könnten". Alle Mittel der gütlichen Überredung, alle Angebote von Vorteilen, an denen es weder die österreichische noch die spanische Linie des Hauses Habsburg fehlen ließ, verschlugen nichts. Und als Wallenstein nun Stralsund zur Aufnahme einer kaiserlichen Besatzung zwingen wollte, widerstand ihm die Stadt siegreich, dank der dänischen und der schwedischen Hilfe, die sie auf dem Seewege erhielt. Die kaiserliche Herrschaft über die Ostsee erwies sich vorläufig als ein Phantom, freilich, solange die mecklenburgisch-pommersche Ostseeküste in der kaiserlichen Gewalt blieb, noch immer als ein sehr sichtbares Phantom.

In denselben Tagen, wo Wallenstein vor den Wällen Stralsunds lag, belagerte Richelieu Rochelle. Sein Sieg war nicht nur ebenso vorbildlich für die französischen Geschicke wie Wallensteins Niederlage für die deutschen: Er gab auch der europäischen Politik eine entscheidende Wendung. Frankreich hatte nunmehr die Hände frei für seine auswärtigen Interessen, und es unternahm den Krieg gegen das Haus Habsburg mit um so größerem Nachdruck, als der König Karl von England, der eben jetzt in einen verhängnisvollen Kampf mit dem Parlamente trieb, einen ruhmlosen Frieden mit Spanien geschlossen hatte. Richelieu benutzte einen Erbschaftsstreit um das Herzogtum Mantua, um mit Österreich-Spanien den alten Kampf in Italien wiederaufzunehmen; es gelang ihm, die kleinen italienischen Fürsten in Oberitalien auf seine Seite zu ziehen; mit dem Papst Urban VIII., dem Sohne eines florentinischen Handelshauses, der sich durchaus als italienischer Fürst fühlte und längst die spanische Oberherrschaft abzuschütteln gedachte, stand er in nahem Einvernehmen. Den Niederlanden zahlte Richelieu beträchtliche Hilfsgelder, um sie zur Fortsetzung des Krieges mit Spanien anzuspornen. Die ligistischen Fürsten in Deutschland köderte er mit den süßesten Versprechungen; am Münchener Hofe ließ er andeuten, es sei Zeit, die habsburgische Kaiserkrone mit einer wittelsbachischen zu vertauschen. Endlich bemühte er sich um die Beilegung des Krieges zwischen Polen und Schweden, damit der schwedische König Gustav Adolf frei werde zu einem Angriff auf das Deutsche Reich. Überall, am Po, am Rhein, in den Niederlanden, an der Ostsee wollte er die habsburgische Macht niederbrechen.

Nicht weniger schwer als durch den französischen Angriff und den Misserfolg vor Stralsund wurde der „absolute Dominat" über das Deutsche Reich, den Wallenstein für den Kaiser erstrebte, durch den Kaiser selbst getroffen. Gedrängt von der Liga, beraten von jesuitischen Beichtvätern, betört mehr von landesfürstlichem Eigennutze als erleuchtet von kaiserlicher Gesinnung, erließ Ferdinand II., gleichzeitig mit dem Lübecker Frieden, das Restitutionsedikt, das die Calvinisten nochmals ausdrücklich vom Augsburger Religionsfrieden ausschloss, dann aber anordnete, dass alle seit dem Passauer Vertrage eingezogenen mittelbaren Kirchengüter und alle seit dem Augsburger Religionsfrieden reformierten reichsunmittelbaren Stifte den Katholiken zurückgegeben werden sollten. Das Edikt verfügte eine vollständige Umwälzung in den bestehenden Besitzverhältnissen, namentlich des nördlichen Deutschlands. Gleichviel ob diese Verhältnisse zu Recht oder Unrecht bestanden, gleichviel ob der Kaiser ein formelles Recht zum Erlass des Edikts hatte oder nicht, so konnte er nichts Törichteres tun, als eine solche Restitution verfügen. Das Edikt stand in schroffstem Gegensatze zu Wallensteins Politik, die über den religiösen Gegensätzen und über den hadernden Fürsten eine starke Reichsgewalt errichten wollte; mit dem Edikte stellte sich der Kaiser auf die eine Seite der Fürsten, er selbst spekulierte namentlich auf Magdeburg und Halberstadt. Statt die Liga zu beschwichtigen, schwellte er vielmehr durch das Edikt ihren Übermut und machte sie umso ungefügiger gegen die kaiserliche Autorität. Nachdem die Union längst zerronnen war und die protestantischen Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen sich im niedersächsisch-dänischen Kriege neutral verhalten hatten, brachte das Edikt sie von neuem auf die Beine, denn es drohte, sie ihrer besten Domänen zu berauben. Es erregte namentlich auch die protestantische Bevölkerung, die an den österreichischen Erblanden gesehen hatte, was der Kaiser unter katholischer Restauration verstand. Wallenstein hat damals gereimt:

Des Kaisers unnötige Reformation
Bringt mich um meine Reputation,
Den Kaiser um die Römische Kron,
Bayern wird auch kriegn sein Lohn.

Er klagte, nicht Reformen brauche der Kaiser, sondern Rekruten; über das Edikt freue sich nur der Schwed', der Türk' und Bethlehem (Bethlen Gabor). Ebenso dachten seine Offiziere, die zum großen Teil Protestanten waren. Sogar Tilly, der General der Liga, soll das Edikt mit Rücksicht auf der „ausländischen Potentaten vorhabende Invasion" für sehr unzeitig erklärt haben.

So herrschte im nördlichen Deutschland eine heftige Gärung, als Gustav Adolf von Schweden am 26. Juni 1630 an der Spitze von 13.000 Mann in Pommern landete.

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