Die Rote Garde hatte die
Kornilow-Kaledinsche Gruppierung am
Don auseinandergetrieben, die Banden des Generals Dutow in
die Steppen gejagt und das Operettenlager der Gajdamaken
in der Ukraine der Erde gleichgemacht.
Aber zum Kampfe gegen den
planmäßigen Druck regulärer Streitkräfte war die in eine
Unmenge kleiner Abteilungen zerbröckelte, schwach
ausgebildete, mangels geregelten Nachschubs an die
Eisenbahnlinien gebundene Rote Garde ungeeignet.
Und schon
der Angriff der hohenzollernschen Truppen hatte bewiesen,
daß die bewaffnete Macht der Republik und ihre
Organisation unzureichend waren.
Die
Abteilungen der Roten Garde waren bei ihren vergeblichen
Versuchen, den Druck der deutschen Korps aufzuhalten,
verblutet.
Eine geringe
Zahl Regimenter der alten Armee, die ihre
Kriegstüchtigkeit bewahrt und bei der Niederwerfung der
Konterrevolution geholfen, Kiew wiedergenommen und der
rumänischen Soldateska bei Ribnitze eine schmähliche
Niederlage bei gebracht hatten, mußte jetzt demobilisiert
werden. So wurde die Bildung einer festen, unter
einheitlicher Leitung vereinigten regulären Armee zur
dringendsten Aufgabe. Am 23. Februar 1918 wurde das Dekret
über die Gründung der Roten Armee der Arbeiter und Bauern
veröffentlicht.
Die
unvorstellbare Müdigkeit der Massen des Volkes, die sich
eben erst aus dem imperialistischen Kriege befreit hatten,
ließ es nicht zu, daß man zu einer Mobilisierung greife,
man mußte vielmehr zunächst die junge Armee als eine
freiwillige aufbauen.
Die Löhnung
war mäßig (50 Rubel monatlich) und zur Aufnahme als
Freiwilliger benötigte man der Empfehlung der Partei-,
Gewerkschafts- oder Sowjet-Organisation.
Ungeachtet
dessen ergaben schon die zwei ersten Monate der Anwerbung
106.000 Freiwillige; die Hälfte davon waren Arbeiter aus
Moskau und Leningrad.
Diese
Arbeiter-Regimenter sowie die Reste der ukrainischen
Partisanen undWolgabauern, welche Brust an Brust mit dem
tschechischen Korps standen, bildeten den Kern der neuen
Armee, einer Armee, die schon in den ersten Tagen ihres
BeStehens auf einen ernsthaften Gegner stoßen sollte.
Die
Tschechoslowaken. Krassnow. Die Entente.
Die
Regierungen der Entente, die sich in ihrer Erwartung eines
raschen Zusammenbruchs der Sowjetmacht getäuscht sahen,
begannen nun, selbst deren Sturz vorzubereiten und
verfielen, auf der Suche nach einem geeigneten Hebel, auf
das 60.000köpfige tschechoslowakische Korps.
Aus früheren Kriegsgefangenen der Habsburgischen Armee
zusammengestellt und vortrefflich ausgerüstet und auf dem
Wege nach Frankreich über Wladiwostok, hatte das
tschechoslowakische Korps die ganze sibirische Eisenbahn
in seiner Gewalt.
Einige
Millionen Franks, die aus der französischen Staatskasse
ihren Weg in die Hände der tschechoslowakischen
Hauptmacher fanden, taten ihre Wirkung. Am 25. Mai 1918
trat das Korps in Aktion, jagte die lokalen Sowjets
auseinander und rieb die zerstreuten Abteilungen der eben
erst in Bildung begriffenen Abtei* lungen der Roten Armee
dort auf.
Und unter
den Salven der tschechischen Gewehre, hinter Bergen von
Leichen aus der Blüte des sibirischen und
Uralproletariats, beginnt die Sozialrevolutionäre Bande,
aus der bürgerlichen Intelligenz und den Offizieren eine
Armee zu formieren, die sie eine „Volksarmee" nannte.
Gleichzeitig
stifteten Hunderte sozialrevolutionärer Agitatoren,
Schulter an Schulter mit den englischen Spionen und den
monarchistischen Offizieren, eine Reihe von Aufständen im
zentralen Gouvernement an. In kurzer Zeit befand sich auch
Jaroslaw in ihren Händen.
Im August
1918 bildete der General Krassnow, unter dem Schütze der
Hohenzollern-Bajonette eine 100.000köpfige Armee aus
begüterten Donkosaken und weißen Offizieren und
marschierte auf Zarizyn.
Im
Nordkaukasus und Kuban half englisches Geld rasch zur
Formierung der „Freiwilligen"-Armee Denikins, die fast
ausschließlich aus Offizieren bestand.
In
Archangelsk kam eine englische Landung zustande.
Und die
Japaner, die ihre Hand fest auf Wladiwostok legten, halfen
den Tschechen und den zahlreichen kleinen Atamanen, den
Widerstand der Rotarmisten des Fernen Ostens zu brechen,
aus deren unversehrt bleibenden Teilen im Jahre 1919 die
Kaders und Führer des Bauernaufstandes hervorgingen.
Angesichts
solcher Gefahren entfaltete die Sowjetregierung
angespannte Energie bei der Bildung neuer, kriegstüchtiger
Truppenteile. Die schon im April gebildeten lokalen
Kriegskommissariate unternahmen jetzt gemäß der Verordnung
des Sowjetkongresses die Anwerbungen für die Rote Armee.
Tausende von
Kommunisten, die die Partei in die Armee schickte,
verliehen dieser die ungeheuere moralische
Standhaftigkeit. Die besten und ehrenhaftesten unter den
Offizieren, die als Kriegsspezialisten in Dienst gestellt
wurden, hoben wesentlich die Kriegstüchtigkeit der Armee.
Und schon im
August kamen die Tschechoslowaken, die Kasan eingenommen
hatten, nicht mehr vorwärts, als sie bei Swijazschsk gegen
die unerschütterliche Mauer der Bajonette der Roten Armee
anrannten.
Das wütende
Anspringen der Reiterhorden Krassnows auf Zarizyn
scheiterte am Widerstande der sich dort bis zur Station
Liski bildenden Roten Front.
Die
„Volksarmee" der Sozialrevolutionäre, ergänzt durch
Mobilisierung der Bauernschaft, fiel von selbst
auseinander.
Die Rote
Armee ging an der Wolga zum Angriff über. Die Tschechen
schlichen sich in der Nacht auf den 10. September aus
Kasan davon, nachdem sie vorher den Goldschatz gestohlen
hatten. Nach hartnäckigen Kämpfen wurden sie aus Simbirsk
vertrieben. Nach einem Monate zogen in Samara, das die
dort befindlichen, kleinen und erschöpften
Sowjetabteilungen im Juli verlassen hatten, ehernen
Schrittes die festgeschlossenen Regimenter der siegreichen
Roten Armee ein.
Die
Tschechen zogen sich eilig auf den Ural zurück und ließen
zahlreiche Kriegsgefangene und ungeheure Kriegsbeute in
den Händen der I., IV. und V. Armee zurück.
Nach der
Einnahme Ufas durch die Rote Armee, am 31. Dezember, hörte
die „Volksarmee" auf zu existieren. Und die tschechische
Armee verwandelte sich in einen Bahnschutz der sibirischen
Eisenbahn und bildete ein riesiges Spekulanten-Syndikat,
in dem sie durch Schiebungen und Bestechungsgelder das
Kapital der sprichwörtlich gewordenen „Bank der Legionäre"
zusammenraffte.
Die
Organisationsformen der Roten Armee.
Die
angespannte Arbeit der bolschewistischen Partei hatte,
unter tätiger Unterstützung der breiten Schichten der
Werktätigen, an der Schwelle des Jahres 1919 eine Armee
mit einem Gefechtsstand von 485 000 Mann, mit 500
Geschützen und 2700 Maschinengewehren aufgestellt.
Diese Armee
hatte, obwohl einzelne ihrer Teile noch vom Fieber der
mühevoll umgebildeten Partisanentätigkeit geschüttelt
wurden, bereits allgemeine, sich auf das ganze Land
erstreckende Organisationsformen.
Eine
Division setzte sich zusammen aus drei Brigaden zu je drei
Regimentern, die drei Bataillone mit zugehörigem
Kavallerieregiment (von vier Eskadronen), eine schwere
Artilleriedivision, nebst vier Geschützbatterien und
technischen Truppen führten.
In der Mitte
des Jahres 1919 zählten diese Divisionen in ihren Reihen
schon mehr als anderthalb Millionen Kämpfer und gliederten
sich unter gemeinsamer Leitung durch den Revolutionären
Kriegssowjet der Republik und die Politische Verwaltung
der Republik in 16 Armeen.
Durch
Auffüllung der Verluste aus den Reservebataillonen und
immer neuen und neuen Nachschub hatte diese Armee gegen
das Jahr 1921 einen Stand von 5.300.000 Mann erreicht und
hielt zwei Jahre zähen Kampfes mit den zahlreichen Feinden
aus.
Koltschak
In Sibirien
hatte der Admiral Koltschak unter dem Wohlwollen des
englischen Generals Knox sich der Herrschaft bemächtigt
und stürzte sich an der Spitze einer Armee von 300 000
Mann auf die erschöpften Truppen der Ostfront.
Das
zahlenmäßige Übergewicht, die englische Ausrüstung machten
es den Truppen des Admirals möglich, fast bis zur Wolga
vorzudringen.
Die Partei
spannte alle ihre Kräfte an. Zu Zehntausenden strömten
ihre Mitglieder in die Armee. Ein breiter Nachschubstrom
ergoß sich nach der Ostfront.
Auserlesene
Regimenter der Weber von Iwanowo-Wosnessensk durchbrachen
die feindliche Front bei Boguruslan und führten so den
Stoß im Rücken des Feindes aus.
Diesem Stoß
in den Rücken seiner Hauptgruppe in Samara hielt der
Gegner nicht stand und begann, unter zäher Verteidigung,
seinen Rückzug. Im Juli erreichte die Armee der Ostfront,
nachdem sie sich unter schweren Kämpfen durch den Ural
gewälzt hatte, das von Bauernkämpfen aufflammende
Sibirien.
Im Rücken
Koltschaks loderte der Aufstand auf. Seine verzweifelten
Versuche, von der Linie des Flusses Ischim aus zum Angriff
überzugehen, hielten den Vormarsch der Roten nur drei
Wochen des September auf. Die Begeisterung der werktätigen
Bevölkerung Sibiriens, die zu Zehntausenden als
Freiwillige in die Rote Armee strömte, die Weigerung der
von Koltschak Zwangsmobilisierten, sich zu schlagen, ganze
Armeen aufständischer sibirischer Bauern, all dies führte,
gemeinsam mit dem unaufhaltsamen Elan der Roten, zur
Liquidation der Koltschak-Truppen im Januar des Jahres
1920. Im März zogen die roten Truppen in Irkutsk ein, das
schon von Aufständischen besetzt war. Im Fernen Osten
hielt der Ataman Semenow sich noch bis Oktober 1920, doch
der Abzug der japanischen Truppen, seiner Hauptbeschützer,
veranlaßte auch diesen Abenteurer, Tschita zu räumen und
nach China zu fliehen.
Gegen Anfang
des Jahres 1920 wurde auch die turkestanische Front
liquidiert. Die Kapitulation von 50.000 Weißen und die
Einnahme von Gurjew machten den ernsten Kämpfen in den
kaspischen Steppen ein Ende.
Die
Weißgardisten im Süden
Bedeutend
schwieriger verlief der Kampf an der Südfront.
Am 4. Januar
1919 schritten die Roten Armeen der Südfront zum
erfolgreichen Angriff gegen die Truppen des Generals
Krassnow. Aber die roten Truppen waren, nachdem sie die
Don-Armeen vertrieben und zum Februar bereits den
Donbezirk bis zu den Flüssen Nischnij Don und Manitsch
besetzt hatten, gezwungen, ihre Bewegungen wegen
Überschwemmungen durch die genannten Flüsse einzustellen
und auch deshalb, weil der Roten Armee neue Feinde
erstanden waren.
Der General
Denikin hatte, unter Ausnützung der Abneigung der
Oberschichten der Kubankosaken, auf ihre Privilegien zu
verzichten, und gestützt auf Zehntausende von Offizieren,
die sich im Süden angesammelt hatten, bei verstärkter
Unterstützung der Entente eine „Freiwilligen"-Armee
gebildet, mit der er im Kampfe während eines Jahres die
Abteilungen der Roten Armee im Nordkaukasus überwältigte.
Diese Abteilungen, die vom Zentrum abgeschnitten waren,
wurden auch durch den Typhus dezimiert.
Im Februar
1919 trat Denikin, nachdem er den Oberbefehl der südlichen
Weißgardisten-Formationen in seinen Händen vereinigt
hatte, mit den Roten Armeen in der Richtung auf Rostow und
Tscherkask in Kampf.
Zur Zeit
seines Auftauchens hatte die Rote Armee die ganze Ukraine
in Besitz, nachdem sie die griechischen und französischen
Landungstruppen verdrängt hatte.
Am 19. Mai
durchbrach Denikin durch einen Stoß gegen die vom
Anarchisten Machno geführten Partisanentruppen, den
rechten Flügel der roten Front und begann, seine Armee im
Donbassin auszudehnen. Der Kosakenaufstand im Rücken des
rechten Flügels der Roten Südarmee verhalf Denikin auch
hier zu großen Erfolgen.
Der frühere
Petljura*Ataman Grigorjew inszenierte eine große Meuterei,
zu deren Unterdrückung Frontreserven in Anspruch genommen
wurden. Die ukrai* nischen Großbauern, die kein Getreide
an die Stadt lieferten und den Boden nicht mit der
Dorfarmut teilen wollten, überzogen die ganze Ukraine mit
einem Netz von Banden und lieferten ihrem Anführer
Petljura Soldaten.
Teile der
Südfront wurden zum Rückzug gezwungen, doch der Sieg wurde
dem General Denikin nicht leicht. Astrachan leistete
heroischen Widerstand. Den Versuch der Roten Armee, im
August am Nischnij Don und bei Charkow zum Gegenangriff
überzugehen, konnte Denikin nur mit Anspannung all seiner
Kräfte abwehren. Sein Angriff nach dem Norden längs der
Wolga wurde bei Saratow durch Divisionen, die von der
Ostfront hierher geworfen wurden, zum Stillstand gebracht.
Die Freiwilligen-Formationen gingen unter im Meere der
mobilisierten Bauernschaft, die die sie aufrufenden
Gutsbesitzer haßten.
Die
kriegstüchtigen Truppen des Gegners, die Kubankosaken,
waren in dumpfer Bewegung wegen der Vernichtung ihrer
militärischen Autonomie und der Henker* politik der
Denikinschen Generale. Die Kosaken-Armut trat in die roten
Reiterkorps, von Budjonny und Woroschilow gegründet, ein,
jene Korps, aus welchen die unbesiegbare Erste Reiterarmee
entstand.
Die
Sowjetarmee stählte sich in diesen Kämpfen. Sie legte die
in den ersten Monaten ihrer Existenz zutage tretende
Plumpheit des Manöverierens ab. Das Wort „Panik" geriet in
ihren Reihen in Vergessenheit. Die feindlichen Kavallerie*
Gewitter brachen sich an ihren Bajonetten. Die Armee der
Arbeiter und Soldaten lieferte eine Unmenge begabter
Kommandeure. Ihre schwache militärische Schulung glich
diese Armee durch klares Verständnis der Kampfziele aus.
Die nirgends noch und nie vorher erlebte Arbeit der
politischen Organe zeitigte außerordentliche Ergebnisse.
Unter dem Donner der Geschütze vergaß diese Armee nicht
den Unterricht. Das klare Bewußtsein ihrer Ziele verlieh
ihr eine unerhörte Standhaftigkeit. Der Verrat einzelner
Offiziere nahm keine größere Bedeutung an.
In dieser
Periode war das ganze Land den Forderungen des Kampfes
unterordnet: die Industrie zentralisiert, um die
geringsten Möglichkeiten für die Versorgung der Armee
auszunützen, das Getreide rationiert, die besten Arbeiter
in der Armee — 300.000 Kommunisten schlugen sich in den
ersten Reihen. Der Transport, der schon zu Zeiten des
imperialistischen Krieges vollkommen erschöpft war, machte
heroische Anstrengungen und brachte es auf den
ausgefahrenen Gleisen zu 4.986 Zugsgarnituren und zum
Wiederaufbau von 3.305 zerstörten Brücken.
Die
Bauernschaft, als sie die Rückkehr der Gutsbesitzer nach
ihren Nestern sah, griff im Rücken Denikins zu den Waffen.
Machno, der lange Zeit den Train der Roten Armee
geplündert und Kommunisten niedergemacht hatte, geriet
zeitweilig mit der „Freiwilligen"-Armee in Händel. Die
letztere hatte mit der Einnahme von Kiew und Odessa schon
ihren Höhepunkt erreicht.
Das Kommando
der Roten Armee formierte Stoßtruppen. Davon lenkte es
auch das ruhmlose Abenteuer der 30.000 Armee Judenitschs
nicht ab, die versuchte, Petrograd zu nehmen. Mitte
Oktober brachte die Rote Armee dem rechten Flügel der
Hauptgruppe des Gegners eine Niederlage bei Orla und
unterhalb Woronesch bei.
Gegen
Dezember war die Niederlage der Denikinschen Armee
augenscheinlich geworden. Bei Woronesch hatte das junge
Korps Budjonny die Denikinsche Reiterei in Stücke gehauen.
Verzweifelte Gegenangriffe der verendenden Denikinade
vermochten wohl, das nachdrückliche Vorwärtsdrängen der
Roten Armee zu verzögern, nicht aber aufzuhalten.
Im Januar
zerfiel die Front Denikins in zwei Teile: die westliche
Gruppe, welche an die rumänische Grenze gedrückt wurde,
ergab sich am Jahrestage des Erscheinens Denikins in der
Richtung auf den Don. Die östliche Gruppe der
Denikin-Armee, die sich in befestigten Positionen am
Manitsch eingegraben hatte, vermochte es, unsere
ermüdeten, einer Umgruppierung bedürftigen Truppen durch
zwei Monate aufzuhalten.
Der März
1920 brachte den roten Fahnen den entscheidenden Sieg. Die
feindliche Front zerbröckelte, 112.000 Gefangene, 330
Geschütze, Vorräte an englischen Uniformen, zahlreiche
Tanks, dies sind die Haupttrophäen der Roten Armee, die am
30. März in Petrowsk einzog.
Am 27. April
besetzte die Rote Armee, auf den Ruf der Werktätigen von
Azerbeidschan,
Baku. Reste von unversöhnlichen Denikinisten zogen sich in
der Krim zusammen, wo die enge Landzunge von Perekop ihnen
die Möglichkeit gab, unter dem Kommando ihres Generals
Wrangel unser Nachdrängen aufzuhalten.
Der polnische Angriff,
welcher die Hauptkräfte der Roten Armee an die Westfront
abzog, gab Wrangel, der seine Truppen mit Hilfe von
England umformiert und neu bewaffnet hatte, die
Möglichkeit, am 6. Juni aus der Krim vorzubrechen und bis
zur Linie Alexandrowsk-Berdjansk
vorzudringen.
Dort verbrachten beide
Seiten in erbitterten Kämpfen den Sommer.
Der Oktober-Waffenstillstand
mit den Polen gestattete, die Erste Reiterarmee nach dem
Süden zu werfen und Wrangel zu liquidieren. Schon im
September hatten rote Truppen am linken Ufer des Dnjepr
bei Kachowka einen befestigten Brückenkopf errichtet, zum
Zwecke eines Vorstoßes gegen den Perekop. Alle Vers suche
Wrangeis, die Verteidiger der Überfahrt bei Kachowka in
den Dnjepr zu jagen, blieben erfolglos. Dies entschied das
Ende des Kampfes im voraus. Am 26. Oktober schritt die
Rote Armee unter Frunses Führung zum allgemeinen Angriff.
Diesmal nahmen die roten Truppen in heroischem Sturm auch
die Perekoper Befestigungen und die Siwaschsker Mündung.
Die Offiziersbataillone, die drei Jahre lang den ganzen
Süden mit dem Blute der Werktätigen überschwemmt hatten,
wurden weggefegt. Am 16. November wurde die Krim zur Gänze
von den Roten besetzt. Die Reste der Wrangel-Armee
segelten nach Konstantinopel.
Unter Bedingungen, die
wesentlich von jenen an der Süd; und Ostfront verschieden
waren, hatte die Rote Armee sich an der West-
und Nordfront zu schlagen.
Die Nordfront
Im Norden konzentrierte der
Kampf sich lange, angesichts der Weglosigkeit, um den
Besitz der Eisenbahnlinien und der Flußübergänge. Auf
plumpen, in aller Eile armierten Barken und
Handelsschiffen mußten die Versuche der mächtigen
englischen Monitore, ins Innere des Landes vorzudringen,
abgewehrt werden. Die schlecht bekleideten Rotarmisten
mußten bei 40 Grad Frost das Vordringen der in Flanell
eingewickelten englischen Brigaden aufhalten.
Nachdem sie einige Male
kräftige Hiebe bekommen hatten, forderten die eng« lischen
Truppen von ihrem Kommando entschieden die Heimkehr. Mit
ihrem Ab marsch zogen unsere ersten Erfolge die lokalen
Truppen zu uns herüber und die lächerliche Regierung
Tschaikowskis flüchtete im März 1920 zu ihrem Gebieter
nach England.
Die Westfront.
Der Kampf mit Polen.
Die Westfront bildete sich
bald nach dem Abzüge der Deutschen aus dem Baltikum und
Polen. Unbedeutende Abteilungen der Roten Armee drangen
anfangs bis Wilna und Kowno vor, wo sie von der
Bevölkerung begeistert begrüßt wurden und überall gegen
alle weißgardistischen Gruppen
Erfolge erzielten. Die rasch gebildeten Roten Armeen
Estlands und Lettlands marschierten bis an die Ostsee und
besetzten Riga und Narwa.
Doch die englische Flotte
nötigte sie zur Aufgabe von Narwa. Die deutschen
Monarchisten halfen mit bedeutenden Kräften der lettischen
Bourgeoisie.
Am 22. Mai zwang der Gegner
die Truppen der Roten Armee, Riga aufzugeben. In der
weiteren Entwicklung mußten die Roten wegen Mangels an
Reserven das ganze Gebiet von Estland und Lettland räumen.
Die polnische Regierung
setzte jetzt ihre Truppen gegen die Sowjets in Bewegung.
Durch einen unerwarteten Handstreich bemächtigten die
Legionäre sich im April Wilnas. In der Richtung auf Kowno
begannen deutsche Abteilungen vorzudringen.
Die Westfront blieb ohne
Unterstützung, weil die Verstärkungen von der Süd-
und Ostfront aufgesogen wurden. Die Divisiönchen der 16.
Armee hatten geringe Vorräte, und da sie in einer armen
Gegend, die überdies durch die deutsche Okkupation
zerstört war, zu operieren hatten, waren sie zum Abzuge
gezwungen. Aber jeder Zoll Bodens wurde blutig aufgegeben.
Mit der Einnahme von Minsk im August kam der polnische
Angriff auf der Linie Borissow-Bobruisk
zum Stehen. Das Jahresende 1919 verlief in
verhältnismäßiger Ruhe. Polen rüstete mit verdoppelten
Kräften zum Frühjahrsangriff.
Am 25. April 1920
durchbrachen die Polen, den Verrat der galizischen
Division, deren Petljurischer Teil
einige Tage vorher auf unsere Seite übergegangen war, zum
Vorwand nehmend, unsere Positionen bei Kazakin und
drängten auf Kiew vor.
Die vom Typhus fast
aufgeriebenen Truppen der 12. Armee konnten die
vortrefflich ausgerüsteten Kräfte des Gegners nicht
aufhalten, und am 6. Mai rückten die polnischen
Regimenter, in ihren englischen Uniformen und mit
französischen Gewehren daherstolzierend, in Kiew ein.
Am 14. Mai antwortete die
Rote Armee bei Minsk mit einem Gegenstoß. Doch die
Streitkräfte der Westfront waren immer noch zahlenmäßig
gering und der Stoß erschöpfte sich in einem dreiwöchigen
Kampfe ohne entscheidendes Resultat.
Die Erste Reiterarmee, vom
Ruhm zahlloser Siege über die Weißen umkränzt, wurde in
Kriegsordnung vom Nordkaukasus nach der Ukraine geworfen.
Truppen der südwestlichen Front nahmen die Kiewer Gruppe
der Polen zwischen ihre Zange. Der Gegner trat den Rückzug
an, der sich mitunter in panische Flucht verwandelte.
Anfang August standen die Eskadrons der roten Reiterei
schon in Galizien. Am 4. Juli warfen die 16., 15. und 4.
Armee sowie das Reiterkorps Gay die ganze polnische Armee
zurück. Mitte August kämpften unsere Truppen, nach einer
Reihe ruhmvoller Siege, schon vor den Warschauer Forts.
Die über das Schicksal ihres
Vasallen beunruhigte Entente lieferte der zerzausten
polnischen Armee schleunigst Munition. Die polnischen
Kommandostäbe wurden mit französischen Offizieren
angefüllt.
Die roten Divisionen wurden nicht, wie dies an den anderen
Fronten der Fall war, im Maßstab ihres Vorwärtsdringens
mit Freiwilligen aufgefüllt. Der Nachschub aus dem
Hinterlande konnte dem stürmischen Tempo des Angriffs
nicht folgen. Die Zeit reichte nicht, den von den
fliehenden Polen zerstörten Eisenbahnkörper wieder
herzustellen. Als die Roten die Weichsel erblickten,
zählten ihre Regimenter 150 Mann, sie hatten bloße Füße,
ihre Artillerie war ohne Munition, auch an Patronen
mangelte es. Die neu formierten polnischen Truppen aber
stan« den in befestigten Positionen.
Ein Durchbruch zwischen dem rechten Flügel der Roten, der
Warschau überflügelt hatte, und dem Zentrum, das gegen die
Warschauer Forts anrannte, zwang, nach vieltägigem,
erbittertem Kampfe, Teile des rechten Flügels, sich in
Ostpreußen internieren zu lassen, das Zentrum aber begann
den Rückzug. Die Erste Reiterarmee, die im befestigten
Rayon von Lemberg in Kämpfe verwickelt war, konnte nicht
zu Hilfe kommen.
Empfindliche Hiebe, die die
Polen bei Verfolgung der zurückweichenden Roten erhielten
(die Vernichtung der Südgruppe bei Wolchowisk usw.),
zwangen die Polen, ihrem Traume von den „Grenzen von 1772"
zu entsagen.
Im Oktober erloschen die
Kämpfe auf der Linie: Minsk—Slutsch. Am 12. Oktober wurde
der Waffenstillstand unterzeichnet.
Der Friede mit Estland und
Lettland war schon früher abgeschlossen worden.
Die Versuche der Söldner
Polens, der Atamane Balachowitsch und Petljura,
selbständig zu kämpfen, endeten mit vollständiger
Vernichtung.
Die schon in Demobilisierung
begriffene Armee nahm in beispiellosem Sturm über
schmelzendes Eis das zur Meuterei angestiftete Kronstadt;
die ruhmreiche Armee Budjonnys verjagte Machno nach
Rumänien und liquidierte das Banditentum
in Turkestan.
Ende August 1922 beendete
die V. Armee, nachdem sie die Reste der Koltschak-Armee
im Fernen Osten eingeholt und das von den Japanern
geräumte Wladiwostok besetzt hatte, ihren vierjährigen
Feldzug von der Wolga bis an den Stillen Ozean.
Quelle:
Illustrierte
Geschichte der russischen Revolution, Berlin 1928,
S.537-550
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