Texte zur Oktoberrevolution

Von dem Übergang der Gewalt und der Produktionsmittel in die Hände der Arbeitenden!

8./21.11.1917

Kameraden, Arbeiter, Soldaten, Bauern, alle Arbeitenden!

Die Arbeiter- und Bauern-Revolution hat in Petro­grad endgültig gesiegt, nachdem sie die letzten Reste der nicht großen Zahl der von Kerenski betrogenen Kosaken zerstreut und verhaftet hat. Die Revolu­tion hat auch in Moskau gesiegt, bevor dort die von Petrograd abgefahrenen wenigen Züge mit Militär­kräften eingetroffen sind; in Moskau haben die Offiziersaspiranten und andere Kornilow-Leute die Friedensbedingungen unterschrieben: Entwaffnung der Offiziersaspiranten, Auflösung des Rettungs­komitees. Von der Front und aus den Dörfern, von der erdrückenden Mehrheit der Soldaten in den Schützengräben und der Bauern auf dem Lande, strömen täglich und stündlich Nachrichten ein über Unterstützung der neuen Regierung und ihrer Ge­setze, über Vorschlagung eines Friedens und über die sofortige Übergabe des Grund und Bodens an die Bauern. Der Sieg der Revolution der Arbeiter und Bauern ist gesichert, denn die große Mehrheit des Volkes ist auf ihre Seite getreten.

Es ist durchaus verständlich, daß die Gutsbesitzer und Kapitalisten, die höheren Angestellten und Be­amten, die mit dem Bürgertum eng verbunden sind, mit einem Worte alle Reichen und die mit ihnen an einem Strange ziehen, der neuen Revolution feind­selig gegenüberstehen, ihrem Siege sich widersetzen, mit der Einstellung der Banktätigkeit drohen. Sie schädigen die verschiedenen Anstalten und stellen die Arbeit ein, behindern sie auf jede Weise, hem­men sie bald direkt, bald indirekt. Jeder klassen­bewußte Arbeiter versteht recht gut, daß wir auf einen solchen Widerstand unvermeidlich stoßen; denn die höheren Angestellten haben sich gegen das Volk zusammengetan und wollen ohne Widerstand ihre Position dem Volke nicht einräumen. Die arbeitenden Klassen erschrecken keine Minute vor diesem Widerstande, sie zittern keinen Augenblick ^or den Drohungen und Streiks der Parteigänger des Bürgertums.

Hinter uns steht die Mehrheit des Volkes, hinter uns die Mehrheit der Arbeitenden und Geknechte­ten der ganzen Welt. Für uns ist die Gerechtigkeit. Unser Sieg ist gesichert.
Der Widerstand der höheren Angestellten und Kapitalisten wird gebrochen werden. Kein Mensch wird durch uns seines Vermögens beraubt ohne ein besonderes staatliches Gesetz über Nationalisie­rung der Banken und Syndikate. Dieses Gesetz be­findet sich in Vorbereitung. Kein Arbeiter und kein Werktätiger verliert eine Kopeke, im Gegenteil, ihm wird Hilfe erwiesen werden. Ohne gegenwärtig neue Steuern festzusetzen, stellt sich die Regierung in erster Linie die Aufgabe, in Sachen der Einziehung der früher festgesetzten Steuern die strengste Be­rechnung und Nachprüfung ohne jede Verheim­lichung walten zu lassen.

Im Namen dieser gerechten Forderungen hat die ungeheure Mehrheit des Volkes sich um die Zeit­weilige Arbeiter- und Bauern-Regierung geschart.

Kameraden, Werktätige!

Denkt daran, daß Ihr jetzt selbst den Staat regiert. Niemand wird Euch helfen, wenn Ihr Euch selbst nicht vereinigt und die Staatsangelegenheiten in Eure Hand nehmt. Eure Sowjets sind fortan die Organe der Staatsgewalt, bevollmächtigte, entscheidende Organe. Schart Euch um Eure Sowjets, stärkt sie. Greift selbst die Sache von unten an, ohne auf jemand zu warten. Stellt die strengste Revolutionsordnung her, unterdrückt schonungslos die Versuche der Anarchie seitens Betrunkener, Hooligans, gegenrevolutionärer Offi­ziersaspiranten, Kornilow-Leuten und dergleichen.

Führt die strengste Kontrolle über Produktion und Rechnungslegung der Erzeugnisse ein. Ver­haftet und übergebt dem Revolutionsvolksgerichte jeden, der es wagt, der Sache des Volkes zu schaden, ob der Schaden in Sabotage (Beschädi­gung, Hemmung, Sprengung) der Produktion, oder in der Hinterziehung von Getreidevorräten und Pro­dukten, oder im Aufhalten von Getreideladungen, oder in der Störung der Eisenbahn-, Post-, Tele­graphen-, Telephontätigkeit, überhaupt in irgend­welchem Widerstande gegen die große Sache des Friedens, gegen die Sache der Landübergabe an die Bauern, gegen die Sache der Sicherstellung der Arbeiterkontrolle über die Produktion und Ver­teilung der Erzeugnisse in die Erscheinung tritt.

Kameraden, Arbeiter, Soldaten, Bauern und alle Arbeitende,

nehmt an Ort und Stelle die gesamte Gewalt in die Hände Eurer Sowjets. Nehmt und hütet wie den Augapfel das Land, das Getreide, die Fabriken, die Werkzeuge, die Produkte, das Trans­portwesen — all das wird fortan in vollem Um­fange Euer gemeinschaftlicher Besitz sein. Allmäh­lich, mit Zustimmung und Genehmigung der Mehr­heit der Bauern, nach den Lehren ihrer und der Arbeiter praktischen Erfahrung werden wir fest und unbeugsam zum Siege des Sozialismus schreiten, den die Arbeiter der führenden zivilisierten Län­der befestigen werden und der den Völkern einen dauernden Frieden und die Errettung von jeder Bedrückung und von jeder Ausbeutung gewähren wird.

(Veröffentl. in Nr. 6 der Ztg. der Arbeiter- und Bauern-Reg. vom 8./21. Nov. 1917.)
 

Quelle: Illustrierte Geschichte der russischen Revolution, Berlin 1928,  S.478f