Texte zur Oktoberrevolution

Dekret über die Sozialisierung des Grund und Bodens [Auszug]

1.8.1918

Allgemeine Bestimmungen

Art. 1. Jedes Eigentum an Boden, am Erdinnern, an Gewässern, Wäldern und lebenden Naturkräften wird innerhalb des Gebietes der Allrussischen Föderativen Sowjetrepublik für alle Zeiten abgeschafft.

Art. 2. Der Boden geht von jetzt an ohne jede Entschädigung, weder offene noch versteckte, in die Nutzung des gesamten arbeitenden Volkes über.

Art. 3. Das Recht der Bodenbenutzung steht nur denen zu, welche den Boden selbst bearbeiten, soweit nicht durch vorliegendes Gesetz besondere Ausnahmefälle vorgesehen sind.

Art. 4. Das Recht auf Bodenbenutzung darf auf Grund des Geschlechts, des Glaubensbekenntnisses, der Nationalität oder der Staatsangehörigkeit nicht eingeschränkt werden.

Art. 5. Das Verfügungsrecht über das Erdinnere, die Wälder, die Gewässer und die lebenden Naturkräfte wird je nach deren Bedeutung der Kreis-, Gouvernements-, Provinzial- oder Föderativsowjet-Macht, unter der Kontrolle der letzteren, übertragen. Die Art der Benutzung und der Verfügung über das Erdinnere, die Wälder, die Gewässer und die lebenden Naturkräfte wird durch ein besonderes Gesetz festgelegt werden.

Art. 6. Das gesamte lebende und tote landwirtschaftliche Inventar, das sich in Privatbesitz befindet, geht ohne jede Entschädigung aus den Hän­den der nichtarbeitenden Besitzer, je nach seiner Bedeutung, in die Verfügungsgewalt der Landabteilungen der Kreis-, Gouvernements-, Provinzial-oder des Föderativsowjets über.

Art. 7. Alle Gebäude in den in Artikel 6 bezeichneten Wirtschaften, sowie die ihnen angegliederten landwirtschaftlichen Betriebe gehen ohne jede Entschädigung — je nach ihrer Bedeutung — in die Verfügungsgewalt der Kreis-, Gouvernements-, Provinzial- oder des Föderativsowjets über.

Art. 8. Alle nicht arbeitsfähigen Personen, welche auf Grund des vorliegenden Gesetzes über Enteignung der Ländereien, der Wälder, des Inventars und des übrigen auf diesen Ländereien befindlichen Eigentums, aller Existenzmittel verlustig gehen, erhalten bis zum Zeitpunkte des Erscheinens eines allgemeinen Gesetzes über die Versicherung der nichtarbeitsfähigen Bürger das Recht, auf Grund einer Bestätigung der örtlichen Gerichte und der Landabteilungen der Sowjets eine Rente in der Höhe der bestehenden Soldatenpensionen, zu beziehen (bis zum Tode oder bis zum Eintritt der Volljährigkeit).

Art. 9. Die Verteilung des Bodens, welcher für die Landwirtschaft in Frage kommt, unter die Arbeitenden übernehmen die Dorf-, Wolost-, Kreis-, Gouvernements-, Provinzial-, die Zentralen und die Föderativen Landabteilungen der Sowjets je nach der Bedeutung des in Betracht kommenden Bodens.

Art. 10. Über den Reservelandfonds in jeder Republik bestimmen die Landabteilungen der zentralen und der Föderativsowjets.

Art. 11. Zu den Aufgaben der Landabteilungen der örtlichen und der zentralen Sowjets, welche Verfügungen über den Boden treffen, gehören außer der gerechten Verteilung des für die Landwirtschaft in Betracht kommenden Bodens unter die selbst arbeitende landwirtschaftliche Bevölkerung, und außer der möglichst produktiven Ausnutzung der nationalen Reichtümer noch folgende:

a) Schaffung von Bedingungen, welche das Anwachsen der Produktivkräfte des Landes fördern, die Vergrößerung des Bodenertrages, Hebung der landwirtschaftlichen Technik und endlich Hebung der landwirtschaftlichen Kennt­nisse in den arbeitenden Massen der landwirt­schaftlichen Bevölkerung.

b) Schaffung eines Reservefonds aus Ländereien, welche landwirtschaftliche Bedeutung besitzen.

c)  Förderung der landwirtschaftlichen Gewerbe wie z. B. Gartenbau, Bienenzucht, Gemüsebau, Viehzucht, Milchwirtschaft usw.

d) Beschleunigung des Übergangs von weniger ertragreichen zu ertragreicheren Ackerbau­systemen in den verschiedenen Zonen durch gleichmäßige Umsiedlung der werktätigen Landwirte.

e) Die Förderung der kollektiven Wirtschaft auf Kosten der Einzelwirtschaften in der Land­wirtschaft im Hinblick darauf, daß die kollek­tive Wirtschaft in bezug auf Arbeit und Ertrag ergiebiger ist, und um dadurch den Übergang zur sozialistischen Wirtschaft zu beschleunigen.

Art. 12. Der Verteilung des Bodens unter die Arbeitenden muß das Prinzip eines Ausgleichs auf Grund der Arbeitskräfte in der Weise zugrunde gelegt werden, daß die Anwendung der Verbrauchs­und Arbeitsnorm auf das im Laufe der geschicht­lichen Entwicklung entstandene und nun in An­wendung befindliche System der Bodenbenutzung in jedem einzelnen Gebiete die Arbeitsfähigkeit der vorhandenen Arbeitskräfte jeder einzelnen Wirt­schaft nicht übersteigt und gleichzeitig der Familie des Landwirts eine auskömmliche Existenz gewähr­leistet.

Art. 13. Die allgemeine, grundsätzliche Quelle des Rechtes auf Benutzung des Bodens, welcher landwirtschaftliche Bedeutung besitzt, bildet die persönliche Arbeit. Außerdem steht es den Organen der Sowjetregierung frei, zur Hebung der landwirt­schaftlichen Produktion (Einrichtung von landwirt­schaftlichen Musterwirtschaften oder Versuchs- und Musterfeldern) dem Landesreservefonds aus den ehemaligen Ländereien der Klöster, des Fiskus, der kaiserlichen Familie, des Zaren und der Gutsbe­sitzer bestimmte Parzellen zu entnehmen und sie durch Arbeiter bewirtschaften zu lassen, die vom Staate bezahlt werden. Diese Arbeit untersteht den allgemeinen Bestimmungen der Arbeiterkontrolle.

Art. 14. Alle Bürger, welche in der Landwirt­schaft tätig sind, müssen auf Kosten des Staates gegen Krankheit, Tod, Alter und Unfall, die sie arbeitsunfähig machen, versichert sein.

Art. 15. Alle nicht arbeitsfähigen Landwirte, so­wie die nicht arbeitsfähigen Mitglieder ihrer Familie müssen auf Kosten der Organe der Sowjetregierung versorgt werden.

Art. 16. Jede werktätige bäuerliche Wirtschaft muß gegen Feuersgefahr, Viehseuchen, Mißernten, Dürre, Hagelschlag und andere Unglücksfälle auf Grund einer gegenseitigen Sowjet-Rückversicherung versichert sein.

Art. 17. Der Überschuß der Einnahmen, welcher der natürlichen Fruchtbarkeit der besten Landan­teile sowie deren günstiger Lage in Jbezug auf die Absatzmärkte verdankt wird, wird den Organen der Sowjetregierung für den Bedarf der Gesamtheit zur Verfügung gestellt.

Art. 18. Der Handel mit landwirtschaftlichen Maschinen und Sämereien wird von den Organen der Sowjetregierung monopolisiert.

Art. 19. Der Getreidehandel — sowohl Innen- wie Außenhandel — muß Staatsmonopol sein.

(Veröffentl. in der Nr. 162 der „Iswestija des All-russ. Zentral-Exekutivkomitees der Sowjets" vom 1. Aug. 1918.)
 

Quelle: Illustrierte Geschichte der russischen Revolution, Berlin 1928,  S.480f