Allgemeine Bestimmungen
Art. 1. Jedes
Eigentum an Boden, am Erdinnern, an Gewässern,
Wäldern und lebenden Naturkräften wird innerhalb
des Gebietes der Allrussischen Föderativen
Sowjetrepublik für alle Zeiten abgeschafft.
Art. 2. Der Boden
geht von jetzt an ohne jede Entschädigung, weder
offene noch versteckte, in die Nutzung des gesamten
arbeitenden Volkes über.
Art. 3. Das Recht
der Bodenbenutzung steht nur denen zu, welche den
Boden selbst bearbeiten, soweit nicht durch
vorliegendes Gesetz besondere Ausnahmefälle
vorgesehen sind.
Art. 4. Das Recht
auf Bodenbenutzung darf auf Grund des Geschlechts,
des Glaubensbekenntnisses, der Nationalität oder
der Staatsangehörigkeit nicht eingeschränkt werden.
Art. 5. Das
Verfügungsrecht über das Erdinnere, die Wälder, die
Gewässer und die lebenden Naturkräfte wird je nach
deren Bedeutung der Kreis-, Gouvernements-,
Provinzial- oder Föderativsowjet-Macht, unter der
Kontrolle der letzteren, übertragen. Die Art der
Benutzung und der Verfügung über das Erdinnere, die
Wälder, die Gewässer und die lebenden Naturkräfte
wird durch ein besonderes Gesetz festgelegt werden.
Art. 6. Das
gesamte lebende und tote landwirtschaftliche
Inventar, das sich in Privatbesitz befindet, geht
ohne jede Entschädigung aus den Händen der
nichtarbeitenden Besitzer, je nach seiner
Bedeutung, in die Verfügungsgewalt der
Landabteilungen der Kreis-, Gouvernements-,
Provinzial-oder des Föderativsowjets über.
Art. 7. Alle
Gebäude in den in Artikel 6 bezeichneten
Wirtschaften, sowie die ihnen angegliederten
landwirtschaftlichen Betriebe gehen ohne jede
Entschädigung — je nach ihrer Bedeutung — in die
Verfügungsgewalt der Kreis-, Gouvernements-,
Provinzial- oder des Föderativsowjets über.
Art. 8. Alle nicht
arbeitsfähigen Personen, welche auf Grund des
vorliegenden Gesetzes über Enteignung der
Ländereien, der Wälder, des Inventars und des
übrigen auf diesen Ländereien befindlichen
Eigentums, aller Existenzmittel verlustig gehen,
erhalten bis zum Zeitpunkte des Erscheinens eines
allgemeinen Gesetzes über die Versicherung der
nichtarbeitsfähigen Bürger das Recht, auf Grund
einer Bestätigung der örtlichen Gerichte und der
Landabteilungen der Sowjets eine Rente in der Höhe
der bestehenden Soldatenpensionen, zu beziehen (bis
zum Tode oder bis zum Eintritt der Volljährigkeit).
Art. 9. Die
Verteilung des Bodens, welcher für die
Landwirtschaft in Frage kommt, unter die
Arbeitenden übernehmen die Dorf-, Wolost-, Kreis-,
Gouvernements-, Provinzial-, die Zentralen und die
Föderativen Landabteilungen der Sowjets je nach der
Bedeutung des in Betracht kommenden Bodens.
Art. 10. Über den
Reservelandfonds in jeder Republik bestimmen die
Landabteilungen der zentralen und der
Föderativsowjets.
Art. 11. Zu den
Aufgaben der Landabteilungen der örtlichen und der
zentralen Sowjets, welche Verfügungen über den
Boden treffen, gehören außer der gerechten
Verteilung des für die Landwirtschaft in Betracht
kommenden Bodens unter die selbst arbeitende
landwirtschaftliche Bevölkerung, und außer der
möglichst produktiven Ausnutzung der nationalen
Reichtümer noch folgende:
a) Schaffung von
Bedingungen, welche das Anwachsen der
Produktivkräfte des Landes fördern, die
Vergrößerung des Bodenertrages, Hebung der
landwirtschaftlichen Technik und
endlich Hebung der landwirtschaftlichen
Kenntnisse in den arbeitenden Massen der
landwirtschaftlichen Bevölkerung.
b) Schaffung eines Reservefonds aus
Ländereien, welche landwirtschaftliche Bedeutung
besitzen.
c) Förderung der
landwirtschaftlichen Gewerbe wie z. B. Gartenbau,
Bienenzucht, Gemüsebau, Viehzucht,
Milchwirtschaft usw.
d) Beschleunigung des Übergangs von
weniger ertragreichen zu ertragreicheren
Ackerbausystemen in den verschiedenen Zonen
durch gleichmäßige Umsiedlung der werktätigen
Landwirte.
e)
Die Förderung der kollektiven Wirtschaft auf
Kosten der Einzelwirtschaften in der
Landwirtschaft im Hinblick darauf, daß die
kollektive Wirtschaft in bezug auf Arbeit und
Ertrag ergiebiger ist, und um dadurch den
Übergang zur sozialistischen Wirtschaft zu
beschleunigen.
Art. 12. Der
Verteilung des Bodens unter die Arbeitenden muß das
Prinzip eines Ausgleichs auf Grund der
Arbeitskräfte in der Weise zugrunde gelegt werden,
daß die Anwendung der Verbrauchsund Arbeitsnorm
auf das im Laufe der geschichtlichen Entwicklung
entstandene und nun in Anwendung befindliche
System der Bodenbenutzung in jedem einzelnen
Gebiete die Arbeitsfähigkeit der vorhandenen
Arbeitskräfte jeder einzelnen Wirtschaft nicht
übersteigt und gleichzeitig der Familie des
Landwirts eine auskömmliche Existenz
gewährleistet.
Art. 13. Die
allgemeine, grundsätzliche Quelle des Rechtes auf
Benutzung des Bodens, welcher landwirtschaftliche
Bedeutung besitzt, bildet die persönliche Arbeit.
Außerdem steht es den Organen der Sowjetregierung
frei, zur Hebung der landwirtschaftlichen
Produktion (Einrichtung von landwirtschaftlichen
Musterwirtschaften oder Versuchs- und
Musterfeldern) dem Landesreservefonds aus den
ehemaligen Ländereien der Klöster, des Fiskus, der
kaiserlichen Familie, des Zaren und der
Gutsbesitzer bestimmte Parzellen zu entnehmen und
sie durch Arbeiter bewirtschaften zu lassen, die
vom Staate bezahlt werden. Diese Arbeit untersteht
den allgemeinen Bestimmungen der Arbeiterkontrolle.
Art. 14. Alle
Bürger, welche in der Landwirtschaft tätig sind,
müssen auf Kosten des Staates gegen Krankheit, Tod,
Alter und Unfall, die sie arbeitsunfähig machen,
versichert sein.
Art. 15. Alle
nicht arbeitsfähigen Landwirte, sowie die nicht
arbeitsfähigen Mitglieder ihrer Familie müssen auf
Kosten der Organe der Sowjetregierung versorgt
werden.
Art. 16. Jede
werktätige bäuerliche Wirtschaft muß gegen
Feuersgefahr, Viehseuchen, Mißernten, Dürre,
Hagelschlag und andere Unglücksfälle auf Grund
einer gegenseitigen Sowjet-Rückversicherung
versichert sein.
Art. 17. Der
Überschuß der Einnahmen, welcher der natürlichen
Fruchtbarkeit der besten Landanteile sowie deren
günstiger Lage in Jbezug auf die Absatzmärkte
verdankt wird, wird den Organen der Sowjetregierung
für den Bedarf der Gesamtheit zur Verfügung
gestellt.
Art. 18. Der
Handel mit landwirtschaftlichen Maschinen und
Sämereien wird von den Organen der Sowjetregierung
monopolisiert.
Art. 19. Der
Getreidehandel — sowohl Innen- wie Außenhandel —
muß Staatsmonopol sein.
(Veröffentl. in
der Nr. 162 der „Iswestija des All-russ.
Zentral-Exekutivkomitees der Sowjets" vom 1. Aug.
1918.)
Quelle:
Illustrierte
Geschichte der russischen Revolution, Berlin
1928, S.480f |