Texte zur Oktoberrevolution

Über die obligatorische militärische Ausbildung

26.4.1918

Eine der grundlegenden Aufgaben des Sozialis­mus ist die Befreiung der Menschheit von der Last des Militarismus und der Barbarbei der blutigen Konflikte zwischen den Völkern. Das Ziel des Sozialismus ist die allgemeine Abrüstung, der ewige Friede und das brüderliche Zusammenarbeiten aller die Erde bewohnenden Völker.

Dieses Ziel wird verwirklicht sein, wenn in allen mächtigen kapitalistischen Ländern die Gewalt in die Hand der Arbeiterklasse übergegangen sein wird, die die Produktionsmittel den Ausbeutern ent­reißen, sie allen Arbeitenden zur gemeinsamen Nutzung übergeben und als eine unerschütterliche Grundlage der menschlichen Solidarität die kommunistische Ordnung aufrichten wird.

Zurzeit besitzt nur in Rußland die Arbeiter­klasse die Staatsgewalt. In allen anderen Ländern steht die imperialistische Bourgeoisie an der Macht. Ihre Politik läuft auf die Unterdrückung der kommunistischen Revolution und Knechtung aller schwachen Völker hinaus. Die russische Sowjet­republik, die von allen Seiten von Feinden umgeben ist, muß deshalb eine mächtige Armee schaffen, unter deren Schutz die kommunistische Umgestal­tung der Gesellschaftsordnung des Landes sich voll­ziehen wird.
Die Arbeiter- und Bauern-Regierung der Republik hat sich zur unmittelbaren Aufgabe gestellt, alle Bürger zur allgemeinen Arbeits- und Wehrpflicht heranzuziehen. Bei dieser Arbeit stößt sie auf den hartnäckigen Widerstand der Bourgeoisie, die auf ihre wirtschaftlichen Vorrechte nicht verzichten will und durch Verschwörung. Aufstände und verräterische Abmachungen mit fremdländischen Imperia­listen versucht, die Staatsgewalt wieder an sich zu reißen.

Die Bourgeoisie bewaffnen, würde bedeuten, einen ununterbrochenen inneren Krieg in die Reihen der Armee tragen und die Kraft der letzteren im Kampfe mit den äußeren Feinden lahmlegen. Die wucherischen und ausbeuterischen Teile der Ge­sellschaft, die nicht gewillt sind, die gleichen Pflichten und Rechte wie die anderen auf sich zu nehmen, dürfen nicht in den Besitz von Waffen ge­langen. Die Arbeiter- und Bauern-Regierung wird Wege finden, um in dieser oder jener Form einen Teil der Bürde der Verteidigung der Republik, die durch Verbrechen der besitzenden Klassen in schwerste Prüfung und Not gedrängt wurde, der Bourgeoisie aufzuerlegen. Aber die militärische Ausbildung und die Volksbewaffnung werden sich in der nächsten Übergangszeit nur auf die Arbeiter und die keine fremde Arbeit ausbeutenden Bauern beschränken.

Bürger im Alter von 18 bis 40 Jahren, welche die militärische Pflichtausbildung durchgemacht haben, werden als militärpflichtig registriert werden. Auf den ersten Aufruf der Arbeiter- und Bauern-Regie­rung sind sie verpflichtet, sich zu stellen, um die Kaders der Roten Armee, die aus den ergebensten und aufopferungsbereiten Kämpfern für die Freiheit und Unabhängigkeit der Russischen Sowjetrepublik und die internationale sozialistische Revolution be­stehen, aufzufüllen.

1. Der Pflichtausbildung unterliegen die Bürger der Russischen Föderativen Sowjetrepublik:

1.1. im schulpflichtigen Alter, dessen untere Grenze von dem Volkskommissar für Aufklärung festgesetzt wird;
1.2. im vorbereitenden Alter von 16 bis 18 Jahren und
1.3. im gestellungspflichtigen Alter von 18 bis 40 Jahren.

Die Ausbildung der Bürgerinnen erfolgt mit ihrem Einverständnis nach dem allgemeinen Verfahren.

Anmerkung: Personen, deren religiöse Überzeugungen den Gebrauch von Waffen ausschließen, werden nur zu denjenigen Obliegenheiten der Ausbildung herangezogen, die mit dem Waffengebrauche nicht verbunden sind.

2. Die Ausbildung des vorbereitenden und ge­stellungspflichtigen Alters obliegt dem Volkskom­missar für Krieg, die des schulpflichtigen dem Volkskommissar für Aufklärung unter enger Be­teiligung des Volkskommissars für Krieg.

3. Der Ausbildung unterliegen Arbeiter, die in Fabriken, Werkstätten, Gütern und auf dem Lande arbeiten, und Bauern, die keine fremde Arbeit aus­beuten.

4. Die militärische Pflichtausbildung an den ein­zelnen Orten leiten militärische Kommissariate (nach Bezirken, Gouvernements, Kreisen und Wo-Iosts) in die Wege.

5. Während der Zeit der Ausbildung erhalten die Pflichtigen keinerlei Entschädigung. Die Ausbildung muß so eingerichtet sein, daß während derselben die Pflichtigen möglichst ihrer regelmäßigen Beschäftigung nicht entzogen werden.

6. Die Ausbildung dauert ununterbrochen acht Wochen und in jeder Woche nicht unter zwölf Stunden. Die Dauer der Ausbildung spezieller Armeegattungen und die Reihenfolge der Wiederholungsübungen werden durch besondere Gesetze bestimmt werden.

7. Personen, die eine Ausbildung in der regulären Armee bereits durchgemacht haben, können nach Ablegung einer entsprechenden Prüfung von der Ausbildung befreit werden; ihnen ist im allgemeinen Verfahren wie Personen, die die obligatorische Ausbildung durchgemacht haben, eine Bescheinigung auszustellen.

8. Die Ausbildung erfolgt durch vorbildende Instruktoren nach einem von dem Volkskommissar für Krieg genehmigten Programm.

9. Wer sich der obligatorischen Ausbildung ent­zieht oder mit Nachlässigkeit die Obliegenheiten der Ausbildung erfüllt, wird zur Verantwortung gezogen.
 

(Veröffentl. in Nr. 83 der „Iswestija des AZEK. der Sowjets" vom 26. April 1918)

 

Quelle: Illustrierte Geschichte der russischen Revolution, Berlin 1928,  S.494f