1) Die Kirche wird vom Staate getrennt.
2) Innerhalb der Grenzen der Republik ist es
verboten, irgendwelche örtlichen Gesetze oder
Verordnungen zu erlassen, die die
Gewissensfreiheit beschränken oder einengen
oder auf Grund der Zugehörigkeit der Bürger zu
einer bestimmten Konfession Vergünstigungen
und Privilegien erteilen.
3) Jeder Bürger kann sich zu einer beliebigen
Religion bekennen oder auch zu gar keiner.
Jeder Rechtsverlust, der im Zusammenhange mit
der Zugehörigkeit zu irgendeinem Glauben oder
mit der Nichtzugehörigkeit zu einem Glauben
steht, wird aufgehoben.
Anmerkung: Aus allen amtlichen Akten wird der
Hinweis auf die Zugehörigkeit oder
Nichtzugehörigkeit der Bürger zu einer
Religion entfernt.
4) Die staatlichen und gesetzlich-öffentlichen
Veranstaltungen werden von keinen religiösen
Gebräuchen und Zeremonien begleitet.
5) Die freie Ausübung der religiösen
Gebräuche wird so weit gestattet, als sie die
öffentliche Ordnung nicht stört und die Rechte
der Bürger der Sowjetrepublik nicht
einschränkt. Die örtliche Gewalt hat das
Recht, alle erforderlichen Maßnahmen zu
ergreifen, damit die allgemeine Ordnung und
Sicherheit nicht gestört werden.
6) Niemand darf, gestützt auf seine religiösen
Ansichten, sich seinen bürgerlichen Pflichten
entziehen. Ausnahmen dürfen unter der
Bedingung gemacht werden, daß eine bürgerliche
Pflicht gegen eine andere ersetzt wird. In
jedem einzelnen Falle hat darüber das
Volksgericht zu entscheiden.
7)
Der religiöse Eid oder Schwur wird aufgehoben.
In unumgänglichen Fällen wird nur ein
feierliches Versprechen gegeben.
8) Die Standesamtsregister werden nur von
den weltlichen Behörden geführt: in Abteilungen
für Ehe und Geburten.
9)
Die Schule wird von der Kirche getrennt.
Der Religionsunterricht wird in keiner
staatlichen, öffentlichen oder
Privatlehranstalt, wo allgemeinbildende Dinge
gelehrt werden, geduldet.
Die Bürger dürfen privaten Religionsunterricht
erteilen und nehmen.
10). Alle kirchlichen und religiösen
Gemeinschaften unterstehen den allgemeinen
Bestimmungen der Privatgesellschaften und
Verbände und werden in keiner Weise durch
Vorrechte oder Hilfsgelder unterstützt, weder
vom Staate noch von örtlich-autonomen und
selbstverwaltenden Behörden.
11) Zwangsmäßige Eintreibung von Abgaben und
Gebühren zum Besten kirchlicher oder religiöser
Gemeinschaften, ebenso wie Zwangsmaßregeln oder
Strafen von Seiten dieser Gemeinschaften oder
ihrer Glieder werden nicht gestattet.
12) Keine kirchliche oder religiöse
Gemeinschaft hat das Recht auf Eigentum. Die
Rechte einer juristischen Person besitzen sie
nicht.
13. Alles Eigentum der in Rußland bestehenden
kirchlichen und religiösen Gemeinschaften wird
zum Volkseigentum erklärt. Die Gebäude und
Gegenstände, die zu gottesdienstlichen Zwecken
gebraucht werden, werden nach besonderen
Bestimmungen der örtlichen oder
zentralstaatlichen Gewalt den betreffenden
religiösen Gemeinschaften zur kostenlosen
Benutzung übergeben.
(Veröffentl. in Nr. 15 der Ztg. der Arbeiter-
und Bauern-Reg. vom 23. Jan. / 5. Febr. 1918.)
Quelle:
Illustrierte
Geschichte der russischen Revolution, Berlin
1928, S.490f |