Texte zur Oktoberrevolution

Über die Trennung der Kirche vom Staate und der Schule von der Kirche


20.1.1917

1) Die Kirche wird vom Staate getrennt.

2) Innerhalb der Grenzen der Republik ist es verboten, irgendwelche örtlichen Gesetze oder Ver­ordnungen zu erlassen, die die Gewissensfreiheit beschränken oder einengen oder auf Grund der Zugehörigkeit der Bürger zu einer bestimmten Kon­fession Vergünstigungen und Privilegien erteilen.

3) Jeder Bürger kann sich zu einer beliebigen Religion bekennen oder auch zu gar keiner. Jeder Rechtsverlust, der im Zusammenhange mit der Zu­gehörigkeit zu irgendeinem Glauben oder mit der Nichtzugehörigkeit zu einem Glauben steht, wird aufgehoben.

Anmerkung: Aus allen amtlichen Akten wird der Hinweis auf die Zugehörigkeit oder Nicht­zugehörigkeit der Bürger zu einer Religion ent­fernt.

4) Die staatlichen und gesetzlich-öffentlichen Veranstaltungen werden von keinen religiösen Ge­bräuchen und Zeremonien begleitet.

5)  Die freie Ausübung der religiösen Gebräuche wird so weit gestattet, als sie die öffentliche Ord­nung nicht stört und die Rechte der Bürger der Sowjetrepublik nicht einschränkt. Die örtliche Ge­walt hat das Recht, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit die allgemeine Ordnung und Sicherheit nicht gestört werden.

6) Niemand darf, gestützt auf seine religiösen Ansichten, sich seinen bürgerlichen Pflichten ent­ziehen. Ausnahmen dürfen unter der Bedingung gemacht werden, daß eine bürgerliche Pflicht gegen eine andere ersetzt wird. In jedem einzelnen Falle hat darüber das Volksgericht zu entscheiden.

7) Der religiöse Eid oder Schwur wird aufge­hoben. In unumgänglichen Fällen wird nur ein feierliches Versprechen gegeben.

8)  Die Standesamtsregister werden nur von den weltlichen Behörden geführt: in Abteilungen für Ehe und Geburten.

9)  Die Schule wird von der Kirche getrennt. Der Religionsunterricht wird in keiner staatlichen, öffent­lichen oder Privatlehranstalt, wo allgemeinbildende Dinge gelehrt werden, geduldet.
Die Bürger dürfen privaten Religionsunterricht erteilen und nehmen.

10). Alle kirchlichen und religiösen Gemeinschaf­ten unterstehen den allgemeinen Bestimmungen der Privatgesellschaften und Verbände und werden in keiner Weise durch Vorrechte oder Hilfsgelder unterstützt, weder vom Staate noch von örtlich-auto­nomen und selbstverwaltenden Behörden.

11) Zwangsmäßige Eintreibung von Abgaben und Gebühren zum Besten kirchlicher oder religiöser Gemeinschaften, ebenso wie Zwangsmaßregeln oder Strafen von Seiten dieser Gemeinschaften oder ihrer Glieder werden nicht gestattet.

12) Keine kirchliche oder religiöse Gemeinschaft hat das Recht auf Eigentum. Die Rechte einer juristischen Person besitzen sie nicht.

13. Alles Eigentum der in Rußland bestehenden kirchlichen und religiösen Gemeinschaften wird zum Volkseigentum erklärt. Die Gebäude und Gegenstände, die zu gottesdienstlichen Zwecken gebraucht werden, werden nach besonderen Be­stimmungen der örtlichen oder zentralstaatlichen Gewalt den betreffenden religiösen Gemeinschaften zur kostenlosen Benutzung übergeben.

(Veröffentl. in Nr. 15 der Ztg. der Arbeiter- und Bauern-Reg. vom 23. Jan. / 5. Febr. 1918.)

Quelle: Illustrierte Geschichte der russischen Revolution, Berlin 1928,  S.490f